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Fregaz und Faugaz mischen die Geisterwelt auf: Am Strand der Insel Langeoog finden Luna und Jonte eine alte, von Muscheln bedeckte und fest verkorkte Flasche. Plastikmüll ist das nicht! Eine Flaschenpost vielleicht? Natürlich nehmen die Geschwister sie mit nach Hause. In der Nacht bemerken sie, dass von dem Gefäß ein seltsames Leuchten ausgeht. Neugierig öffnen sie die Flasche - und machen Bekanntschaft mit zwei frechen Geistern, die lange Zeit in der Flasche gefangen waren und nun ihre verschollenen Verwandten und Freunde aufspüren wollen. Das ist schwieriger als erwartet, denn die neu gewonnene Freiheit ist nicht von Dauer. Und so beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Hilft der verzauberte Zeitwürfel? Zwei freche Geister und ein magischer Würfel: Die Schiffsgeister. Die geheimnisvolle Flasche ist der Auftakt einer neuen Reihe für Kinder ab acht Jahren von Bettina Göschl. Das gleichnamige Hörbuch erscheint bei JUMBO und wird von Jonas Minthe gesprochen, der der Geschichte Leben einhaucht.
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Seitenzahl: 93
Veröffentlichungsjahr: 2025
Deutschsprachige Erstausgabe
1. Auflage 2025
© 2025 JUMBO Neue Medien & Verlag GmbH, Hamburg
Alle Rechte vorbehalten
Text: Bettina Göschl
Illustrationen: Franziska Harvey
Lektorat: Nina Schulze
Grafische Bearbeitung: Silke Porsche
Druck: FINIDR, s.r.o., Lípová 1965, 737 01 Český Tešín
Tschechische Republik
ISBN: 978-3-8337-4947-6
eISBN: 978-3-8337-4948-3
Das gleichnamige Hörbuch, gesprochen von Jonas Minthe, ist im JUMBO Verlag erschienen (ISBN 978-3-8337-4994-0).
www.jumboverlag.de
BETTINA GÖSCHL
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
Luna ist ein echtes Küstenkind und fasziniert vom Leben im und am Meer
Jonte begeistert sich für Wind und Wetter, aber er liebt auch Abenteuer und magische Geschichten
Der Zeitwürfel hat magische Kräfte
Faugaz, der Geisterpirat, gilt als der faulste Geist aller Zeiten
Fregaz, das Klabautermädchen, ist mit Stolz der frechste Geist aller Zeiten
Die Flasche lag lange Zeit auf dem Meeresgrund und ist das Zuhause der beiden Schiffsgeister
Die Flasche ruhte seit sehr langer Zeit auf dem Meeresgrund in den dunklen Tiefen der Nordsee. Einst hatte ihr Glas bläulich geschimmert, doch jetzt war sie durch die unendlich vielen Jahre hier unten im Wasser von Muscheln, Tang, Algen und Seepocken überwuchert. Auch der große Korken, der die Öffnung verschloss, war mittlerweile fest mit ihr verwachsen.
Doch so einsam und verlassen die Flasche von außen wirkte, so lebendig war es in ihrem Inneren …
Ganz in der Nähe lag ein altes Schiffswrack auf dem Meeresboden. Man konnte nur noch erahnen, wie wunderschön die Kogge einmal gewesen sein musste. Die Gallionsfigur, ein aus Holz geschnitzter Drache, war kaum mehr zu erkennen. Der Schriftzug „Wilde Hilde“ war verwittert und nur mühsam zu entziffern. Einst waren das Schiff und seine Besatzung berühmt gewesen, berüchtigt und gefürchtet. Doch in einer schlimmen Sturmflutnacht war das mächtige Piratenschiff gesunken. Damals hatten manche gemunkelt, es hätte an Bord ordentlich gespukt. Andere wiederum hatten erzählt, dass in jener stürmischen Nacht ein riesiger achtarmiger Zauberkrake namens Octavolus das Schiff in die Tiefe gezogen haben soll. Dadurch seien mit der Wilden Hilde nicht nur Käpt’n Blauauge, seine Mannschaft und all ihre Schätze wie Gold, Silber und Edelsteine untergegangen. Auch sämtliche Schiffs- und Meeresgeister, die sich an Bord und in der Nordsee getummelt und ihr Unwesen getrieben hatten, waren seither verschollen: Klabautermänner, Nixen, Geisterpiraten, Wind- und Sturmhexen. Niemand wusste, wo sie geblieben waren.
