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Der Weg zu einer besseren Welt führt über das Speaking. Redner wie Martin Luther King, Steve Jobs oder Greta Thunberg haben Mindsets verändert. Doch wie werden gute Ideen geboren? Warum haben (fast) alle etwas zu sagen? Und wie lässt sich Reichweite gewinnen? Alexander Müller und Stefan Frädrich, Macher des Europas führende Coaching- und Speakingplattform Greator, haben schon Hunderten geholfen, Speaker zu werden. In diesem Buch verraten sie ihr Erfolgskonzept. Und sie beschreiben den Weg ihres Unternehmens zu einem relevanten Player in der Weiterbildungsszene, auf dem sie trotz vieler Widrigkeiten wie festen Weltbildern und einer Pandemie immer für etwas gekämpft haben. Zuversichtlich, aufgeschlossen, wohlwollend. Es ist eine Haltung, die die Autoren in diesem Buch beschreiben – die alle brauchen, die die Welt mit ihren Gedanken zum Guten wenden wollen.
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Seitenzahl: 465
Alexander Müller Stefan Frädrich
DIE SPEAKER BIBEL
Alexander Müller Stefan Frädrich
DIE SPEAKER BIBEL
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Auch wenn eine gendergerechte Sprache wünschenswert ist, gibt es aus Sicht des Verlages bisher keine befriedigende, gut lesbare Lösung. Der leichteren Lesbarkeit zuliebe haben wir des Öfteren von der Doppelung männlicher und weiblicher Formen Abstand genommen. Selbstverständlich liegt es uns fern, dadurch einen Teil der Bevölkerung zu diskriminieren.
© 1. Auflage 2024 NEXT LEVEL Verlag,
NXT LVL GmbH, An der Dornwiese 2, 82166 Gräfelfing
www.next-level-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten.
Autor: Alexander Müller, Dr. Stefan Frädrich
Redaktion: Thilo Baum
Redaktionelle Mitarbeit: Silvia Kinkel
Satz: inpunkt[w]o, Wilnsdorf (www.inpunktwo.de)
Umschlaggestaltung: Anna-Lena Erdmann
Coverfoto: Greator
eBook: ePUBoo.com
ISBN Print: 978-3-68936-009-2
ISBN E-Book (PDF): 978-3-68936-010-8
ISBN E-Book (EPUB): 978-3-68936-011-5
Vorwort: Sichtbarkeit durch Speaking
Kapitel 1: Die Macht der öffentlichen Rede
Reden verändern die Welt
Reden verkaufen
Reden inspirieren
Wir sollten alle Potenziale nutzen
Reden geben Orientierung und machen Mut
Kapitel 2: Warum (fast) alle etwas zu sagen haben
Was ist relevant?
Geschäftsideen befeuern
Reden ziehen gute Mitarbeiter an
Die Welt besser machen
Kapitel 3: Der Speaker: Ein neues Berufsbild
Natural-born Speaker?
Talent und Training
Das Wichtige ist die Botschaft
Kapitel 4: Die inspirierende Geschichte von Greator
Die Anfänge
GEDANKENtanken und Greator
Unsere Vision und Mission
Kapitel 5: Geschäftsmodelle im Speaking
Reden für Unternehmen (»inhouse«) oder Privatleute (»Stadthalle«)?
Reden monetarisieren
Speaker-Typen
Kapitel 6: Speaker werden
Was gute Speaker ausmacht
Was eine gute Ausbildung abdeckt
Nachwort: Der Sinn des Speakings
Literatur
»Ich will Speaker werden!« Diesen Satz hören wir immer wieder.
Wir – das sind Alexander Müller und Stefan Frädrich. Wir sind die Macher von Greator, ehemals GEDANKENtanken. Dies ist unser gemeinsames Buch zur Frage, wie es uns als Gesellschaft gelingt, guten Ideen und Gedanken Gehör zu verschaffen. Wir sind ebenfalls Speaker: Stefan beispielsweise mit seinen Motivationsvorträgen mit »Günter, dem inneren Schweinehund«, Alex mit Vorträgen zu Selbstverwirklichung und Unternehmertum.
Und wir bauen Speaker auf: Unsere Ausbildung »TheKey« haben schon mehr als 800 Teilnehmer durchlaufen, und viele von ihnen sind jetzt als Speaker am Markt etabliert. Sie profitieren vor allem von der enormen Sichtbarkeit, die sie durch Greator im deutschsprachigen Raum bekommen, zuallererst via YouTube und dann natürlich auch über zahlreiche Social-Media-Kanäle.
Speaker wollen viele schon deswegen werden, weil sich damit gutes Geld verdienen lässt. Wenn du wissen willst, wie das geht – hab noch ein bisschen Geduld. Wir zeigen dir an einer ganzen Menge von Beispielen, wie Speaker Sichtbarkeit erreichen, damit ihr Speaker-Business Profit abwirft. Zugleich sollten wir vorher einige Grundlagen schaffen – und auch einige eingeschliffenen Denkweisen übers Speaking zurechtrücken. Vielleicht kommt dir das ein wenig zurückhaltend vor, aber wir finden den Ansatz wichtig, weil der Markt äußerst unübersichtlich zu werden beginnt. Wir sehen ein wenig die Gefahr, dass sich der Markt verwässert.
Ohne Frage ist der »Speaker« – oder, nicht ganz korrekt gegendert: die »Speakerin« – ein Berufsbild geworden, ähnlich wie das mancher Künstler. Später zeigen wir, warum wir die Speaker eher bei den kreativen Berufen sehen. Doch genau deshalb, weil Speaker eigene, originäre Inhalte entwickeln (jedenfalls sollten sie nichts abkupfern), herrscht hier eine gewisse Kopflosigkeit, wie sie bei Künstlern immer wieder anzutreffen ist: Viele denken, sie stellen sich auf die Bühne, denken sich irgendwas auf, erhalten tosenden Applaus und stellen 5.000 Euro zuzüglich Reisekosten und Mehrwertsteuer in Rechnung. Aber so einfach ist es eben nicht.
Lass uns da mal gleich bei dem Künstlervergleich bleiben: Erfolgreich sind nicht unbedingt die Künstler, die die beste Kunst machen. Sehr viele hervorragende Künstler drehen jeden Cent um, so wie auch viele hervorragende Wissenschaftler keine öffentliche Resonanz erfahren. Denn es geht nicht in erster Linie um die Qualität, sondern um die Sichtbarkeit. Wobei natürlich eine hohe Qualität der Sichtbarkeit eher dient, als ihr zu schaden, ohne Frage. Der Punkt ist einfach: Ohne Sichtbarkeit bringt dir die beste Qualität nichts, weder als Singer-Songwriter noch als Speaker. Den einsamen Rufer in der Wüste spielen? Nein, das wollen wir nicht.
Die Vorstellung derer, die zu uns kommen und sagen: »Ich will Speaker werden«, ist oft sehr naiv. Das ist auch klar, weil gute Speaker auf der Bühne völlig easy rüberkommen. Wenn wir uns einen Frank Asmus oder René Borbonus anschauen, dann denken wir als Laien schnell: »Das können wir auch!« Was da aber alles an Arbeit dahintersteckt, das sieht kaum jemand. Und deshalb würdigen viele Menschen diesen Beruf nicht angemessen.
Wir wollen mit diesem Buch eine Lanze für den Beruf des Speakers brechen. Und wir wollen ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern und zeigen, wie der Weg aussieht, der aus jemandem einen Speaker macht. Außerdem beschäftigen wir uns damit, welche Rolle Sichtbarkeit spielt, also letztlich die Reichweite, die Speaker brauchen, um mit ihrem Business und ihren denkbaren Zusatzprodukten nicht nur einigermaßen über die Runden zu kommen, sondern wirklich auch erfolgreich zu sein.
Vielleicht ist die eine oder andere Erkenntnis dabei für dich überraschend. Zum Beispiel hat Speaking sehr viel mehr mit Selbsterkenntnis und Persönlichkeitsentwicklung zu tun, als viele denken, die meinen, wir müssten auf der Bühne nur »Tschakka« sagen, um gefeiert zu werden. Wirklich viele Kollegen machen auf der Bühne eine Show, von der wir manchmal denken: Er oder sie ist doch gar nicht er oder sie selbst. Das ist nicht authentisch. Zugleich wissen wir, dass ein Inhalt – eine Botschaft, eine Mission, ein Appell – nur dann die Menschen erreicht und erfolgreich sein kann, wenn der Überbringer der Botschaft uns nichts vormacht. Absenderkompetenz und Glaubwürdigkeit sind daher elementare Zutaten zu einem erfolgreichen Speaker-Business, und das hat unweigerlich mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun.
