Die schwarze Galeere - Wilhelm Raabe - E-Book

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Wilhelm Raabe

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Beschreibung

Der letzte Satz: "Meerwärts verhallten leise die Klänge, als das stolze Geusengeschwader mit seiner Beute, seinen blutigen Wunden und seiner Glorie in dem immer dichter werdenden Nebel stromab glitt." Der Freiheitskampf der Niederländer gegen Spanien ist Hintergrund einer Liebesgeschichte.

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Wilhelm Raabe

Die schwarze Galeere

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Wilhelm Raabe: Die schwarze Galeere

Wilhelm Raabe

 

Die schwarze Galeere

 

 

 

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I. Auf den Wällen von Fort Liefkenhoek

Es war eine dunkle, stürmische Nacht in den ersten Tagen des Novembers, im Jahre 1599, als die spanische Schildwache auf dem Fort Liefkenhoek, an dem flandrischen Ufer der Schelde, das Lärmzeichen gab, die Trommel die schlafende Besatzung wachrief und ein jeder – Befehlshaber wie Soldat – seinen Posten auf den Wällen einnahm.

Die Wellen der Schelde gingen hoch, und oft warfen sie ihre Schaumspritzen den fröstelnden Südländern über die Brüstungsmauern ins Gesicht. Scharf pfiff der Wind von Nordost, von den »Provinzen«, herüber, und die Spanier wußten schon lange, daß aus der Richtung ihnen selten etwas Gutes komme.

Auch auf dem Fort Lillo, auf der brabantischen Seite des Flusses, wirbelte die Trommel, klang das Horn; deutlich vernahm man durch das Getöse des Sturmes, durch das Brausen der Wasser fernen Kanonendonner, der nur von einem Schiffskampf auf der Westerschelde herrühren konnte.

Die Wassergeusen spielten ihr altes Spiel.

Was kümmerte dieses Amphibiengeschlecht der Sturm und die Finsternis? Waren Sturm und Nacht nicht seine besten Verbündeten? Wann hätte je ein Wassergeuse das stürmische Meer und die Finsternis gefürchtet, wenn es galt, seine Todfeinde zu überlisten, die Verwüster und Bedränger seines den Wogen abgekämpften Vaterlandes zu vernichten?

Gräßlich aber war der Krieg ausgeartet.

Zweiunddreißig Jahre dauerte nun schon dieses fürchterliche Hin- und Herdrängen der kämpfenden Parteien, und noch war kein Ende davon abzusehen. Die Saat der Drachenzähne war üppig aufgegangen; wohl waren eiserne Männer emporgewachsen aus dem blutgedüngten Boden, und selbst die Frauen mußten verlernen, was Menschlichkeit und Milde sei. Es gab eine junge Generation, welche sich schon deshalb nicht nach dem Frieden sehnte, weil sie ihn gar nicht kannte!

Und war der Krieg schrecklich auf dem festen Lande, so war er noch viel fürchterlicher auf dem Meere. Auf dem Lande konnten immer noch Gefangene ausgewechselt oder losgekauft werden – Städte, Flecken und Dörfer konnten Brand und Plünderung abkaufen; auf der See gab es aber schon längst weder Pardon noch Ranzion. Für Barmherzigkeit wurde es geachtet, wenn man die gegenseitigen Gefangenen kurzweg niederstieß oder sie an den Rahen aufhing und sie nicht langsam auf die grausamste Art zu Tode marterte, sie nicht auf dem Verdeck kreuzigte und mit dem genommenen Schiffe versenkte. –

Mit besorgter Aufmerksamkeit lauschten auf den Wällen von Fort Liefkenhoek Befehlshaber und Soldaten der Kanonade und teilten sich ihre Vermutungen gegenseitig mit. Der eine hatte diese Ansicht über die Kämpfenden, der andere jene Ansicht; aber zuletzt ging, anfangs leiser, dann aber bestimmter und lauter, von Mund zu Mund das Wort unter den Soldaten:

»Die schwarze Galeere! Wiederum die schwarze Galeere!«

Ein jeder sprach zwischen Zorn und unheimlicher Beklemmung dieses Wort aus:

»Die schwarze Galeere!«

Gegen ein Uhr legte sich der Wind, und auch die Kanonade schwieg; aber zwanzig Minuten nach ein Uhr flammte es plötzlich in weiter, weiter Ferne blutrot, blitzartig über den dunkeln Wassern auf; das Leuchten zuckte über die Hunderte von bärtigen, wilden Gesichtern auf den Mauern von Liefkenhoek und Lillo, und eine halbe Sekunde später folgte dieser Lichterscheinung der dumpfe Knall einer größeren Explosion, womit das Gefecht zu seinem Ende gelangt zu sein schien, wie ein Trauerspiel mit einer Katastrophe endet. Man sah und hörte keine Anzeichen mehr, welche auf den Fortgang desselben deuteten. Obgleich die Besatzungen auf den spanischen Befestigungen noch lange harrten und lauschten, vernahmen sie doch keinen Schuß mehr. –

»Nun, was haltet Ihr davon, Señor Jeronimo?« fragte der Kommandant von Liefkenhoek einen seiner Kapitäne, einen ältlichen, dürren Mann mit grauem Haar und Bart, mit Narben bedeckt vom Kopf bis zu den Füßen.

Der Angeredete, der bis jetzt ein wenig abseits von seinen Kameraden an der Brüstung gelehnt hatte, zuckte die Achseln.

»Fragt mich nicht danach, Señor. Bei Gott und der Heiligen Jungfrau, ich hab es schon lange aufgegeben, über das zu grübeln, was uns dieser Krieg bringt. Der Panzer ist mir schier festgewachsen auf der Haut, und meinen Posten halt ich bis zum letzten Tag; aber – damit auch genug.«

»Ihr seid sehr barsch, Jeronimo«, sagte der Kommandant, der ein viel jüngerer Mann als der alte Krieger war und erst kürzlich aus Kastilien angekommen war in den Niederlanden, um den Gouverneursposten auf diesem Fort an der Schelde anzunehmen.

»Herr Oberst«, sagte der Hauptmann Jeronimo, »seit manchen langen Jahren halte ich nun meine Stelle auf dieser Erdspitze und sehe die Wellen vorüberfließen. Ihr seid jung, Oberst; aber Euer Vorgänger war auch jung und edel. Hier stand er neben mir, an demselben Platz, wo Ihr jetzo stehet, voll von jugendlichen Träumen und Siegeshoffnungen. Nun liegt er drunten unter den Wogen, und der, welcher ihm vorging, ist von einer Kugel gefallen bei Turnhout; er dachte auch siegesgekrönt heimzukehren in sein Schloß an der Jarama zu seinem jungen Weibe – bah! Und nun rechne ich an den Fingern zurück bis in das Ende des Jahres eintausendfünfhundertundfünfundachtzig, wo ich von Madrid zurückkam; – Señor, damals glaubte auch ich noch an Sieg und Ehre in diesem Krieg. Ich habe aufgehört, daran zu glauben, und Ihr werdet's auch, Oberst, so Euch Gott das Leben schenkt.«

»Ihr seid ein finsterer Träumer, Hauptmann! Aber sagt doch, in jenem ewig denkwürdigen Jahre waret Ihr in Madrid?«

»Ja.«