Die Sklavin des Wikingers - Megan MacFadden - E-Book
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Die Sklavin des Wikingers E-Book

Megan MacFadden

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Beschreibung

Sie soll ihm dienen – und wird zu seiner Königin: Der historische Liebesroman »Die Sklavin des Wikingers« von Megan MacFadden als eBook bei dotbooks. Er ist ein ruhmreicher Eroberer, schlau und skrupellos bei jedem Beutezug – der Wikinger Ragnar scheint unbezwingbar! Als seine Männer ein Kloster an der Küste plündern, hat Ragnar Anspruch auf die kostbarste Beute: eine zarte Frau, wie sie die rauen Krieger noch nie gesehen haben. Keiner seiner Gefolgsleute ahnt, dass Ragnar seine Gefangene bereits kennt – und zärtliche Gefühle für sie hegt, die ihm bald zum Verhängnis werden könnten: Die ebenso schöne wie blitzgescheite Mechthild hat nicht vor, sich in die Rolle der willigen Sklavin zu fügen! Die Tochter eines Grafen ist stattdessen wild entschlossen, das verlorene Erbe ihrer Familie zurückzugewinnen. Kann sie Ragnar zum Schwert ihrer Rache machen, auch wenn dies bedeutet, sie beide in tödliche Gefahr zu bringen? Ein leidenschaftlicher historischer Roman voller Abenteuer, Gefahren und Sinnlichkeit. Jetzt als eBook kaufen und genießen: die historische Romanze »Die Sklavin des Wikingers« von Bestseller-Autorin Megan MacFadden. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 408

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Über dieses Buch:

Er ist ein ruhmreicher Eroberer, stark, schlau und siegreich: Ragnar, der Wikinger, scheint unbezwingbar. Als er ein Kloster plündern lässt, stellt keiner seiner Männer in Frage, dass er Anspruch hat auf die schönste Beute. Was niemand ahnt: Ragnar kennt die Gefangene bereits – und hegt insgeheim Gefühle, die wenig mit der Rauheit eines Kriegers zu tun haben. Doch diese werden schnell auf die Probe gestellt, weil Mechthild nicht bereit ist, sich in die Rolle der willigen Sklavin zu fügen. Sie ist die Tochter eines Grafen, zu allem entschlossen, um das verlorene Erbe ihrer Familie zurück zu erlangen. Dies bringt Ragnar und sie in tödliche Gefahr …

Über die Autorin:

Megan MacFadden ist das Pseudonym einer Autorin, die bereits viele Erfolge im Bereich der Unterhaltungsliteratur vorweisen kann. Ihr Spektrum reicht von historischen Liebesromanen über erotische Literatur bis hin zu humorvollen Ratgebern.

Bei dotbooks erschienen bereits die Megan-MacFadden-Romane Die Gefangene des Highlanders, Die Geliebte des Kosacken, In den Fesseln des Wikingers und Die Nonne und der Wikinger.

***

Neuausgabe März 2015

Copyright © der Originalausgabe 2008 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin. Erschienen im Ullstein Taschenbuch Verlag.

Copyright © der Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung von shutterstock/Artem Furman

ISBN 978-3-95824-096-4

***

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Megan MacFadden

Die Sklavin des Wikingers

Roman

dotbooks.

Kapitel 1

Warten, immer nur warten!

Mechthild zog das grobe Nonnengewand eng um den Körper und drängte sich in die Fensternische des Refektoriums, um aufs Meer zu sehen. Eine frische Brise hatte die grauen Wogen aufgewühlt, man hörte das Donnern und Zischen der Brandung, die gegen die Felsen der Bucht geschleudert wurde. Der Wind trieb die aufspritzende Gischt bis zu den Mauern des kleinen Klosters hinüber und überzog sie mit dunkler Feuchtigkeit. Die junge Frau fröstelte und rieb sich ungeduldig die klammen Finger.

»Er wird kommen«, sagte Mutter Arianas beruhigende Stimme hinter ihr.

Mechthild drehte sich nicht um. Ihr Blick wanderte nach links hinüber, wo der Fluss ins Meer mündete. Auch dort nichts als Wasserwirbel und schäumende Wellen. Wo – zum Teufel – blieb Brian?

