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Seitenzahl: 40
1913Kurt Wolff Verlag • Leipzig
Dies Buch wurde gedruckt im Oktober 1913 als dreizehnter Band der Bücherei „Der jüngste Tag“ bei Poeschel & Trepte in Leipzig
Copyright 1913 by Kurt Wolff Verlag, Leipzig
Meiner Frau
Nachts gestern von dir heimgegangen.
Wie Schnee ists unterm Mond gelegen.
Da fühlt ich wiederum den Segen
Der weißen Nacht mit heißen Wangen.
Das tief Vertraute hat gesprochen,
Es lindert sich die starre Kehle.
Da war mit einemmal der Seele
Der arg verjährte Star gestochen.
O Gott, wie ists? Darf ich denn wieder
Mein längst verbotnes Herz auskramen?
Du Freundliche, in deinem Namen!
Ich lege Wehr und Würde nieder.
Darf ich die keusche Kindersage
In dein geneigtes Ohr dir flüstern?
Ich rette Gold aus dem Verdüstern.
Da nimm die Lilien früher Tage!
Einst — Kindheit, Fieber oder Traum,
Ich wachte kaum, ich dachte kaum —
Lag eine Wiese da.
Der Wald wuchs dunkel hinter ihr,
Ein unbeschreitbares Revier,
Wo Angst und Tod geschah.
Die Wiese hielt mich eingefaßt,
Sie, Eiland, Wiese, Wiege, Rast,
Wie ruhig schlug mein Blut.
Auch nicht in meiner Mutter Schoß
Hab ich so groß, so grenzenlos,
So ungekränkt geruht.
Der Himmel flog, ein blauer Rauch,
Von Licht durchatmet, jeder Strauch
Vom Atem eingewiegt,
Der schön und selig, ein Gefühl,
Leicht wie ein Spiel, wie Höhe kühl
Zu Gottes Gipfel stieg.
Ich war ein Schein in allem Schein,
Der widerschien — ich strahlte rein
Und freute mich darin.
Ich, Himmel, Sonne hingen wir
Und flogen wir und gingen wir
Herüber und dahin.
Man muß nicht Wege suchen, sie
Verführen und sie führen nie
Zu dem entzückten Ort.
Ich weiß, ich war — und weiß jetzt kaum,
Ob Kindheitswunsch, ob Fiebertraum —
Einmal geladen dort.
Ich trag den Schmerz nicht,
Weil ich nicht kann.
Was willst du, Mutter?
Sieh mich nicht an!
Ich mag dich nicht, Mutter,
Weil du nichts weißt,
Nicht wegstreicheln kannst,
Was den Kopf mir zerreißt.
Nicht wegnehmen kannst
Mit der großen Hand
Von der Stirn das Feuer —
Sie ist innen verbrannt!
Wie arg es ist, Mutter!
Sieh mir nicht zu
Und hab mich nicht lieb —
Nein, Mutter, gib Ruh!
Der Gut-Wetter-Wind hat manches zu tun,
Was er lieben müßte, wenn ers verstünde.
Er jagt vielleicht nur, um dann zu ruhn,
Aber dennoch hilft er so manchem Kinde.
Farbige Schleifen hat er zu drehn
Um Holzstäbe, welche die Kinder halten.
Kein braver Wind sollte weiter wehn,
Ohne gern dieses bunten Amtes zu walten.
Papierdrachen aber müssen den Wind
Überlisten, bekämpfen — Triumph des Schwebens!
Da freilich erleidet so manches Kind
Die Niederlage himmlischen Strebens.
Ob das auch kümmert jeden Wind?
Er weht vielleicht nur, um Wellen zu machen,
Um Wolken zu treiben, welche sind
Sein Spiel, sein Sport, sein Triumph, seine Drachen.
Wenn so an einem Wintermorgen
Im Schulzimmer die Lampen brannten,
Die Seele dämmerte geborgen,
Das Lineal legte Sekanten
Durch meines Zirkels gute Kreise,
Und man bewies etwas an ihnen,
Der Herr Professor schien sehr weise,
Die Schüler machten brave Mienen:
Dann war es so weltabgewandt,
Das Paradies des Objektiven.
Sogar der Lehrer saß gebannt,
Vielleicht, daß auch die Bücher schliefen.
Das war ein freies Nichtstun — wie
Ewig dem Katalog entronnen.
Der Lampen milde Apathie
Nährte der Faulheit süße Wonnen,
Indes die Träume, die sonst gerne
Schmerzhaft im Herzen suchen gingen,
Jetzt schwach nur brausend, wie von ferne,
Verschmolzen mit der Lampen Singen.
Geweint hat schon das Kind,
Verlassen in der Leere
Der Tage, die unfruchtbar sind.
Bald trug ich diese Schwere!
Nachts schrie ich nach dem Traum,
In wacher Not verloren,
Im wüstenweiten Raum.
Und jede Stunde totgeboren!
Ich biß ins Bett, die Finsternis
Mit Fäusten schlagend,
Tobender Neuling — ich zerriß
Mein Knabenhemd, nach Leben, Leben klagend.
Wer hat uns Leben aufgedrungen,
Es ewig zu begehren?
Wenn nur nicht diese Dämmerungen,
Die hoffnungslosen Morgenröten wären!
Der Gärtner, der den Graukopf zu den Beeten neigt —
Wie sanft kann seine harte Hand betreuen —,
Das Enkelkind, das blonde Locken neigt,
Und knabenhaft bestrebt ist, Sand zu streuen.
Beide versunken in ein schlichtes Dienen,
Beide vor Eifer fromm und zag,
Indes ein schöner Wochentag
Verklärend spielt auf ihren Mienen.
Seit jener Eine wuchs aus solchem Kreis,
Kann jeder blonde Knabe Wunder sein.
Bei hellem Tag zittert ein Heiligenschein
Über dem Kind und seinem Gärtnerfleiß.