Wir werden auch auf den Anspruch eingehen, einerseits künstlerisch, andererseits aber auch strategisch vorzugehen – ein Begriffspaar, das viele als widersprüchlich empfinden. Aus unserer Sicht ist es nötig, das Ganze auf diese Weise ganzheitlich anzugehen, denn selten genügt einer der Aspekte. Wer jetzt gleich ans große Geld denkt, dem wollen wir ein wenig Persönlichkeitsentwicklung nahelegen, und wer sich selbst verwirklichen will, dem wollen wir zeigen, dass es ohne ein tragfähiges Geschäft auch nicht funktioniert.
Wenn uns jemand sagt, er wolle Speaker werden, drehen wir inzwischen den Spieß um und fragen: Was bringst du denn der Welt? Wozu, bitte, sollte dich jemand fürs Reden bezahlen? Worin besteht der – sorry, in diesem Buch geht es sehr denglisch zu – Benefit für dein Publikum?
Und so langsam ahnt unser Gegenüber, dass wir es hier mit etwas zu tun haben, was jedes Unternehmen tut: Produktentwicklung. Inhalt, Design, Verpackung, dann die Verkaufskanäle und schließlich die Touchpoints, damit der Kunde überhaupt auf uns aufmerksam wird, und dann kommt das Abliefern und der Verdienst.
Wir sind überzeugt, dass unfassbar viel mehr Menschen etwas Relevantes zu sagen haben, als es den Anschein hat. Viele machen sich auch selbst klein, indem sie sich nicht für würdig halten, auf die große Bühne zu treten, etwa bei uns beim Greator Festival vor einer vollen Kölner Lanxess Arena. Vor allem Frauen sind oft von Selbstzweifeln geplagt. Dieses Feedback erhalten wir immer wieder von den Coaches, die in unserer Rednerausbildung die Teilnehmer begleiten. Damit machen diese Frauen nicht nur sich selbst das Leben schwer, sondern enthalten der Menschheit wichtigen Content vor.
Wer nichts zu sagen hat, möge schweigen, sagen wir frei nach Ludwig Wittgenstein (1889 – 1951). Und wir vollziehen mit dieser »Speaker-Bibel« den Umkehrschluss: Wer etwas zu sagen hat, der möge es bitte sagen. Dringend! Wir leben in einer Zeit, die die guten Ideen der Menschen braucht. Der irisch-britische Schriftsteller Edmund Burke (1729 – 1979) formulierte es so: »Das Böse triumphiert allein dadurch, dass gute Menschen nichts unternehmen.« Und wir wollen diese Welt erhalten und wünschen uns ein friedliches und konstruktives Miteinander, in dem wir gute Leute ihre Ideen zeigen lassen. Nicht nur Erfinder und Wissenschaftler, sondern alle, die etwas beizutragen haben, sind aufgerufen, genau das zu tun.
Deshalb: Herzlich willkommen in diesem Buch! Wir sind stolz darauf, dir nach der bisherigen Erfolgsgeschichte von GEDANKENtanken und Greator zeigen zu dürfen, wie wir uns das mit den guten Ideen für die Welt vorstellen, warum alle mitmachen können und wie es funktionieren könnte. Lass dich überzeugen, dass die Ideenentwicklung nur die halbe Miete ist – entscheidend ist die Sichtbarkeit.
Also klar: Über Nacht reich werden, Multimilliardär in sieben Tagen, im Schlaf fünfstellig pro Stunde verdienen, ohne Arbeit im Geld schwimmen – geht alles. Aber bis wir dazu kommen, lass uns die Grundlagen schaffen. Falls du bisher gesagt hast: »Ich will Speaker werden!«, dann lass uns deinen Blick in eine andere Richtung lenken, sodass du künftig fragst: »Was kann ich beitragen?«
Dein Alex und dein Stefan
»Ich sollte wieder in der Schule auf der anderen Seite des Ozeans sein. Und doch kommt ihr alle zu uns jungen Menschen, um Hoffnung zu schöpfen? Wie könnt ihr es wagen! Ihr habt mir mit euren leeren Worten meine Träume und meine Kindheit gestohlen.«1
Hast du die Rede der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg (* 2003) auf dem UN-Klimagipfel in New York 2019 verfolgt? Die Rede schlug ein wie eine Bombe. Denn Greta nutzte ihre Chance. Vor ihr saßen die Verantwortlichen für das Weltgeschehen. Die Vereinten Nationen bündeln 193 Nationen. Wer hier im Publikum sitzt und zuhört, kann wirklich etwas bewirken. Denn hier sitzen die Vertreter quasi aller Regierungen dieser Welt.
Und dann tritt eine 16-Jährige auf, die die Schule schwänzt und der Weltöffentlichkeit erklärt, dass genau diese Entscheider ihr die Kindheit geraubt haben. Weil sie jetzt im Dienste des Klimaschutzes unterwegs ist, um ihre Zukunft und auch die aller nachfolgenden Generationen zu retten.
Coole kleine Lady, haben wir damals gedacht. Wenn uns jemand zeigen kann, wie wir groß denken, dann dieses Mädchen.
Natürlich haben wir diesen Auftritt verfolgt und uns ausgetauscht. Und wir hatten tatsächlich denselben Gedanken: Das war eine Rede in der Größenordnung von »I have a dream«.
Die Rede »I have a dream« (»Ich habe einen Traum«) des Bürgerrechtlers Martin Luther King (1929 – 1968) gilt als eine der wichtigsten und bedeutendsten Reden der Geschichte. Im Jahr 1963 – die USA waren noch viel prüder als heute und People of Color waren immer noch nicht gleichberechtigt – richtet sich ein schwarzer Baptistenpastor in Washington an eine Viertelmillion Menschen und erklärt ihnen, was der amerikanische Traum eigentlich bedeutet. Er wäscht ihnen den Kopf, indem er auf die schreienden Ungerechtigkeiten hinweist, die so gar nicht mit den Werten der amerikanischen Verfassung zusammengehen. Was bringt bitte der Gleichheitsgrundsatz in der US-Verfassung, wenn er nicht alle Menschen einschließt?
Und dann träumte Martin Luther King laut. Dass die Nation die wahre Bedeutung der Unabhängigkeitserklärung von 1776 leben wird, in der wörtlich steht, dass alle Menschen gleich geschaffen seien. Dass seine Kinder nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden. Dass sogar in Alabama schwarze und weiße Kinder einander die Hände reichen werden.
Die Formel »I have a dream« bringt diese Rede auf den Punkt – viele verbinden damit heute die Forderung nach Gleichberechtigung, ohne die Rede selbst zu kennen.
Gretas »How dare you« steht heute für etwas ebenfalls Großes, nämlich für die Forderung, dass die satten Entscheider dieser Welt nun bitte einmal damit aufhören, fortlaufend nur an sich selbst zu denken.
Es spielt dabei gar keine Rolle, ob nun wirklich niemand von den anwesenden Regierungsvertretern in New York etwas für den Klimaschutz tut. Entscheidend ist, dass hier eine Position das Licht der Welt erblickt, eine Haltung. Und nein, Redner dieses Schlages machen sich nicht lieb Kind beim Publikum. Sie kriechen nicht, sie schleimen nicht. Stattdessen bringen sie ihre Haltung rüber und stellen ihre Forderungen.
▶ We have a dream
Auch wir haben einen Traum: Wir wollen, dass gute Ideen sichtbar werden. Denn sobald Menschen von etwas Kenntnis haben, befassen sie sich damit. Die Macht der Gedanken ist enorm: Oft begegnet uns eine Idee, und die lässt uns dann nicht mehr los. Lass uns fragen:
Greta Thunberg erhebt massive Vorwürfe an die Welt der Erwachsenen und Politiker. Ist das frech oder gerechtfertigt?
Martin Luther King verlangte, dass sich die USA an ihre eigene Unabhängigkeitserklärung halten. Ist das eine Banalität oder wichtig?
Beide Beispiele zeigen die Macht der öffentlichen Rede. Oft sind erfolgreiche Redner die, auf die sonst niemand hört: auf einen Schwarzen in den USA der 1960er-Jahre oder auf eine Schülerin Anfang des 21. Jahrhunderts. Doch plötzlich ändert sich die Welt: Sogar in den USA hören die Menschen heute Schwarzen zu, und sogar bei uns zählt, was Kinder sagen.
Reden können die Welt verändern – und das tun sie vor allem dann, wenn ihre Botschaften gewissermaßen klein und groß zugleich sind. Sie sind klein, indem sie auf den Punkt gebracht und sofort verständlich sind. Sie brauchen nicht viele Worte und sind vor allem nicht langatmig und langweilig. Und sie sind groß, indem es darin um etwas Relevantes geht, also um Dinge, die für sehr viele Menschen oder sogar die gesamte Menschheit eine Bedeutung haben.
