Die Schatten der Freiheit - Katharina Ising - E-Book

Die Schatten der Freiheit E-Book

Katharina Ising

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Beschreibung

Clara, Tochter eines großen Adelshauses in Hohenberg soll einen Grafen heiraten, den sie gar nicht kennt oder liebt. Sie will nicht sich den gesellschaftlichen Pflichten nachgehen, wie es von Anfang an geplant ist für sie. Sie verliebt sich einen einen gewöhnlichen Mann, der gar nicht den Vorstellungen der Eltern entspricht. Wird sie sich dem Druck der Gesellschaft entziehen können und ihren eigenen Weg gehen?

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Seitenzahl: 139

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Kapitel 1: Ein Herbst in Hohenberg ......................................................................................................... 2

Kapitel 2: Der Graf von Lichtenstein........................................................................................................ 4

Kapitel 3: Der Druck der Familie .............................................................................................................. 6

Kapitel 4: Friedrich Mühlbach – Der Außenseiter ................................................................................... 8

Kapitel 5: Verborgene Wünsche ............................................................................................................ 11

Kapitel 6: Ein Weg ohne Rückkehr ........................................................................................................ 14

Kapitel 7: Die Schatten der Gesellschaft ............................................................................................... 18

Kapitel 8: Der Wendepunkt ................................................................................................................... 20

Kapitel 9: Der Aufbruch ......................................................................................................................... 22

Kapitel 10: Der Abschied ....................................................................................................................... 24

Kapitel 11: Ein neues Leben .................................................................................................................. 27

Kapitel 12: Die Tiefe der Beziehung ...................................................................................................... 30

Kapitel 13: Die Unvorhersehbarkeit des Lebens ................................................................................... 33

Kapitel 14: Die Konfrontation ................................................................................................................ 36

Kapitel 15: Die Hochzeit ........................................................................................................................ 39

Kapitel 16: Ein Unerwarteter Moment .................................................................................................. 42

Kapitel 17: Ein kleines Wunder.............................................................................................................. 45

Kapitel 18: Die Verkündung ................................................................................................................... 47

Kapitel 19: Das Verständnis ................................................................................................................... 50

Kapitel 20: Komplikationen ................................................................................................................... 52

Kapitel 21: Ungewissheit und Bangen ................................................................................................... 54

Kapitel 22: Der Sommer kam................................................................................................................. 56

Kapitel 23: Urlaub und Entspannung..................................................................................................... 58

Kapitel 24: Ende der Schwangerschaft .................................................................................................. 60

Kapitel 25: Die ersten Stunden mit dem Baby ...................................................................................... 62

Kapitel 26: Ein neuer Horizont .............................................................................................................. 64

Kapitel 1: Ein Herbst in Hohenberg

Der Herbst war in Hohenberg immer eine Zeit des Wandels. Die Winde, die durch die Wipfel der Bäume zogen, trugen den Duft von nassem Laub und feuchtem Moos mit sich. Die Sonne schien weniger oft, und an den meisten Tagen hüllte sich die Landschaft in ein trübes Grau, als wolle die Natur sich auf das Unvermeidliche vorbereiten – den Winter. Die Farben der Blätter, die sich von grün zu Gold und tiefem Rot verwandelten, schienen Clara von Hohenberg immer an die Vergänglichkeit des Lebens zu erinnern. Jedes Jahr das gleiche Schauspiel. Und jedes Jahr ein kleiner, stiller Abschied.

Clara stand an einem der hohen Fenster ihres Zimmers im Westflügel des Schlosses und betrachtete die sanft wogenden Hügel, die sich bis zum Horizont erstreckten. Ihre Augen suchten nach etwas, das sie nicht benennen konnte. Etwas, das jenseits der Mauern des Schlosses lag, hinter all den Regeln, die ihr Leben bestimmten.

Der Wind, der das Fenster zerzauste, ließ ihre langen braunen Haare wehen. Sie hatte den Anblick der weiten Landschaft in sich aufgenommen, als könnte sie von dort etwas finden, das sie mit ihren eigenen Träumen verband. Doch in der Stille des Raumes spürte sie die Last ihrer Verpflichtungen.

