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Gewitterstimmung liegt über der Natur und die gleiche Stimmung macht sich auf der Terrasse breit. Gutsherr Justus Rhoden macht sich Sorgen, der drohende Hagelschlag könnte die Ernte vernichten. Sein Gut ist hypothekenüberladen, noch ein großer Fehlschlag und Treuenburg wäre nicht mehr in Familienhand. Es ist die Tochter Juliane, die als erstes auf die schweigende, schwarze Frau, auf Bettina Rhoden, zu sprechen kommt. Schon einmal hat sich die Vorfahrin, in schwarze Trauergewänder gehüllt, gezeigt und ein Wunder bewirkt. Auch die Schwester von Konstanze Rhoden, Tante Elisabeth, lässt sich von dem Gedanken mitziehen, und es ist Maria, das Nesthäkchen, die schließlich die schon zu Lebzeiten wohltätige Frau um Hilfe ruft. In genau diesem Moment erstarrt die Familie: Der angesagte Besuch, Ursula Malzow, steht in der Tür, verwundert über die seltsamen Blicke der Familie. Sie weiß nicht, dass sie der vor hundert Jahren Verstorbenen zum Verwechseln ähnlich sieht. Was ein verrückter Zufall zu sein scheint, bestätigt sich im Laufe der Zeit. Jedem, der Ursula um Hilfe bittet, wird geholfen. Nur der junge Gutsherr Herbert hegt ganz andere Gefühle für die vom Schicksal geschlagene Frau, deren Mann durch Selbstmord in der Untersuchungshaft starb. Nach und nach spürt Ursula heimlichen Druck auf sich lasten. Und gleichzeitig übt der Sarkophag Bettinas eine große Anziehungskraft auf sie aus. Eines Abends beschließt die Familie, ohne Ursula den Sarg zu öffnen. Wenn Ursula wirklich die schweigende Frau ist, wäre er leer ...-
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Seitenzahl: 236
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Anny von Panhuys
Roman
Saga
Die schwarze schweigende Frau
© 1920 Anny von Panhuys
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711570449
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com
Wetter und Unglück soll von uns gehn,
Schwarze schweigende Frau, ich wart’ auf dich.
Sie sassen alle auf der Terrasse um den grossen runden Mahagonitisch und tranken den Nachmittagstee, der Gutsherr Justus Rhoden, seine Frau Konstanze, und seine Töchter Juliane und Maria. Auch Herbert, sein Sohn, der die Stellung eines Inspektors auf Treuenberg einnahm, und Tante Elisabeth, die ältliche Schwester Justus Rhodens.
Über der Tischrunde lag eine dumpfe abgespannte Stimmung. Dieselbe Stimmung, die draussen die Natur wie in einen lähmenden Bann zwang. Gewitterstimmung, Ruhe vor dem Sturm. Jene dumpfe, unheimliche, unheilverkündende Ruhe, die lastend, gleich einem schweren Alpdruck, wirkt.
Ein fernes, langgedehntes Grollen kündete den Ausbruch des Gewitters an. Frau Konstanze zuckte zusammen. Ihre Tochter Juliane sprang von dem Korbstuhl, auf dem sie gesessen, in die Höhe, denn im Westen riss die Himmelsdecke von oben bis unten entzwei, slog nach beiden Seiten auseinander, und enthüllte ein feuriges blendendes Meer.
Juliane versuchte zu lächeln. Sie schämte sich, aufgesprungen zu sein. Aber das Lächeln erstarb auf ihren Lippen, ein greller Zickzackblitz, dem ein klirrender Schlag folgte, riss alle Familienmitglieder von ihren Plätzen hoch. Auch den breiten, stämmigen Justus Rhoden.
Er sagte erblassend: „Ein zweites Gewitter! Es kam wohl vom Eichenwald her und steht nun hinter dem Haus, wir sahen es nicht.“
Die Schwestern räumten hastig das Geschirr ab, die Männer trugen die Möbel ins Zimmer. Und als Frau Konstanze mit leise bebenden Händen die breite Flügeltür nach der Terrasse schloss, klirrte und grollte der Donner, fuhr Blitz auf Blitz aus fahlgrauem Himmel nieder und tauchte das Zimmer in ein gespenstisches blauweisses Licht.
Man nahm wieder Platz, nur Justus Rhoden blieb an einem der Fenster stehen, sein scharfer Charakterkopf, seine breite Gestalt zeichnete sich dunkel in das Dämmergrau des Zimmers. Wenn ein Blitz den Raum erhellte, sah man den verzagten Ausdruck seines Gesichts seltsam starr.
Er hätte fluchen und beten mögen in einem Atem, denn eine grosse, unbändig grosse Furcht war in ihm, es könne Hagelschlag kommen und ihm die letzte Hoffnung vernichten. Das Korn war reif, morgen sollte mit dem Schnitt begonnen werden.