»I have a dream«, »How dare you« – bestimmt fallen dir da noch viele weitere prägnante Titel ein: »Ich bin ein Berliner« von US-Präsident John F. Kennedy (1917 – 1963) bei seinem Besuch im geteilten Berlin 1963, also im selben Jahr wie Martin Luther Kings berühmteste Rede. Oder, ebenfalls in Berlin: »Tear down this wall!« (»Reißen Sie diese Mauer ein!«) aus dem Munde von US-Präsident Ronald Reagan (1911 – 2004) im Jahr 1987 – Reagan hielt diese Rede auf der Westseite der Mauer am Brandenburger Tor, sodass der verstärkte Klang seiner Worte über die Mauer in den Ostteil der Stadt auf den Pariser Platz und zum Hotel Adlon schallte. Die Volkspolizei der DDR schirmte die Bevölkerung an diesem Tag von der Mauer noch weiträumiger ab als sonst.
Es geht darum, die Menschen zu berühren. Und zwar nicht mit Musik, Malerei oder Spezialeffekten in Actionfilmen, sondern mit der Realität. Speaking bedeutet fast immer, über etwas Nicht-Fiktionales zu sprechen. Speaker erzählen also keine Märchen – vom einen oder anderen Storytelling abgesehen –, sondern sie sprechen über das konkrete Geschehen in der Welt. Ob im großen Rahmen oder auch im kleinen.
Sehr oft geht es um Politik wie bei den erwähnten Beispielen oder auch bei Mahatma Gandhi (1869 – 1948), der 1942 vor dem indischen Nationalkongress das Ende der britischen Herrschaft über Indien forderte und zu gewaltlosem Widerstand aufrief.
Manchmal geht es vordergründig um Technologie und Wissenschaft wie in Kennedys berühmter Rede zur Mondlandung im Jahr 1961. Kennedy verkündete, dass die USA innerhalb der kommenden zehn Jahre erstmals einen Menschen zum Mond schicken und auch sicher wieder zurückbringen würden. Bekanntlich haben die USA das Ziel erreicht – und die Zuversicht, das zu schaffen, war die eigentliche Botschaft. »Einige sagen: Warum der Mond?«, fragt Kennedy in seiner Rede. Und dann nennt er das Motiv: »Wir haben uns entschlossen, noch in diesem Jahrzehnt zum Mond zu fliegen – nicht, weil es leicht ist, sondern weil es schwer ist.«
Amerika kann alles, war die Botschaft.
»Yes, we can«, sagte dann im Jahr 2008 auch Barack Obama; »America first«, sagte 2016 sein Nachfolger und Gegner Donald Trump, wobei diese Aussage letztlich auf die Abschiedsrede des ersten US-Präsidenten George Washington (1732 – 1799) zurückging.
Und das sind alles keine Kleinigkeiten, sondern starke Schlagworte – ganz egal, wie wir sie einordnen und was wir darüber denken.
Lass uns noch mal über das große Business sprechen. Haben Gandhi oder Obama gesagt, sie wollen durch ihre Reden reich werden? Nein, sie hatten und haben eine Mission. Die allermeisten der berühmt gewordenen Redner tragen etwas zur Welt bei und werden damit automatisch erfolgreich. Indirekt.
Was eine starke Rede bewirken kann, hat auch eine der außergewöhnlichsten Aktionen gezeigt, die wir jemals erlebt haben, und zwar beim Greator Festival 2023. Am zweiten Veranstaltungstag, dem Samstag, ging es um Geld.
Bei Greator machen wir jedes Jahr eine Spendenaktion. 2023 war der Partner die Initiative »Viva con Agua«, die sich für sauberes Trinkwasser für alle einsetzt. Und so waren auf dem Festival Spendensammler mit Dosen unterwegs. Zudem konnten alle Teilnehmer ihre Pfandbecher mitnehmen und spendeten dadurch 2 Euro pro Becher. Und natürlich gab es auch die Möglichkeit, online zu spenden.
Wir freuen uns über jede Spende für den guten Zweck. Der Finanzcoach Philipp J. Müller hat das ziemlich cool hinbekommen: Er erzählt von einem Krankenhausbesuch bei schwer kranken Kindern – die beispielsweise auf eine Herztransplantation warten, wobei Kinderherzen wegen ihrer Größe selten sind. Das hat Philipp so berührend dargestellt, dass er das Publikum tief bewegte. Und er erklärte: »Die Viva-con-Agua-Aktion unterstützen wir natürlich mit vollen Händen.«
Philipp sprach über die durchschnittliche Lebenserwartung, die weltweit gestiegen ist (auf 72 Jahre im Jahr 2022), und über die Armut, die sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurückentwickelt hat.
Und dann zog Philipp ein Bündel Geldscheine aus der Hosentasche, hielt es hoch und erklärte, er habe immer »ein paar Tausend Euro« in der Tasche – weil es ihn »daran erinnert, welche Möglichkeiten Geld uns gibt«. Insgesamt hatten 100 Mitglieder seiner Community 50.000 Euro mitgebracht und verteilten 50-Euro-Scheine im Publikum. Die Ansage lautete: »Wir haben draußen am Food Court einen Stand. Alles Geld, was ihr bis heute 15 Uhr an den Strand bringt, werde ich persönlich verdoppeln.« Es ging darum, das Geld an »Viva con Agua« zu spenden, damit in Äthiopien Brunnen gebaut werden.
Die Crew verteilt tausend 50-Euro-Scheine im Publikum. Wir gingen davon aus, dass die 50.000 Euro zum Stand zurückwandern und dass Philipp noch einmal 50.000 Euro drauflegt, also insgesamt 100.000 Euro spendet.
Und was geschah? Die Leute haben das Geld zum Stand gebracht. Viele haben noch etwas draufgelegt, indem sie über einen QR-Code bargeldlos gespendet haben. Auf dem Scheck, den wir dann auf die Bühne gebracht haben, standen 105.000 Euro. Das Publikum hatte die 50.000 Euro also bereits allein mehr als verdoppelt.
Aber das war noch nicht der Clou. Der bestand vielmehr darin, dass Einzelspender wie Max Reidl dazukamen. Am Ende gingen vom Greator Festival 380.000 Euro nach Äthiopien in den Brunnenbau. Es war die größte Spendenaktion in der Geschichte von »Viva con Agua«. Was wir in diesen Momenten deutlich gespürt haben, war mehr als nur eine Gänsehaut auf dem Rücken. Wir haben eine Rede mit einem Impact erlebt, der alles in den Schatten gestellt hat, was wir vorher erlebt haben.
Verstehst du? Bei der Planung hielten wir 100.000 Euro für ein echt ambitioniertes Ziel. Und am Ende hat das Leben das Ergebnis fast vervierfacht. Alex hat das auf der Bühne gesagt: Es ist so wundervoll, wie das Visionieren funktioniert. Wenn du ein klares Bild vor Augen hast und ein Ziel erreichen willst, dann finden sich plötzlich Verstärker und wir erleben Dinge, die wir vorher nie für möglich gehalten haben. Die menschliche Vorstellungskraft ist eben auch dann noch begrenzt, wenn wir uns schon vieles vorstellen können.
Eine Keynote von einigen Minuten generiert einen sechsstelligen Betrag. Ja, das geht. Reden schaffen Werte und steigern Werte.
Und ja: Geld ist nicht alles, aber eben irgendwie doch. Geld ist Energie.
▶ Geld ist gut und schlecht
Ist Geld gut oder schlecht? Beides – es kommt darauf an, was wir damit machen. Sicher kennst du das Buch Rich Dad Poor Dad von Robert T. Kiyosaki. Zwei Väter geben dem Ich-Erzähler verschiedene Ansichten über Geld mit auf den Weg: Für den einen ist Geld etwas, was nur böse Reiche haben, für den anderen ist es der Weg, Gutes auf der Welt zu bewirken. Wir denken:
Geld ist auch nur eine Form von Energie.
Mit Geld können wir Gutes bewirken.
Wer Menschen durch Reden bewegt, darf gutes Geld verdienen.
Wie siehst du es?
Dass Reden Werte schaffen, gilt auch bei Unternehmen. Ganz sicher haben die legendären Reden von Steve Jobs (1955 – 2011) den Wert von Apple gesteigert. Und den Wert der Produkte, das Commitment der Kunden, das Verständnis für den weitgehend minimalistischen Ansatz in der Produktentwicklung, den Steve Jobs aus dem Zen-Buddhismus mitgebracht hat. Es geht im Zen-Buddhismus um Gegenwärtigkeit, also um den vollen Fokus auf die Wahrnehmung des Jetzt. Und dieser Blick aufs Wesentliche kann auch in einem Produkt verkörpert sein.
So war das Wesentliche beim Shuffle-iPod der Gedanke des »shuffle«, also des Mischens. Der Grundgedanke war, dass das Gerät über einen Zufallsgenerator Lieder abspielt. In seiner legendären Steve-Jobs-Biografie beschreibt Walter Isaacson, wie Jobs den Shuffle-iPod als Prototypen vorgelegt bekam und sich sofort darüber beschwerte, weshalb das Gerät eine Vor- und eine Rücklauftaste habe. Wozu? Es ist ein Shuffle-iPod!
