Die Straße der Pfirsiche - F. Scott Fitzgerald - E-Book + Hörbuch

Die Straße der Pfirsiche Hörbuch

F.Scott Fitzgerald

4,5

Beschreibung

Erstmals auf Deutsch – Scott und Zelda Fitzgeralds Roadtrip gen Süden. Der 23-jährige Fitzgerald, bereits ein gefeierter Autor, und die 19-jährige Zelda, das blonde Mädchen aus den Südstaaten, reisen im Jahre 1920, drei Monate nach ihrer Hochzeit, von Connecticut nach Alabama. Nicht mit dem Zug, wie es üblich gewesen wäre, sondern in einem Wrack von einem Auto, genannt „Expenso“ oder „Rolling Junk“. Und das alles, weil Zelda eines Morgens aufwacht und Appetit auf die Biscuits und Pfirsiche hat, wie es sie nur in ihrer Heimat gibt. Das Vorhaben wird zur Mut- und ersten Beziehungsprobe, die die beiden wetteifernd bestreiten. Sie erleben die großen Hoffnungen und Rückschläge des Reisens, den Wechsel der Landschaft und Bevölkerung, stoßen auf Hilfsbereitschaft und werden als Sonderlinge beäugt. Sie erleben echte Zusammenbrüche, die Euphorie des Unterwegsseins, und sie erkennen, dass die Sehnsucht der vielleicht wichtigste Motor ist. Ein Stück komischer, leichter und erhellender Literatur über das Aufbrechen, Ankommen und den vielleicht wichtigsten Motor im Leben: die Sehnsucht. Aus der glücklichsten Zeit des Autors von "Der große Gatsby" und seiner großen Liebe.

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Zeit:2 Std. 36 min

Sprecher:Nico Holonics
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Informationen zum Buch

Erstmals auf Deutsch – Scott und Zelda Fitzgeralds Roadtrip gen Süden

Im Sommer 1920, drei Monate nach der Hochzeit, besteigt das glamouröseste Paar seiner Zeit eine Rostlaube und begibt sich kurzerhand auf den Weg nach Alabama. Und das alles, weil Zelda eines Morgens aufwacht und Appetit auf die Biscuits und Pfirsiche hat, wie es sie nur in ihrer Heimat gibt.

Ein Stück komische, leichte und erhellende Literatur über das Aufbrechen, Ankommen und den vielleicht wichtigsten Motor im Leben: die Sehnsucht. Aus der glücklichsten Zeit des Autors von »Der große Gatsby« und seiner großen Liebe.

Der 23-jährige Fitzgerald, bereits ein gefeierter Autor, und die 19-jährige Zelda, das blonde Mädchen aus den Südstaaten, reisen von Connecticut nach Alabama. Nicht mit dem Zug, wie es üblich gewesen wäre, sondern in einem Wrack von einem Auto, genannt »Expenso« oder »Rolling Junk«. Das Vorhaben wird zur Mut- und ersten Beziehungsprobe, die die beiden wetteifernd bestreiten. Sie erleben die großen Hoffnungen und Rückschläge des Reisens, den Wechsel der Landschaft und Bevölkerung, stoßen auf Hilfsbereitschaft und werden als Sonderlinge beäugt. Sie erleben echte Zusammenbrüche, die Euphorie des Unterwegsseins, und sie erkennen, dass die Sehnsucht der vielleicht wichtigste Motor ist. Ein Stück komische, leichte und kluge Literatur über das Aufbrechen, Ankommen und die großen Fragen des Lebens – aus der glücklichsten Zeit im Leben des Autors und seiner großen Liebe.

Scott und Zelda Fitzgerald, um 1920

F. Scott Fitzgerald

Die Strasse der Pfirsiche

Mit einem Essay von Zelda Fitzgerald

Herausgegeben und aus dem Amerikanischen übersetzt von Alexander Pechmann

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Die Straße der Pfirsiche

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Anhang

Führen Sie Mr. und Mrs. F. zu Zimmer Nr. –Von Zelda Fitzgerald

Was denkt F. Scott Fitzgerald über seine Frau?Ein Interview mit Zelda und Scott Fitzgerald im September 1923

Zwei romantische EgoistenNachwort

Anmerkungen

Chronik

Editorische Notiz

Über F. Scott Fitzgerald

Impressum

Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne …

1

Die Sonne, die seit einer Stunde meine geschlossenen Lider betupft hatte, schlug plötzlich mit groben, heißen Hämmern auf meine Augen ein. Das Zimmer wurde von Licht überflutet, und die verblassenden Kitschmuster der Tapete klagten über den blühenden Triumph der Mittagsstunde. Ich erwachte in Connecticut und einer gewöhnlichen Welt.

