Die Vergessenen Schriften 7 - Markus Heitz - E-Book

Die Vergessenen Schriften 7 E-Book

Markus Heitz

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Beschreibung

SPIEGEL-Bestsellerautor Markus Heitz führt alle Fans der Albae in neue Abenteuer und enthüllt die Geschichten, die in den Romanen noch nicht erzählt wurden - Geheimnisse werden gelüftet, Schicksale geklärt und von legendären, vergessenen Taten der dunklen Geschöpfe berichtet.

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ISBN 978-3-492-96247-6

November 2016

© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2013 © 2013 Markus Heitz vertreten durch: AVA international GmbH Autoren- und Verlagsagentur www.ava-international.de Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

Albae-Anthologie

DIE LEGENDEN DER ALBAE

- Die Vergessenen Schriften -

VII

Dies sind die Vergessenen Schriften.

Sie erzählen von den bekannten und unbekannten Helden meines Volkes.

Von den größten Geschichtenwebern, den herausragendsten Künstlern.

Aber auch von den schrecklichsten Feinden und den innigsten Freunden.

Legenden, Geschichten, Märchen, Gedichte, Lieder

– sie wurden von mir gesammelt, dem Untergang entrissen und bewahrt, damit sie nicht gänzlich verloren gehen.

Wir Albae mögen unsterblich sein, und doch können wir vergessen werden.

Du, der diese Werke liest, schließe sie in dein Herz und halte sie. Halte sie sicher, trage sie weiter.

Verkünde sie und lasse sie erklingen.

DAS ist wahre Unsterblichkeit!

aus den Vergessenen Schriften,

gesammelt und aufgezeichnet von

Carmondai

dem Meister in Bildnis und Wort

Die Unverstandene

Manch einer mag sich an die Schlussworte aus meinem Epos »Die Helden von Tark Draan« erinnern: Ich umriss darin etliche Schicksale, ohne auf die Besonderheiten und Feinheiten jener Persönlichkeiten einzugehen, doch ich holte dieses Versäumnis mit Geschichten in den Vergessenen Schriften nach, von Arviû bis Horgàta.

Doch bei keiner Albin tat ich mir so schwer wie bei ihr.

Ich nenne sie »die Unverstandene«, weil ich als Künstler weiß, was es bedeutet, anders zu denken und zu empfinden.

Doch nicht wenige meines Volkes nannten sie »die Verrückte« oder Schlimmeres, wobei »Verräterin« das harmloseste Wort ist.

Sie fühlte sich von Barbaren angezogen wie Lehrkundige von niederen Tieren, gab dafür ihren Rang als Benàmoi auf und bereiste Tark Draan, anfangs mit Einwilligung der Unauslöschlichen.

Sie wollte erforschen, wollte verstehen, wie Barbaren denken und warum sie widersprüchlich handeln. Das Herrscherpaar wähnte in ihren Erkenntnissen einen Vorteil für die kommenden Eroberungszüge.

Doch sie verlor sich in ihrem Tun und ihr Herz an manchen der Barbaren.

Mehr als einmal.

Als die Unauslöschlichen sie erbost nach Dsôn zurückbefahlen, um sie zur Rede zu stellen, weigerte sie sich.

Ich behauptete damals, dass ich nicht wüsste, was aus ihr geworden ist.

Nun, da sich die Zeiten wandelten, darf ich die Wahrheit schreiben, ohne um ihr oder mein Leben zu fürchten.

Carmondai

Meister in Bildnis und Wort

Tark Draan (Geborgenes Land), Weyurn, 4392. Teil der Unendlichkeit (5204. Sonnenzyklus), Sommer

Carmondai und sein Begleiter Nimòras ritten gemächlich nebeneinander auf Barbarenpferden und trugen weite Gewänder über ihren Harnischen, um die Rüstungen zu verbergen; leise knirschten die Sattel, die Metallringe der Trensen klirrten melodisch im Takt der Schritte.

Der Schimmel und der Fuchs waren gemütliche Kreaturen, dazu nicht besonders schnell. Doch sie genügten, um sich kräftesparend und unerkannt durch Tark Draan zu bewegen, was mit Nachtmahren gewiss nicht gelungen wäre.