Umgehend wurden die Tasten entfernt. Es ging um Musik in einer zufälligen Reihenfolge und darum, so auch immer wieder auch selten gehörte Titel zu hören. Der Sinn des Shuffle-iPods war nicht, dass die Leute Songs übersprangen, sondern dass sie die Kontrolle komplett aus der Hand gaben. Entweder das Ding läuft – dann nach Zufallsprinzip – oder es läuft nicht.
Übertragen wir dieses Konzept mit dem Blick aufs Wesentliche auf Steve Jobs’ Keynotes, dann sehen wir: Das minimalistische Prinzip galt auch hier. Jobs brachte stets das Wesentliche auf den Punkt, vor allem in den Reden zu seinen Produkten. Bei der Präsentation des ersten iPods 2001 erklärte er auf Englisch: »Dieses erstaunliche kleine Gerät fasst tausend Songs und passt genau in meine Tasche.«2 Bekannt wurde später die Version mit den tausend Songs »in deiner Tasche«.
Vielleicht hast du diese Zeit erlebt: Am Anfang des Jahrtausends gab es zwar schon MP3-Player, aber eine wirklich kundenfreundliche Benutzeroberfläche hatten sie nicht. Es waren Geräte, die »alt gedacht« waren: Die Hersteller haben die neue Technologie lediglich in die gewohnten Chassis gepresst. Sie haben nicht erkannt, dass die Technik neue Anforderungen an die Bedienbarkeit stellt. Und so haben sich manche Early Adopter mit ihren MP3-Playern vergnügt, aber wirklich breitenwirksam war die Entwicklung zunächst einmal nicht.
Der iPod von Apple hat dann viele der Probleme gelöst, war leicht und intuitiv anwendbar. Vor allem die smarte Benutzeroberfläche mit dem Click Wheel erleichterte die Navigation durch die Musiksammlung. Die Software iTunes erblickte das Licht der Welt und half dem Nutzer, die Songs zu Hause am Rechner in Wiedergabelisten zu ordnen. Vorbei war die Notwendigkeit, wie jene Nerds zu denken, die solche Geräte entwickeln. Geboren war die Usability: Der Anbieter dachte wie der Anwender.
Das »KISS«-Prinzip steht für vieles – für »keep it short and simple« (»Halte es kurz und einfach«) oder auch für »keep it simple, stupid« (»Mach’s einfach, Dummkopf«). Einfach mussten die Dinge bei Steve Jobs sein, sowohl die Produkte als auch ihre Namen. Während andere MP3-Player »MPMan F10« hießen oder »Iomega HipZip«, setzte Apple von Anfang an auf Namen, die sich nicht nur die Entwickler merken konnten: »iPod«, »iPad«, »iPhone«.
Kennst du übrigens Steve Jobs’ Produktpräsentation des iPhones im Januar 2007? Wenn du diese Rede nicht kennst, schau sie dir bitte unbedingt an, du findest sie bei YouTube. Hier punktete Steve Jobs wieder damit, dass er die Dinge neu dachte und die Konventionen ignorierte. Der Smartphone-Markt war quasi tot – es gab die diversen Blackberrys für Profi-User und ansonsten einen Haufen Plastik, quietschend und knarzend mit Plastiktastaturen wie beim »Nokia Communicator«. Niemand wollte das wirklich, aber die Hersteller brachten diese Dinger eben raus. Jobs entwickelte also ein Smartphone, bei dem die Tastatur verschwand, wenn man sie nicht brauchte. Es ging um das Gegenteil von Opulenz, es ging um den Fokus aufs Wesentliche.
Ebenso auf den Punkt gebracht war die Überschrift, die Apple für die Produktpräsentation formulierte: »Apple erfindet das Telefon neu.«
Auch hier haben wir eine big story. Jobs beginnt die Rede mit dem Satz: »Das ist ein Tag, auf den ich mich zweieinhalb Jahre gefreut habe.« Und schon brandet Applaus auf. Nach dem ersten Satz.
Jobs fährt fort: »Von Zeit zu Zeit kommt ein revolutionäres Produkt vorbei, das alles verändert.« Dann geht er dazu über, dass Apple schon sehr oft an solchen Revolutionen beteiligt war: Der Macintosh 1984 »änderte nicht nur Apple, sondern die ganze Computerindustrie« – bekanntermaßen durch die grafische Benutzeroberfläche und die Maus. Der erwähnte iPod änderte 2001 »nicht nur die Art, wie wir Musik hören, sondern die gesamte Musikindustrie«. In der Tat hatte nur Apple es geschafft, dass sich der MP3-Player durchsetzte und die Menschen fortan so gut wie keine Musikalben mehr auf CD kauften.
Und dann kündigt Jobs an, dass er heute drei revolutionäre Produkte dieser Liga vorstellt: einen Widescreen-iPod mit Touchcontrol, ein revolutionäres Mobiltelefon und einen bahnbrechenden Internet-Communicator.
Diese Aussage wiederholt er noch zwei weitere Male: ein iPod mit Touchcontrol, ein revolutionäres Mobiltelefon und ein bahnbrechender Internet-Communicator. Dann fragt er: »Habt ihr es?« Das Publikum tobt.3
Die Bedeutung und Tragweite von etwas zu erfassen, fällt Menschen oft schwer. In einem historischen Moment erkennen wir oft nicht, dass es ein historischer Moment ist. Im Nachgang wird es uns allmählich klar, aber in dem jeweiligen Augenblick sind wir Menschen, die wir uns für die höchstentwickelte Spezies halten, manchmal etwas begriffsstutzig.
Darum müssen Speaker diese Dinge deutlich machen. Sie müssen klarmachen, was das bedeutet, was sie sagen. Welche Tragweite etwas hat.
»I have a dream«, »Tear down this wall«, »Apple reinvents the phone«: Das sind Meilensteine. »How dare you?« Wir erleben Geschichte, die ganze Zeit. Wenn wir aufmerksam sind, merken wir es.
Und dann ruft Jobs in den Applaus hinein: »Das sind nicht drei getrennte Geräte. Es ist ein Gerät.«
Der Saal explodiert förmlich.
»Und wir nennen es iPhone.« Nach dem Applaus fügt Jobs hinzu: »Heute erfindet Apple das Telefon neu.«
Da hast du eine erste Auflösung – der Produktname ist raus. Aber sofort ist die Spannung wieder unerträglich: Wie sieht das neue Gerät aus? »Und hier ist es«, sagt Jobs lächelnd – und das Publikum prustet vor Lachen. Die Präsentation zeigt eine Fotomontage aus einem alten iPod aus weißem Plastik mit Telefon-Wählscheibe. Das Display im Design der ersten Macintoshs. Die Mac-Nerds im Zuschauerraum haben ihren nerdigen Insider-Gag und lachen sich schlapp.
Übrigens geht Steve Jobs in seiner iPhone-Rede auch auf den Smartphone-Markt ein. Er zeigt Geräte, für die man einen Stift braucht, und mokiert sich: »Wer will so einen Stift?« Er beschrieb, dass diese Dinger verloren gehen – und das Publikum merkt ihm an, dass er kein Verständnis dafür hat, dass jemand überhaupt auf die Idee kommt, einen Stift mit zu verkaufen. Obwohl es natürlich auch heute noch Smartphones mit Eingabestift gibt, etwa von Motorola oder Samsung. Aber entspricht so ein Stift Steve Jobs’ Denken? Nein, weil der Stift ein Problem nicht wirklich löst, sondern eher einen unbeholfenen Workaround darstellt.
▶ Die Dinge beim Namen nennen
Die Reden von Steve Jobs faszinieren uns immer wieder. Es gelingt ihm, die Dinge beim Namen zu nennen. »Who wants a stylus?« (»Wer braucht so einen Stift?«) Steve Jobs war genial darin, das Wesentliche herauszuarbeiten, um das es wirklich geht – und das deutlich auszusprechen. Wir fragen:
Was in unserer Gegenwart steht wie ein Elefant im Raum, aber niemand benennt es?
Wie lauten die wirklichen Notwendigkeiten und Bedürfnisse unserer Zeit?
Was sollte uns – oder dich – davon abhalten, die Welt wirklich neu zu denken?
Wir wünschen der ganzen Welt den Elan eines Steve Jobs.
Damit Reden wirken, müssen sie gut sein. Steve Jobs arbeitet hier – ob bewusst oder unbewusst – nach dem genialen Prinzip »Mit einem Erdbeben anfangen und dann langsam steigern« des Hollywood-Regisseurs Samuel Goldwyn (1879 – 1974) von Metro-Goldwyn-Mayer. Bestimmt kennst du den brüllenden Löwen der Produktionsfirma, eines der ersten oder möglicherweise auch das erste Bewegtbild-Logo. Jobs schürt eine Erwartung nach der anderen, er setzt immer noch eins drauf. Diese Pyramide an Versprechen und Spannung steigert er bis ins Unerträgliche, und da sind von seiner Rede noch keine vier Minuten vorbei.