Zelda war aufgestanden, was offensichtlich war, denn im nächsten Moment betrat sie laut singend mein Zimmer. Zwar lausche ich gern Zeldas leisen Melodien, doch wenn sie laut singt, singe ich ebenfalls laut – um mich zu schützen. So begannen wir ein Lied über Biscuits zu trällern. Das Lied erzählte davon, dass unten in Alabama all die guten Leute Biscuits zum Frühstück aßen, wodurch sie sehr schön und freundlich und glücklich wurden, während oben in Connecticut alle zu Speck und Eiern und Toast griffen, was ihnen schlechte Laune, Langeweile und Trübsinn bescherte – insbesondere wenn sie zufällig mit Biscuits aufgewachsen waren.

Als das Lied schließlich endete, erkundigte ich mich, ob sie die Köchin gefragt …

»Ach, die weiß doch nicht einmal, was ein Biscuit ist«, unterbrach mich Zelda klagend, »und ich sehne mich ohnehin nach ein paar Pfirsichen.«

Da kam mir ein wilder Gedanke und entfaltete sich in seiner ganzen Pracht.

»Ich ziehe mich an«, sagte ich mit gedämpfter Stimme, »dann gehen wir nach unten und steigen in unseren Wagen, der, wie ich anmerken möchte, gestern Abend im Hof zurückgelassen wurde, da zufällig du an der Reihe warst, ihn in die Garage zu bringen, aber du hattest zu viel zu tun. Sobald wir auf den Vordersitzen Platz genommen haben, fahren wir von hier nach Montgomery, Alabama, und essen dort Biscuits und Pfirsiche.«

Befriedigt stellte ich fest, dass sie angemessen beeindruckt war. Doch sie starrte mich nur gebannt an und sagte: »Das geht nicht. Der Wagen schafft es niemals so weit. Und außerdem sollten wir es nicht tun.«

Ich begriff, dass es sich hierbei um bloße Formalitäten handelte.

»Biscuits«, sagte ich anspielungsreich. »Pfirsiche! Rosa und gelb, saftig …«

»Hör auf! Hör doch auf!«

»Warmes Sonnenlicht. Wir können deinen Vater und deine Mutter überraschen. Wir verraten ihnen einfach nicht, dass wir kommen, und dann, heute in einer Woche, parken wir geradewegs vor ihrer Haustür und sagen, dass wir oben in Connecticut nichts zu essen finden konntenund uns überlegt hätten runterzufahren, um ein paar Bisc…«

»Wäre es schön?«, flehte Zelda, die nach phantasievoller Ermutigung verlangte.

Ich begann ein ätherisches Bild zu malen – wie wir auf den glitzernden Boulevards mannigfaltiger Städte nach Süden brausen, dann über stille Landstraßen und durch duftende Täler, wo Geißblattzweige uns mit weißen süßen Fingern das Haar zerzausen, in rote staubfarbene Provinzstädtchen, wo drollige, freche Mädels mit großen Strohhüten und staunenden Augen unsere triumphale Durchfahrt beobachten …

»Ja«, wandte sie mit sorgenvoller Miene ein, »wenn da nicht dieser Wagen wäre.« Und so kommen wir zum Rolling Junk, unserer rollenden Rostlaube.

Der Rolling Junk wurde im Frühjahr 1918 geboren. Sein hochmütiges Fabrikat war als Expenso bekannt, und in seiner Kindheit wurde er für etwas mehr als fünfunddreißigtausend Dollar verkauft. Nur dem Namen nach ein Expenso, inoffiziell freilich ein Rolling Junk, war er in dieser zweiten Eigenschaft ein Auto, wie wir es oft gekauft haben. Ungefähr einmal alle fünf Jahre bringen die Hersteller einen Rolling Junk heraus, und ihre Händler eilen sofort zu uns, weil sie wissen, dass wir zu jener Art von Leuten zählen, denen man einen Rolling Junk andrehen sollte.

Nun hatte dieser besondere Rolling Junk seine Blütezeit hinter sich, bevor er uns in die Hände fiel. Um genau zu sein, hatte er ein gebrochenes Rückgrat, das erfolglos eingerenkt worden war, und das daraus resultierende Rückenproblem verlieh ihm eine verwegene Schlagseite; zudem litt er an verschiedenen chronischen Magenverstimmungen und Zerrsichtigkeit in beiden Scheinwerfern. Doch auf seine nervenzerrüttende und klapprige Art war er überaus schnell.