Sein Gut war hypothekenüberladen, Sorge und Missgeschick verfolgte seit Jahr und Tag die Familie. — Noch ein grosser Fehlschlag und er konnte Treuenberg verlassen, um irgendwo als Gutsinspektor unterzukriechen.
Ein kurzes Lachen sprang über seine Lippen und ertrank in einem Donnerschlag. Er Gutsinspektor? Er, mit seinen fünfundfünfzig Jahren, er mit Frau und Schwester und zwei erwachsenen Töchtern?
Es gab junge Kräfte genug, die keine Familie mit sich herumschleppten. Wer wollte ihn haben?
Es war, als ob seine Gedanken sich auf Frau und Töchter und auch auf den Sohn übertrugen. Alle spannen sich ein in einen Wust schwerer trüber Gedanken.
Juliane sagte in das dumpfe lastende Schweigen hinein: „Alles geht dumm und krumm auf Treuenberg, wir haben kein Glück mehr, es ist Zeit, dass sich das berühmte Hausgespenst unserer Familie wieder einmal bemüht. Seit langen Jahren faulenzt sie nun schon, unsere ‚schwarze schweigende Frau‘.“
Frau Konstanze sagte erschauernd: „Man soll mit solchen Dingen keine Scherze treiben.“
Herbert zuckte die Achseln. „Ach, Mutter, die brave Bettina schläft sicher und fest seit hundert Jahren unter ihrem Marmorsarkophag. Weder Bitten noch Spott können ihr die Ruhe rauben.“
Tante Elisabeth, des Gutsherrn Schwester, hüstelte: „Ich bin der Meinung, sie ist immerhin ein heikles Thema, die Geschichte unserer Vorfahrin, Bettina Rhoden, die vor mehr als hundert Jahren lebte, zur Zeit als Napoleons Soldaten durch unser Land zogen, und die in Stunden höchster Not und Gefahr ein grosses Opfer für ihre Familie gebracht haben soll. Welchergestalt das war, kam nicht bis auf unsere Tage. Als vor fünfzig Jahren Treuenberg fast in Wucherhände geraten wäre, zeigte sie sich plötzlich. In schwarzen Gewändern, mit schweigenden Lippen, ging sie durchs Haus, half hier und dort und rettete das alte Familengut. Ebenso rettete sie es vor zwanzig Jahren aus anderen Gefahren, heisst es.“ Tante Elisabeth seufzte vernehmlich: „Wenn sie heute wiederkehren würde, käme sie zur rechten Zeit und sollte hochwillkommen sein!“
Justus Rhoden schüttelte den Kopf: „Frau Bettina ist tot, mausetot, die hilft uns nicht!“
Juliane zupfte an dem Löckchengewirr ihres Braunhaares herum. In ihrem hübschen, aber unregelmässigen Gesicht zuckte Erregung. „Ach, Vater, mausetot darfst du wirklich nicht sagen, das klingt so prosaisch, passt gar nicht zu den alten Versen, die uns die Überlieferung erhielt und die wie ein Mantel von Poesie um die schwarze schweigende Frau herumliegen.“
„Mantel von Poesie!“ wiederholte der Gutsherr kopfschüttelnd. „Hör’ mal, Mädel, du bist wohl unter die heimlichen Dichter gegangen?“
Juliane lächelte: „Muss man sich nicht poetisch ausdrücken, wenn man von ihr spricht, von ihr, der schwarzen schweigenden Frau?“ Sie sagte ganz langsam: „Die schwarze schweigende Frau von Treuenberg! Wie das klingt! Dagegen verblassen sämtliche spukenden weissen Damen, von denen man jemals gehört.“ Sie meinte nachdenklich: „Wie mag man nur darauf verfallen sein, Bettina Rhoden so zu benennen?“
Tante Elisabeth fand die Frage sehr töricht, wie sie ziemlich scharf bemerkte: „In schwarzen Gewändern, mit schweigenden Lippen ging sie durchs Haus, wenn sie erschien, um einem auf Treuenberg zu helfen, heisst es. Das genügt doch, sie so zu benennen!“ Sie zuckte die Achseln. „Leider wissen wir nicht viel Verbürgtes über ihre Person, trotz der nicht allzulangen Zeit, die seit ihrem Walten und Sterben auf Treuenberg vergangen. Aber damals lebte und starb man ziemlich lautlos, es gab so viel Sorgen im Land, dass der einzelne Mensch zur Unwichtigkeit herabsank. Der kleine Korse schob seine Soldaten durch unser Vaterland, Treuenberg soll vielen von ihnen lange Quartier gegeben haben. Das Kirchenbuch, das die Eintragungen über Bettina Rhodens Person enthalten muss, ist leider unauffindbar, wir wissen also nicht einmal genau, wann sie starb. Nur annähernd lässt es sich bestimmen.“
Der Gutsherr brummte: „Willst du uns einen geschichtlichen Vortrag über Bettina Rhodens Zeit halten?“
Ein heftiger Donnerschlag brachte Tante Elisabeth um die schon bereite Antwort.
