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Nathan King - der Rinderbaron Ein neuer Job auf King's Eden im australischen Outback - hier will die Hotelmanagerin Miranda Wade die Enttäuschung über den Betrug ihres Ex-Geliebten vergessen. Eine neue Liebe stand für sie nicht auf dem Plan, doch dann lernt sie den attraktiven Rinderbaron Nathan King kennen. Obwohl ihr Verstand sie warnt, folgt sie ihrem Herzen. Tommy King - der Playboy Samantha Connelly ist schon lange in ihren Arbeitgeber, Tommy King, verliebt, doch erst als sie auf der Hochzeit seines Bruders in einem aufregenden Kleid erscheint, bemerkt Tommy, was für eine aufregende Frau Samantha ist. Ihre gemeinsame Zukunft liegt aber schon bald darauf in Scherben, als Tommys Exfreundin auftaucht und behauptet, ein Kind von ihm zu erwarten. Jared King - der Unternehmer Seit dem Tag, an dem die Schmuckdesignerin Christabel in seiner Perlenfirma angefangen hat, versucht der Jared, das Herz der jungen Mutter zu erobern. Doch sie weist ihn zurück. Hat es was mit den drei Männern zu tun, die plötzlich in der kleinen Küstenstadt Broome aufgetaucht sind? Kurzerhand entführt Jared King sie auf den Familiensitz King's Eden. Wird Christabel ihm hier sagen, wovor sie so große Angst hat?
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Seitenzahl: 592
Die Söhne der Kings
Emma Darcy
Nathan King – Der Rinderbaron
Aus dem Amerikanischen von Irmgard Sander
Emma Darcy
Tommy King – Der Playboy
Aus dem Amerikanischen von Irmgard Sander
Emma Darcy
Jared King – Der Unternehmer
Aus dem Amerikanischen von Irmgard Sander
MIRA® TASCHENBUCH
MIRA® TASCHENBÜCHER
erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,
Valentinskamp 24, 20354 Hamburg
Geschäftsführer: Thomas Beckmann
Copyright dieser Ausgabe © 2014 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH
Titel der nordamerikanischen Originalausgaben:
The Cattle King‘s Mistress
The Playboy King’s Wife
The Pleasure King’s Bride
Copyright 2000 © by Emma Darcy
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd, Toronto
Published by arrangement with
Harlequin Enterprises II B.V., Amsterdam
Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln
Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln
Redaktion: Bettina Lahrs
Titelabbildung: Corbis GmbH, Düsseldorf
ISBN eBook 978-3-95576-373-2
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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
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Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder
auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich
der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
Emma Darcy
Nathan King – Der Rinderbaron
Aus dem Amerikanischen von Irmgard Sander
Die Geliebte eines verheirateten Mannes? Niemals!
Miranda spürte, wie sie allein bei dem Gedanken erneut die Zähne zusammenbiss, und versuchte, sich zu entspannen. Sie würde ihr Leben lang mit den Zähnen knirschen, wenn sie nicht endlich aufhörte, an Bobby Hewson zu denken und an seine ungeheuerliche Annahme, seine bevorstehende Heirat wäre kein Hindernis für eine Fortsetzung ihrer bisherigen Liebesbeziehung.
Nun, er musste sich eine andere suchen, die ihm das Bett wärmte, wenn er das nächste Mal nach Sydney kam. Ehebruch kam für sie nicht infrage. Sie war vielleicht dumm genug gewesen, sich von Bobby mit leeren Versprechungen drei Jahre lang hinhalten zu lassen, aber für sein außereheliches Vergnügen würde sie sich nicht missbrauchen lassen. Das Beispiel ihrer Mutter war ihr Warnung genug. Niemals würde sie, Miranda, den gleichen entwürdigenden und zerstörerischen Weg gehen.
“Miss Wade, Ihr Gin Tonic.”
Miranda blickte zu der freundlich lächelnden Stewardess auf, die ihr den bestellten Drink servierte. Wie angenehm, dass ihre neuen Arbeitgeber ihr einen Flug erster Klasse spendiert hatten! Miranda hoffte, der Drink würde ihr helfen, sich etwas zu entspannen. “Danke”, sagte sie, wobei sie das Lächeln erwiderte.
Die Stewardess warf einen interessierten Blick auf das Buch in ihrem Schoß. “‘King’s Eden’? Wollen Sie dorthin?”
Elizabeth King hatte ihr das Buch zur Hintergrundinformation gegeben, nachdem sie, Miranda, den Zweijahresvertrag als Managerin des Ferienparks im Outback unterschrieben hatte. Die Lektüre der Geschichte des Ortes und der Familie, in deren Besitz er sich seit Generationen befand, war vielleicht ein etwas trockener Lesestoff, aber unter den gegebenen Umständen ein absolutes Muss und überdies die sinnvollste Art, den mehrstündigen Flug nach Darwin zu nutzen. Miranda ermahnte sich streng, dass es höchste Zeit sei, sich auf ihre zukünftigen Pläne zu konzentrieren und die Vergangenheit ad acta zu legen.
“Ja, allerdings”, bestätigte sie. “Kennen Sie die Gegend?”
“Ich war schon dort”, antwortete die Stewardess enthusiastisch. “Es ist ein fast schon legendärer Ort in den Kimberleys, im Besitz der Kings, die dort als ungekrönte Könige der Rinderzüchter gelten. Nachdem sie jetzt den Wildpark für Touristen geöffnet und dort eine Ferienanlage gebaut haben, ist es ein sehr beliebtes Ziel im Outback.”
“Haben Sie in der Ferienanlage gewohnt?”
“Nicht im Gästehaus.” Die Stewardess verdrehte die Augen. “Viel zu teuer. Ich war mit einer Gruppe dort, und wir haben drei Tage in den Zelthütten an der Granny Schlucht gewohnt.”
Zelthütten, Campingplätze, Bungalows und Luxussuiten im Gästehaus – das waren vier verschiedene Unterbringungsstandards, um die Miranda sich in Zukunft würde kümmern müssen. Etwas ganz anderes als die Leitung eines Fünfsternehotels! War sie verrückt, sich darauf einzulassen – zwei Jahre in der Wildnis?
