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Die Spitzmaus bittet die Tiere des Waldes, auf die Eule aufzupassen, damit sie nicht die Mäusekinder raubt. Aber die schlaue Eule erzählt immer wieder Geschichten, bei denen die Tiere einschlafen. Das Sandkorn Klitzeklein wäre so gern bei Menschen, übersteht viele Abenteuer und landet in einer Muschel, in der sie zu einer Perle heranwächst und schließlich an der Halskette eines schönen Mädchens hängt. Knax, ein abgebrochener Zweig, fühlt sich unglücklich, gelangt aber in die Hände eines Jungen, der den Zweig zu einer Flöte verarbeitet. In den Geschichten sprechen die Tiere und sogar die Gegenstände. Sie regen zum Staunen an, vermitteln Kenntnisse über die Natur und hinterlassen ein gutes Gefühl, sind also verzaubernd, lehrreich und erbaulich.
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Seitenzahl: 81
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Ingeborg Vernimb 1955 in Innsbruck
Ingeborg Vernimb wurde 1927 in Hamburg geboren. 1954 hat sie den ebenfalls aus Hamburg stammenden Studenten Carlo Vernimb geheiratet, der damals an der Universität Innsbruck Physik studierte. Sie selbst begann an derselben Universität das Studium der Philosophie. Während dieser Zeit schrieb sie Märchen, die 1955 und 1956 von Radio Tirol und später das eine und andere vom Österreichischen und Norddeutschen Rundfunk ausgestrahlt wurden. Diese Märchen sind in dem vorliegenden Buch enthalten.
Ingeborg Vernimb widmete sich danach der Malerei und stellte ihre Bilder in Deutschland, Luxemburg, Belgien und Spanien aus. Zwei ihrer Bilder dienten als Vorlage für die Gestaltung des Umschlags dieses Buches. Die Skizzen zu einigen der Märchen stammen ebenfalls von ihr.
Ingeborg Vernimb hatte zwei Töchter und starb 2013.
Ingeborgs Enkel, Timo Diehl, geboren am 8. Dezember 1982, hat im Jahr 2009 das Märchen Möwe und Krabbe geschrieben und fügt es Ingeborgs Märchen hinzu.
Overijse, 24. Juni 2019. Carlo Vernimb (als Herausgeber)
Das Märchen von der Weintraube
Der König und die Fliege
Der rote Pulli
Die alte Kirchturmuhr
Die Geschichte von den Schistiefeln
Die Lampe
Die schlaue Eule
Die Socken
Die Taube und die Elster
Die Uhr
Die verzauberte Tanne
Die Zwiebel
Dr. med. Wächter
Ein kleiner gelber Schmetterling
Isoldes Traum
Knax
Koko
Vom Sandkorn Klitzeklein
Wer di all finn
Wie die Anemonen in den Wald kamen
Wie die Bäume Mode machten
Wie Hansl den Namen der Maus erfuhr
Die Hochzeitsinsel der Pinguine
Möwe und Krabbe (von Timo Diehl)
Es war einmal eine Traube, die hing ganz allein an einem Rebstock auf einem Berg. Man hatte von hier einen herrlichen Blick, doch der konnte unsere Traube gar nicht mehr freuen; denn sie hatte niemanden, dem sie davon erzählen konnte.
Ein Stück von ihr entfernt stand ein Baum mit vielen Äpfeln. Sie sah, wie sich die Pausbacken aneinanderschmiegten und hörte bis hier ihr Geplauder. Dort auf der Wiese waren aberhundert Blumenköpfchen, die sich im Wind wiegten und sich neckten bis in die späte Nacht. Nur ich bin allein, dachte sie, und eine erste Träne quoll aus ihrem gelbgrünen Bäuchlein.
Da lachte die Sonne ihr ins Gesicht und bot einen strahlenden Guten Morgen.
"Aber du weinst ja; kleine Traube."
"Ich hätte so sehr gern Geschwister. Ich möchte mich unterhalten, ich möchte jemanden liebhaben können, und ich bin immer allein." Nach diesen Worten quoll wieder eine Träne aus ihrem Bäuchlein. Die Traube war schon ganz schlank vor tiefem Kummer.