Nach einem Weilchen meinte Juliane: „Wer das Gedicht über die schwarze schweigende Frau wohl gemacht hat?“
Maria, die Jüngste, lächelte verträumt: „Das ist doch völlig gleich, wir wissen ja auch nicht, wie es bis auf uns gekommen ist, ohne anscheinend schriftlich festgehalten zu sein.“ Sie blickte lebhaft auf. „Ich kann die Verse auswendig, ich will sie sprechen, sie gefallen mir so gut.“
„Unwetter, Hagelschlagaussichten mit geschichtlichen Vorträgen und Deklamation! Ihr Weiber seid ja alle nicht normal!“ schimpfte Justus Rhoden.
Maria störte das wenig, sie warf die langen dicken Zöpfe in den Nacken, reckte ihre siebzehnjährigen Glieder und begann. Mit leichtem Heben und Senken der Stimme, in der Art wie Dilettanten zu rezitieren pflegen, wenn ihnen das Empfinden durchgeht, sprach sie das Gedicht:
„Schwarze schweigende Frau, ich rufe dich!
Die Blitze loh’n um Dächer und Turm,
Knatternd die Fetzen der Fahne weh’n,
In alten Eichen donnert der Sturm!
Wetter und Unglück soll von uns geh’n,
Schwarze schweigende Frau, ich wart’ auf dich!
Die Sommersonne liegt überm Land,
Glitzert in Bächen und klaren Seen.
Glück hat sich lachend zu uns gewandt,
Seit deine Schleier im Winde weh’n.
Schwarze schweigende Frau, ich grüsse dich!
Nun ruhst du längst im marmornen Sarg,
Schwer ist die Zeit und so knapp das Brot.
Das müde Glück ist selten und karg. —
Hör’ unser Flehen: Du bist nicht tot!
Schwarze schweigende Frau, ich rufe dich!“
Alle hatten stumm gelauscht. Der Zufall fügte es, dass nicht das leiseste Donnern die Sprecherin unterbrach. Doch kaum war ihren Lippen die letzte Silbe entflohen, begann es draussen zu grollen und zu toben, als müsse das Unwetter verlorene Minuten wieder einholen.
„Die Verse sind vollständiger Blödsinn,“ schalt Justus Rhoden rauh, „redet lieber von anderen, von näherliegenden Dingen. Morgen kommt Ursula Malzow. Habt ihr alles für sie vorbereitet?“
Frau Konstanze nickte: „Selbstverständlich ist alles für sie bereit. Es handelt sich ja auch nur um ihr Zimmer.“
„Die Einladung an Ursula war Übereilung“, brummte er. „Seid sicher, wir haben eine grosse Dummheit begangen, uns die arme Verwandte ins Haus zu laden. Wer so etwas mit durchfüttern will, darf nicht in ständiger Furcht leben, das Dach könne ihm plötzlich über dem Kopf zusammenbrechen. In der angenehmen Lage befinden wir uns doch beinah. Jetzt sind wir unter uns, dürfen untereinander frei von der Leber wegreden über unsere Nöte. Die Fremde wird für uns alle eine grosse Störung bedeuten.“
Frau Konstanze machte eine heftige nervöse Bewegung.
„Ursula Malzow ist meiner frühverstorbenen Schwester einziges Kind“, warf sie ihm vorwurfsvoll entgegen.
Er zuckte die Achseln. „Nun ja, liebe Konstanze, das wird ja nicht bestritten, aber es ist doch keine Entschuldigung für die blamable Ehe der Ursula. Ihr Mann war ein angesehener Rechtsanwalt, hatte der es nötig, Mündelgelder zu unterschlagen? Seine Schuld war ja klar, sein Selbstmord unterstrich sie noch. Die Ursula hat er als armes Luder zurückgelassen. Er war von der Spekulationswut besessen, die frass ihn ratzekahl. Nun halsten wir uns die Ursula auf. War doch nicht nötig!“
Maria strich dem Vater begütigend über die eine Hand. „Tue doch nicht so rauhbauzig, es kleidet dich gar nicht. Wir wissen ja alle, dass du das beste Herz der Welt hast!“
Er lächelte trotzig: „Lass, kleines Mädel, das Herz wird hart, wenn Missgeschick und Sorge Fangball damit spielen.“
Ein greller Blitz fuhr wie ein schmales, blendendes Messer nieder, ein Krachen und Knittern folgte, das alle förmlich betäubte. Kreidebleiche Gesichter sahen sich an, lasen einander das Entsetzen von der Stirn.
Herbert Rhoden lachte erzwungen: „Wir sind ja wie verdattert, man könnte meinen, das heutige Gewitter sei das erste, das über Treuenberg niedergeht. Ich glaube, wir sind nervös, denken zuviel an unsere Sorgen.“
Er wollte die Stimmung bessern, doch es fiel ihm nichts ein, wodurch er Eltern und Schwestern völlig hätte ablenken können.