“Hat sich die Reise denn Ihrer Meinung nach gelohnt?”, fragte sie die Stewardess.
“Oh ja, mehr als das! Ich habe noch nie in meinem Leben so viele Schmetterlinge gesehen. Die Bäume waren voll davon. Und wir haben in einem herrlichen Wasserloch mit kristallklarem, türkisblau schimmerndem Wasser gebadet, das von malerischen Wasserfällen gespeist wurde. Eine sagenhafte Art zu duschen!”
“Dann würden Sie den Ferienpark also empfehlen?”
“Unbedingt!”, bekräftigte die Stewardess. “Und lassen Sie sich auf keinen Fall die Höhlenschnitzereien der Aborigines entgehen, wenn Sie die Schlucht besuchen.”
Miranda nickte der Stewardess freundlich zu und nahm zur Kenntnis, dass “King’s Eden” zumindest dieser jungen Frau zugesagt hatte. Der einzige Reiz, den es augenblicklich auf sie, Miranda, ausübte, bestand in der Aussicht, ihr ein Leben nach eigenen Vorstellungen zu ermöglichen.
Wenn sie bei der Regency-Hotelkette geblieben wäre, hätte sie vielleicht von der stellvertretenden Managerin in Sydney zu einer leitenden Position in Übersee aufsteigen können, was sie einmal angestrebt hatte. Doch dazu hätte sie sich weiterhin mit Bobby gut stellen müssen – daran hatte er keinen Zweifel gelassen. Er hatte ihr eine vielversprechende Karriere in Aussicht gestellt, um sie mit dem Gedanken an seine bevorstehende Heirat zu versöhnen, die, wie er behauptete, sowieso nur dem Zweck diene, die Allianz zwischen zwei großen internationalen Hotelketten zu zementieren.
Eine weitere Lüge! Ein Foto von seiner französischen Braut in der Zeitung war für Miranda Beweis genug gewesen, dass Bobby seine Flitterwochen nicht als Prüfung empfinden würde. Offensichtlich hatte er sie von Anfang an belogen – drei Jahre lang. Das Einzige, was sie ihm am Schluss noch geglaubt hatte, war seine Drohung, er würde verhindern, dass sie irgendwo anders in der Branche eine gute Stellung bekommen würde, wenn sie ihn jetzt verließe. Miranda hatte nicht daran gezweifelt, dass er alles tun würde, um seinen Kopf durchzusetzen.
“King’s Eden” bot ihr den perfekten Ausweg aus dieser Situation. Es war eine eigenständige Ferienanlage, die mit nichts und niemandem in Verbindung stand, worauf Bobby Hewson hätte Einfluss nehmen können. Miranda dachte mit einem bitteren Lächeln an eine der Fragen, die Elizabeth King ihr im Verlauf des Bewerbungsgesprächs gestellt hatte. “Sind Sie … ungebunden?”
“Ja, Mrs. King, ich bin völlig ungebunden”, hatte sie fest geantwortet. “Mein Leben gehört ganz allein mir.”
Und genauso würde es auf “King’s Eden” sein, schwor sich Miranda. Sie würde ihr eigenes Leben führen, ungeachtet der Probleme, mit der diese ungewohnte Umgebung sie konfrontieren würde. Ihre Selbstachtung verlangte von ihr, dass sie kraft ihrer eigenen Leistungen in ihrem Beruf Erfolg haben würde … und nicht weil sie die Mätresse irgendeines unverbesserlichen Playboys war.
Entschlossen öffnete Miranda das Buch in ihrem Schoß. Auf der ersten Seite war eine Landkarte der Kimberleys abgebildet, dreihundertzwanzig Quadratkilometer Land, die sich vom Seehafen Broome oben an der Nordwestküste Australiens bis hinunter zur Grenze des Northern Territory erstreckten. Das Gebiet von “King’s Eden” war grün unterlegt – ein gewaltiger Besitz mitten im Outback, der letzte Ort, an dem Bobby Hewson nach ihr suchen würde.
Es war vielleicht nicht unbedingt der Garten Eden, aber wenigstens gab es dort keine hinterhältige Schlange. In dieser Zuversicht blätterte Miranda weiter und begann zu lesen. Ihr war bewusst, dass sie in diesem Moment ein Kapitel in ihrem Leben abgeschlossen hatte und es für sie nur noch einen Weg gab: nach vorn.
“Sag mir nur eines, Mutter: warum eine Frau?”
Weil du eine brauchst. Und nachdem Susan Butler nun endlich aus deinem Leben verschwunden ist, suchst du vielleicht doch nach mehr als bloß einer neuen Geliebten. Dies waren Elizabeth Kings Gedanken, während sie versuchte, das Ausmaß der Verärgerung ihres ältesten Sohnes über ihre Entscheidung abzuschätzen. Sein gereizter Ton und die tiefe Furche zwischen den dunklen Brauen versprachen keinen guten Start zwischen Nathan und Miranda Wade, die er jeden Moment kennenlernen würde.
Die Leitung des Ferienparks gehörte zu Tommys Aufgabe. Nathans war die Leitung der Rinderfarm, und er legte Wert darauf, die beiden Unternehmungen streng getrennt zu halten. Sowieso blieb Nathan am liebsten für sich, doch Elizabeth war der Ansicht, dass sich das ändern müsse. Er war fünfunddreißig – höchste Zeit für ihn, zu heiraten und Kinder zu haben. Für Elizabeth war es keine Alternative, in diesem Punkt auf seine beiden jüngeren Brüder zu hoffen. Nathan war seinem Vater in jeder Hinsicht am ähnlichsten, und sie wollte das Erbe ihres geliebten Lachlan nicht derart vergeudet sehen.
“Ich habe die Person mit den besten Qualifikationen für die Leitung des Ferienparks gewählt”, antwortete sie bedächtig, wobei sie ihren Ältesten forschend betrachtete. “Es war mir nicht bewusst, dass du ein Vorurteil gegen Frauen in leitenden Positionen hegst, Nathan.”
Er hatte sich in den großen ledernen Lehnstuhl gesetzt, der selbst einem so stattlichen Mann wie ihm ausreichend Platz bot, und warf ihr einen spöttischen Blick zu. “Nicht einmal du hast es das ganze Jahr über hier ausgehalten.”