»Er ist schon sieben Tage fort, Mutter Ariana!«

Die Äbtissin tat einen unhörbaren Seufzer. Sicher war es Gottes Wille, dass sie ihre junge Herrin hier in St. André verbarg, aber leicht machte sie es ihr nicht gerade. Ungeduldig war die Grafentochter, aufbrausend, fügte sich nicht in den geregelten Tagesablauf der Nonnen ein – nahm nicht einmal an den vorgeschriebenen Stundengebeten teil und redete laut und unbefangen während der Mahlzeiten. Vor allem aber weigerte sie sich, das weiße Stirnband anzulegen, so dass ihr der schwarze Nonnenschleier immer wieder vom Kopf rutschte und ihr langes Haar im Wind flatterte.

»Er wird nur in der Nacht vorankommen, Herrin«, sagte sie. »Die Wege sind unsicher und sein Auftrag ist gefährlich.«

Mechthild hatte den missbilligenden Blick der Klosterfrau gespürt. Sie fasste ihr dunkles, seidiges Haar mit den Händen, drehte es am Hinterkopf zusammen und zog den Schleier darüber. Als sie sich jetzt umwandte, waren ihre Brauen gesenkt und der Blick ihrer wunderschönen grünen Augen mit den fiedrigen Einsprengseln trotzig, wie bei einem getadelten Kind. Graf Konrad hatte seine schöne Tochter sehr geliebt, vielleicht ein wenig zu sehr, dachte die Äbtissin bei sich. Eine Tugend ohne das rechte Maß wurde leicht zum Laster. Zu viel Liebe machte einen jungen Menschen stolz und hochmütig und nahm ihm die Gabe der Demut.

»Was habt Ihr am Horizont erblickt?«, fragte die Äbtissin sanft.

»Nichts«, gab Mechthild ärgerlich zurück. »Nichts außer Wasser und Himmel.«

»So dankt Gott dafür. Er bewahrt uns vor den weiß-roten Segeln der Drachenboote.«

Mechthild zog die Luft tief ein und ihr Gesicht wurde verschlossen. Sie war den Nonnen wirklich dankbar dafür, dass sie ihr Zuflucht gewährten. Aber mit der Denkweise einer Klosterfrau, die alles in diesem Leben dem Willen Gottes unterordnete, würde sie sich niemals anfreunden können. Man musste sein Leben selbst in die Hand nehmen, sich wehren, um sein Recht kämpfen – das war immer die Überzeugung ihres Vaters gewesen. Graf Konrad hatte sein Leben gelassen, um sein Land vor den Wikingern zu schützen, und seine Tochter war entschlossen, das Gleiche zu wagen. Soweit das für eine Frau möglich war.

»Wir müssen Brian einen Boten nachschicken«, forderte sie. »Es kann ihm etwas geschehen sein. Vielleicht braucht er unsere Hilfe.«

Die Miene der Äbtissin war ungemindert milde und demütig. Aber sie war keinesfalls gewillt, sich von der jungen Herrin etwas befehlen zu lassen. Ganz im Gegenteil.

»Wir sind alle in Gottes Hand, Herrin«, bemerkte sie und blickte zu Boden. »Wir versammeln uns jetzt zur Terz, der dritten Gebetsstunde des Tages. Es wäre schön, wenn auch Ihr daran teilnehmen würdet.«

»Ich danke dir, Mutter«, sagte Mechthild, die ihren Ärger zurückdrängte. »Ich komme später ...«

Die Äbtissin verließ das Refektorium mit trippelnden Schritten, trotz der Holzschuhe hinterließ sie auf dem Steinboden kaum ein Geräusch. Gleich darauf war die dünne, helle Glocke zu hören, die die Nonnen zum Stundengebet rief. Mechthild zuckte bei dem Geräusch unwillkürlich zusammen. Von Kind an war ihr der Glockenklang vertraut gewesen, der sieben Mal am Tag vom Seewind zur Feste ihres Vaters hinübergetragen wurde. Immer hatte die kleine Klosterglocke verkündet, dass das Leben sich in seinen gewohnten, sicheren Bahnen abspielte. Bis zu jenem frühen Morgen, da das Glöckchen zur Unzeit geläutet wurde und sein greller, nicht enden wollender Ton den ahnungslosen Schläfern die Ankunft der Drachenmänner verkündete. Von diesem Morgen an war Mechthilds Leben aus den Fugen geraten.