Es hatte Geschichten gegeben, Octavolus hätte alle magischen Wesen verzaubert oder gefangen genommen.
Zum Glück war das Geisterleben noch nicht ganz verschwunden. Das Blöde war nur, dass Faugaz und Fregaz sich eine Flasche teilen mussten. Und zwar genau diese, die sich in einem Fischernetz verfangen hatte und seither auf dem kalten Meeresboden rumlag. Zwei Schiffsgeister aus unterschiedlichen Familien, und das über mehrere Jahrhunderte. Das konnte nicht gut gehen!
Fregaz war ein kleines Klabautermädchen, frech, aber liebenswert. Sie trug nicht wie alle anderen aus der Klabauterfamilie rotes Haar. Nein, ihre Haarpracht war türkisblau. Ihre Zähne schimmerten grünlich und wenn sie grinste, sah man ihre Zahnlücke. Ihre Hose war viel zu kurz. Dafür waren die Schuhe drei Nummern zu groß.
Faugaz gehörte einer Geisterpiratenfamilie an. Seine Cousine Sally war ein sehr berühmter Seeräubergeist und hatte wie er auf der Wilden Hilde gelebt, bis sie sich entschloss, eine Weile in einem alten Piratenturm in Ostfriesland herumzugeistern. Er vermisste sie und den Rest der Familie sehr.
In der Dunkelheit des Meeres spendeten sich die Schiffsgeister gegenseitig Licht. Denn was Faugaz und Fregaz wirklich gut konnten, war in der Finsternis zu leuchten. Doch irgendwie mussten sie sich ihre Zeit vertreiben. Denn die beiden hockten ja in der Flasche fest, was nicht gerade für gute Laune bei ihnen sorgte. Ungemütlich war es auch noch.
Es gab keine Möbel und nicht einmal eine Hängematte, in der der Seeräubergeist früher so gerne geschlafen hatte.
Darum saßen sie wie so oft auf dem Flaschenboden und würfelten. Wer die höchste Punktzahl hatte, gewann. Faugaz schüttelte den Becher und ließ zwei Würfel rollen. „Juchu!“, jubelte er. „Zwei Siebener!“
Fregaz tippte sich an die Stirn. „Bist du blind, oder was? Wie oft soll ich es dir noch sagen? Es gibt keine Siebener auf diesen Würfeln. Die haben nur sechs Seiten. Auf einer Seite einen Punkt, auf der nächsten zwei, dann drei und so weiter.“
„Gib nicht so an, du Neunmalkluge!“, meckerte der Piratengeist. „Du weißt mal wieder alles besser, was?“ Er streckte nacheinander seine Finger aus und begann zu zählen: „Eins, zwei, fünf, acht, elfzig. Macht zusammen sieben. Sag ich doch!“
Fregaz griff sich in ihre struppigen türkisblauen Haare. Kreuz und quer standen sie von ihrem Kopf ab. „Haha. Du kannst ja nicht mal bis drei zählen. Elfzig gibt es außerdem nicht. Das heißt Elf. Hast du in der Schule nicht aufgepasst, oder was?“
„Schule? Igitt. Bei dem Wort krieg ich echt Pickel.“
Faugaz hielt seiner Mitbewohnerin die Würfelseite mit den sechs Punkten unter die Nase. „Das hier sind jedenfalls sieben. Ich habe gewonnen und darf nochmal.“
„Hör endlich mit dem Schummeln auf, du Gurkennase“, maulte das Klabautermädchen.