Das alte Argument, doch es stach nicht. “Ich musste mich noch um andere Interessen kümmern, wie du genau weißt.”
Seine Miene blieb skeptisch. “Der Punkt ist doch, dass wir uns darauf geeinigt hatten, ein Ehepaar sei am geeignetsten für diese Stellung.”
“Schön und gut, solange die Ehe intakt ist”, erwiderte Elizabeth bedeutsam. Nathan wusste genau, dass der letzte Manager gekündigt hatte, weil seine Frau ihm andernfalls mit Scheidung gedroht hatte. “Und wer kann nach einem Vorstellungsgespräch beurteilen, wie gut eine Beziehung ist? Damit sind wir doch schon reingefallen.”
“Dann würde meiner Ansicht nach aber ein alleinstehender Mann mit der Abgeschiedenheit dieser Gegend besser zurechtkommen als eine alleinstehende Frau”, gab Nathan zu bedenken.
Elizabeth ließ sich nicht beirren. “Die männlichen Bewerber haben mir nicht zugesagt. Sie waren ausnahmslos zu weich für meinen Geschmack.”
“Ach ja? Und was haben wir stattdessen? Eine Frau wie Stahl?” Nathan winkte spöttisch ab. “Es wäre ihr zu wünschen, denn ich habe nicht vor, ihr zu Diensten zu stehen und ihr die Probleme aus dem Weg zu räumen. Wenn sie jemand braucht, der ihr die Hand hält, soll Tommy es tun.”
“Das kannst du ihr bestimmt klarmachen, Nathan.” Elizabeth unterdrückte ein befriedigtes Lächeln, als sie hinzufügte: “Falls du es wünschst.”
Sofort horchte er auf. “Was soll das heißen?”
“Ich bezweifle, dass Miranda Wade sich von irgendeinem Mann die Hand halten lässt.” Und das, mein Sohn, könnte für dich eine Herausforderung darstellen, der du nur schwer widerstehen kannst, dachte Elizabeth.
“Das passt ja wie die Faust aufs Auge: Eine militante Feministin soll für unsere anspruchsvollen Feriengäste die charmante Gastgeberin spielen!”, bemerkte Nathan verächtlich.
“Oh, ich glaube, jemand, der seit zwölf Jahren in der Hotelbranche ist, weiß, wie man Gäste behandelt”, widersprach Elizabeth unbeirrt. “Aber mach dir selber ein Bild, Nathan. Es hört sich an, als wäre Tommys Jeep gerade vorgefahren. Ich nehme doch an, dass du dich wenigstens um Höflichkeit bemühen wirst.”
Nathan verdrehte die Augen. “Sicher ist Tommy wie stets gut in Form. Er wird bestimmt jedes mögliche Versagen meinerseits in diesem Punkt doppelt wettmachen.”
Zweifellos, dachte Elizabeth. Ihr in hohem Maß extrovertierter mittlerer Sohn flirtete vermutlich in diesem Moment bereits nach allen Regeln der Kunst mit Miranda. Tommy liebte es, sich in der Bewunderung der Frauen zu sonnen. Aber an der kühlen Blondine, die sie, Elizabeth, bei dem Vorstellungsgespräch kennengelernt hatte, würde sein Charme vermutlich wirkungslos abprallen. Der Blick ihrer grünen Augen war seltsam nach innen gerichtet gewesen, als wollte sie sich irgendetwas beweisen.
Es blieb abzuwarten, ob Nathan dieser Blondine einen Funken Interesse entlocken konnte. Nathan, der sich stets so gab, wie er war, ob es einem gefiel oder nicht, stellte ebenfalls eine Herausforderung dar – eine Herausforderung, vor der die meisten Frauen kapitulierten. Doch Elizabeth hielt Miranda Wade nicht für eine Frau, die so leicht aufgab. Damit die Rechnung aufging, musste allerdings die Chemie zwischen den beiden stimmen, und das war etwas, was sich nicht forcieren ließ. Elizabeth konnte nur hoffen …
Miranda hatte den Besitz, der den Ferienpark und die Rinderfarm umfasste, am Morgen bereits aus der Luft gesehen. Erst da war ihr klar geworden, dass die Gebäude, die zu den beiden Geschäftszweigen der Kings gehörten, völlig getrennt voneinander lagen. Das Gästehaus des Ferienparks war ein eleganter, moderner Bau, dazu angelegt, den gut betuchten Gästen selbst hier im Outback jeden erdenklichen Luxus zu bieten. Das alte Farmhaus, dem sie sich jetzt über die Zufahrt näherte, besaß dagegen einen Reiz, der eine ungestillte Sehnsucht in Miranda ansprach.
Die Menschen, die dieses Haus gebaut hatten und bewohnten, waren mit dem Land hier tief verwurzelt – etwas, das Miranda so nie kennengelernt hatte. Im Leben ihrer Mutter hatte es nichts Festes oder Dauerhaftes gegeben, und Miranda war froh gewesen, daraus zu verschwinden. Sowieso war sie für ihre Mutter stets nur der lebende Beweis für deren größten Fehler und deren Alter gewesen und hatte die Aufmerksamkeit der Männer abgelenkt, von denen ihre Mutter sich hatte aushalten lassen.
Mit sechzehn war Miranda von zu Hause fort und hatte seitdem stets in den Hotels gewohnt, in denen sie arbeitete. Ihre wechselnden Unterkünfte hatte sie nur als ein Dach über dem Kopf betrachtet und nichts davon persönlich an sich herangelassen. Begriffe wie Zuhause, Familientradition oder Zugehörigkeit besaßen für sie keine Bedeutung. Sie gehörte ganz allein sich selbst.
So war es ein seltsames Gefühl, plötzlich mit etwas konfrontiert zu werden, was so ganz anders war als ihre persönlichen Erfahrungen. Die stattlichen Bäume, die sowohl zum Schutz als auch zum Schmuck gepflanzt worden waren, hatten schon mehr als ein Menschenleben überdauert, und auch die dichte, prachtvoll blühende Bougainvillea-Hecke, die das Haus umgab, war bestimmt schon Generationen alt. Frei stehend erhob sich das weiße Farmhaus auf einer grasbewachsenen Anhöhe über dem Fluss und wirkte mit seinen kunstvollen schmiedeeisernen Balustraden vor den Veranden wie eine strahlende Krone auf dem Haupt des gewaltigen Anwesens, über das es herrschte.