Er dachte an das Gespräch von vorhin und meinte: „Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, wenn wir uns an unser Hausgespenst wenden würden. So ein schwarzer Spuk dürfte, wenigstens den Versen nach, solch Wetter, wie es heute tobt, zur Ruhe bringen können.“
Maria musste lachen, sie lachte so gern.
„Fein wäre es, wenn sie uns helfen würde, die schwarze schweigende Frau.“
Justus Rhoden brummte: „Redet doch nicht solchen Unsinn!“
Herbert nickte der jungen Schwester zu: „Also, ich will sie beschwören!“ Er machte ein ernstes Gesicht und sagte feierlich und laut:
„Wetter und Unglück soll von uns geh’n,
Schwarze schweigende Frau, ich wart’ auf dich!“
Es klopfte. Das Hausmädchen Sabine trat ein, meldete, Frau Ursula Malzow sei angekommen.
Die Hausfrau sprang empor: „Sie ist schon hier, aber sie sollte doch erst morgen eintreffen!“
Ihr Mann schüttelte den Kopf: „Sonderbar, ich habe keinen Wagen vorfahren hören!“
Herbert sah Maria an.
„Mein Ruf war also doch erfolglos, er hat bedauerlicherweise eine Falsche hergelockt.“
Frau Konstanze jammerte: „Bei dem Gewitter kommt die Ursula, die Station ist doch eine Stunde weit von Treuenberg entfernt.“
Sie gab dem Mädchen einen Wink und wollte der Nichte auf den Flur entgegengehen. Doch kaum war Sabine aus dem Zimmer, stand, wie hergeweht, ein schmales junges Weib zwischen ihnen allen.
Schier lautlos war es über die Schwelle gehuscht, der Gang war wie ein Schweben gewesen. Nun stand das junge Weib da und sah mit grossen, leidumschatteten Augen von einem zum anderen.
Ein weiches, lose gegürtetes Kleid lag schmiegsam um den schlanken, zierlichen Körper, und blondes, leicht gewelltes Haar leuchtete aus lang niederrieselnden Trauerschleiern.
Ein liebreizendes Gesicht mit herbe geschlossenen Lippen hatte das junge Weib, und alle im Zimmer durchschauerte es, als jetzt ein neuer greller Blitz niederfuhr und die düstere Gestalt in ein scharfes blendendes Licht tauchte.
Herbert wiederholte unwillkürlich leise: „Wetter und Unglück soll von uns geh’n, — Schwarze schweigende Frau, ich wart’ auf dich!“
Doch so leise er die Worte gesprochen, alle hörten sie, in allen schwang Silbe für Silbe mit, denn Ursula Malzow war ja die lebendig gewordene Verkörperung der sagenhaften schwarzen schweigenden Frau von Treuenberg. War wie eine Illustration zu den Versen, die Maria gesprochen.
In das Schweigen hinein, das Herberts Worten folgte, sagte eine weiche Altstimme:
„Verzeiht, dass ich früher angekommen bin, um einen Tag früher. Aber es war so öde und leer daheim, ich musste unter Menschen. Nehmt mich heute schon auf und gebt mir Arbeit, gebt mir Pflichten, damit ich vergessen kann.“
Ursula Malzow lächelte ein wenig.
Herbert dachte, so müssen die traurigen Märchen lächeln, Märchen, in denen Glück und Liebe zum Sterben verdammt sind.
Ein seltsames Gefühl durchzitterte ihn. Es war, als streiche eine kleine Hand über sein Herz, wie Schmerz und Zärtlichkeit zugleich war das. Und er dachte, es müsste schön sein, die leidumschatteten Augen Ursulas freudig aufleuchten zu sehen.
Frau Konstanze umschlang die Zierliche.
„Sei willkommen auf Treuenberg, Ursula!“ Sie küsste sie auf die Wangen und schob sie dann mit beiden Armen ein Stückchen von sich ab, betrachtete forschend die zarten Züge.
Sie wiegte das Haupt hin und her.
„Niemals hätte ich dich wiedererkannt, Ursula, fremd wäre ich auf der Strasse an dir vorübergegangen.“ Sie sann flüchtig nach. „Vor fünf Jahren sah ich dich zuletzt, es war gerade an deinem achtzehnten Geburtstag.“ Sie wandte sich ihrem Manne zu: „Justus, du begleitetest mich damals. Erinnerst du dich vielleicht besser als ich?“
Der Gutsherr wehrte ab: „Ich hätte Ursula auch niemals wiedererkannt, wenn ich ihr begegnet wäre, sie hat sich sehr verändert.“
Er wollte hinzufügen: Zu ihrem Vorteil verändert! Aber das hätte wie eine Schmeichelei geklungen, und dieser blassen, süssen Traurigkeit gegenüber wäre eine Schmeichelei schlecht am Platze gewesen.