Ärgerlich riss sie an einem Zipfel ihrer Nonnentracht, der sich in einer Mauernische verfangen hatte. Wie sie dieses kratzige, unbequeme Gewand hasste! Dieses feuchte, enge Kloster, das seit dem Überfall immer noch nach modrigem Brand roch. Es war ihr längst klar geworden, dass Mutter Ariana nicht daran dachte, ihre Forderungen zu erfüllen. Beten und arbeiten und den Kopf in den Sand stecken – das war Klosterfrauenart. Sie würde sich selbst um alles kümmern müssen.

Aus der Kirche waren jetzt die Gesänge der Nonnen zu hören. Mechthild überlegte kurz. Was sie vorhatte, war gefährlich. Es war auch undankbar den Schwestern gegenüber, die sie aufgenommen hatten und ihre kargen Vorräte mit ihr teilten. Aber es gab nur diesen Weg. Sie würde zum nahen Dorf laufen und einen der Bauern beauftragen, nach Brian zu forschen. Entschlossen stieg sie die Treppe hinab und durchquerte den Kreuzgang des Klosters mit hastigen Schritten. Die niedrigen Pfeiler waren noch schwarz vom Feuer, doch die fleißigen Nonnen hatten bereits begonnen, den kleinen Kräutergarten wieder neu anzulegen. Viel schlimmer waren die Schäden in der Bibliothek und Schreibstube, dort waren unersetzliche Bücher und Folianten in Flammen aufgegangen, und nur Gott allein wusste, ob die Nonnen jemals in der Lage sein würden, die kostbaren Schriften zu ersetzen. Nur die silbernen Abendmahlsgeräte und einige Reliquien hatte man vor dem Überfall noch rasch vergraben können.

Mechthild öffnete den hölzernen Riegel der streng verbotenen Nebenpforte und zog an der schweren Tür. Sie war durch den Überfall beschädigt und vom Wasser, mit dem man den Brand gelöscht hatte, aufgequollen. Nur mit viel Mühe gelang es ihr, die Tür einen Spalt zu öffnen und sich hindurchzuschieben.

Sogleich erfasste der Wind ihr Gewand, riss ihr den Schleier vom Kopf und zerzauste ihr Haar. Sie sog die gischtige Seeluft tief in ihre Lungen ein und genoss die rauen Hände der Natur, die ihren Körper massierten. Wind und Wellen waren seit ihrer Kindheit vertraute Freunde und Bundesgenossen, vor ihnen hatte sie keine Furcht.

Es war verlockend, nach den Tagen der strengen Klausur im Kloster, wieder einmal ans Meer zu laufen, den feuchten Sand zwischen den nackten Zehen zu spüren, die schaumigen Ausläufer der Brandung über die Finger lecken zu lassen. Doch es war auch höchst gefährlich. Niemand durfte wissen, dass sie sich hier in St. André versteckte ...

Es ist ja keiner da, dachte sie und strich sich das flatternde Haar aus der Stirn. Wer sollte bei solchem Wetter in der Bucht herumlaufen? Und Fischer waren sowieso nicht mehr unterwegs, die Wikinger hatten alle Boote zerschlagen und verbrannt.

Sie raffte das lange Habit und rannte, so schnell sie konnte, zu den braunen Felsen hinüber, erreichte sie atemlos und keuchend vor Glück und begann zu klettern. Jeder Tritt war sicher, nur das dumme Nonnenkleid störte beim Hinaufsteigen, doch sie kannte jeden Absatz und jeden Vorsprung. Da war die kleine Nische im Granitgestein, die die Wellen in jahrtausendelangem Ansturm ausgespült hatten. Als kleines Mädchen hatte sie sich dort hineinkauern können und sich vor den Frauen, die sie beaufsichtigen sollten, verborgen. Ach, hier war alles so vertraut, und doch hatte sich für Mechthild so viel verändert.

Das Tosen und Schlagen der Brecher war an dieser Stelle fast ohrenbetäubend. Möwen strichen in kühnem Flug über die heraneilenden, dunkelgrünen Wellen. In der Mitte der Bucht lagen unzählige große und kleinere Granitbrocken, die das Wasser jetzt langsam freigeben musste, denn die Meereswogen zogen sich zurück, weil der Mond es ihnen so befahl. Mechthild schien es plötzlich, als habe einer der dunklen Steine sich bewegt. Sie schärfte den Blick. Hatte das Meer ein Seetier oder einen großen Fisch an Land gespült? Das wäre ein Segen für den kargen Mittagstisch des Klosters, wo es bisher nur Getreidebrei und verbrannte Zwiebeln gegeben hatte.