Als Tommy King den Jeep vor den Eingangsstufen vorfuhr, erkundigte Miranda sich, beeindruckt von den imposanten Ausmaßen des Gebäudes: “Wann ist es erbaut worden?”
“Vor ungefähr neunzig Jahren”, antwortete er mit einem gewinnenden Lächeln. “Ich glaube, es war Gerald, einer der ersten der King-Brüder hier, der in Queensland die Villa eines hohen Regierungsbeamten gesehen hatte und davon so beeindruckt gewesen war, dass er den Entwurf kopieren und die erforderlichen Materialien per Schiff nach Wyndham bringen ließ.”
Geld spielte keine Rolle, dachte Miranda. In dem Buch hatte sie gelesen, dass die ersten Pioniere der King-Brüder in den Goldminen von Kalgoorlie ein Vermögen gemacht hatten, bevor sie dieses Land gekauft hatten.
“Wirklich sehr beeindruckend”, sagte sie bewundernd.
“Nun, in den alten Zeiten diente es vielen Zwecken”, erläuterte Tommy ihr bereitwillig. “Alle Familienangehörigen lebten hier, und Durchreisende blieben oft mehrere Tage, um sich auszuruhen. Gastfreundschaft wurde hier im Outback immer großgeschrieben.”
“Was vermutlich half, das Gefühl von Isolation zu durchbrechen”, warf Miranda verständnisvoll ein.
“Ein Problem, das sich heute durch das Flugzeug als Transportmittel erledigt hat”, ergänzte Tommy zufrieden.
Miranda wusste aus ihrer Reiselektüre, dass er eine Fluggesellschaft besaß, die er von Kununurra aus leitete, wobei ein Großteil seines Geschäfts mit dem Ferienpark verknüpft war und in Charterflügen mit kleinen Maschinen und Hubschraubern bestand. Tommy King war mit Anfang dreißig der dynamische, junge Unternehmertyp, selbstbewusst, sympathisch und mit einer Redegewandtheit begabt, die einem alles verkaufen konnte – vor allem sich selber.
Doch Miranda war nicht anfällig für seinen Playboy-Charme, der durch sein angenehmes Äußeres unterstützt wurde: dichte schwarze Locken, die ihm jungenhaft in die Stirn fielen, funkelnde braune Augen, die stets zum Flirten bereit schienen, und ein schlanker, durchtrainierter Körper, der Kraft und Sex-Appeal ausstrahlte. Miranda hatte seine Gesellschaft genossen, seit er sie am Morgen am Flughafen von Kununurra abgeholt hatte. Er hatte sich als ein ausgezeichneter, höchst informativer Fremdenführer erwiesen, aber sie war fest entschlossen, persönlich strikt Distanz zu ihm zu wahren. Männer wie Tommy King konnten sie nicht in Versuchung führen, Geschäft mit Vergnügen zu mischen. Sie hoffte, dass er diese Botschaft auch verstand, damit sich erst gar keine missverständliche Situation zwischen ihnen entwickeln konnte.
“Was mit dem großen Farmhaus heute passiert, kann man nur als Verschwendung betrachten”, bemerkte Tommy, als er den Motor des Jeeps ausschaltete. “Viele Feriengäste würden vermutlich sonst was darum geben, hier einquartiert zu werden, aber Nathan will nichts davon hören.” Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu. “Mein großer Bruder ist unzugänglich wie ein Fels.”
Nathan King, der älteste Sohn von Elizabeth und Lachlan. Miranda war froh, den Stammbaum in dem Buch über “King’s Eden” studiert zu haben, denn die Leute hier gingen einfach davon aus, dass man alles über die Kings wusste.
“Nun, es ist doch verständlich, wenn er mit seiner Familie ungestört bleiben will.”
“Dem würde ich zustimmen, sollte er jemals heiraten und eine Familie haben”, entgegnete Tommy wie aus der Pistole geschossen. “Tatsächlich lebt er hier aber die meiste Zeit ganz für sich, und es sieht nicht so aus, als würde sich das bald ändern.”
Er stieg aus und kam um den Jeep herum, um Miranda die Tür aufzuhalten. Sie war ein wenig konsterniert. Als sie eingeladen worden war, an diesem Abend mit der Familie in dem alten Farmhaus zu essen, war sie davon ausgegangen, nicht nur zwei alleinstehende Männer als Gesellschaft vorzufinden.
“Ich dachte, Mrs. King würde auch hier leben”, sagte sie, als sie aus dem Wagen stieg.
“Nicht ständig. Mum hat sehr viel mit der Leitung der Zuchtperlenfarm in Broome zu tun.” Tommy lächelte gewinnend. “Aber sie ist gestern hergeflogen, um Sie zu begrüßen und dafür zu sorgen, dass alles zu Ihrer Zufriedenheit ist.”
Miranda atmete auf. Sie würde also nicht die einzige Frau bei Tisch sein. “Wie nett von ihr!”
Tommy lachte. “Mum ist die geborene Diplomatin.”
Während Miranda mit Tommy die Eingangsstufen hinaufging, überlegte sie, wie unterschiedlich die beiden Brüder vermutlich waren. “Gibt es nicht noch einen dritten Sohn?”, fragte sie zögernd. Nathan, Thomas und Jared – die Namen waren ihr aus der Lektüre des Buches im Gedächtnis geblieben.
“Jared? Oh, der kümmert sich um die Minen und die Vermarktung der Perlen. Er ist ständig auf Achse”, lautete Tommys lakonische Antwort. “Sie werden ihn sicher irgendwann kennenlernen, aber nicht heute Abend. Ich glaube, im Moment ist er in Hongkong.”