Sie war die Erbin von Hohenberg, die Tochter eines der ältesten und angesehensten Häuser des Landes. Ihr Leben war nicht ihr eigenes. Es war durchzogen von den Erwartungen, die auf ihrer Familie lasteten, von der Pflicht, das Erbe zu bewahren und die Tradition fortzuführen. Eine Tradition, die sie schon seit ihrer Kindheit kannte und die ihr oft das Gefühl gab, in einem goldenen Käfig zu leben.

„Clara, du bist viel zu lange hier oben“, rief eine vertraute, aber drängende Stimme von unten. „Der Graf wird gleich zum Abendessen erwartet. Du solltest dich beeilen.“

Es war ihre Mutter, die Gräfin von Hohenberg, die das Wort führte, wie sie es schon immer tat. Die strenge, kalte Frau, die in Clara nicht nur eine Tochter, sondern auch eine Pflicht sah. Clara wusste, dass ihre Mutter nur das Beste für sie wollte – zumindest das Beste im Rahmen der gesellschaftlichen Normen und Erwartungen, die sie selbst als junges Mädchen noch nicht hinterfragt hatte.

„Ich komme gleich“, antwortete Clara leise und trat von der Fensterbank zurück. Der Klang ihrer Stimme, so ruhig und zurückhaltend, war der Klang einer jungen Frau, die wusste, was von ihr erwartet wurde – aber nicht, was sie selbst wollte.

Sie zog einen schweren, weinroten Mantel über ihre Schultern, der sie vor der Kälte schützte, und verließ ihr Zimmer. Die langen Gänge des Schlosses waren wie ein Labyrinth, das ihre Gedanken immer wieder auf den gleichen Punkt zurückführte: Ihre Pflicht. Ihre Familie. Der Graf von Lichtenstein, der heute Abend zum Abendessen erwartet wurde, war der perfekte Kandidat – ein hochrangiger Adeliger, finanziell abgesichert, gesellschaftlich anerkannt, ein Mann, den ihre Mutter in jedem möglichen Sinne für Clara als idealen Ehemann auserkoren hatte.

Doch Clara fühlte nichts für ihn. Kein Funken von Zuneigung, geschweige denn Liebe. Er war ein Symbol der Ordnung, des Anstandes, der Gesellschaft – ein Symbol für alles, was sie nicht wollte. Und dennoch wusste sie, dass sie ihm gegenüber keine Wahl hatte. In ihrer Welt gab es keine Freiheit. Jeden Tag wurde sie daran erinnert, dass ihre Rolle in der Gesellschaft eine war, die sie erfüllen musste. Sie war nicht nur Clara, die junge Frau, die träumen konnte – sie war die Erbin von Hohenberg, eine Repräsentantin ihrer Familie, ihrer Ahnen und ihrer Geschichte.

„Clara, bist du schon fertig?“ Ihre Mutter tauchte in der Tür auf, und Clara konnte den besorgten Blick in den Augen der Gräfin sehen. Sie wusste, dass ihre Mutter mehr als nur besorgt war. In ihren Augen lag eine Erwartung, die schwerer war als jeder äußere Druck. Die Verlobung mit dem Grafen war nur noch eine Formsache. Eine Entscheidung, die nicht nur Claras Leben, sondern das der ganzen Familie prägte. Und Clara wusste, dass ihre Mutter die Zügel fest in der Hand hielt – sie würde nie nachgeben.

„Ja, Mutter, ich komme sofort“, antwortete Clara und zwang sich zu einem Lächeln. Es war ein Lächeln, das die Jahre des Zusammenlebens mit ihrer Mutter übertünchte, ein Lächeln, das den tiefen inneren Konflikt verbarg, der Clara immer mehr zerriss. Was bedeutete es, den Erwartungen ihrer Familie zu entsprechen, wenn es hieß, sich selbst zu verlieren?

Das Abendessen war eine jener festlichen Anlässe, die immer die gleiche Ritualitäten befolgten. Clara nahm ihren Platz am Tisch ein, zwischen ihrer Mutter und dem Grafen von Lichtenstein. Der Mann, der so viele ihrer Träume zerstörte, war höflich und charmant, aber Clara konnte die Leere in ihren eigenen Bewegungen nicht leugnen. Jedes Wort, das er sprach, schien sich nur um das zu drehen, was ihre Familie erwartete: Wohlstand, Status, Verantwortung. Für einen Moment fragte sie sich, ob er auch in den gleichen Käfig lebte wie sie. Doch sie wusste, dass seine Freiheit nie in Frage gestellt worden war – seine Freiheit lag in seiner Rolle.