Kniehohes, saftiges Gras umspielte die Beine der Tiere, die eben durch ein breites, geschwungenes Tal schritten. An den sonnenbeschienenen Hängen waren Weinstöcke in langen Linien angebaut, deren grüne Blätter leuchteten. Schwalben jagten am Himmel entlang, das Zirpen von Insekten und Vogelgesang begleitetete sie.

Wie friedlich es in Tark Draan sein kann. Ein wunderschöner Sommertag. Das verspricht eine noch schönere Nacht. Carmondai hatte eine grobe Karte auf dem Sattel liegen und prüfte ihren Aufenthaltsort anhand markanter Punkte, wie der Bergnadel, die sich zu ihrer Rechten erhob. Der Leuchtturm von Kelaïn. Wir sind richtig.

»Unglaublich, wie laut das Reitgeschirr der Barbaren ist. Man könnte uns nachts auf zwei Meilen hören«, murrte Nimòras und sah ungeduldig wie ein Kind zum blauen Himmel hinauf. »Wird es noch lange dauern?«

»Woher soll ich das wissen? Ich war noch nicht hier«, gab Carmondai amüsiert zurück. »Aber das da vorne könnte sprichwörtlich ein Lichtblick sein: der Leuchtturm der Stadt Kelaïn. Gegen Mittag werden wir dort sein und in der Nähe warten, bis die Sonne versunken ist.«

Der schwarzhaarige Nimòras nickte und zog die Geschwindigkeit seines Schimmels an; die Tiere verfielen in Trab.

Unbemerkt an den Verteidigungslinien der Heereshaufen aus Tark Draan vorbeizugelangen wurde immer schwieriger und für größere Gruppen unmöglich. Nur mit rabiater Gewalt gelangten Kontingente durch die Sperrriegel der Verteidiger, die aus rasch erschaffenen Steinwällen und Türmen sowie magischem Stützwerk erbaut waren.

Den Trollen war es vor geraumer Zeit gelungen, sich festzusetzen, gleich in zwei Königreichen der Barbaren, aber Carmondai nahm an, dass es nicht mehr lange dauerte, bis die Verteidiger ein Mittel gegen die riesigen Scheusale fanden.

Nachdem Carmondai und Nimòras tief nach Südwesten vorgedrungen waren, schlug ihnen weniger Misstrauen entgegen, solange sie nach Einbruch der Dunkelheit auf Einheimische stießen. Man hielt sie für Elben, und das ließen sich die beiden ausnahmsweise gefallen, weil es weniger Umstände bedeutete. Carmondai stand nicht der Sinn danach, sich unentwegt durch die Reihen einfacher Bauern zu schlachten, nur weil sie sie als Albae erkannt hatten. Er war nicht unterwegs, um zu töten, betrachtete es auch nicht als seine Aufgabe.

Seinen Begleiter hatte er mitgenommen, falls die Lage dennoch ein zweites Paar Hände und eine geschickte Klinge erforderte.

Der Wind drehte urplötzlich, wurde kühler und veränderte seinen Geruch.

»Ich … rieche das Meer!«, rief Nimòras aufgeregt und blickte den wesentlich älteren Carmondai an. »Oder täusche ich mich?«

»Reite und sieh nach«, schlug er vor und musste lachen, als der Alb daraufhin lospreschte. Als hätte er niemals in seinem Leben zuvor Wasser gesehen.

Dann wurde sich Carmondai bewusst, dass es sich durchaus so verhielt: Die wenigsten Albae kannten die unglaublichen, schier endlosen Wassermassen eines Meeres oder eines gewaltigen Sees.

Jedes Kind hatte natürlich den Wassergraben zur Grenzsicherung von Dsôn Faïmon besucht und ihn mit einem Boot befahren, aber das Ufer blieb immer in Sichtweite. Er gehörte zu den wenigen Auserwählten, die wussten, was das Wort Meer bedeutete.