Perlen, Minen … Miranda überschlug rasch, was sie bislang über die Kings wusste. Es handelte sich hier um eine sehr reiche Familie, ähnlich vermögend, wenn nicht vermögender als die Hewsons. Alle drei Brüder waren vermutlich genau wie Bobby daran gewöhnt, stets zu bekommen, was sie wollten. Wenn sie einmal heirateten, dann vermutlich in Familien, die auf die eine oder andere Weise mit ihren geschäftlichen Interessen in Verbindung standen. So funktionierte das in diesen Kreisen. Sie, Miranda, war eine Außenseiterin, eine Angestellte, die von gewissem Nutzen war. Doch sie war fest entschlossen, diesen “Nutzen” diesmal ganz klar abzustecken. Egal, wie attraktiv die drei King-Brüder auch sein mochten, sie würden für sie in persönlicher Hinsicht tabu sein.
Niemals würde sie sich von Tommys Charme einwickeln lassen, und wenn Nathan unzugänglich wie ein Fels war, dann würde sie nicht versuchen, diese Wand zu durchbrechen. Da Jared anscheinend die meiste Zeit unterwegs war, würde er sowieso kein Problem für sie darstellen. Am besten, sie konzentrierte sich an diesem Abend ganz auf Elizabeth King.
Mit diesem festen Vorsatz betrat Miranda das Haus und blickte sich neugierig um. Große, bleiverglaste Fenster zu beiden Seiten der massiven Eingangstür ließen warmes Licht in eine geräumige Eingangshalle, deren Wände mit gerahmten Fotografien geschmückt waren. Es handelte sich offenbar um eine Darstellung der Geschichte von “King’s Eden”, doch Miranda blieb keine Zeit, sich die Fotos genauer anzusehen, denn Tommy führte sie geradewegs weiter ins Wohnzimmer. Bewundernd ließ Miranda den Blick über die üppige Einrichtung schweifen. Eine Vielzahl von Kunstschätzen überwiegend asiatischer Herkunft verbanden sich zu einem faszinierenden Gesamteindruck.
Im nächsten Moment jedoch wurde Mirandas Aufmerksamkeit ganz von dem Mann in Anspruch genommen, der sich bei ihrem Eintreten aus einem großen Ledersessel erhob. Er musste gut einen Meter neunzig groß sein und war mit seinen breiten Schultern und seiner kraftvollen Statur einer der stattlichsten Männer, die Miranda je gesehen hatte. Mit jeder seiner Bewegungen strahlte er eine unbezwingbare Kraft aus.
Unwillkürlich jagte ihr ein kleiner Schauer über den Rücken. Die Gegenwart dieses Mannes übte ohne ersichtlichen Grund eine beunruhigende Wirkung auf sie aus. Dabei bedrohte er sie doch keineswegs, sondern war aus Höflichkeit aufgestanden, sodass sie keinen Grund hatte, sich so … verletzlich zu fühlen.
Ganz bewusst suchte Miranda seinen Blick und rang sich ein höfliches Lächeln ab. Die markanten Züge ihres Gegenübers wirkten wie aus Granit gemeißelt. Nein, Nathan King hatte nichts “Hübsches” oder “Playboyhaftes” an sich.
Sein dichtes schwarzes Haar war glatt, die dunklen Brauen gerade. Und der Blick seiner blauen Augen, die überraschend hell und klar aus seinem gebräunten Gesicht leuchteten, war durchdringend und unergründlich. Miranda fühlte sich wie gebannt, unfähig, sich diesem Blick zu entziehen, bis Elizabeth King sie ansprach.
“Willkommen in ‘King’s Eden’…”
Miranda wandte sich der ihr vertrauten Stimme zu. Die Frau, die mit ihr das Vorstellungsgespräch geführt hatte, saß in einem kunstvoll geschnitzten Brokatsessel, ein Bild vollendeter Eleganz: Das weiße Haar gepflegt frisiert, trug sie einen cremefarbenen Hosenanzug, in dessen Ausschnitt eine kostbare Perlenkette schimmerte.
“Es ist mir ein Vergnügen und eine Ehre, Mrs. King”, erwiderte Miranda höflich. “Vielen Dank für die Einladung.”
Elizabeth King lächelte und deutete mit einem befriedigten Ausdruck auf ihren ältesten Sohn. “Darf ich Ihnen Nathan vorstellen? In seiner Hand ist die Leitung der Rinderfarm. Nathan, das ist Miranda Wade, die neue Managerin unseres Ferienparks.”
Er rührte sich nicht von der Stelle, sondern begutachtete sie stumm und herausfordernd. Miranda war es in ihrem Beruf gewöhnt, auf Menschen zuzugehen und sie zu begrüßen. Fast immer war es ein bewährtes Mittel, das Eis zu brechen, wenn man die Initiative ergriff, und sie war für die Zukunft sicher gut beraten, mit diesem Mann ein einvernehmliches Auskommen anzustreben. Doch trotz dieser Überlegungen zögerte sie, auf ihn zuzugehen. Nathan King war zweifellos ein Mann, der alles beherrschte, was er berührte … und sie stand im Begriff, ihm die Hand zu reichen.
Nathan war beeindruckt. Er hatte schon viele schöne Frauen kennengelernt, aber keine davon ließ sich mit dieser vergleichen. Sämtliche weibliche Reize vereinigten sich bei ihr zu etwas ganz Besonderem.
Sie war fast so groß wie Tommy, was bedeutete, dass sie annähernd einen Meter achtzig groß sein musste. Ihr schulterlanges blondes Haar war eine seidige Verlockung. Schimmernd umschmeichelte es ein Gesicht, dessen klassisch schöne Züge durch das kleine Grübchen im Kinn erst richtig zur Geltung kamen. Sie trug ein hochgeschlossenes, ärmelloses Kleid, das ihre schlanke, wohlgerundete Figur umspielte und kurz über dem Knie endete. Der betont dezente Schnitt stand in lebhaftem Kontrast zu dem auffälligen abstrakten Blumenmuster des Stoffes in Gelb, Orange, Grün, Türkis und Blau auf schwarzem Untergrund. Dazu trug sie zierliche gelbe Sandaletten.
Eine sehr selbstbewusste Frau, dachte Nathan, die eher bereit ist, sich aus der Masse hervorzuheben, als darin zu verschwinden. Eine starke Persönlichkeit. Ganz bestimmt kein scheues Reh und auch keine Klette. In Nathan regte sich ein Gefühl, das er lange nicht verspürt hatte. Diese Frau war es vielleicht wert, dass man sie näher kennenlernte … eine Erfahrung, die sich lohnen konnte.