„Wie geht es dir, Clara?“ Der Graf war ein Mann der Gewohnheit. Seine Worte waren formell, seine Miene stets freundlich. Doch es fehlte die Wärme, die man von einem Menschen erwarten würde, den man liebte.

„Gut, danke“, antwortete Clara, ihre Stimme kühl und sachlich. Ihre Gedanken aber schweiften immer wieder zu einem anderen Bild. Zu Friedrich Mühlbach. Der junge Mann, der so anders war. Der nicht in ihre Welt passte, aber auf eine seltsame Weise ein lebendiger Beweis für das war, was sie sich wünschte – Freiheit. Freiheit, die sie nicht hatte, die sie nie haben würde, wenn sie weiterhin in diesem goldenen Käfig gefangen blieb.

Friedrich war kein Mann der Traditionen. Er war ein Denker, ein Träumer, der die Gesellschaft auf seine Weise infrage stellte. Er sprach von einer Welt, in der Menschen nicht durch ihre Herkunft oder ihren Stand definiert wurden, sondern durch ihre eigenen Überzeugungen und Taten. Eine Welt, in der die Freiheit des Einzelnen über allem stand.

Doch Clara wusste, dass es eine solche Welt für sie nicht gab. Zumindest nicht in der Welt, die ihre Familie für sie vorgesehen hatte.

„Clara?“ Die Stimme ihrer Mutter riss sie aus ihren Gedanken. Die Gräfin blickte sie mit einem stechenden Blick an. „Du bist so still. Der Graf fragt sich, ob du etwas auf dem Herzen hast.“

Clara zuckte zusammen. „Nein, es ist nur… Ich war in Gedanken versunken.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln und sah den Grafen von Lichtenstein an. Doch in ihrem Inneren wusste sie, dass es mehr war als nur Gedanken. Es war der schleichende Verdacht, dass sie sich in einem Leben verloren hatte, das nicht ihres war.

Der Graf nickte höflich, aber Clara spürte, dass auch er nichts anderes von ihr erwartete als das, was sie ihm bereits zeigte: eine Tochter, die die Erwartungen ihrer Familie erfüllte.

Sie sah zum Fenster hinaus, auf das verregnete Tal, und wünschte sich, irgendwo dort draußen das zu finden, was sie in sich selbst nicht finden konnte.

Kapitel 2: Der Graf von Lichtenstein

Der nächste Morgen brach grau und neblig über dem Schloss Hohenberg an, doch die düstere Stimmung war keine Überraschung für Clara. Der Nebel, der die Landschaft umhüllte, schien ihre Gedanken zu spiegeln, als sie in den Frühstückssaal trat, wo bereits ihre Mutter und der Graf von Lichtenstein warteten. Die Gräfin saß aufrecht und elegant an einem der langen Tische, ihre Hände in ein schlichtes, aber teures Tuch gewickelt, ihre Haltung des einen unerschütterlichen Standes. Der Graf saß ihr gegenüber, in seinem makellosen, dunkelblauen Anzug, der seinen Status und seine Pflichtbewusstheit nur zu deutlich widerspiegelte.

Clara trat ein, und das Gespräch verstummte für einen Moment. Die Blicke der beiden erwachsenen Gesichter lagen auf ihr, erwartungsvoll, wie immer. Sie setzte sich auf ihren Platz und zwang sich zu einem Lächeln, das die Unsicherheit, die in ihr brodelte, geschickt überdeckte.

„Guten Morgen, Clara“, sagte der Graf von Lichtenstein mit einem Höflichkeitsritual, das so routiniert war, dass es beinahe leer klang. „Ich hoffe, du hast gut geschlafen.“

„Ja, danke“, antwortete Clara, und ihre Stimme war so ruhig, dass sie selbst überrascht war. Wie viele Male hatte sie diesen Satz schon ausgesprochen, während ihre Gedanken woanders waren? Wie oft hatte sie sich gefragt, ob sie die Freiheit, die sie sich sehnlich wünschte, jemals finden würde, oder ob sie für immer in dieser goldenen Zelle gefangen bleiben würde?