Doch als sie sich nun der Stelle mit vorsichtigen Schritten näherte, erkannte sie, dass dort kein Fisch lag, sondern ein Mensch.

Ein Ertrunkener, durchfuhr es sie voller Abscheu. Die Toten des Meeres waren hässlich, aufgequollen und hatten glasige Augen wie Fische. Hatte er sich wirklich gerührt, oder hatte das zurückflutende Wasser nur eines seiner Glieder bewegt? Zögernd ging sie weiter. Wenn jetzt jemand über die Felsen stieg, blieb ihr hier unten in der Bucht kaum eine Möglichkeit, sich zu verbergen. Und den Nonnenschleier hatte der Wind davongetragen. Aber sie wollte Gewissheit. Wenn es Brian war, der dort drüben leblos im Sand ausgestreckt lag, hatten sich ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. O Gott, lass es nicht Brian sein, flehte sie innerlich.

Er war es nicht. Schon aus der Entfernung erkannte sie, dass der Mann viel größer und kräftiger war als der schmale Brian. Auch trug er keine Mönchskutte, sondern ein zerrissenes Wams und eng anliegende Beinkleider. Dann erschrak sie, denn sie sah, dass das abgebrochene Ende eines Speers aus seinem Rücken ragte.

Er atmete schwer und mühsam, sein Gesicht war bärtig, das nasse Haar klebte an seiner Stirn. Mechthild stutzte, als sie sich über ihn beugte: Der Mann hatte helles Haar. Seine Augenlider zitterten leicht, war er bei Besinnung? Ein Amulett, das er an einer langen Kette um den Hals trug, blinkte neben ihm im Sand. Deutlich war die Form zu erkennen: ein Kreuz, dem der untere Längsbalken fehlte. Mechthild erstarrte. Es gab keinen Zweifel: Dieser Mann war einer jener Drachenkrieger, die ihr Land verwüstet hatten. Ein Wikinger!

Ihr erster Impuls war, das Speerende zu fassen, um es dem Feind tief in den Körper zu stoßen. So tief, dass er auf der Stelle daran sterben würde. Bilder, die sie seit vielen Tagen und Nächten von sich wegschob, stiegen wieder vor ihr auf: sterbende Frankenkrieger, geschändete Frauen, hilflos in die Sklaverei geführt, brennende Dörfer und Klöster.

Doch als sie die Hand hob, drehte der Mann den Kopf und der Blick seiner hellen blauen Augen ließ sie in der Bewegung innehalten. Ich liege hier zu deinen Füßen, sagte dieser Blick, halb ertrunken, tödlich verwundet. Hast du wirklich die Stirn, einen Wehrlosen zu töten?

Sie biss sich auf die Lippen vor Zorn, doch sie war nicht imstande, ihr Vorhaben auszuführen. Er hatte recht: Es war ehrlos, einem hilflosen Mann den Todesstoß zu geben. Niemals hätte ihr Vater so gehandelt. Wütend erhob sie sich und hatte nicht übel Lust, dem vor ihr Liegenden wenigstens einen kräftigen Fußtritt in die Seite zu versetzen. Gar zu aufreizend war dieser große Männerkörper, über dessen Rücken und Arme sich dicke Muskelstränge zogen. Aber er sollte seiner Bestrafung nicht entgehen. Dafür würde sie sorgen.

Sie raffte die lange Ordenstracht bis über die Knie und eilte davon. In größter Hast überstieg sie die Felsen, rannte zum Kloster hinüber und stieß die widerspenstige Pforte mit aller Kraft auf. Die Nonnen standen im Kreuzgang, ängstlich zusammengedrängt wie ein Häuflein schwarzer Hennen, denn man hatte soeben erst die Eigenmächtigkeit der jungen Grafentochter bemerkt.

»Schnell«, keuchte Mechthild. »Ein Wikinger. Drüben in der Bucht.«

»Gott steh uns bei«, stieß die Äbtissin erbleichend hervor. »Schließt die Pforten und sucht Zuflucht in der Kirche. Der Herr wird diese Prüfung an uns vorübergehen lassen.«

Einige der Frauen schlugen die Hände vor die Gesichter, andere fielen auf die Knie, dumpfe Verzweiflung in den Augen.