Ursula Malzow reichte allen nach einander die Hand. Als sie die feinen Finger in Herberts Rechts legte, ging es wie ein warmer Strom zwischen den beiden Menschen hin und her, wie ein schnelles, grosses Verstehen.
Ursula dachte: Da ist einer, der mir viel Güte und Freundschaft entgegenbringt! Und es war, als schöbe man ihr mitleidig und erbarmend ob all’ der Not, die sie schon erlitten, weiche Kissen unter Kopf und Füsse. Unter den schmerzenden Kopf und die müden, müden Füsse.
Der Gutsherr war wieder an das Fenster getreten. Sein Gesicht zeigte jetzt einen zufriedeneren Ausdruck. Die Gefahr des Hagelschlags schien beseitigt. Der Himmel hatte sich aufgehellt. Das Gewitter grollte nur noch leise von ferne, und der gleichmässige matte Regen, der nun niederrann, hatte etwas Besänftigendes, Milderndes, war wie lindernde Kompressen auf fieberheisse Stirnen.
Herbert öffnete die Tür zur Terrasse. Erquickende Luft floss in breitem Strom ins Zimmer.
Er sah Ursula an. „Es hatte vorhin den Anschein, als würde das Wetter noch endlos toben, mit deinem Kommen beruhigte es sich.“
Sie lächelte leicht: „Vielleicht besitze ich Macht über Naturgewalten.“
Frau Konstanze fasste die Nichte unter den Arm: „Komm, dein Zimmer ist bereit, du wirst ablegen wollen.“
Der Gutsherr trat hinzu, schob seine Frau zurück, drückte Ursula auf einen Stuhl nieder:
„So rasch geht das nicht! Erst müssen wir wissen, auf welchem Wege du bei dem Unwetter nach Treuenberg gelangt bist und wo dein Gepäck ist?“
Das blonde Köpfchen hob sich ein wenig. Der Luftzug, der durch die offene Tür kam, bewegte die Trauerschleier in sanftem Spiel.
„Ein geschlossener Wagen wartete vor dem Stationsgebäude, man sagte mir, ich könne damit nach Treuenberg fahren. Ohne dass ich viel zu erklären brauchte, lud ein Diener meine zwei Koffer auf, bat mich, einzusteigen, und nun stehen die Koffer unten in der Eingangshalle.“ Sie sah den Gutsherrn fragend an. „Ich glaubte, ihr hättet den Wagen geschickt, vielleicht um jemand abzuholen, der dann nicht eintraf. Der Diener erzählte mir irgend so etwas.“ — Justus Rhoden schüttelte den Kopf.
„Ein Treuenberger Gefährt war es nicht, das dich gefahren, und wie die Geschichte zusammenhängt, ist mir unklar. Aber zunächst bist du hier, bist sicher gelandet, und das ist die Hauptsache. Wir freuen uns alle deiner Ankunft. Deshalb: Willkommen!“
Seine breite Rechte umspannte mit kräftigem Druck die Hand der Nichte.
Er atmete auf. Ihm war gewesen, als hätte er etwas an dem liebreizenden Geschöpf gutzumachen, weil er vorhin, ehe sie kam, geäussert, man hätte sich die Last ihres Besuchs nicht aufbürden dürfen.
In der Eingangshalle standen zwei grosse Koffer, doch niemand vom Personal hatte gesehen, wer sie dort niedergestellt, niemand hatte einen Wagen anfahren gehört.
So hielt Ursula Malzow ihren Einzug auf Gut Treuenberg. Und wenn auch keiner darüber sprach, so dachte doch jeder in der Familie, wie eigen und seltsam dieser Einzug der jungen Witwe gewesen. Herbert hatte den Schluss des ersten Verses gesprochen, hatte sie gerufen, die Frau, die vor über hundert Jahren gelebt: „Wetter und Unglück soll von uns gehen, — Schwarze schweigende Frau, ich wart’ auf dich!“
Gleich darauf hatte die düstere Gestalt in der Witwenkleidung im Zimmer gestanden, mit einem letzten betäubenden Donnerschlag war die Macht des Unwetters gebrochen gewesen.