„Wir haben so viel zu besprechen“, sagte ihre Mutter, die ihre Augen in einem Gespräch mit dem Grafen verloren hatte. „Clara, der Graf wird uns bei unseren Aktivitäten helfen können. Er kennt die beste Gesellschaft in der Region und hat bereits viele Kontakte geknüpft. Es wäre eine ideale Gelegenheit für uns, den Status des Hauses Hohenberg weiter zu festigen.“

Clara nickte, doch ihre Gedanken waren nicht bei den „Aktivitäten“ ihrer Familie, sondern bei dem Bild von Friedrich Mühlbach, das sich immer wieder in ihre Vorstellung drängte. Friedrich – der Denker, der Idealist. Der Mann, der mit Worten und Visionen die Welt herausforderte. Wie anders war er im Vergleich zu dem Grafen, der in seiner Welt von Regeln und Traditionen lebte.

Sie hatte gestern Abend noch lange an ihn gedacht, als das Abendessen vorbei war und sie in ihrem Zimmer saß. Die Erinnerung an seine Augen, die so klar und entschlossen gewesen waren, hatte sie den ganzen Abend über begleitet. Es war ein Blick, der die Welt zu verändern schien. Und doch war sie gefangen in einer Welt, die sie nicht gewählt hatte.

„Clara?“ Die Stimme des Grafen riss sie aus ihren Gedanken. „Ich wollte wissen, ob du den Vorschlag von gestern Abend in Erwägung gezogen hast. Was hältst du von einer Verlobung?“

Seine Frage kam ruhig und bedacht, aber auch mit der Selbstverständlichkeit, die Männer seiner Klasse oft ausstrahlten. Clara fühlte sich plötzlich wie in einem Schockzustand. Die Worte, die er ausgesprochen hatte, hallten in ihrem Kopf wider, als seien sie aus einer anderen Welt. Die Verlobung. Sie hatte sie für selbstverständlich gehalten, doch jetzt, im Angesicht des Grafen, fühlte sie sich von dieser Erwartung mehr denn je erdrückt.

„Ich… Ich weiß es noch nicht“, stotterte Clara schließlich, obwohl sie wusste, dass es die Antwort war, die sie nicht hätte geben dürfen. In ihrer Familie gab es keine Unsicherheit. Keine Zweifel. Ihre Mutter legte den Löffel auf ihren Teller und blickte sie mit einem scharfen, prüfenden Blick an.

„Clara, du musst verstehen, dass dies eine Entscheidung ist, die nicht nur dein Leben betrifft“, sagte ihre Mutter mit einer Stimme, die so fest war wie das Gemäuer des Schlosses. „Es geht nicht nur um dich. Es geht um die Zukunft des Hauses Hohenberg, um das Wohl der Familie, um unser Ansehen. Der Graf von Lichtenstein ist der beste Mann, den du dir wünschen kannst. Du musst darüber nachdenken. Die Verlobung ist der nächste Schritt. Es ist deine Pflicht.“

Clara fühlte sich gefangen in den Worten ihrer Mutter. Es war, als würden sie sie mit jeder Silbe tiefer in den Sumpf ihrer eigenen Verantwortung ziehen. Der Graf war alles, was ihre Mutter sich je gewünscht hatte: ein Mann von hohem Stand, ein Mann mit Verantwortung und Einfluss. Doch Clara wusste, dass sie sich selbst in dieser Ehe niemals wiederfinden würde. Ihre Freiheit war das, was sie am meisten fürchtete zu verlieren.

„Ich werde darüber nachdenken“, sagte Clara schließlich, ohne den Blick von ihrem Teller abzuwenden. Sie konnte die Erleichterung in der Miene ihrer Mutter sehen. Doch ihre eigene Erleichterung war nur von kurzer Dauer. In ihrem Inneren war etwas anderes. Etwas, das sie nicht benennen konnte, aber das sie immer stärker spürte – eine wachsende Ablehnung gegenüber der Vorstellung, sich einem Leben zu fügen, das sie nicht selbst gewählt hatte.

Die restliche Zeit des Frühstücks verlief in einem formalisierten Schweigen, als würde niemand das wirklich ansprechen, was zwischen den Worten schwebte. Clara konnte es fühlen – die Nähe des Grafen, die drängende Erwartung ihrer Mutter, die unterdrückte Spannung in ihr selbst. Aber was blieb ihr? Sie konnte nicht einfach weggehen. Sie konnte nicht fliehen.