„Ich schummele nicht, Stinkmorchel!“, verteidigte sich der Piratengeist.
Fregaz’ giftgrüne Augen funkelten. „Hast du doch, Affenkopf. Und bei unserem letzten Spiel habe ich genau zugeguckt, als du die Würfel heimlich umgedreht hast, sodass zweimal sechs Punkte oben lagen!“
Faugaz schob sich seinen ausgebeulten Piratenhut zurecht. So gern hätte er ganz gefährlich ausgesehen wie ein waschechter Seeräuber. Allerdings wirkte er eher gemütlich und war recht faul. An Bord der Wilden Hilde war es seine Lieblingsbeschäftigung gewesen, Nickerchen zu halten. Besonders stolz war er auf seinen Kugelbauch. Seine Nase erinnerte an eine Kartoffel.
Vom kleinen Seeräubergeist ging ein Leuchten aus, genau wie von seinem Akkordeon, das er mit Begeisterung spielte.
„Nun will ich dir mal was sagen, du feuchtes Handtuch“, schimpfte er. „Ich hab’ noch nie geschummelt.“
„Haha. Sehr witzig!“, blaffte Fregaz. „Ich glaube dir kein Wort, du Gartenzwerg.“
Beleidigt fegte Faugaz mit einer Hand die Würfel weg. „Pah. Dann spielen wir eben mit dem Zeitwürfel.“
Das Klabautermädchen verschränkte die Arme vor der Brust. „Mit dem magischen Zeitwürfel? Einen blöderen Vorschlag hättest du nicht machen können. Du weißt genau, dass das nicht geht. Unsere Flasche ist versiegelt. Den Zeitwürfel können wir erst benutzen, wenn sie wieder geöffnet ist. Es ist einfach ein Graus mit dir, Faugaz. Wenn ich doch wenigstens meine Ruhe hätte und alleine hier drin wohnen könnte.“
„Du glaubst gar nicht, wie froh ich wäre, dich loszuwerden!“, gab der Piratengeist zurück. „Warum muss ich ausgerechnet mit dir, einem Klabautermädchen, so viele Jahre hier drin versauern, hä? Ich bin schon ganz bekloppt. Ich würde alles drum geben, aus diesem Gefängnis abzuhauen. Ach, könnte ich doch wieder als freier Schiffsgeist umherspuken! So wie früher. Und ich meine ganz früher, als wir noch gar nicht in so einer blöden Flasche leben mussten.“
Das Klabautermädchen nickte. „Weißt du was? Ich kann mich an die Zeit als Freigeist nicht mal mehr richtig erinnern. Das ist ewig her. Stattdessen muss ich mich mit dir auf engstem Raum herumärgern. Aber ich kann dir sagen, wer daran schuld ist, dass wir hier drin festsitzen.“
Der Seeräuber sah Fregaz neugierig an. „Na, jetzt bin ich aber mal gespannt.“
„Nur, weil du damals an Bord …“, begann die Koboldin – aber weiter kam sie nicht.
Ein hungriger Hai mit spitzen Zähnen schnappte nach der alten Flasche. Er hielt sie für eine Köstlichkeit. Doch der Raubfisch erwischte nur das Netz und zerrte daran herum.
Die Flasche ruckelte und die zwei Streithähne wankten hin und her. Fast wären sie gestürzt.
„Was war das denn?“, erschrak Fregaz.
Der Geisterpirat sah sich um und zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Die Flasche hat seit Ewigkeiten nicht gewackelt.“
„Stimmt!“, bestätigte das Klabautermädchen. „Seitdem ich mit dir Nervensäge hier auf dem Meeresboden rumliege jedenfalls nicht.“
Immer wieder zog der Hai am Fischernetz. Die Flasche wackelte jetzt so stark, dass die Schiffsgeister darin umherpurzelten. „Hilfeee!“, rief Faugaz und versuchte sich an dem Koboldmädchen festzuhalten.