Ihr Anblick bereitete ihm ein solches Vergnügen, dass er sich nicht davon lösen wollte, nachdem seine Mutter sie einander vorgestellt hatte, sondern sie weiter studierte, als sie auf ihn zukam. Wunderschöne, mandelförmige grüne Augen, umrahmt von honigbraunen Wimpern. Ob das Blond ihres Haares echt war?
“Es freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. King”, sagte sie ruhig und streckte ihm die Hand entgegen.
Ganz bewusst darauf bedacht, persönliche Distanz zu wahren. Das war ihm nur recht, bis er sich über seine weitere Vorgehensweise im Klaren sein würde. Höflich lächelnd nahm er die dargebotene Hand. “Selbst die Kinder auf der Farm nennen mich Nathan”, lud er sie unkompliziert ein. “Und da man sich im Ferienpark auch mit dem Vornamen anspricht, darf ich Sie wohl Miranda nennen, ja?”
“Natürlich”, antwortete sie gelassen, wobei sie ihm ihre Hand entzog.
Nathan ließ es geschehen, vermerkte jedoch interessiert, wie eilig sie es hatte, den physischen Kontakt mit ihm zu unterbrechen. Spürte sie vielleicht, welche Wirkung sie auf ihn ausübte? Ging es ihr vielleicht ähnlich? Ihr Blick verriet lediglich das höfliche Interesse der Angestellten gegenüber einem ihrer Arbeitgeber, nichts darüber hinaus.
Er musste wieder an die Worte seiner Mutter denken: Ich bezweifle, dass Miranda Wade sich von irgendeinem Mann die Hand halten lässt … War sie wirklich eine militante Feministin?
Nathan besann sich auf seine Gastgeberpflichten. “Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten? Champagner, vielleicht, wie meiner Mutter …?”
“Ein Glas Wasser genügt”, antwortete Miranda rasch.
Sie will also einen klaren Kopf bewahren, registrierte Nathan und wandte sich seinem Bruder zu. “Du ein Bier, Tommy?”
“Ja, gern”, lautete die prompte Antwort.
Nathan ließ die anderen einen Moment allein, um aus der Bar im angrenzenden Billardzimmer die Getränke zu holen. Miranda Wade war offensichtlich eine Frau, die man nicht drängen durfte. Er hatte den Eindruck, dass sie eine Persönlichkeit mit vielen Facetten war, nicht leicht einzuordnen.
Wie Tommy wohl mit ihr klargekommen war? Sein Bruder hatte den größten Teil des Tages in ihrer Gesellschaft verbracht. Hatte er ihr etwas Interesse entlocken können? Nathan beschloss, sich erst einmal zurückzuhalten und das Miteinander der beiden zu beobachten. Als er das Tablett mit den Getränken ins Wohnzimmer zurücktrug, überlegte er amüsiert, welchen unerwarteten Ausgang dieses Treffen doch genommen hatte. Seine Verärgerung über die Entscheidung seiner Mutter war in dem Moment, als Miranda Wade auf der Türschwelle erschienen war, wie weggeblasen gewesen.
Tommy hatte es sich auf dem Sofa bequem gemacht und vielleicht insgeheim darauf gehofft, dass Miranda sich neben ihn setzen würde. Doch ihr schöner Gast hatte sich stattdessen dafür entschieden, in einem Sessel neben seiner Mutter Platz zu nehmen – genau gegenüber und möglichst weit entfernt von dem Lehnstuhl, in dem Nathan zuvor gesessen hatte. Sie bedankte sich mit einem freundlichen Lächeln, als Nathan ihr das Glas Wasser auf einen kleinen Beistelltisch stellte, bevor sie das unterbrochene Gespräch mit seiner Mutter wieder aufnahm.
Höflich, aber distanziert, notierte Nathan. Er hielt sich nicht weiter in ihrer Nähe auf und versuchte auch nicht, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Ein Zwei-Jahres-Vertrag gab ihm genug Zeit, sie näher kennenzulernen. Lässig ging er zu Tommy und reichte ihm das Bier,
“Und? Bist du zufrieden mit der Wahl?”, erkundigte er sich forschend.
“Bist du zufrieden?”, gab Tommy die Frage zurück, wobei seine dunklen Augen schalkhaft blitzten.
Nathan zuckte die breiten Schultern. “Das ist allein deine Angelegenheit, Tommy.”
“Ich glaube, sie ist ein Gewinn.” Tommy warf Miranda einen bewundernden Blick zu und fuhr ironisch lächelnd fort: “Ihre Interessen sind ganz auf den Job ausgerichtet.”
“Freut mich zu hören.” Nathan ging zu seinem Sessel und setzte sich zufrieden. Wie es aussah, hatte der Charme seines Bruders ausnahmsweise einmal nicht gewirkt. Es versprach, ein höchst interessanter Abend zu werden. Predigten Feministinnen nicht, dass man Männer zwar begehren konnte, aber sie nicht brauchte? Sexuelle Freiheit für Frauen? Sich zu nehmen, was man wollte? Was, wenn Miranda genau das wollte?
Das Abendessen war köstlich: Garnelen mit Kokosnuss in Mangosauce, gefolgt von einem Barramunda, der auf der Zunge zerging, und schließlich einer Passionsfrucht-Mousse, die ein wahres Gedicht war. Für Miranda war das Essen mit den Kings dennoch eine Prüfung, vor allem angesichts ihres Gastgebers, dessen bloße Anwesenheit sie entschieden nervös machte. Doch sie war der Meinung, sich bis zum Dessert gut gehalten zu haben.
Zwar hatte sich Nathan kaum am Tischgespräch beteiligt, aber ihr war nicht entgangen, dass er jedes ihrer Worte aufmerksam verfolgt hatte. Sie spürte, dass er versuchte, sich aus ihren Fragen, Antworten und Ansichten ein Bild von ihrer Person zu machen, ohne von sich selber etwas preiszugeben.
Zu ihrem Leidwesen musste sie immer wieder daran denken, wie sich ihre Hand in seiner angefühlt hatte. Vielleicht lag es daran, dass er der Rinderzüchter unter den Kings war, aber sie hatte den Eindruck, als hätte er sie mit seinem Brandzeichen versehen. Nathan King erinnerte sie in einem Maß an ihre Weiblichkeit, wie es nicht einmal Bobby Hewson getan hatte.