»Aber nein! Es ist nur ein einzelner Mann«, erklärte Mechthild ärgerlich. »Halb ertrunken und schwer verwundet. Wir müssen ihn zum Kloster tragen und gesund pflegen.«

»Gesund pflegen?«

Die Mutter Äbtissin traute ihren Ohren kaum. Doch als sie die Ernsthaftigkeit der jungen Herrin erkannte, straffte sie sich und hob den Kopf.

»Wenn er unsere Hilfe benötigt, so werden wir helfen. Vor Gott dem Herrn sind alle Menschen gleich.«

Zitternd vor Angst zogen die Nonnen in einer kleinen Prozession hinüber zur Bucht, überstiegen mühsam die Felsen und fanden den großen, hellhaarigen Mann bäuchlings im Sand. Er atmete nur noch schwach – Mutter Ariana mahnte zur Eile. Man hob ihn auf ein mitgebrachtes Tuch und trug den schweren Körper mit viel Jammern und Ächzen zum Kloster hinüber.

Kapitel 2

»Es ist nicht recht, einen Mann Gottes so zu behandeln«, knurrte die alte Fada leise und blieb am Treppenaufgang des Wohnturms stehen. Aus den oberen Gemächern der Grafenburg drangen laute Männerstimmen und das klatschende Geräusch von Schlägen.

»Halt dein Maul. Der Herr weiß schon, was er tut«, wies ihr Mann Harnid sie zurecht, der ihr mit einem großen Krug Wein in den Händen gefolgt war. »Geh lieber voran und sieh zu, dass du die gläsernen Becher nicht fallen lässt.«

Er schob seine Frau ungeduldig die enge Stiege hinauf, denn es hatte zu regnen begonnen und der kühle Wind trieb die Nässe über den Burghof. Es würde einen frühen Herbst geben in diesem Jahr – ein Unglück kam eben selten allein.

Oben im Gemach des Grafen war jetzt brüllendes Gelächter zu hören, wenigstens schien der Herr guter Dinge zu sein. Fada öffnete die hölzerne Tür zum Saal und trat mit ihren Bechern in den Händen ein.

Graf Arnulf saß in der Mitte des Raumes auf einem Hocker, ein Bein lang ausgestreckt, das andere angewinkelt. Sein breites Gesicht, das ein schwarzer Bart umrahmte, war gerötet und vom Gelächter verzerrt. Doch wussten seine Diener, dass die Stimmung des Grafen blitzartig umschlagen konnte und aus Lachen im Handumdrehen Jähzorn und blinde Wut wurde. Er achtete jedoch wenig auf die beiden Alten, die Becher und Wein schweigend auf einem Tisch abstellten. Stattdessen wandte er sich zu seinen drei Kumpanen um, die hinter ihm standen und ebenfalls grobes Gelächter hören ließen.

»Ist er nicht ein mutiger Held, unser kleiner Mönch?«, rief Arnulf und erntete erneute Lachsalven.

»Schweigt wie ein Grab«, grölte es.

»Worin er sich vermutlich auch bald wiederfinden wird!«

»Auf dem Friedhof von St. André. Falls ihn der Fluss dorthin spült.«

»Nicht bevor er den Mund aufgetan und die Wahrheit ausgespuckt hat!«

Die Drohungen galten einem schmalen jungen Mann mit geschorenem Haupt, der in ein halb zerfetztes Mönchshabit gekleidet war. Er stand dicht gegen die Wand gedrängt vor der Übermacht seiner Peiniger und schwieg. Sein Gesicht war rasiert, seine Züge ebenmäßig – jetzt allerdings waren auf Wangen, Nase und Stirn die Spuren harter Fäuste zu erkennen. Ein Schlag hatte seine Lippe aufgerissen und das Blut lief das Kinn hinab. Dennoch zeigte sein Antlitz den Ausdruck ruhiger Gelassenheit.

Auch Graf Arnulf hatte diesen Gleichmut bemerkt, seine kleinen, dunklen Augen lagen lauernd auf dem Mönch, und was jetzt um seinen Mund aufzuckte, war kein Gelächter mehr. Es war Heimtücke.

»Einen Becher Wein für unseren Gast«, befahl er und winkte Harnid, der sich mit gesenktem Nacken hastig beeilte, den Befehl auszuführen. Arnulf griff den Becher, erhob sich und schritt damit auf den Mönch zu.