"Wenn du so weiter weinst, werde ich dich morgen gar nicht wiederfinden, und ich möchte dir so gern helfen." "Bleib bei mir", flehte die Traube. "Ach, das ist nicht möglich", antwortete die Sonne, "ich habe Pflichten, ich muss allen Lebewesen wohltun; aber ich will mir überlegen wie man dir helfen könnte."
"Ach ja, bitte", sagte die Traube“. „Und versuche, nicht mehr zu weinen", riet die Sonne und setzte ihre Reise fort.
Sie konnte die Traube nicht vergessen. Was soll ich nur tun, dachte sie; und dann kam ihr plötzlich ein Gedanke, und darüber war sie so glücklich, dass sie eine ganze Menge Wärme von sich gab.
Als die Sonne ihre Reise beendet hatte, stand der Mond schon bereit, um sie abzulösen. "Ist Petrus da?", fragte die Sonne, und Bruder Mond nickte. "Na, denn gute Reise", wünschte die Sonne, "ich muss etwas Wichtiges mit ihm besprechen."
"Guten Abend, Petrus, ich möchte zum lieben Gott", sagte die Sonne.
"Du hast Wünsche! Weißt du denn nicht, dass der liebe Gott, wenn du dein Tagewerk beendet hast, schlafen geht?"
"Das hab' ich vergessen. Aber ich habe etwas so Trauriges erlebt", - - - und nun zog sich die Sonne ein Wolkenbänkchen heran, setzte sich und erzählte Petrus von der Traube. Petrus war sehr beeindruckt von der Geschichte, aber was sollte man tun? Der liebe Gott schlief, und es war unmöglich, ihn zu wecken. "Du musst einfach morgen früher aufstehen." "Aber Petrus, der liebe Gott steht erst auf, wenn ich am Himmel stehe und meinen Dienst angetreten habe". Nun war guter Rat teuer. Erst als Petrus seine dicke Nase vor Aufregung kratzte kam ihm die Erleuchtung. "Wir müssen den Himmel verdunkeln. Ich werde die Winde rufen, sie müssen uns Wolken bringen, und dann bist du sowieso nicht zu sehen." Das war eine gute Idee. Die Sonne gab Petrus vor Freude einen Kuss. "Du sollst mir nicht so nahekommen", brummte er und strich sich Lebertransalbe über die Wange; denn Sonnenküsse sind glühend heiß.
Am anderen Morgen hatten die Winde ganze Arbeit geleistet. Alles, was Wolke war, hatten sie vor sich hergetrieben, und Petrus mühte sich nun, sie so zu dekorieren, dass man vom Himmel nicht das kleinste Fitzelchen mehr sah.
Nun eilte die Sonne zum lieben Gott. Der, von der plötzlichen Helligkeit geblendet, rieb sich verdutzt die Augen.
"Was machst du denn hier? Wenn ich aufwache, sollst du doch schon hoch am Himmel stehen." "Ach ja", meinte die Sonne ganz zerknirscht, "wenn du mal aus deinem Fenster sehen möchtest; eigentlich bin ich da hinter den Wolken. Ich wäre nicht zu sehen", setzte sie noch entschuldigend hinzu. "Sonne, was ist mit dir, dass du mir so etwas Dummes vorflunkerst." "Ach, lieber Gott, ich habe eine große Bitte", und nun erzählte die Sonne noch einmal die Geschichte von der Traube, die so viel weinte und die wir deshalb auch bis auf den heutigen Tag noch Weintraube nennen. "Ich möchte so gern, dass sie glücklich ist", schloss die Sonne ihre Erzählung, "und ich dachte, du allein kannst ihr helfen."
So war es auch. Der liebe Gott empfand es als eine grobe Nachlässigkeit, dass die Weintraube ohne Geschwister aufwachsen musste und ließ sofort den Bruder Gärtner kommen. Der mischte aus ein wenig Sternenstaub, Wolken und Luft ein Pülverchen, und übergab es der Sonne. Diese wäre nun am liebsten auch dem lieben Gott um den Hals gefallen, aber sie erinnerte sich an Petrus und ließ es lieber. Dann trat die Sonne ganz rasch ihre Reise an; denn sie hatte viel Zeit verloren.
"So, da wäre ich", sagte sie als der Berg in Sicht kam. "Aber ich sehe die Traube nicht".