Glücklicherweise sorgten Tommy und Elizabeth King mit ihrer lockeren, informativen Unterhaltung dafür, dass sie sich etwas entspannen konnte. Und die geschmackvolle Einrichtung des Esszimmers war auch geeignet, von dem Mann abzulenken, dessen Gegenwart den Tisch beherrschte. Immer wieder ließ Miranda den Blick bewundernd über die schönen Möbel aus poliertem Mahagoniholz und die dekorativen Vogelbilder an den Wänden schweifen. Alles wirkte makellos gepflegt, und sie fragte sich unwillkürlich, wie viel Angestellte nötig waren, um dieses große Haus in Ordnung zu halten. Bislang hatte sie nur Nancy kennengelernt, die das Abendessen serviert hatte.
“Ich denke, es wäre gut, wenn Miranda selber die üblichen Touristenausflüge machen würde, bevor die Saison im Ferienpark richtig beginnt”, schlug Elizabeth King plötzlich vor. “Sie sollte das, was sie den Gästen empfiehlt, persönlich kennen.”
Tommy machte ein nachdenkliches Gesicht. “Sam ist immer noch durch ihren verstauchten Knöchel außer Gefecht gesetzt …”
Samantha Connelly gehörte als Hubschrauberpilotin zum Stammpersonal des Ferienparks. Miranda hatte sie bereits kennengelernt – eine hübsche, sehr sympathische junge Frau, die jedoch empfindlich auf Tommys Neckereien wegen ihrer vorübergehenden Behinderung reagiert hatte.
“Ich fliege übermorgen zur Bungle Bungle Range. Miranda kann mich begleiten, wenn sie möchte.”
Diese beiläufigen Worte, so unerwartet aus Nathans Mund, ließen alle erstaunt aufblicken.
Tommy sah seinen Bruder entgeistert an. “Du?”
Seine Verblüffung vermehrte Mirandas Panik. Sie musste sich zwingen, den Mann anzublicken, der ihr gerade seine Begleitung angeboten hatte. Doch nichts in seinem Gesicht verriet irgendein spezielles Interesse an ihr.
Im Gegenteil, sein Blick drückte milde Verwunderung aus, als er sich an Tommy wandte: “Hast du ein Problem damit?”
“Und nie werden die beiden zusammenfinden außer beim Auftrieb der Herden im Juni”, meinte Tommy neckend. “He, es ist erst März, und du bietest mir deine Hilfe für mein Geschäft an?”
“Das hat kaum etwas mit Geschäft zu tun”, erwiderte Nathan unbeirrt. “Ich fliege sowieso, sodass sich die Gelegenheit anbietet … falls Miranda sie ergreifen möchte.” Er sah sie fragend an.
Allein mit ihm in einem kleinen Flugzeug oder Hubschrauber? Miranda zerbrach sich fieberhaft den Kopf nach einer plausiblen Ausrede.
“Weshalb fliegst du denn dorthin?”, fragte Tommy neugierig und verhalf ihr damit zu einem Aufschub.
Nathan wandte sich wieder seinem Bruder zu. “Der oberste Parkranger möchte sich Sarah Kings Tagebücher über die hiesigen Stämme der Aborigines ausleihen, als Hintergrundinformation sozusagen. Ich habe versprochen, sie ihm vorbeizubringen.”
“Schön, dann steht der erste Ausflug ja schon für Sie fest, Miranda”, verkündete Elizabeth King lächelnd und sichtlich zufrieden.
“Aber, Mrs. King, schon übermorgen …” Miranda machte ein zweifelndes Gesicht. “Ich denke, ich werde diese Woche sehr viel damit zu tun haben, mich mit den Abläufen in dem Ferienpark vertraut zu machen und mir einen Überblick über die nötigen Einstellungen für die Saison zu verschaffen. Ich weiß Ihr Angebot wirklich zu schätzen, Nathan …”, sie sah ihn entschuldigend an, “… aber ich bin gerade erst angekommen und werde kaum die Zeit haben …”
“Es ist besser, Sie ergreifen die Gelegenheit beim Schopf, wie sie sich bietet, Miranda”, mischte Elizabeth sich energisch ein. “Außerdem ist es die wirtschaftlichste Lösung, denn auf diese Weise wird weder Samantha noch einer von Tommys Piloten beansprucht.”
Womit Mrs. King ihr sauber den Boden unter den Füßen entzogen hatte. Hätte Miranda auf einem anderen Termin bestanden, wäre damit unnötig das Budget des Ferienparks belastet worden.
“Ein Ausflug im Morgengrauen, Nathan?”, wandte Elizabeth King sich nun unbeirrt an ihren Ältesten.
“Nun, ich denke, wir sollten uns den Sonnenaufgang nicht entgehen lassen”, antwortete er.
Miranda hatte Mühe, ihre Verärgerung zu verbergen, als die beiden über ihren Kopf hinweg entschieden, egal, ob es ihr passte oder nicht. Die Arroganz der Reichen, die es gewöhnt sind, die Menschen ganz nach Belieben wie Schachfiguren herumzuschieben, dachte sie resigniert. Aber sie konnte sich nur schlecht dagegen auflehnen, denn das Outback war wirklich Neuland für sie, und für ihren Job war es natürlich wichtig, dass sie sich gleich persönlich mit den Sehenswürdigkeiten des Parks vertraut machte.
Normalerweise hätte sie sich auch gar nicht dagegen gewehrt, wenn nicht ausgerechnet Nathan ihr seine Begleitung angeboten hätte. Dieser Mann verunsicherte sie. Reiß dich zusammen, Miranda!, ermahnte sie sich streng. Ob es ihr gefiel oder nicht, sie musste mit Nathan King klarkommen. Vielleicht verlor er ja seinen besonderen Reiz, wenn sie ihn näher kennenlernte.
“Ich werde Sie bis mittags wieder im Ferienpark abgesetzt haben”, versicherte er ihr jetzt.
Was mindestens sechs Stunden allein in seiner Gesellschaft bedeutete. “Vielen Dank”, sagte sie ruhig, obwohl ihr Herz klopfte.