So viel zu dem Einwand, in wenigen Minuten lasse sich nichts rüberbringen. Wir bei Greator arbeiten sehr erfolgreich mit einem 18-Minuten-Format – nicht nur bei unseren Rednernächten und beim Greator Festival. Wir sind überzeugt: Wer in 18 Minuten seine Kernbotschaft nicht rüberbringen kann, bringt sie auch in einer Stunde nicht rüber. Später erfährst du mehr dazu, was eine gute Keynote ausmacht.
Der Gag mit dem weißen Plastikteil jedenfalls ist ein »retardierendes Moment«, wie es Dramaturgen nennen – zwischen dem Höhepunkt und vor der Auflösung. Im Idealfall kommt in dem Moment, in dem das Publikum die Auflösung erwartet, ein blöder Witz.
Dieser Witz muss auch blöd sein. Denn je größer das Delta zwischen dem Ernst der Lage und der Banalität des Gags, desto heftiger der Lacheffekt. Und damit umso stärker die emotionale Wirkung, also auch die Gänsehaut und die spätere Erinnerung an diesen magischen Moment.
Manchmal geht es auf der Bühne – oder vor der Kamera – auch einfach um eigene wichtige Erfahrungen, persönliche Wünsche und Ziele. Und es gibt eben Momente im Leben, in denen es nicht nur darum geht, eine Rolle zu spielen oder eine Performance abzuliefern. Es geht um wesentliche Erkenntnisse, detailliert herausgearbeitet wie bei Steve Jobs.
Denk an Simon Sinek, britisch-amerikanischer Autor, Motivationsredner und Berater. Sein Geschäft basiert hauptsächlich auf Büchern, Vorträgen und Beratung. Kern seiner Aktivitäten ist der von ihm entworfene Golden Circle, mit dem er zeigt, warum es erfolgsentscheidend ist, wie Unternehmen und Führungskräfte ihre Vision, Motive und Ziele kommunizieren.
Der Golden Circle besteht wie eine Zwiebel aus drei Schichten, die von innen nach außen aufgebaut sind:
Warum: Der Kern des Golden Circle dreht sich um die Frage nach dem Motiv. Was treibt ein Unternehmen an? Wer seinen Entscheidungen eine klare Mission oder Vision zugrunde legt, agiert quasi ethisch motiviert und wird dadurch attraktiv.
Wie: Die mittlere Schicht des Golden Circle beschreibt den Weg, den das Unternehmen geht: Wie erreicht es seine Ziele? Gemeint sind Prinzipien, Werte und Prozesse, die dazu beitragen, die Mission zu erfüllen. Es geht sozusagen um die Verwirklichung des Warums.
Was: Die äußerste Schicht des Golden Circle umfasst das, was das Unternehmen konkret tut – es geht um die Angebote, die das Unternehmen macht, um seine Produkte.
Simon Sinek stellt dar, dass sich viele Unternehmen vorrangig um das Was kümmern, also um ihre Produkte – ohne aber klar auf das Warum und das Wie ausgerichtet zu sein. Erfolgreiche Unternehmen und Führungskräfte beginnen jedoch im Inneren des Golden Circle und klären erst das Warum, bevor sie sich um das Wie und das Was kümmern.
Ein Konzept also, eine auf ihren Kern reduzierte Theorie, auf Wirksamkeit von Unternehmen und Führungskräften hin ausgearbeitet. Kernbotschaft: Konzentriere dich auf dein Warum und stecke deine Führungskräfte und Mitarbeiter mit dem Sinn des Ganzen an, um langfristigen Erfolg zu erzielen.
Damit verdient Simon Sinek sein Geld.
Seinen Durchbruch erlebte Sinek im Jahr 2009 mit seinem Buch Start with Why: How Great Leaders Inspire Everyone to Take Action, das später auf Deutsch erschien (Frag immer erst: warum). In seinem Buch stellt er das Konzept des Golden Circle vor und arbeitet vor allem den großen Nutzen für Unternehmen und Führungskräfte heraus, wenn sie sich an dieses Konzept halten.
Dann wurde Sinek auch selbst aktiv, er verließ sich nicht nur auf sein Buch: Er nutzte zahlreiche Plattformen, um seine Ideen immer weiter zu verbreiten. Sein TED-Talk »How Great Leaders Inspire Action« wurde auf der TED-Seite mit mehr als 60 Millionen Abrufen zu einem der meist gesehenen TED-Talks überhaupt. Und ganz neidlos dürfen wir sagen: Der Mann ist einfach smart und kommt super sympathisch rüber.
Der Transfer ins Business ist bei Simon Sinek so einfach wie erfolgreich: Er hilft Unternehmen dabei, seine Konzepte umzusetzen. Und so beriet er Microsoft, Intel oder auch IBM. Zusätzlich generiert Sinek Einnahmen aus Büchern und Onlinekursen. Und er ist eben auch gut bezahlter Speaker. Was er in seinen Speeches abliefert, ist genau das, wodurch sich so eine Rede verkauft: Er liefert jede Menge Kompetenzbeweise und weckt bei seinem Publikum die Überzeugung, es mit einem qualifizierten und kompetenten Experten zu tun zu haben. Speaking verkauft!
Was uns dabei an Steve Jobs erinnert: Auch Simon Sineks Konzept ist in allererster Linie einfach. Nicht bei der Ausarbeitung, also bei der Produktentwicklung – da steckt eine ganze Menge Energie und Hirnschmalz drin. Aber aus Kundensicht stellt sich das Konzept so einfach dar wie die Benutzeroberfläche eines Shuffle-iPods. Simon Sinek präsentiert seine Ideen und Konzepte einfach und macht sie leicht zugänglich. So hat er sich eine riesige Anhängerschaft aufgebaut. Seine Botschaft von Sinn, Werten und inspirierender Führung hat die Wirtschaft quasi erobert.
Oder nimm Matthias Aumann. Auch sein Konzept als Speaker ist einfach und zugleich von Erfolg gekrönt. Im Jahr 2012 hat er eine Gartenbaufirma gegründet und bald gemerkt, dass er als Chef viel zu viel im Unternehmen arbeitet statt am Unternehmen. Er war schnell das Opfer seines eigenen Tagesgeschäfts – so, wie es vielen Handwerkern und auch größeren Mittelständlern geht.
Wir könnten sagen, dass Matthias Aumann nach dem Prinzip der »engpasskonzentrierten Strategie« (EKS) nach Wolfgang Mewes (1924 – 2016) vorgeht. Danach sollten sich Unternehmen auf ihre Engpässe konzentrieren und dafür Lösungen finden. Matthias Aumann hat den wichtigsten Hauptengpass des deutschen Handwerks am eigenen Leib erfahren und gespürt: Zeitnot vor lauter Arbeit, fehlende Prozesse, oft ein Fokus aufs Dringende, sodass das Wichtige – beispielsweise die Geschäftsentwicklung oder das Recruiting guter Leute – liegen blieb. Viele Handwerker arbeiten so viel, dass sie am Ende sogar vergessen, Rechnungen zu schreiben. Und fällt der Chef mal aus, ist der ganze Betrieb in Gefahr. Gute Leute finden? Wie denn bei all dem Stress? Das ist der Engpass.
Für derartige Leidensgenossen gibt Matthias Aumann heute Seminare. Seine Seminare sind oft so gut besucht, dass »Speaking« dafür am Ende das bessere Wort ist.
Matthias Aumann wurde im Grunde direkt ins kalte Wasser geworfen. Er musste das Unternehmen seiner Eltern mehr oder weniger neu gründen und war dann zum ersten Mal in seinem Leben selbst Chef und Unternehmensinhaber – mehr oder weniger ohne das entscheidende Wissen. Zwar kam er selbst aus dem Handwerk, das er anbot, aber welcher Gartenbauer interessiert sich für Prozessmanagement?
Mit der Zeit merkte Matthias Aumann, dass ihm entscheidendes Wissen fehlte. Und so hat er es sich erarbeitet. Er hat Nächte damit zugebracht, Wissen nachzuholen, sich zu bilden, Prozesse aufzusetzen und dann mit seiner »aumann:grün AG« ein Unternehmen aufzubauen, das für andere tatsächlich attraktiv war. Es hat also beispielsweise gute Leute angezogen. Irgendwann kamen andere Handwerker und Mittelständler auf ihn zu und haben ihn gefragt: Wie gelingt dir das? So ist das Vortrags- und Seminargeschäft entstanden – anfangs hat er die Seminarräume in Hotels noch selbst organisiert und an 18 Standorten in Deutschland Abendseminare gegeben – zwei Stunden plus Q&A.
Ab 2019 wurden die Seminare größer – aus dem Abendprogramm wurde ein Ganztagsseminar, aus 20 Teilnehmern wurden 200, aus 200 Teilnehmern wurden dann auch mal 2.000. Ein Team entstand, aus dem Beratungsunternehmen wurde ein Seminarunternehmen.