»Stärke dich am Wein, lieber Bruder Brian«, sagte er voll Hohn und streckte dem jungen Mönch den Becher hin. »In vino veritas, heißt es. Und die Wahrheit ist es, die wir von dir hören wollen.«

Der junge Mann machte keine Anstalten, den Becher aus der Hand des Grafen zu nehmen. Im Nu war die scheinbare Freundlichkeit seines Peinigers in Wut umgeschlagen. Arnulf packte den Hilflosen beim Genick und zwang ihm den Becher an den Mund. Brian war kaum in der Lage, sich gegen den viel stärkeren Mann zu wehren, und notgedrungen schluckte er etwas Wein. Dann begann er zu husten und der Rest des Bechers rann über sein Kinn in sein Gewand. Die Kumpane des Grafen bogen sich vor Vergnügen und sprachen nun selbst eifrig dem Wein zu.

»Nun siehst du, dass ich auf meinem Recht als Gastgeber bestehe«, stellte Arnulf befriedigt fest und entließ sein Opfer aus seinem Griff. »Jetzt erwarte ich, dass auch du das Gastrecht ehrst und endlich redest.«

Der Mönch wischte sich das Kinn mit dem Handrücken trocken. Seine Hand zitterte.

»Ich habe nichts zu sagen«, entgegnete er.

»Nichts als die Wahrheit«, erwiderte Arnulf. »Gebietet nicht auch die Ordensregel des heiligen Benedikt, die Wahrheit zu sprechen?«

»Ich habe gelobt zu schweigen und werde lieber sterben, als mein Gelübde zu brechen.«

Hohngelächter erhob sich, doch Arnulf brachte seine Gesellen mit einer Handbewegung zur Ruhe.

»Es lohnt nicht, zu sterben, Mönchlein«, sagte er, zu seinem Opfer gewandt. »Zumal ich das meiste sowieso schon weiß. Sie verbirgt sich im Kloster St. André, nicht wahr?«

Brian zeigte keine Bewegung in seinem blassen, von Schlägen verquollenen Gesicht.

Arnulf griff nach einem Becher und trank in langen Zügen. Den Mönch ließ er dabei nicht aus den Augen. Der Starrsinn dieses schmächtigen Kerls ärgerte ihn nicht wenig. Fast nötigte er ihm Achtung ab, dieser aufrechte Gottesmann, der sich lieber schlagen und beleidigen ließ, als seine schöne Herrin zu verraten. Vermutlich würde er für sie auch sterben, dieser Dummkopf.

»Hör zu, Mönch«, sagte er und stellte den geleerten Becher zurück auf den Tisch. »Ich habe nach Sitte und Gesetz um Mechthild angehalten, nachdem ihr Vater im Kampf gefallen war. Wir waren Waffenbrüder, Graf Konrad und ich, und deshalb steht seine Tochter mir zu.«

Immer noch stand der Mönch schweigend, es schien fast, als befände sein Geist sich längst nicht mehr in diesem Raum.

»Was mir zusteht, das nehme ich mir«, fuhr der Graf fort. »Ich werde sie finden und ihr die Launen des verwöhnten Töchterleins rasch austreiben. Ich weiß genau, dass sie dich nach Rouen geschickt hat, um dort Beistand gegen mich zu finden. Also, wo ist sie?«

»Ihr fragt vergeblich«, sagte Brian gefasst. »Ich werde schweigen, auch wenn Ihr mich tötet.«

Der Graf lachte dröhnend und wandte sich zu seinen Kumpanen, die in sein Grölen einfielen.

»Habt ihr das gehört? Dieser fromme Bruder möchte gern den Märtyrertod für seine schöne Herrin erleiden. Nun – die Kleine wäre es durchaus wert. Aber wir werden ihm diesen Gefallen nicht tun, oder?«

Leise Enttäuschung war auf den Gesichtern der Männer abzulesen. Seitdem man vor wenigen Wochen die Wikinger abgewehrt hatte, war bei den Kriegern bereits Langeweile eingekehrt. Es wäre eine nette Abwechslung gewesen, diesen kleinen Mönch ein wenig zu foltern und zu Tode zu bringen. Doch sie kannten ihren Herrn, er hatte ohne Zweifel eine kurzweilige Idee in seinem Schädel.