“Was halten Sie davon?”
“Wie bitte?” Worauf wollte er hinaus?
Das spöttische Funkeln in seinen Augen machte sie nur noch nervöser. Spürte er, wie sehr er sie durcheinanderbrachte?
“Nun ja, der Ferienpark. Da Sie bislang immer in der Stadt gearbeitet haben, frage ich mich, welchen Eindruck die Anlage auf Sie macht. Ich nehme an, Tommy hat Sie heute Nachmittag schon etwas herumgeführt.”
“Die verschiedenen Bereiche von Unterkünften sind außerordentlich gut geplant”, antwortete sie selbstsicher. “Das Gästehaus ist ideal gelegen und in seiner Ausstattung sehr attraktiv. Die gesamte Anlage macht einen erstklassigen Eindruck.”
“Keine kalten Füße?”, fragte er herausfordernd. “Keine Zweifel nach dem Motto: Was habe ich nur getan?”
Miranda schüttelte lachend der Kopf. “Eher das Gefühl: wie wundervoll! Ich freue mich wirklich darauf, die Leitung zu übernehmen und mein Bestes zu geben.”
“Eine ganz neue Welt für Sie?”
“Ja.”
“Die meisten Leute halten sich lieber an die Welt, die sie kennen.”
“Nun, dann zähle ich wohl nicht zu den ‘meisten Leuten’.”
“Eine Abenteurerin? Auf der Suche nach dem anderen?”
“Eher, die sich das Bedürfnis nach etwas anderem erfüllt.”
“Dann hoffe ich, dass all Ihre Bedürfnisse hier Erfüllung finden werden.”
“Dann wäre es tatsächlich der Garten Eden.”
Nathan lachte, so unerwartet und gewinnend, dass Miranda völlig fasziniert davon war. Der kleine Wortwechsel zwischen ihnen schien ihn genauso angeregt zu haben, wie er sie belebt hatte. Seine Augen funkelten vor Vergnügen, als er bemerkte: “Ich neige zu der Ansicht, dass es an jedem Einzelnen liegt, sich seinen eigenen Garten Eden zu schaffen. Das scheint mir der eigentliche Sinn unserer Willensfreiheit: sich so zu entscheiden, dass wir glücklich sind.”
Miranda hatte plötzlich das Gefühl, dass dieses Gespräch eine gefährlich vertrauliche Wendung genommen hatte. Die Vernunft verlangte von ihr eine Korrektur. “Nur leider können wir die Entscheidungen anderer Menschen nicht kontrollieren”, sagte sie betont kühl, “und das kann uns die Hölle auf Erden bereiten.”
“Man hat immer die Möglichkeit wegzugehen.”
“Aber wird man das auch respektieren?”
“Sorgen Sie dafür.”
“Ich bin nicht ganz so groß und stark wie Sie, Nathan”, erwiderte sie locker.
Er lächelte. “Aber Sie haben einen eigenen Kopf, Miranda. Und der ist sogar sehr interessant.”
“Vielen Dank.”
“Oh, ich sollte Ihnen danken. Unser gemeinsamer Trip wird bestimmt nicht langweilig werden.”
Miranda hielt den Atem an. Sie spürte, dass Nathan King mit seiner Bemerkung nicht nur auf den geplanten Flug zur Bungle Bungle Range anspielte. Nein, er meinte offensichtlich eine viel längere gemeinsame Wegstrecke über die zwei Jahre, die sie in “King’s Eden” sein würde … eine höchst beunruhigende Vorstellung.
“Vergiss bloß nicht, dass du auch den Fremdenführer spielen musst, Nathan”, warf Tommy bedeutsam ein. “Schließlich geht es ums Geschäft.”
Schwang da eine Spur von Verärgerung in seiner Stimme? Brüderliche Rivalität? Rasch wandte sich Miranda dem Mann zu, dessen Interessen sie vorrangig zu vertreten hatte. “Ich werde den Ausflug so gewinnbringend wie möglich nutzen, Tommy”, versprach sie sofort. “Ich weiß, wie wichtig das für meinen Job ist.”
Er nickte, und Elizabeth King fügte zustimmend lächelnd hinzu: “Es wird ganz sicher ein wundervolles Erlebnis für Sie werden.”
Miranda konnte das nur hoffen. Sie würde jede Ablenkung nötig haben, um Nathan King auf Distanz zu halten.
Um Nathan King aus ihren Gedanken zu verdrängen und sich das Gefühl zu geben, alles im Griff zu haben, setzte Miranda gleich für den ersten Morgen nach ihrer Ankunft in “King’s Eden” eine Personalbesprechung an. Da der Ferienpark nur von Anfang April bis Ende November geöffnet war, fehlten noch die vielen saisonbedingten Zusatzkräfte, sodass sich nur das Stammpersonal sowie die Leiter der jeweiligen Unterbringungsbereiche eingefunden hatten, um die neue Managerin zu begutachten.
Miranda war sich bewusst, dass sie im Gegensatz zu den übrigen Anwesenden das Outback nicht aus eigener Erfahrung kannte. Sie hatte auch noch nicht die große Regenzeit erlebt, in der der Monsunregen einen Großteil der Straßen im Norden Australiens während der Sommermonate in Schlammwüsten verwandelte. Aber die drückende Hitze draußen war ihr Beweis genug, dass es nicht ratsam war, in der Zeit zwischen Dezember und März diesen Teil des Outbacks zum Vergnügen zu bereisen. Glücklicherweise besaß das Gästehaus eine erstklassige Klimaanlage.
Man hatte sich in dem großen Aufenthaltsraum des Gästehauses versammelt, der sonst der Entspannung und dem Vergnügen der Gäste in der obersten Preiskategorie diente. Ein blaugrüner Schieferboden verbreitete eine angenehm kühle Atmosphäre, Rattanmöbel mit bunt gemusterten Kissen verliehen dem Raum ein lockeres, tropisches Ambiente. Kunstgegenstände und Gemälde nach der Tradition der Aborigines erinnerten die Gäste an die unmittelbare Nähe zu einer uralten Kultur. Durch die voll verglaste Stirnseite blickte man auf die geräumige Terrasse, und dahinter funkelte der Swimmingpool einladend in der Sonne.
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