Was sein Zubehör betraf, neigte er zu einer derartigen Schlampigkeit, dass er all sein Werkzeug verlor bis auf einen altersschwachen Wagenheber und einen Schraubenschlüssel, der bei sachgerechter Anwendung dazu geeignet war, ein Rad mit neuem Reifen durch eines mit geplatztem oder löchrigem Reifen zu ersetzen.

Doch zum Ausgleich dieser Mängel, die auf ein allgemeines Schwächeln hinausliefen, war er ein Expenso, der Name stand auf einer kleinen Tafel an der Vorderseite, und das war etwas, worauf man stolz sein konnte. Zelda zögerte. Etwas bedrückte sie. Sie setzte sich auf meine Bettkante und machte ein paar abschätzige Bemerkungen über die Kosten einer solchen Reise und dass das Haus so lange leer stehen würde. Schließlich erhob sie sich und ging wortlos aus dem Zimmer, und kurz darauf hörte ich, wie ein Koffer unter einem Bett hervorgezogen wurde.

Und so ging es los. Nicht mal eine halbe Stunde nachdem die Idee geboren worden war, rollten wir unter der Julisonne gemächlich eine Landstraße in Connecticut entlang. Drei große Reisekoffer drängten sich auf dem Rücksitz, und Zelda umklammerte eine aus der Postwurfsendung von »More Power Grain and Seed Co.« herausgerissene winzige 4-Zoll-Karte der Vereinigten Staaten. Zusammen mit den beiden jämmerlichen Werkzeugen und einer Schutzbrille, der auf einer Seite das Glas fehlte, war das unsere ganze Ausrüstung für die Reise.

In Westport stoppten wir an unserer Lieblingstankstelle und wurden mit den üblichen Flüssigkeiten abgefüllt: Benzin, Wasser und Wacholderöl – oder nein!, ich meinte etwas anderes. Inzwischen hatten einige Personen die Koffer bemerkt und scharten sich um den Wagen, während wir dem Tankwart unbekümmert erklärten, wir seien auf einer Spritztour nach Alabama.

»Menschenskind!«, rief einer der Zuschauer ehrfürchtig, »das ist doch unten in Virginia, oder?«

»Nein«, sagte ich kühl, »ist es nicht.«

»Es ist ein Staat«, sagte Zelda und warf ihm einen Blick zu, den man als böse bezeichnen konnte. »Ich komme von dort.«

Der Geograf gab sich geschlagen.

»Nun«, sagte der Tankwart fröhlich, »wie ich sehe, wollen Sie über Nacht dortbleiben.«

Er deutete auf das Gepäck.

»Über Nacht!«, rief ich hitzig. »Man braucht allein eine Woche, um dorthin zu kommen.«

Der Tankwart war so verblüfft, dass er den Zapfhahn fallen ließ und Benzin über seine Schuhe floss.

»Sie wollen damit sagen, dass Sie in dieser Rostlaube eine Woche unterwegs sind?«

»Sie haben doch gehört, dass ich Alabama erwähnte.«

»Jawoll. Aber ich dachte, das sei der Name eines Hotels an der Straße nach New York.«

In der Menge begann jemand zu kichern.

»Mit welcher Hälfte des Wagens wollen Sie losfahren?«, fragte eine abscheuliche Stimme, »der oberen oder der unteren?«

»Ich werde Sie in Schneiders Milchwagen überholen.«

»Wie wollen Sie das anstellen – im Leerlauf bergab rollen?«

Es herrschte eine zunehmend bedrückende Atmosphäre. Mir tat es leid, dass wir nicht bloß gesagt hatten, wir würden auf der Poststraße runter nach New York fahren. Es fiel uns nicht leicht, angemessen hochmütig zu sein, als der Tankwart, der seit Monaten Hausarzt des Rolling Junk war, uns mit ernstem Kopfschütteln ansah und mit Grabesstimme sagte:

»Gott steh Ihnen bei!«

Ich legte den ersten Gang ein.

»Keine Sorge!«, sagte ich bissig.

»Sie sollten lieber die Karosserie eines Leichenwagens montieren.«

Ich nahm den Fuß von der Kupplung in der Absicht, dieser verhassten Szene in triumphaler Geschwindigkeit zu entfliehen und dabei, wenn möglich, ein paar Leute der rasch wachsenden Menschenmenge niederzumähen. Leider wählte der Rolling Junk diesen Moment, um kurz zu niesen und einzunicken.