2021 erschien sein Buch Nicht schulklug, sondern straßenschlau; 2022 dann Mythos Unternehmen – warum es nur die wenigsten Selbstständigen schaffen.
Heute ist das Seminar »Mission Mittelstand« mit seiner Fülle an anwendbaren Praxisbeispielen ein Meilenstein und eine Benchmark geworden und für viele ein Vorbild, nach dem sie möglicherweise selbst ihr Business auf die Beine stellen. Und all das war nur möglich durch Speaking und Reichweite.
Ebenfalls ein tolles Beispiel ist Birgit Untermair aus Oberösterreich mit ihrer Love-&-Life-Academy und ihrer Kernbotschaft: »Dein Selbstwert ist der alles entscheidende Faktor, der darüber bestimmt, ob du in Lebensbereichen wie Beziehung, Gesundheit und Business ein erfülltes, glückliches Leben führst.« Sie verkauft »drei Tage voller Power, High Energy und Transformation«, indem sie sich ebenfalls wieder auf etwas Wesentliches konzentriert.4
Ihre Tickets – beispielsweise für ihr Event im Mai 2024 – gibt es für 399 Euro (»Pur«), 699 Euro (»Gold«) oder 1.099 Euro (»Diamond«).5 Anders als Matthias Aumann, dessen Zielgruppe der Mittelstand ist, also Unternehmer, richtet sich Birgit Untermair mit ihrem Ansatz in erster Linie an Privatleute und dann quasi im B2B-Format an diejenigen, die sich mit ihrem Thema selbstständig machen wollen. Nutzenversprechen: »Du wirst bei diesem Event geliebt, getragen, gehalten und geführt und das wirst du spüren. Von der ersten Minute an!«
Wenn es um den Aspekt »Reden verkaufen« geht, ist hier der Punkt: Birgit ist seit 30 Jahren als Trainerin am Markt, sie war schwer aktiv und beschäftigt in verschiedenen Bereichen der Erwachsenenbildung. Aber sie war nicht in dem Sinne sichtbar, dass das Geschäft durch die Decke gegangen wäre.
2018 dann hat sie die Love-&-Life-Academy gegründet: Thematisch geht es darum, wie wir uns aus toxischen Beziehungen lösen und zu einem gesunden Selbstwert finden. Mehr über Birgits Inhalte und ihr konkretes Geschäftsmodell liest du weiter hinten im Kapitel »Positionierung«.
Mit diesem Thema jedenfalls hat Birgit das Programm TheKey durchlaufen und stand damit 2019 auf der GEDANKENtanken-Bühne. »Das war mein Durchbruch damals«, berichtet sie. Bei der Rednernacht sah das Publikum neue Gesichter mit neuen Themen, auf der Bühne stand niemand Etabliertes.
»Auf den Augenblick habe ich mich monatelang mental vorbereitet«, sagt Birgit – und zwar mit der »Eisprinzessin«. »Ich habe mir gesagt, ich muss das machen. Und ich habe mir drei Monate lang jeden Tag in der Früh vorgestellt, wie es sein wird, da auf die Bühne rauszugehen – so wie die Eisprinzessin in der berühmten Szene in Frozen mit dem Song »Let it Go« (»Ich bin frei«) auf den Balkon tritt. Es ist ein Song, um aus der toxischen Partnerschaft auszusteigen, in die eigene Größe zu gehen. Ich erlaube mir, rauszugehen. Ich erlaube mir, sichtbar zu werden. Ich erlaube mir, da zu sein. Ich habe eine Daseinsberechtigung. Und mit dem bin ich damals rausgegangen.«
Auf dem Weg zum Balkon überzieht sich das blaue Kleid der Prinzessin bei den Worten »Ich bin frei, ich fühl’ mich wie neugeboren« mit Glitzer. Die Prinzessin will nicht mehr in die Vergangenheit zurückschauen, denn jetzt geht es um ihre Befreiung. »Hier bin ich in dem Licht«, singt sie in der deutschsprachigen Fassung und betritt den Balkon.
»Das war meine Visualisierung«, sagt Birgit. »Hier bin ich in dem hellen Licht, ein Sturm zieht auf und die Kälte ist nun ein Teil von mir«, singt die Prinzessin. »Die Prinzessin nimmt ihre Fähigkeiten an«, sagt Birgit, »und genau so bin ich rausgegangen auf die Bühne.« Birgit war an dem Abend als Erste dran – sie eröffnete die Show. »Ich habe mich gesehen, wie ich Herzen versprühe. Das war mein Priming.« Und was geschah am späten Abend? Ein Zuschauer sagt, er habe während der Rede an eine Figur denken müssen, die Herzen versprüht.
Was kaum jemand weiß: Birgit hatte sich damals mit einer Tanzschule ein wenig übernommen – doch anzusehen war ihr das nicht. Sie hat ihre positive Haltung nach außen gebracht und dem Publikum gezeigt, warum es gut ist, sich aus toxischen Beziehungen zu befreien.
Und was passierte dann? Birgits Video über ihre Befreiung aus einer toxischen Beziehung mit einem Narzissten erlangte innerhalb weniger Wochen sechsstellige Aufrufe. Inzwischen sind es 840.000 Aufrufe und 16.750 Likes. Es war ein Durchbruch in Sachen Sichtbarkeit.
»Bevor ich bei der Rednernacht auf die Bühne gegangen bin, hat mich fast kein Mensch gekannt«, berichtet Birgit rückblickend. Und dann das: »Das Video wurde nie beworben, sondern es war einfach die Nummer eins zum Thema emotionale Abhängigkeit. YouTube hat es hoch gerankt, weil es so eine lange Verweildauer hatte.« Und das hatte ganz konkrete Auswirkungen: »Ich musste anderthalb Jahre keine Werbung machen, weil die Anfragen durch das Video auf mich zukamen.« Inzwischen hilft Birgit Menschen, mit ihren Themen sichtbar zu werden.
Systeme und Konzepte
Manche Erkenntnisse lassen sich nicht nur gut erzählen, oft lassen sich auch Systeme und Konzepte daraus ableiten. Menschen stehen auf Checklisten, To-do-Listen, Top-ten-Listen – kurz: auf Schemata.
Modelle und Systeme eignen sich hervorragend für relevante Speeches und sorgen für Sichtbarkeit. Denn Menschen wünschen auf einen Blick erfassbare und sofort anwendbare Konzepte.
Den Mittelstand als Thema finden wir enorm attraktiv: Er ist ein entscheidender Hebel, um in der Gesellschaft für mehr Wertschöpfung zu sorgen.
Auch Birgit Untermairs Modell ist außerordentlich einprägsam und trägt zu ihrem Erfolg bei: Eine Vase fasst 100 Prozent Selbstwert – ist sie nur zu 20 Prozent gefüllt, besetzen Narzissten die Vase und füllen sie mit verlogenem Selbstbewusstsein, um uns die Energie abzuziehen. Ist eine Vase aber zu 100 Prozent mit Selbstwert gefüllt, hat der Narzisst keine Chance.
Lass uns ein paar Worte über eine der besten Reden verlieren, die es bei TED gab, auch wenn diese Rede eine Weile zurückliegt. Wir reden vom Jahr 2006. Damals hat der Bildungskritiker Ken Robinson (1950 – 2020) eine großartige Rede gehalten mit dem Titel: »Do schools kill creativity?«6 Für seine Verdienste um die kulturelle Bildung und das Bewusstsein dafür hatte Königin Elizabeth II. (1926 – 2022) ihn im Jahr 2003 zum »Knight Bachelor« geschlagen.
Es ist eine jener Reden, bei der der Speaker eben nicht top gestylt auftritt und nicht eine perfekte Show inszeniert, sondern bei der einfach der Inhalt zählt. Mit seinem britischen Humor ist es Ken Robinson gelungen, einem hochkarätigen Publikum klarzumachen, dass wir ein anderes Bildungssystem brauchen.
Robinson beklagte eine Hierarchie unter den Schulfächern: »Jedes Bildungssystem der Erde hat die gleiche Hierarchie von Fächern. Wirklich jedes. Egal, wohin man geht. (…) Ganz oben Mathematik und Sprachen, dann Geisteswissenschaften und ganz unten Kunst. Überall auf der Welt. Und in so ziemlich jedem System gibt es auch eine Hierarchie innerhalb der Künste. Kunst und Musik haben meistens einen höheren Status als Theater und Tanz. Es gibt auf dem Planeten kein Bildungssystem, das Kinder täglich genauso im Tanzen unterrichtet wie in Mathematik. Warum? Warum nicht? (…) Mathematik ist wichtig, aber das gilt auch für Tanz. Kinder tanzen die ganze Zeit, wenn sie dürfen, wir alle tun das. Wir alle haben Körper, oder habe ich ein Meeting verpasst?«
Ken Robinson erklärt auch den Hintergrund: Der Fokus auf Naturwissenschaften entspricht dem Bedarf der Industrie zu Beginn der Industrialisierung. Es ging darum, Arbeitskräfte heranzuzüchten, die einer Welt aus dem Jahr 1900 gerecht wurden. Und obwohl wir heute in einer völlig anderen Wirklichkeit leben, pflegen die Schulsysteme weltweit noch immer diese Hierarchie unter den Fächern.