"Hier bin ich", wisperte ein brauner Schrumpelkopf.
"Du?"
"Ja, verzeih, ich musste immer weiter weinen bis keine Flüssigkeit mehr in mir war. Ich bin dabei ein wenig zusammengegangen. Bin ich sehr hässlich?"
"Du siehst ein wenig müde aus", tröstete die Sonne. "Sieh, ich habe dir etwas mitgebracht."
Die Sonne schüttete das Pulver über den Rebenstock, und nun geschah etwas Wunderbares. Plötzlich quollen kleine Knöllchen hervor, die bald zu prallen gelb-grünen Trauben wurden.
"Geschwister!", jubelte die Weintraube.
"Ach, Sonne, wie ist das schön. Wie schade, dass ich jetzt so hässlich bin. Ob sie mich gernhaben können?" "Ich glaub schon", sagte die Sonne. "Du bist nämlich gar nicht so hässlich, du bist nur älter und reifer. Die Menschenkinder werden dich sehr schätzen; du bist nämlich auch viel süßer. Weißt du, wie sie dich nennen werden?", fragte die Sonne. "Nein, wie denn?" "Rosine", sagte die Sonne, beugte sich herab und küsste das kleine Schrumpelköpfchen, so dass es hübsch braun wurde.
Es war einmal ein König, der hatte von allem zu viel.
Jeden Morgen klagte er: Was soll ich nur tun? Ich habe zu viel Geld, zu viel zu essen, zu viel Leibesfülle. Und dann richtete er sich trübsinnig im Bett auf und starrte aus dem Fenster in den goldenen Sonnenschein, sehr dick und sehr traurig.
Da kam eine Fliege herein. Sie hatte sich mit einer Mücke gestritten und war in Eile, und suchte dringend ein Versteck, und weil der König gerade sehr unköniglich gähnte, so ganz weit mit dem Mund offen und ohne die Hand davor zu halten, schlüpfte sie in die riesige Öffnung.
Ach, das hättet ihr erleben sollen. Der König erstickte fast und prustete und hustete und die Fliege konnte sich endlich befreien und flog schimpfend:
"Überhaupt keine Manieren hat er!", davon.
"Man sollte sie totschlagen", sagte der König, als er endlich wieder reden konnte. "Ich wäre fast gestorben".
"Bist du aber nicht", antwortete die Fliege zurückkehrend, "außerdem war ich in viel größerer Gefahr".
Der König riss seine Augen auf. Diese Fliege konnte reden!
"Welch großartiger König bin ich", sagte er laut, "dass ich in meinem Land Fliegen habe, die reden können. Vielleicht kannst Du mir auch sagen, wie ich wieder glücklich werde?"
"Ich Fliege?"
"Ja", sagte der König. „Ich bin zu reich, ich habe von allem zu viel. Ist es nicht schrecklich?"
"Ja, es ist wahr", sagte die Fliege, "du bist entsetzlich dick, wie wär's, wenn du dich mehr bewegen würdest. Flieg mit mir, und ich zeig dir die Welt."
"Nein, das ist nicht königlich. Mach einen anderen Vorschlag!"
"Iss die Hälfte!"
Der König fand das nicht gut, was soll ich dann mit der anderen Hälfte machen? Ja, das wusste die Fliege auch nicht. Sprechende Fliegen können auch nicht alles wissen.
Da klopfte es an der Tür. Ein kleines, zartes, blondes Mädchen trat ein.
"Ich bin Tina, ich habe euer Gespräch gehört. Gib den Hungrigen in deinem Land die Hälfte, und dir und ihnen ist geholfen."
"Wie vornehm und gewählt du deine Worte setzt", verwunderte sich der König. "Wer bist du?"
Tina war aber schon wieder verschwunden, und der König rieb sich die Augen, hatte er vielleicht nur geträumt?
Sein üppiges Frühstück kam. Da lag ein ganzer Schinken, Brot und Butter, ein Dutzend Eier, ein ganzer Käse.
Alles viel zu viel, und er dachte an Tinas Worte, nahm ein großes Messer und teilte alles in zwei Hälften.
Jetzt lag nur noch ein halber Schinken rechts und ein halber Schinken links von ihm.