Kein Vergleich oder Ersatz zu den Weiten. Genau deswegen hatte er sich das Ziel ausgesucht, um sich an alte Zeiten zu erinnern und der Sehnsucht nach Wellen und Wogen nachzugeben. »Weyurn«, sagte er langsam und ließ den Klang wirken. »Das Land auf dem Meer.«

Carmondai hatte vernommen, die Bewohner hätten Pfahlbauten errichtet und künstliche Inseln angelegt, die auf dem Wasser trieben. Felder, Dörfer, Städte, beinahe alles sei auf diese Weise entstanden, was die Barbaren benötigten. Dem Land haftete etwas Märchenhaftes an, weil sich die Städte gelegentlich neue Liegeplätze suchten. Es muss ein grandioser Anblick sein, wenn eine ganze Siedlung durch den Morgennebel zieht und plötzlich mit Türmen und Festungen vor einem aufragt.

Und es war gleichzeitig der beste Schutz vor Scheusalen, den man sich in Zeiten wie diesen wünschen konnte. Das wenige Festland gehörte der Königin, die dort ihre Residenzen und Burgen zur Verteidigung errichten ließ.

Als er von Weyurn hörte, stand für Carmondai fest: Das musste er mit eigenen Augen sehen, um davon zu berichten, zu schreiben und zu zeichnen. In Dsôn Balsur wurde er gerade nicht benötigt, die Baumeister hatten genug zu tun, bevor er ihnen neue Aufträge erteilen konnte.

Nimòras war schon längst außer Sicht, als er die nächste Biegung umritt und sich vor ihm der Ausblick auf die scheinbar unendliche Wasserfläche öffnete. Nur sanfte Wellen schwappten auf den flachen Strand und rollten über den Kies; grüne und braune Algen wurden mit hinaufgespült. Links von ihm, ein Stück weiter entfernt, lag ein dichter Schilfgürtel.

Carmondai schloss die Lider und atmete tief ein. Das Salz fehlt, dachte er, doch ansonsten riecht es nach Frische, nach Leben.

Das Donnern von galoppierenden Hufen brachte ihn dazu, zum See zu blicken.

Dort jagte Nimòras ausgelassen auf seinem Schimmel über die kleinen Steine. Spritzer wirbelten hinter dem Pferd auf und wurden weit empor geschleudert; die Tropfen glitzerten und funkelten in allen Farben. »Das ist unfassbar!«, juchzte er. »Das Meer!«

Carmondai ritt näher und schaute sich um. Oder zumindest das, was man dafür halten kann, wenn man einen Ozean nicht kennt.

Sie waren in einer Bucht gelandet, die sich halbkreisförmig über eine Länge von vier Meilen schwang, ehe sie sich bis auf eine Öffnung von etwa hundert Schritten fast komplett schloss. Der natürlich Riegel gegen hohe Wogen machte sie zu einem perfekten Hafen, wären die Städte von Weyurn darauf angewiesen. So lag die Bucht brach – aber nicht nur aus diesem Grund. Diese Stelle bedeutete Todesgefahr.

Ganz weit vorne reckte sich ein schmaler, turmgleicher Felsen, in dessen oberen Bereich Öffnungen geschlagen waren. Weyurns Herrscher hatten die Bergnadel aushöhlen lassen und zu einem Leuchtturm gemacht.

Er gab nicht etwa Orientierung oder einen Anlaufpunkt, sondern er warnte. In unregelmäßigen Abständen, so hatte Carmondai vernommen, entstand im See ein Wirbel, der Schiffe oder die schwimmenden Städte in den Abgrund sog und niemals mehr ausspuckte.

Das muss ich sehen. Welch Schauspiel das sein wird! Carmondai beobachtete, wie Nimòras sich mehr und mehr von ihm entfernte und den Hengst forderte, als ginge es bei der Hatz um sein Leben. Wenn ihn das schon so erfreut, was tut er, wenn wir auf einem Schiff reisen und umgeben von Wasser sind? Vor Ausgelassenheit über Bord springen? »He, Nimòras! Ich reite die Anhöhe hinauf, um nach dem Turm zu sehen.«

Der jüngere Alb hob als Antwort den Arm und bremste den Schimmel. »Ich komme gleich«, gab er zurück und wendete.

Ende der Leseprobe