»Dieser Wagen kennt sein Handwerk«, kommentierte der Tankwart. »All das Gerede über ›Alabama‹ ist genau so, als würde man in einem Altersheim eine Footballmannschaft zusammenstellen.«

Doch diesmal hatte ich dem Motor ein lautes stotterndes Knattern abgeschmeichelt, und mit großem Gestöhn rauschten wir davon und galoppierten die Poststraße entlang nach New York.

Also wenn ich Mr. Burton Holmes wäre, würde ich ausführlich all die Orte beschreiben, die wir zwischen Westport und New York durchquerten – würde schildern, wie in einem Dorf alle Einheimischen blaue Hüte und taillierte Anzüge trugen und wie sie in einem anderen gänzlich unbekleidet waren, ihre Tage damit zubringend, in einem alten Schlammloch keine hundert Yards neben der Straße bei Sonnenschein schwimmen zu gehen. Sie erfahren alle Einzelheiten über diese Ortschaften in jedem Automobil-Straßenführer inklusive Einwohnerzahl und Sehenswürdigkeiten und auch, wie man linker Handhinein- und rechter Hand wieder hinausfährt. Sie können das als selbstverständlich betrachten – der lehrreiche Teil dieses Artikels beginnt an einer etwas anderen Stelle.

Ich erinnere mich, dass es in der Nähe von New York eine Rennbahn gab, vielleicht war es auch ein Flugplatz, und man sah viele hohe Brücken, die irgendwohin führten, und dann kam die Stadt. Straßen, Menschenmassen auf den Straßen, ein schwacher Wind wehte, die Sonne schien zwischen hoch aufragenden Gebäuden, Gesichter schäumten, tosten, wogten wie die weißen Kämme unablässiger Wellen, und über allem ein großes, warmes Murmeln.

Gewaltige Polizisten mit dem Körperbau eines Parnell, eines de Valera, eines Daniel O’Connell, riesenhafte Polizisten mit der Gestalt von Mr. Mutt, Ed Wynn, Ex-Präsident Taft, Rudolph Valentino, ernste Gesichtszüge, pummelige Gesichtszüge, melancholische Gesichtszüge – alle glitten an uns vorüber wie blaue Meilenpfosten, zogen sich zusammen und verkürzten sich, fielen weit zurück, staffelten sich in einer kleiner werdenden Reihe wie eine Zeichnung für eine Unterrichtsstunde in Perspektive. Dann verschwand auch die Stadt, bewegte sich fort von uns und blieb zurück, und wir, die unfreiwillig im Einklang mit der Jersey-Fähre vibrierten, bedauerten all die fernen Gesichter, hätten fast geweint um sie, die nichts von dem Sonnenschein erlebten, den wir genießen würden, die weder die Biscuits noch die Pfirsiche kosten und auch nicht von Morgendämmerung bis Mondaufgang den weißen Straßen folgen würden … Jung zu sein, unterwegs zu sein zu den fernen Bergen, dorthin zu reisen, wo das Glück an Bäumen reift, ein Ring, den man im Turnier erstreitet, ein strahlender Siegeskranz, den es zu gewinnen gilt. – Es war immer noch machbar, dachten wir, zumindest war es eine Zuflucht vor der Langeweile und den Tränen und der Enttäuschung der ganzen stillstehenden Welt.

2

Am anderen Ufer des Flusses war es vier Uhr. Der Sumpf, in dem New Jersey dümpelt, glitt an uns vorüber, dicht gefolgt von den drei hässlichsten Städten der Welt. Wir rasten das gelbe Band einer Straße entlang, unter einer dieser milden Sonnen, die mir in vier Jahren so vertraut geworden waren – Sonnen, dazu gemacht, auf grazile, gebräunte Schönheiten auf Tennisplätzen und grünen Golfrasen prachtvoller Country Clubs zu scheinen. Vor allem waren es die Sonnen von Princeton, der weißenund grauen und grünen und roten Stadt, wo Junge und Alte Jahr für Jahr träge ihre jeweiligen Illusionen pflegen.

Wir folgten dem gelben Band. Die Sonne zerlegte sich in trigonometrische Figuren, wurde zu einer leuchtenden Wolke und war plötzlich verschwunden. Die Dämmerung brach herein, jenseits von New Brunswick, jenseits von Deans, jenseits von Kingston. Dörfchen, namenlos in der Dunkelheit, wandten uns gelbe Vierecke aus verstreuten Fenstern zu, und dann wölbten sich dunkle Himmel über Straßen und Felder, und wir hatten uns verirrt.