„He, lass mich los!“, schrie Fregaz und versuchte den Piratengeist abzuschütteln.
Das Netz, das so viele lange Jahre die Flasche gefangen gehalten hatte, löste sich schließlich und gab seine Beute frei. Für die beiden Schiffsgeister fühlte es sich an, als würden sie schweben. Der Hai indessen beäugte seinen Fund in der Hoffnung, endlich ein Fressen gefunden zu haben. Er riss sein Maul weit auf. Doch dann ließ er davon ab und machte kehrt, denn er hatte einen Heringsschwarm entdeckt. Die fetten Fische waren ihm lieber.
Eine Strömung erfasste die Flasche und riss sie mit sich nach oben. Das Zuhause der Geister trudelte in den Wellenbewegungen des Meeres der Oberfläche entgegen. Kleine, neugierige Fische folgten dem uralten Gefäß und pickten ab und zu an ihm herum. Dem Piratengeist wurde schlecht, aber das gab er natürlich nicht zu. Das Klabautermädchen grinste. Dabei kam die Lücke in seinen grünlichen Zähnen zum Vorschein. Auf die war Fregaz mächtig stolz. „Du siehst ja noch blasser aus als sowieso schon“, kicherte sie.
„Hast du ein Gespenst gesehen? Oder bist du einfach nur seekrank?“
Faugaz schüttelte den Kopf. „Ein Schiffsgeist wird nicht seekrank. Seit ich denken kann, war ich auf dem Meer unterwegs. Bei wilden Stürmen, Regen, Schnee und Eis. Ich habe einen Magen wie ein Drache.“
„Das mag ja sein!“, entgegnete die Koboldin. „Aber das ist schon ziemlich lange her. Wir sind das Wanken eines Schiffes gar nicht mehr gewohnt.“
Langsam schwebte die Flasche immer weiter nach oben. Die Schiffsgeister sahen sich bedeutungsvoll an. „Denkst du, was ich denke, Faugaz?“
Der Piratengeist nickte. „Wir werden diese verdammte Flasche bald verlassen können.“
„Juchu!“, jubelte das Klabautermädchen und hüpfte von einem Bein aufs andere. „Was bin ich doch für eine Glückspilzin!“
„Jaha!“, lachte Faugaz und umarmte die Koboldin. „Das muss gefeiert werden!“
Dann schnappte er sich sein Schifferklavier, zog und drückte den Blasebalg und haute dabei ordentlich in die Tasten. Eigentlich hasste Fregaz es, wenn der Piratengeist Akkordeon spielte. Aber heute störte sie das nicht. Ganz im Gegenteil! Die Freude über die bald gewonnene Freiheit überwog. Und so tanzten, sangen und lachten die beiden Schiffsgeister während ihrer Reise an die Wasseroberfläche, unwissend, wohin sie die Meereswellen tragen würden.
Kreischende Möwen flatterten über Jontes, Lunas und Oma Pinas Köpfe hinweg. Zwei von ihnen stritten sich um ein paar Pommes, die ein Kind unterwegs verloren hatte.
Am Strand der Insel Langeoog wehte ein mäßiger Wind, der aus Süd-Westen kam. Die warme Luft streichelte die Haut der Urlauber und die Sonne schien vom fast wolkenlosen Himmel. Auf dem Meer leuchteten die weißen Segel kleinerer Boote. Hin und wieder glitt ein großes Containerschiff langsam am Horizont entlang.
Die Geschwister freuten sich, mit ihrer Oma heute einen Tagesausflug auf der autofreien Insel zu machen. Mit geliehenen Rädern waren die drei über das Pirolatal bis zur Meierei geradelt. Das war ganz schön weit, fand Luna. Aber auf dem Weg hatte sie sich sofort in die zuckersüßen Alpakas mit ihren großen, sanften Augen verliebt. Jonte fand die zotteligen Hochlandrinder mit ihren mächtigen Hörnern viel cooler.