Tante Elisabeth, die ewig kränkelnde, orakelte einmal zu Maria:
„Wir haben die schwarze schweigende Frau im Haus, ich habe Bilder von Ursula Malzow im Familienalbum betrachtet und glaube nicht daran, dass sich ein Mensch in ein paar Jahren äusserlich so sehr zu verändern vermag. Und dann war sie so verblüffend plötzlich da! Ich glaube auch an den Wagen, der sie von der Station gebracht, keinesfalls. Wenn die modernen grossen Koffer nicht wären, würde ich es dieser Ursula Malzow, die jetzt unter uns lebt, ins Gesicht sagen, sie sei geradenwegs aus der Familiengruft gekommen und der Platz unter der Marmorplatte, auf der Bettina Rhoden steht, sei zurzeit leer.“
Die junge Maria lachte lustig und laut:
„Wenn du recht hättest, Tante Elisabeth, könnten wir herzlich froh sein, denn dann müsste sich ja auch bald der zweite Vers des Gedichtes an uns erfüllen. Du weisst, sie soll ja das Glück zurückzwingen.“ Sie ward ernst. „Nein, nein, Tante Elisabeth, die Ursula ist ein armes Menschenkind, das schon durch viel Kummer und Leid hindurch musste und sich nun für Essen und Trinken als Aschenbrödel bei uns durchbringt, zufrieden ist, wenn man sie in Ruhe lässt.“
„Und kaum den Mund aufmacht“, fiel die Ältere ein. Sie ward lebhafter. „Das ist es, was mir ganz besonders auffällt, dieses Schweigen, dieses Umhergehen mit verschlossenen Lippen. Ohne dass ich will, muss ich, wenn ich sie sehe, immer denken: Schwarze schweigende Frau!“
Maria nickte: „Hast ja nicht unrecht, Tante Elisabeth, aber dennoch, Ursula ist zu wirklich und schön, um nur ein Spuk zu sein.“
Ursula Malzow hatte trotz ihrer Jugend einen scharfen Blick. Es war ihr bald kein Geheimnis, dass es viele und grosse Sorgen auf Treuenberg gab, und dass die Familie Rhoden unter schweren Lasten seufzte.
Sie kam sich zuweilen überlästig vor, wie eine Fremde, die widerrechtlich eingedrungen und auf die man Rücksicht nehmen musste. Denn hier in Treuenberg hatte schon jeder mit sich selbst zu tun, ihr blasses, trauriges Gesicht wirkte sicher nur niederdrückend auf die Verwandten, und es mochte wohl das beste sein, wenn sie wieder fortging, irgendwo Unterschlupf suchte. Die Mutter war tot, ihr Mann war tot und ihr Kindchen, niemand gab es mehr auf der Welt, der ihr nahe stand, niemand ausser den Menschen, unter denen sie jetzt lebte.
Wenn sie ihnen hätte helfen können!
Sie konnte bei dem Gedanken ein bitteres Lächeln nicht unterdrücken. Sie helfen? Sie, die arme junge Witwe, deren ganze Habe aus zwei mit Kleidungsstücken und Wäsche gefüllten Koffern bestand?
Sie machte sich im Haushalt nützlich, so gut es eben ging, aber sie merkte deutlich, dass man ihr nur ein wenig Arbeit zuschob, um das Brot, das sie auf Treuenberg ass, nicht zum Gnadenbrot, zum Bettelbrot zu stempeln, dennoch schien es ihr nur Gnadenbrot, nur das Brot einer Bettlerin.
Ihr Stolz litt darunter, sann und sann auf einen Ausweg. Sie wollte nicht nur empfangen, sie wollte auch dafür geben. Sie nahm die Rechte einer nahen Verwandten in Anspruch, man räumte sie ihr ein, dafür hatte sie Pflichten. Wo Rechte sind, sind auch Pflichten.
Eines Vormittags wischte sie Staub in dem Zimmer neben dem Arbeitszimmer des Hausherrn. Allzulautes Sprechen schreckte sie plötzlich aus ihrer mechanischen Herumhantiererei. Ursula unterschied zwei Stimmen, die des Onkels und eine fremde Männerstimme, fremd und dennoch ein wenig bekannt.
Eben sagt Justus Rhoden: „Aber ich bitte Sie, Verehrter, seien Sie doch vernünftig. Was erreichen Sie denn damit, wenn Sie Treuenberg zur Versteigerung bringen? Lassen Sie mir Zeit, die Hypothek aufzutreiben. Eine so grosse Hypothek kann ich nicht so schnell bekommen und vor Wucherern habe ich eine wahre Todesangst. Sie wissen, die Maul- und Klauenseuche hat in meinen Ställen tüchtig aufgeräumt. Die Brandversicherung hat kaum die Hälfte der Kosten ergeben, die der Neuaufbau der zwei Scheunen betrug, die mir vagabundierendes Gesindel anzündete. Das Missgeschick hat sich an meine Fersen geheftet, aber ich werde mich aufrappeln, wenn man mir Zeit lässt. Die Hypothekenkündigung von Ihnen mit so kurzem Termin bringt mich in Misskredit. Argwöhnische suchen nach Gründen dafür, glauben, ich sei ein schlechter Zinszahler, ein unsicherer Kantonist.“
Die andere, fremde und doch bekannte Stimme erwiderte: „Für was man Sie hält, Herr Rhoden, kann für mich nicht in Frage kommen. Ich brauche das Geld für mich, und mit der Erklärung müssen Sie sich zufrieden geben.“
Der Gutsherr rief heftig: „Sie sind reich, sehr reich sogar, Sie verfolgen mit der Hypothekenkündigung einen bestimmten Zweck. Treuenberg sticht Ihnen ins Auge, Sie möchten es billig steigern. Eine grosse Infamie ist die ganze Geschichte.“
Der andere schrie: „Sie werden beleidigend und bringen sich damit um den letzten Rest von Rücksicht, die ich allenfalls noch geübt hätte. Also, Herr Rhoden, ich erwarte die Ablösung der Hypothek am ersten Oktober. Empfehle mich!“
Ursula hörte ein Aufstampfen, als springe jemand mit schweren Stiefeln vorwärts, vernahm ein Keuchen, einen halb unterdrückten Schrei.