»Du bist ihr doch treu ergeben, deiner bezaubernd schönen Herrin, nicht wahr?«, fragte Arnulf den Mönch. »Du siehst zwar nicht gerade aus wie ein wackerer Krieger, aber du hast doch trotz all deiner Keuschheitsgelübde gewiss auch einen Blick für die Frauen, Mönchlein.«

Brian hatte seine Gesichtszüge vollkommen in der Gewalt, doch er konnte nicht verhindern, dass er errötete.

»Schaut euch das an!«, rief Arnulf triumphierend. »Er wird rot wie ein Mädchen. Ich glaube, wir müssen dir ein wenig auf die Sprünge helfen, mein Kleiner. Wie wolltest du gegen die Sünde der Wollust predigen, wenn du sie nie am eigenen Leibe verspürt hast?«

Die Brust des Mönches hob und senkte sich nun heftiger. Brian war sich sicher gewesen, weder Tod noch Schmerzen zu fürchten. Doch das, was dieser Teufel im Sinn hatte, war schlimmer als der Tod.

Arnulf sah seinem Opfer an, dass er das Richtige getroffen hatte. Er flüsterte Liutprand etwas ins Ohr, der Diener neigte den Kopf und ging davon, um den Befehl auszuführen. Arnulf nutzte die Zeit, um sein Spiel weiterzutreiben.

»Du hast deine Herrin doch ohne Zweifel mit Wohlgefallen betrachtet, nicht wahr?«, fragte er, während seine Kumpane genüsslich grinsten und mit der Zunge schnalzten.

»Die schöne Mechthild«, fuhr Arnulf fort, »nicht nur ihr Angesicht ist verführerisch, sie hat auch einen ausgesprochen wohlgeformten Körper, die kleine verwöhnte Grafentochter. Rund und voll sind ihre Brüste, die Hüften weich geschwungen, und wenn sie sich umwendet, dann würde ihre doppelt gewölbte Kehrseite genau in meine beiden Hände passen.«

»Schweigt!«, flammte Brian auf, während Arnulfs Kumpane vor Vergnügen zu wiehern begannen. »Wer gibt Euch das Recht, so über sie zu sprechen? Mit dem Leben würdet Ihr diese Worte bezahlen, wenn Mechthilds Vater noch unter uns weilte!«

Arnulf zeigte sich über diesen Ausbruch erfreut, ja geradezu begeistert. Hatte er doch das passende Mittel gefunden, um den starrsinnigen Mönch zum Reden zu bringen.

»Du gibst also zu, dass du in ihrem Auftrag nach Rouen unterwegs warst, um den Erzbischof um Beistand zu bitten?«

Der Mönch schwieg erneut, aber Arnulf störte sich nicht daran.

»Wir werden die Wahrheit gleich aus dir herausgeholt haben, frommes Brüderlein.«

Die Tür wurde geöffnet, und hinter Liutprand erschien eine junge Frau, die den Grafen mit fragendem Lächeln ansah. Sie war in ein bodenlanges dunkelrotes Gewand gekleidet, der weiße Überwurf wurde über der Brust von goldenen Spangen gehalten. Hals und Arme waren mit blinkendem Silberschmuck bedeckt, das offene, dunkle Haar hing ihr bis an die Hüften herab.

»Was wünscht mein Gebieter?«, fragte sie mit schelmischem Blick, denn sie schien recht genau zu wissen, weshalb der Graf nach ihr verlangte.

»Deine Schönheit zu sehen«, erwiderte Arnulf und streckte besitzergreifend die Hand nach ihr aus. »Komm näher, Fastrada, meine Geliebte, und lass dich bewundern.«

Sie gehorchte bereitwillig, war jedoch erstaunt, als sie sah, dass sich ein Mönch unter den Anwesenden befand. Derartiges war bisher nicht üblich gewesen.

»Sollte dieser Klosterbruder nicht besser die Augen schließen?«

Arnulf lachte und zog sie dicht zu sich heran. Er umfasste ihre Taille mit dem Arm, während die freie Hand wohlgefällig über die beiden Rundungen strich, die unter der Tunika hervortraten.

»Extra für ihn habe ich dich hergebeten, meine süße Fastrada. Du sollst ihn lehren, was er seinem Gelübde nach meiden muss.«

Sie kannte Arnulf gut genug, um zu wissen, dass Widerspruch sinnlos, ja tödlich sein würde. So fügte sie sich bereitwillig seiner Order und wandte sich mit verführerischem Lächeln zu dem jungen Mann, der sie mit großen, entsetzten Augen ansah.