»Halt Ausschau nach den Türmen«, sagte ich zu Zelda. »Das wäre dann Princeton.«

»Es ist zu dunkel.«

An einer Kreuzung fuhren wir an einem Schild vorbei – es streckte die weißen Arme eines traurigen Gespenstes aus. Wir hielten an, und nachdem ich ausgestiegen war, zündete ich ein Streichholz an. Einen Moment lang sprangen vier Namen aus der Dunkelheit hervor. Nur einer war vertraut – New York, 30 Meilen. Welch eine Erleichterung; zumindest fuhren wir immer noch von New York fort – oder, ein deprimierender Gedanke, auf New York zu. Wenigstens befanden wir uns nicht in New York oder irgendwo daneben – obwohl ich mir des Letzteren keineswegs sicher war.

Ich wandte mich an Zelda, die friedlich den gedeckten Tisch des Himmels genoss.

»Was sollen wir tun?«

»Nun«, antwortete sie schließlich, »anhand der Karte der More Power Seed Company können wir es nicht entscheiden, weil gerade über diesem Teil von New Jersey ein großer weißer Kreis liegt mit den Worten: ›More Power Seeds werden in dieser Gegend exklusiv verwendet.‹«

»Es ist schon nach neun.«

»Sieh dir den Mond an.« Sie deutete begeistert hinauf. »Es ist der …«

»Ja, aber wir wollen nach Princeton und essen und schlafen.«

»Willst du damit sagen, dass du vier Jahre in Princeton warst und mit der Umgebung nicht einmal so vertraut bist, dass du die Namen der Nachbarorte kennst?«

»Wenn es nach mir ginge, könnten diese Dörfer ebenso gut irgendwelche Vororte von Atlantic City sein. Hör mal! Menschenskind, wir sind an der Küste. Hörst du nicht die Brandung …«

Da begannen wir zu lachen. Die Brandung, wenn man es so nennen wollte, war ein Muhen. In der Dunkelheit, der drückenden, samtenen Dunkelheit, lachten wir laut, und die Kuh galoppierte mit grasigem Schwung und kätzchenartig geworfenen Hufen davon, um am anderen Ende der Weide Ozean zu spielen. Dann Stille bis auf das ständige Jammern des Rolling-Junk-Motors und unsere Stimmen, die jetzt ruhig und leise klangen wie ein reines Gewissen.

»Glaubst du wirklich« – ihr Tonfall entsprang aufrichtiger Neugier –, »dass wir uns in der Nähe von Atlantic City befinden? Wenn ja, dann würde ich gern hinfahren.«

Die Kuh muhte erneut aus weiter Ferne; der Mond verschwand, ohne sich zu entschuldigen, hinter einer Wolke. Ich stieg wieder in den Rolling Junk und begann mich unbehaglich zu fühlen.

»Wir könnten im Freien übernachten«, schlug Zelda verträumt vor.

»Eine vorzügliche Idee«, stimmte ich zu. »Ich kann den Wagen auf den Kopf stellen, und wir schlafen darunter.«

»Oder wir bauen hier«, schlug sie vor. »Du nimmst die Werkzeuge und baust ein Haus. Glaubst du, du könntest ein Haus nur mit einem Schraubenschlüssel bauen? – Und dann hast du ja auch noch den Wagenheber …«

Auf göttliches Eingreifen hoffend, begann Zelda ein Kirchenlied zu singen. Dann gab sie auf und fing mit dem Memphis Blues an. Doch das Lied hatte nicht die geringste Wirkung auf den unerbittlichen Himmel, so fuhren wir weiter die Straße entlang und suchten nach einem Haus. Falls wir eines finden würden, das nicht eindeutig einer Räuberhöhle oder einem Hexenhäuschen glich, waren wir entschlossen, anzuhalten und nach dem Weg zu fragen. Sollte sich das von uns gewählte Haus als Höllenloch erweisen, würde ich so tun, als sei der Schraubenschlüssel ein Revolver, und die Gauner rasch zur Vernunft bringen.