Ohne sich zu besinnen, riss sie die Tür zum Nebenzimmer auf, sah zwei Männer miteinander ringen, sah wie Justus Rhodens Rechte würgend um den Hals eines mageren, grossen Menschen lag. Dunkelrote Wut verzerrte das Gesicht des Gutsherrn, er schien nicht mehr zu wissen, was er tat.
Blitzgeschwind hatte Ursula die Sachlage überschaut, und mit zwei schnellen Sätzen war sie bei den beiden Ringenden. Ihre Arme hoben sich, ihre schmalen Fingerchen zuckten bebend nach der Rechten des Onkels.
Wie fest die zarten Fingerchen zupackten in der tödlichen Angst, der Mann, den sie Onkel nannte, könnte im Zorn zum Mörder werden. Ursulas Nägel gruben sich in die stählerne Hand Justus Rhodens und riss sie vom Halse des Fremden los.
Wie aus schwerem Rausch erwachend, starrte der Gutsherr um sich, stierte beinahe verständnislos auf das schmale Geschöpf in dem dünnen, düsteren Kleid.
Kein Wort sprach Ursula Malzow, nur ihre Augen baten und flehten, gaben dem wahnwitzig Erregten die Besinnung zurück.
Der Fremde hatte sich inzwischen mit ein paar raschen Atemzügen erholt, nur ein unordentlich niederhängender Kragen, ein blaues Mal am Halse, sprachen noch von der hässlichen, eben stattgefundenen Szene.
Ursulas Blicke richteten sich jetzt voll auf das erregte Antlitz des Fremden, dessen Stimme ihr vorhin bekannt erschienen. Die Stimme war heute nicht zum erstenmal an ihr Ohr geklungen. Sie hing mit einem besonderen Ereignis ihres Lebens zusammen, erinnerte sie sich, aber um was es sich dabei gehandelt, wollte ihr noch nicht einfallen.
Der Mann sah sie jetzt auch an. Hinter halb zugekniffenen Lidern blitzte graues, unruhiges Feuer. Und das graue, unruhige Feuer erleuchtete Ursula einen Weg, auf dem ihr Denken weit in die Vergangenheit zurückwandern musste. An den Augen erkannte Ursula den Mann, der ihr heute nicht zum erstenmal begegnete, dem sie jetzt aber sicher völlig unbekannt war, denn jene Begegnung, deren Umrisse ihr immer deutlicher wurden, wie die eines Bildes, an das man immer näher herankommt, lag weit zurück.
Damals war sie noch ein Kind gewesen. Aber der Klang einer leicht heiseren Männerstimme war in ihrem Ohr hängen geblieben, ein hämisch blitzendes Augenpaar in ihrem Gedächtnis.
Sie straffte sich auf, gab die Hand des Gutsherren, die sie bis jetzt umklammert gehalten, frei, trat einen Schritt auf den Fremden zu.
„Ich möchte Sie um eine kurze Unterredung ersuchen, ehe Sie Treuenberg verlassen“, sagte sie kurz.
Ihr Ton war hart, fast befehlend.
Die schmalen Lippen unter dem dünnfaserigen melierten Schnurrbart verzogen sich spöttisch.
„Meine Angelegenheit hier ist erledigt. Und wenn Sie, meine Dame, vielleicht glauben, mich mit begütigenden Worten, mit Bitten und Betteln dazu bringen zu können, die Hypothekenkündigung zurückzunehmen, dann irren Sie! Herr Rhoden hat durch sein Benehmen jedes Entgegenkommen meinerseits verwirkt! Wie ein Buschklepper, wie ein gemeiner Strauchdieb ist er auf mich losgefahren. Selbstverständlich werde ich diesen förmlichen Überfall, der unter gewisse Gesetzesparagraphen fallen dürfte, zur Anzeige bringen! Ich denke und hoffe zuversichtlich, die Geschichte wird sich nicht mit einer einfachen Geldstrafe abmachen lassen!“
Justus Rhoden stöhnte dumpf auf. Auch das noch! Er zweifelte keinen Augenblick daran, dass er sich durch seine Heftigkeit eine böse Suppe eingebrockt hatte.
Aber Ursula war zu schade und fein dazu, bei diesem Menschen für ihn zu bitten.