Ein Gedanke, einfach so platziert. Der uns zum Nachdenken bringt und dazu, etwas zu hinterfragen, das »schon immer so« war.
Damit inspirieren Reden: Sie bringen uns dazu, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Robinson stützt seine Argumentation dabei auf jede Menge Anekdoten und persönliche Geschichten, durch die er eine Verbindung zum Publikum herstellt. Auch über sich selbst macht er sich lustig und verringert so den Statusunterschied zwischen Speaker und Publikum. Die ganze Rede steckt voller Witze und rhetorischer Fragen. Sie wirkt am Ende wie spontan, obwohl die gesamte Rede durchdesignt ist und sicher nichts dem Zufall überlassen wurde: »Professoren haben nach meiner Erfahrung etwas Merkwürdiges an sich – nicht alle natürlich, aber viele – sie leben in ihren Köpfen. (…) Sie sind buchstäblich körperlos. Sie betrachten ihren Körper als eine Transportmöglichkeit für ihre Köpfe. Eine Möglichkeit, ihre Köpfe zu Meetings zu transportieren.«
Oder: »Als mein Sohn vier war in England – er war eigentlich überall vier. Genau genommen war er das ganze Jahr vier, egal wo er hinging. Er spielte im Krippenspiel mit. Erinnern Sie sich an die Geschichte? Es ist eine großartige Geschichte! Mel Gibson machte die Fortsetzung. Vielleicht haben Sie sie gesehen.«
So geht das die ganze Zeit – es ist ein Gewitter aus Storytelling und Gags, immer wieder unterbrochen durch höchst ernste, existenzielle Botschaften, die sich gewaschen haben und das Publikum zu einer entscheidenden Erkenntnis bringen: Wir alle, auf der ganzen Welt, machen seit Jahrzehnten sehr viele wichtige Dinge sehr falsch.
»Die für die Arbeit nützlichsten Fächer stehen ganz oben. Also wurden Sie als Schulkind sicher wohlwollend ferngehalten von bestimmten Tätigkeiten – von Dingen, die Sie mochten – mit der Begründung, Sie würden damit nie einen Job bekommen. Mach keine Musik, du wirst kein Musiker! Mach keine Kunst, du wirst kein Künstler! Ein gut gemeinter Rat – und doch grundlegend falsch.« Weil das System der öffentlichen Bildung eine Art »Eintrittsprüfung in die Universität« sei – das Akademische gilt als das Nonplusultra – »denken viele hochtalentierte, brillante, kreative Menschen, dass sie es nicht seien« – denn die Schule schätzt ihr Talent gering oder stigmatisiert es sogar. Woraus folgt: »Wir können es uns nicht leisten, so weiterzumachen.«
Auch lassen wir uns gern von Reden inspirieren, die uns zeigen, dass viel mehr geht, als wir für möglich halten. Über das Greator Festival 2023 und die 380.000 unerwarteten Euro haben wir schon gesprochen – bei demselben Festival ist auch Oliver Brünner aufgetreten, Absolvent unserer Ausbildung.7 Er hat der vollen Lanxess Arena gezeigt, wie Menschen zu ihrem eigenen Leben finden, statt ihre Mitmenschen aus Kindheit und Jugend zu kopieren. Und er hat berichtet, wie er sich selbst aus der völligen Macht- und Mutlosigkeit in die Selbstbestimmung gezogen hat.
»Träume werden wahr«, sagt Oliver Brünner. »Was du dir nicht vorstellen kannst, das wirst du auch niemals erleben.« Und das untermauert er mit seiner persönlichen Geschichte. »1962 nehme ich meine Aufgabe an. Denn ich habe die Nabelschnur um den Hals während meiner Geburt. Fünfzehn Minuten Sauerstoffmangel. Die Ärzte sagen: ›Wir haben ein Sorgenkind geboren.‹ Anderthalb Jahre später wurde das ganze Ausmaß bekannt, denn ich konnte weder laufen noch sitzen. Nicht stehen. Meine Hände waren völlig unbenutzbar. Meine Sprache war lallend und stockend. Von da an jagte ein Klinikaufenthalt den nächsten. Bis man herausfand, ich habe eine spastische Tetraparese8 in Vollausprägung mit Gesichtslähmung. Bis ich 1978 von der Gesellschaft und meinen Eltern in ein Behindertenheim gesteckt wurde. Dort angekommen, bricht für mich eine Welt zusammen. Was habe ich denn getan? Nicht einmal die Fenster gingen zu öffnen.«
Mit der Zeit lernte er, »die richtigen Fragen zu stellen, die immer beantwortet werden«. Zum Beispiel: »Wie kann ich dieses Haus wieder verlassen?« Eines Tages hielt der Heimleiter eine Begrüßungsrede und sagte: »Sie bleiben hier bis ans Ende Ihrer Tage. Es sei denn, Sie leisten sich dreimal eine Abmahnung. Dann haben Sie das Haus zu verlassen.« Oliver Brünner folgerte messerscharf: »Das ist meine Chance. Das ist mein Weg.«
Noch beim Rausgehen rief man ihm hinterher, er werde »in der Gosse landen«. In seiner Rede macht Oliver daraus ein »Nugget«, also eine Erkenntnis, die die Menschen im Publikum oft mitschreiben: »Manchmal muss man durch Türen gehen, von denen man nicht weiß, wohin sie führen. Und manchmal muss man auch Regeln brechen, um auszubrechen.«
Weiter ging die Entwicklung, indem Oliver für einen Trainer an einer Volkshochschule eingesprungen ist – es ging um IT. Inzwischen war er internationaler SAP- und IT-Trainer. »Und ich werde von meinen Kunden um die Welt geschickt. Nebenbei habe ich noch eine wunderschöne Familie gegründet, mit sechs gesunden Kindern. Inzwischen sind sie alle erwachsen.«
Ein Kollege lud ihn zum Lauftreff ein. »Wir laufen zusammen und ich laufe sehr langsam, weil mit jedem Schritt noch die Knie aneinanderschlagen. Doch ich finde es spannend zu laufen und ich freue mich an der Bewegung. Und wieder stelle ich die richtige Frage: ›Wie kann ich es trotzdem schaffen?‹« Oliver meldete sich im Fitnessclub an und ging aufs Laufband – was gefährlich war, weil er immer wieder stürzte. Seine Idee war dann, sich Laufstudien anzuschauen und sich die Bewegungsabläufe einzuprägen.
»Und dann geschah es. Die Beine waren gerade und frei. Dafür habe ich sechs Monate tägliches Training gebraucht. Ich steigerte meine Geschwindigkeit auf 6, auf 8, auf 10, auf 12 Stundenkilometer« Am 28. April 2012 lief er den Halbmarathon und kam nicht als letzter Teilnehmer ins Ziel.
Und jetzt kommt noch das, was wir in der Weiterbildungsszene den »Transfer« nennen: »Auf dem Weg dahin, kann man sich denken, habe ich eine Menge Blockaden und Minderwertigkeitskomplexe aus dem Weg räumen müssen. Und dafür habe ich ein paar Techniken entwickelt, von denen ich eine heute mit euch teilen möchte.« Die brachte er anwendbar rüber und schloss dann unter anderem mit dem Nugget: »Was du denkst, kommt auf dich zu. Also denk doch endlich das, was du willst, und nicht das, was du nicht willst!«
Die Kunst der öffentlichen Rede ist unserer Meinung nach eine der faszinierendsten Fähigkeiten, die Menschen erlangen können. Speaking ermöglicht es, Gedanken und Ideen in die Köpfe von Menschen zu pflanzen, sodass sie dort eine Wirkung entfalten. Alle, die schon einmal einem charismatischen Redner an den Lippen gehangen haben, kennen diese Erfahrung: Wir sind blown away von ergreifenden Gedanken, die uns berühren und überzeugen.
Für uns bei Greator ist das die Mission. Wir wollen die Welt zu einem besseren Ort machen, und dazu brauchen wir Gedanken.
Wobei du dir jetzt vielleicht die Frage stellst: Ist die Welt denn ein schlechter Ort? Es ist eine spannende Frage, denn beispielsweise unser Selbstverständnis – auch mit unserer Erfahrung in der Persönlichkeitsentwicklung – ist von Subjektivität geprägt. Also: Ob die Welt gut ist oder schlecht, entscheiden wir selbst. Du kennst sicher das Prinzip der sich selbst erfüllenden Prophezeiung oder auch das Gesetz der Anziehung, wonach wir durch unsere Gedanken die Realität bestimmen. Davon sind wir, also Stefan und Alex, zutiefst überzeugt.