»Tanze für ihn!«

Sie summte leise vor sich hin und drehte sich mit wiegenden Hüften im Takt hin und her. Das weite Gewand begann zu schwingen, gab ihre nackten Füße und die Knöchel frei, dann auch ein Stück der Waden. Sie hob die Arme über den Kopf, dass die silbernen Armringe aneinanderklirrten, und bewegte herausfordernd den Oberkörper. Dann begann sie, die goldenen Spangen an ihrer Brust zu lösen, und der weiße Überwurf glitt von ihren Schultern.

Längst starrten die Kumpane des Grafen mit gierigen Blicken auf die schöne junge Frau, unter den knielangen Gewändern und ledernen Beinkleidern begann es sich zu regen, und nur die Angst vor ihrem Herrn hielt sie davon ab, über Fastrada herzufallen.

»Weiter, meine Schöne«, feuerte Arnulf sie an. »Lass uns mehr sehen.«

Sie drehte sich jetzt auf der Stelle und öffnete dabei die Schnüre, die das Kleid im Nacken zusammenhielten. Das flatternde rote Gewand und das wehende Haar schienen sie in ein wirbelndes, tanzendes Elfenwesen zu verwandeln, ihre Beine blitzten bis zu den Oberschenkeln auf, und langsam glitt der rote Stoff über ihre Schultern hinab.

Brian hatte tatsächlich versucht, die Augen zu schließen, doch es war ihm nicht gelungen, sie geschlossen zu halten. Der Tanz der jungen Frau hatte etwas Unwirkliches, Zauberhaftes, das ihm das Gefühl gab, in eine andere Welt versetzt worden zu sein. Hatte diese Bewegung nicht etwas von einem großen flatternden Vogel, einem mächtigen Dämon der Lüfte oder gar von einem der Engel, die durch den Kosmos fliegen? Starr vor Faszination und mit wild klopfendem Herzen hatte er das Schauspiel verfolgt bis zu dem Moment, als die schöne Tänzerin völlig nackt vor ihm stand, der rosige, erhitzte Körper nur noch von ihrem langen Haar verhüllt.

»Hat es dir gefallen?«, hörte er ihre Stimme, während schon der Boden unter ihm schwankte.

»Du bist schön«, flüsterte er.

Sie lachte hell auf, trat dicht zu ihm heran, und er atmete den warmen, feuchten Duft ihrer Weiblichkeit. Ihr Finger berührte zart sein Gewand an der Brust, glitt hinab über seinen Bauch und kreiste leicht und fast zärtlich über seinem gewölbten Geschlecht.

Er hörte immer noch ihr leises Lachen, als der Abgrund sich unter ihm auftat und bodenlose Schwärze ihn verschlang.

Kapitel 3

Mechthild kauerte an einem der kleinen Fenster des Dormitoriums und sah neugierig auf das Treiben im Klosterhof hinab. Sie hatte den Nonnenschleier tief ins Gesicht gezogen, um nicht durch einen zufälligen Blick erkannt zu werden, doch die Bauern, die gekommen waren, um den Klosterfrauen die Ernteabgaben zu bringen, waren viel zu beschäftigt, um nach oben zu sehen. Viele Frauen waren darunter, die bunten, bodenlangen Leinenkittel geschürzt, sie schleppten Körbe und Bündel, Kinder sprangen umher, Männer trieben die Zugtiere mit den beladenen Karren in den Hof. Die Nonnen waren dankbar für Getreide, Gemüse und einige Schweine wussten sie doch nur zu gut, dass die Leute in den Dörfern selbst nicht viel zu beißen hatten. Die Drachenmänner hatten Felder verwüstet und Vieh abgeschlachtet, sie hatten die Hütten niedergebrannt, und es gab keine Familie, die nicht mindestens einen Toten bestattet hatte. Dennoch war auf den Gesichtern der Bauern kein Grimm abzulesen, als sie jetzt ihren Zehnten brachten. Die Angst vor der Gefahr aus dem hohen Norden hatte den Menschen ein Gefühl der Zusammengehörigkeit gegeben, hier in den Klöstern und Burgen, den Hütten und Feldern des christlichen Frankenlandes.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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