Er wollte eben etwas in diesem Sinne sagen, da beugte sich die düstergekleidete Schlankgestalt ein wenig vor und ihre Lippen näherten sich dem Ohr des vor ihr stehenden Gerstmann. Nur ein paar Worte flüsterten die Lippen, Worte, blitzgeschwinde Worte, die Justus Rhoden nicht verstand, die aber eine seltsame, eine verblüffende Wirkung erzielten.
Geschmeidig und ergeben sprach der harte Gläubiger:
„Ich stehe sofort zu einer Unterredung zur Verfügung.“
Ursula neigte den Kopf. „Gut!“ und zu Justus Rhoden gewandt, bat sie: „Geh, lieber Onkel, lass mich ein paar Minuten mit dem Herrn allein, die Unterredung findet besser ohne Zeugen statt. Das heisst,“ unterbrach sie sich, zu dem anderen gewandt, „wenn Sie wünschen, Herr Rhoden soll bei unserer Unterredung zugegen sein, ist es mir recht.“
Der melierte Schnurrbart über den dünnen Lippen sträubte sich ordentlich. „Nein, nein —!“
„Geh, Onkel, warte drüben im blauen Zimmer, ich rufe dich bald!“
Schon hatte Ursula den Gutsherrn zur Tür hinausgeschoben. Und wenn Justus Rhoden auch nichts von dem begriff, was Ursula eigentlich vorhatte, so ahnte er doch, dass es um sein Wohl und Wehe ging und dass seine Sache in guten Händen lag.
Ein leises Hoffen erfüllte ihn. Er wartete gehorsam im blauen Zimmer, wie es ihn Ursula geheissen. In seinem Kopf ging alles durcheinander. Er fand sich da nicht zurecht. Gar zu verblüffend war gewesen, welche Wirkung Ursula mit ein paar Flüsterworten erreicht hatte.
Wie ein wildes Tier vor seinem Bändiger, so hatte der kurz vorher zu ihm noch so rabiate Gerstmann danach vor der zierlichen Ursula Malzow gestanden.
Über welche geheime Macht verfügte ihre Jugend?
So sass er und sann, und mitten aus seinem Grübeln riss ihn Ursula durch ihr Eintreten. Ihr sonst blasses Gesicht zeigte rosige Farbe, ihre grossen Augen leuchteten zufrieden, und das matte Lächeln um den Mund war wie Sonnenglanz.
Sein Hoffen wuchs, und erwartungsvoll sah er Ursula entgegen. Er wollte sich erheben, doch die junge Frau winkte leicht mit der Rechten:
„Bleib sitzen, Onkel, es plaudert sich dann angenehmer. Sieh, ich rücke mir einen Stuhl neben den deinen.“
Nun sass sie auch, und mit einer kleinen freudigen Erregung in der Stimme berichtete sie:
„Kannst ruhig sein, Onkel, dein böser Gläubiger hat noch in letzter Minute seine Meinung geändert. Er nimmt die Kündigung der Hypothek zurück, bis du sie selbst auszuzahlen wünschest. Er lässt dir Zeit, dich nach einer anderen Hypothek umzusehen. Gibt sie dir von seiner Seite unkündbar. Doch rate ich dir, sie ihm, sobald du Ersatz hast, zurückzuzahlen. Immerhin lass dir Zeit! Morgen schon will Gerstmann beim Notar in der Amtsstadt das Nötige bewirken. Auch denkt er nicht daran, dich zu belangen, weil du ein bisschen heftig zu ihm gewesen bist. Im Gegenteil, er bittet dich um Entschuldigung, weil er dich gereizt hat. Seine schriftliche Entschuldigung folgt.“ Sie holte tief Atem. „Hoffentlich bist du ein wenig zufrieden mit mir, Onkelchen?“ schloss sie leicht fragend.
Justus Rhoden hatte wie benommen gesessen. Was redete Ursula denn nur, das war doch sicher alles Unsinn, Aufschneiderei, die keiner Prüfung stand hielt. Denn Gerstmann machte derartig weitgehende Zugeständnisse nicht, Ursula musste ihn falsch verstanden haben. Ihre Unkenntnis geschäftlicher Dinge verdrehte nun den Sachverhalt.
Er fasste seine Zweifel in Worte zusammen, seine Hoffnung hatte ihn vollständig verlassen.
Ursula erhob sich: „Ich habe deine Zweifel vorausgesehen, Onkel, und deshalb Herrn Gerstmann gebeten, dir alle Abmachungen notariell mitzuteilen, in wenigen Tagen dürftest du überzeugt sein, dass sich alles genau so verhält, wie ich dir eben mitteilte. Die Streitszene hat ihn natürlich erregt und ich bat ihn, zu gehen, weil ich eine nochmalige Unterredung zwischen dir und ihm kurz nach dem Streit nicht für gut hielt.“ Sie streichelte sanft die Hände des Mannes. „Glaube mir,