Wir alle, jeder von uns kann mit seinen Gedanken dazu beitragen, ob die Welt ein guter oder ein schlechter Ort ist.
Und wir erleben die Welt auch durchaus vielseitig. Auf der einen Seite genießen wir das Leben. Wir sind erfolgreich mit dem, was wir tun. Die Menschen lieben Greator und unsere Auftritte. Unsere Community ist wundervoll. Das Leben fühlt sich manchmal wie ein Ponyhof an, und es macht sehr viel Spaß, mit den unterschiedlichsten Charakteren zu arbeiten, um etwas Großartiges auf die Beine zu stellen.
Diese Produktivität, diese Lust am Machen und Entwickeln erfüllt uns. Wir lieben es, Konzepte zu entwerfen und sie mit guten Leuten in die Tat umzusetzen. Wir genießen die Veranstaltungen von Greator, bei denen uns immer wieder tolle Menschen wundervolle Feedbacks geben.
Und so ist unsere Wahrnehmung zunächst einmal sehr positiv. Wir empfinden die Welt als positiv. Wir sind von unserer Grundhaltung her aufgeschlossen und optimistisch. Wir sind nicht ängstlich und pessimistisch und glauben nicht, dass alles zugrunde geht. Daran wollen wir nicht glauben. Denn wir wissen: Wenn wir daran glauben, dass die Welt zugrunde geht, dann tragen wir dazu bei, dass sie zugrunde geht. Weil die Realität maßgeblich von unseren Gedanken bestimmt ist.
Auf der anderen Seite wissen wir natürlich auch: Es gibt Hunger, Krieg und jede Menge Leid auf der Welt. Wie gehen wir jetzt damit um?
Dieter Lange sagt in einem seiner Online-Coaching-Programme etwas sehr Spannendes dazu. Dieter ist ein Weltreisender, der zahlreiche spirituelle und heilige Orte besucht und sich dabei mit unzähligen Schamanen und Meistern ausgetauscht hat, ob in Sibirien, Griechenland, Südamerika oder in Tibet. Wenn wir ein spirituelles Coaching brauchen, gehen wir zu Dieter – Alex hat in der Coronakrise einmal ein solches Coaching mit Dieter gemacht, als Live-Events wegen der Lockdowns quasi unmöglich waren und es um eine Neuausrichtung des Seminargeschäfts ging.
Wir waren damals einfach viel zu sehr im Tun, nicht in unserer Kraft. Und das war uns auch bewusst: Wir brauchten einen externen Blick, eine Neujustierung, quasi eine neue Orientierung auf den »Nordstern«, wie es Dieter nennt. Damals hat Dieter das Unternehmen Greator mit einem Schiff verglichen, das bei stürmischer See ums Kap Hoorn herum navigieren muss.
Dieter taucht bei allem tief in die Spiritualität ein und zeigt, dass wir die Lösung vieler Probleme vor allem über das Innen finden. Nicht über das Außen. Das ist bei allem, was wir tun, elementar: Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir selbst die Realität bestimmen. Die Welt ist nicht gut oder schlecht, sondern sie ist das, was wir daraus machen und wie wir sie wahrnehmen.
Jetzt steht Dieter Lange unter anderem für das Prinzip der Dualität. Danach definiert sich der Berg dadurch, dass es ein Tal gibt. Und das Gute ist nicht wahrnehmbar ohne das Böse: Wir erkennen Dinge nur, indem sie sich von anderen Dingen unterscheiden, eben durch einen Kontrast. Das heißt: Das Gute existiert zumindest philosophisch nur, weil es eben auch einen Gegensatz gibt, das Böse.
Und dann sagt diese Theorie, dass sich am Ende alles ausgleicht. Mal schwingt das Pendel in die eine Richtung, später aber zum Ausgleich in die andere. An einer Stelle sagt Dieter Lange, dass viele Kämpfer für das Gute in der Welt am Ende bei Attentaten ums Leben kamen. So zum Beispiel der erwähnte Martin Luther King. Oder denk an John Lennon (1940 – 1980), der einfach Musiker war für eine bessere Welt.
Doch heißt das, wir sollten uns gar nicht mehr für das Gute engagieren? Weil es ja auch das Böse gibt?
Sicher sehen wir, dass die Entwicklung der Menschheit und des gesamten Planeten am Ende – wie Dieter Lange es sagt – von Aufs und Abs geprägt sind. Wir erleben Frieden. Wir erleben Krieg. Wir leben Aufschwung, wir erleben Abschwung.
Aber heißt das nun, dass alles gottgegeben oder vom Schicksal im Sinne einer Vorherbestimmung vorgegeben ist? Spirituell betrachtet, mag das so sein. Und trotzdem haben wir alle individuell die Chance, uns für das Gute in der Welt einzusetzen. Transformation ist heutzutage das schicke Modewort dafür. Wir alle haben heute mehr Möglichkeiten als je zuvor in der gesamten Menschheitsgeschichte, um Inhalte zu entwickeln, öffentlich aufzutreten, unsere Ideen zu teilen und um Geschäftsideen zu entwickeln.
Sollen wir diese Chancen ungenutzt lassen? Sollen wir in Zeiten, in denen es wirklich keine Ausreden mehr gibt, untätig sein?
Wir ärgern uns, wenn jemand sein Potenzial ungenutzt verrotten lässt. Und das erleben wir immer wieder, vielleicht nicht bei Greator, aber in anderen Zusammenhängen. Was für kreative Geister manchmal in absurden Jobs ihre Zeit absitzen, statt die Menschheit mit ihren Ideen zu bereichern! Wir trauern um die vielen klugen Gedanken, die der Menschheit dadurch verloren gehen.
»Aber es kann doch nicht jeder Keynote-Speaker werden«, denkst du jetzt vielleicht. Das mag stimmen, aber das meinen wir auch gar nicht. Uns geht es um eine Welt, in der die Menschen ihr Ding machen. Und es geht uns um eine Welt, in der wir keine Ideen verloren gehen lassen.
Stefan beschreibt das Konzept in einigen seiner Seminaren ganz anschaulich. Er zeichnet drei Kreise ans Flipchart, die einander überschneiden und dabei auch eine gemeinsame Schnittmenge bilden.
Der eine Kreis beinhaltet das Wollen, also was wir gerne tun. Der zweite beinhaltet das Können, sprich: Dinge, von denen wir etwas verstehen und deren Handwerk wir beherrschen. Der dritte Kreis schließlich beinhaltet das Sollen – das ist das, was gefragt ist, was die Menschen brauchen, was der Markt nachfragt. Diese drei Kreise haben eine gemeinsame Schnittmenge: In dem Moment, in dem du etwas tust, was du kannst, gern machst und das gebraucht wird, machst du dein Ding.
Erschreckend viele Menschen befinden sich in anderen Schnittmengen dieser Kreise, beispielsweise in der Schnittmenge von »Können« und »Sollen«: Sie tun etwas, das der Markt zwar braucht, aber haben keinen Spaß dabei. Diese Menschen werden irgendwann einen Burn-out erleben. Das passiert zwangsläufig, wenn jemand konsequent gegen sich selbst arbeitet.
Andere Menschen befinden sich in der Schnittmenge von »Wollen« und »Sollen«. Sie tun etwas, das gebraucht wird, zwar gern, aber sie verstehen nichts davon. Sie können es nicht. Das sind die Fehlbesetzungen – oftmals Führungskräfte, die zuvor die besten Fachkräfte waren und nach dem »Peter-Prinzip« aufgestiegen sind, wonach Menschen bis zur Stufe ihrer Unfähigkeit befördert werden.9 Tatsächlich gibt es immer noch Unternehmen, die den jeweils Besten im Team zum Teamleiter machen, statt ihn das machen zu lassen, was er kann.
Wieder andere befinden sich in der Schnittmenge von »Können« und »Wollen«: Sie tun etwas gern, das sie auch können, aber kein Mensch interessiert sich dafür. Hier sind wir beim Hobby oder bei der Liebhaberei. Oder auch bei zahlreichen Selbstständigen, die von sich überzeugt sind und ihr Handwerk verstehen, aber ihr Produkt nicht auf die Straße bekommen. Zum Beispiel, weil niemand versteht, weshalb er das Produkt brauchen sollte. Oder weil das Produkt technisch vor lauter Produktdesign zu verkorkst und am Ende nicht anwendbar ist.
Siehst du, worauf wir hinauswollen? Es geht uns um das Wesentliche. Also um das Entscheidende, das Menschen zu dieser Welt beitragen können. Wir sind überzeugt, dass jeder Mensch auf dieser Welt diese Schnittmenge von »Können«, »Wollen« und »Sollen« finden kann. Wie er sie findet, hängt von ihm persönlich ab. Aber wir sind überzeugt davon, dass alle ihr Ding machen können, wenn sie sich auf die Suche danach machen, was sie können, wollen und sollen.