Doch da war auch noch ein anderes Gefühl. Ein Gefühl, das sie wie ein ständiges Flackern in ihrem Inneren begleitete, wie ein Licht, das in den finsteren Ecken ihrer Gedanken schimmerte. Friedrich. Der Mann, der von einer anderen Welt sprach, der eine andere Freiheit versprach. Ihr Blick wanderte unbewusst zum Fenster, und für einen Moment, der wie eine Ewigkeit schien, war alles, was sie sah, die Ferne. Das Gefühl, dass irgendwo da draußen ein anderer Weg auf sie wartete. Ein Weg, der nicht von den Fesseln der Gesellschaft oder der Familie bestimmt war.

„Clara?“ Ihre Mutter hatte das Gespräch wieder aufgenommen, doch Clara hörte nicht mehr wirklich zu. Sie sah nur aus dem Fenster, in die graue Weite, in der der Nebel die Welt zu verschlingen schien.

„Ja, Mutter“, sagte sie mechanisch. „Ich habe verstanden.“

Kapitel 3: Der Druck der Familie

Die Tage vergingen in einem Rausch aus Verpflichtungen, gesellschaftlichen Pflichten und den ständigen Gesprächen über die Verlobung mit dem Grafen von Lichtenstein. Jeden Tag, wenn Clara den Flur entlangging, an den Zimmern ihrer Familie vorbeikam, in denen das Porzellan glänzte und die Tapeten mit den Wappen der Hohenbergs verziert waren, fühlte sie sich mehr und mehr wie eine Marionette in einem Theaterstück, dessen Ausgang längst festgelegt war.

Der Nachmittag, der vor ihr lag, war besonders drückend. Die Gräfin von Hohenberg hatte ein Gespräch mit Clara arrangiert, in dem sie ihr erneut die Wichtigkeit der bevorstehenden Verlobung erklärte. Clara wusste, was kommen würde – und dennoch konnte sie den Widerstand, der in ihr brodelte, nicht abstellen.

„Clara, wir müssen über den Grafen sprechen“, begann ihre Mutter, als sie sich in einem der großen Salons des Schlosses niederließen. Der Raum war voll von antiquarischen Möbeln und Gemälden ihrer Ahnen, und die schwere Atmosphäre schien sich auf Clara zu legen, als sie sich gegenüber ihrer Mutter setzte.

„Du weißt, dass diese Verlobung nicht nur für dich von Bedeutung ist. Es geht um das Wohl der Familie, um unser Ansehen und unseren Platz in der Gesellschaft. Du bist nicht einfach eine junge Frau, die ihre eigene Zukunft wählen kann. Du bist die Erbin von Hohenberg, und das trägt eine Verantwortung, die du nicht ignorieren darfst“, sagte die Gräfin mit einer Stimme, die wie das unnachgiebige Rauschen des Windes gegen die Mauern des Schlosses klang.

Clara konnte spüren, wie sich ihr Magen verkrampfte. Ihre Mutter verstand nicht. Sie verstand nicht, dass Clara sich in diesem Leben immer weniger wiederfand. Dass es nicht um das Wohl der Familie ging, sondern um ihre eigene Seele, die immer weiter von dem entfremdet wurde, was sie wirklich wollte.

„Ich verstehe, Mutter“, sagte Clara mit einem Tonfall, der mehr der Gewohnheit als der Wahrheit entsprach. Sie hatte diese Worte schon so oft ausgesprochen, dass sie fast wie ein Mantra klangen. Doch in ihrem Inneren spürte sie den Widerstand, der sich wie ein eisiger Strom durch ihre Adern zog. Warum konnte ihre Mutter nicht sehen, wie viel Clara von ihrem eigenen Leben beraubt wurde? Warum konnte sie nicht begreifen, dass es nicht nur um gesellschaftlichen Ruhm und Reichtum ging? Dass es um ihre eigene Identität ging.

„Du musst dich entscheiden, Clara. Der Graf von Lichtenstein ist der Mann, mit dem du deine Zukunft sichern kannst. Alles, was du dir von einem Leben erhoffst, wird mit ihm möglich sein – Wohlstand, Sicherheit, ein Platz in der besten Gesellschaft.“ Die Gräfin sprach in einem monotonen Ton, als wolle sie Clara die Worte einimpfen, die sie so dringend für notwendig hielt.