Doch wir hielten an keinem Haus an, denn als wir hundert Yards weit gefahren waren, erreichten wir eine Steinbrücke, unter der ein Fluss strömte. Der Mond kam hervor, und dort mäanderte silbern und friedlich der Stonybrook an seinen Corot-Ulmen vorbei. Wir waren weniger als eine Meile von Princeton entfernt. Mit einem feierlichen Rumpeln über die Brücke, vorbei am gotischen Bootshaus mit seinen Träumen verblasster Junitage und durch einen kleinen ansteigenden Wald hinein ins hochsommerliche Princeton, das ebenso sicher schlief, als winde sich General Mercer unter einem britischen Bajonett noch immer auf seinem denkwürdigen Hügel.

Die Nassau Street lag menschenleer da – für die Tutorenkurse war es zu früh, ihre Netze nach den Ehrgeizigen, den Faulen, den Dummen auszuwerfen –, und das Nassau Inn war fast so dunkel wie die Nassau Hall, sein hochmütiger Kumpan auf der anderen Straßenseite.

Beim Eintreten entdeckte ich den stämmigen zynischen Louie hinter der Theke; Louie, der jedem vertraut, aber an nichts und niemand glaubt. Seine Tragödie besteht darin, dass er zusehen musste, wie in seiner berühmten Bar das Licht ausging – einer Bar, wo Aaron Burr am Wein der Verschwörung nippte, wo zehn Generationen von Vätern und Söhnen feierten und wo heutzutage die aus hundert uralten eingeritzten Tischplatten bestehenden Wände leider nie wieder zu den Melodien rabelaischer Lieder erbeben.

»O du, der sich nie überraschen lässt«, sagte ich zu Louie, »gib mir ein Zimmer mit Bad für mich samt Frau. Wir sind unterwegs zum Äquator auf der Suche nach seltsamen Nahrungsmitteln und möchten noch einmal unter einem arischen Dach schlafen, bevor wir uns zu eigenartigen Menschenrassen wie dem wilden Tasmanier und den Pygmäen gesellen.«

Louie kannte mich nicht, obwohl er ahnte, dass ich einst zu den Auserwählten gezählt hatte. Er war bereit, mir ein Zimmer zu geben, und flüsterte mir zu, dass in der Stadt und am College Totenstille herrschte. Wir rollten zur Garage, wo zu meinem Verdruss der verantwortliche Farbige unsere Ankunft als völlig alltäglich hinnahm. Tatsächlich sagte er mir, ich könnte gegen Entrichtung einer bestimmten Gebühr den Wagen die ganze Nacht hier parken.

Wir kehrten um, gingen langsam durch einen leichten, heiteren Regen zum Nassau Inn, und die ganze Nacht fiel das stille Wasser auf die blauen Schindeldächer, und die Luft war mild und feucht.

3

Dann kam der Morgen, und das Gras auf dem College Campus war nach dem Regen saftig grün. Der Zierrasen schillerte wie ein glatter, kühler See, aus dem sich graue Schlösser sanft zu einer unscheinbaren Gotik erhoben und gegen das Grau des Himmels verblassten. In den großen Seen aus Gras gab es Dutzende dieser Granitinseln – einige balancierten auf Terrassen, die riesigen unbeweglichen Wellen glichen, andere reihten sich auf zu anmutigen Landengen und Halbinseln, die sich hier und da verwoben und sich schließlich durch brückenartige Kreuzgänge über dem grünen, grünen Wasser mit anderen Halbinseln verbanden.

Halb zehn kam die Sonne über Nassau Hall in Sicht, und wir erkundigten uns in der luxuriösen Garage nach der Gesundheit des Rolling Junk.

Der Garagenwächter starrte ihn skeptisch an.

»Wie weit wollnse fahrn?«

Den Fehler, den ich in Westport gemacht hatte, beging ich nicht noch einmal.

»Nach Washington.«

»Tja«, sagte er schleppend, »Sie könnten es schaffen, aber ich würd keinen roten Heller wetten …«

»Von Wetten war nicht die Rede«, erwiderte ich hölzern.

»… weil ich nämlich nie auf was mit so unsicherem Ausgang setze. Sie könnten es schaffen oder eben auch nicht.«

Nach Empfang dieser Information trat ich auf den Anlasser, und der Rolling Junk füllte die Werkstatt mit enormem Gebrüll und Getöse. Dann segelten wir die Nassau Street entlang in Richtung Trenton.

Der träge rote Backstein der Lawrenceville School schlief in der Sonne, als wir vorbeifuhren. Wir warfen einen Blick auf die Saatgut-Katalog-Karte, doch als wir feststellten, dass Trenton von dem Schriftzug »More Power Seeds« verdeckt wurde, warfen wir die Karte einem hurtig