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Neuausgabe des Buches aus dem Jahr 1873. Aus dem Inhalt: Wie wunderbar ist doch die Welt und alles, was auf derselben ist, wie wundervoll die Gesetze, denen alle Vorgänge in der Natur unterworfen sind. Die Erde ist unsere Heimat, auf ihr sind wir geboren, erzogen und haben unser Dasein und doch fassen die Menschen alles dieses, weil es alltäglich ist, als nichts Wunderbares auf. Wer wundert sich über die Entstehung und die Bildung der Mineralien, wer über das Wachstum der Pflanzen? Einem jungen unbefangenen Gemüt von zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren erregt vielleicht der erste Anblick eines Wasserfalls oder eines Berges mehr Verwunderung, als das Nachdenken über die Kräfte, welche bei dem Leben ins Spiel treten: wie gelangt der Mensch auf diese Welt? Durch welche Kräfte lebt er? Welche Macht vermag ihn aufrecht zu erhalten und ihn in den Stand zu setzen, sich von einem Ort zu dem anderen zu bewegen? Wir treten also in diese Welt ein, wir leben darin und verlassen dieselbe, ohne dass unsere Gedanken sich darauf hinwenden, zu überlegen, wie dieses vor sich geht. Würden nicht einige wenige Menschen genauer ihr Augenmerk auf diese Dinge gerichtet und die wahrhaft wundervollen Gesetze und Bedingungen entschleiert haben, nach welchen wir leben und auf dieser Welt existieren, so würden wir schwerlich es für etwas Wunderbares halten.
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Seitenzahl: 126
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Sechs Vorlesungen für die Jugend
von
Michael Faraday.
Übersetzt von Dr. H. Schröder.
Mit 54 Holzschnitten
Berlin,1873.
Verlag von Robert Oppenheim.
Michael Faraday (1781--1867) gehört zweifelsohne zu den bedeutendsten Naturforschern des 19. Jahrhunderts; aus bescheiden Verhältnissen stammend, machte er zunächst eine Buchbinderlehre. Sein Interesse galt aber bereits in jungen Jahren der Wissenschaft, so dass Faraday versuchte, die in Schriften und Büchern, die er binden sollte, beschriebenen Experimente selbst nachzuvollziehen, und besuchte öffentliche wissenschaftliche Vorträge. Humphry Davy stellte ihn schließlich als Laborgehilfe der Royal Institution ein.
Mit dem Zugang zu einem professionellen Labor entwickelte sich Faraday schnell zu einem gewandten und exzellenten Experimentator, bald wurde er einer der besten chemischen Analytiker. Allein seine akribisch geführten Labor-Tagebücher füllen sieben Bände seiner gesammelten Abhandlungen. Faraday untersuchte u. a. im Detail die Phänomene der Elektrolyse, hier verband er in geschickter Weise Untersuchungsmethoden aus der Elektrizitätslehre und der Chemie. Zu seinen herausragendsten Leistungen gehören seine Untersuchungen der Beziehung zwischen Elektrizität und Magnetismus, er entdeckte nicht nur die elektromagnetische Induktion, sondern führte auch den Feldbegriff zur Beschreibung von elektromagnetischen Phänomenen ein, er zeigte, dass diese Felder auch Licht beeinflussen können, und vermutete einen tieferen Zusammenhang; diesen konnte aber erst J. C. Maxwell 1865 herstellen, als er aus Faradays experimentellen Resultaten eine einheitliche mathematische Theorie des Elektromagnetismus entwickelte.
Auch Faradays akademische Karriere kam nun rasch voran: 1824 wurde Faraday in die Royal Society aufgenommen und 1827 zum Professor für Chemie der Royal Institution berufen. Die Royal Institution richten seit 1825 Weihnachtsvorlesungen (Christmas Lectures) aus, die sich speziell an ein junges Publikum wenden. Diese Tradition setzt sich bis heute fort und wurde nur in den Kriegsjahren unterbrochen. Bis in die 1860iger Jahre wurde die Ausgestaltung dieser Vorlesungsreihen maßgeblich durch Faraday geprägt, der insgesamt 19 Folgen selbst hielt, seine berühmteste Reihe war sicher die Naturgeschichte einer Kerze (The Chemical History of a Candle) von 1848 und 1860.
Die Weihnachtsvorlesungen des Jahres 1859 widmete Faraday den verschieden Kräften der Materie und ihren Beziehungen zueinander (The Various Forces of Matter and their Relations to Each Other); in diesen versucht er seinem jungen Publikum einen Eindruck über das Zusammenspiel der Naturkräfte zu vermitteln, das, wie er eingangs betont, dem flüchtigen alltäglichen Blick oft verborgen bleibt, das aber der geduldige Forscher Stück um Stück zu enthüllen vermag – und es ist überaus erstaunlich, wie diese überaus große Zahl von Naturphänomenen von einer recht kleinen Anzahl von Kräften hervorgebracht werden können.
In den sechs Vorlesungen führt Faraday seinen Hörern die Kräfte der Materie, so wie sie Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt waren, vor Augen: Schwerkraft, Kohäsion, chemische Affinität, Wärme, Elektrizität und Magnetismus. Alle seine Ausführungen begleitet Faraday dabei mit wundervoll illustrativen und zum Teil effektvollen Experimenten, die das Gesagte belegen und bekräftigen; und wiewohl Faraday bei seinen gelungen 'Tricks' offensichtlich selbst Spaß hat, folgen die Demonstrationen stets dem Ziel, die Details des gerade Gezeigten noch genauer zu analysieren oder einen weiteren Aspekt des Geschehens zu extrahieren. Faraday legt dabei sein Hauptaugenmerk darauf zu zeigen, wie diese Naturkräfte zusammenspielen: dass etwa Wärme notwendig ist, um chemische Affinitäten freizusetzen, die Kraft der Elektrizität in der Lage ist, chemische Affinitäten zu lösen, oder dass ein Strom von Elektrizität magnetische Wirkungen zeigt.
Der bleibende Wert dieser furiosen Vorlesungen besteht sicher zum einen darin, dass hier ein begnadeter Experimentator seine Kunst zeigt, zum anderen aber, demonstriert Faraday seinen Hörern Wissenschaft auf der Höhe der damaligen Zeit – wiewohl gerade die Weihnachtsvorlesungen einen allgemein verständlichen Charakter haben, verkürzt er seine Erläuterungen nie über Gebühr, sondern versucht seine Hörer zum Mitdenken und Nachvollziehen anzuregen – etwas, dessen Magie offenbar auch heute noch wirkt.
Die vielen Experimente, die im Laufe der Vorlesungen vorgeführt wurden, sind zum Teil in Fußnoten noch detaillierter beschrieben, so dass sie mit Mitteln eines gut ausgestatteten Schullabors durchaus nachvollziehbar sein sollten.
Wie wunderbar ist doch die Welt und alles, was auf derselben ist, wie wundervoll die Gesetze, denen alle Vorgänge in der Natur unterworfen sind. Die Erde ist unsere Heimat, auf ihr sind wir geboren, erzogen und haben unser Dasein und doch fassen die Menschen alles dieses, weil es alltäglich ist, als nichts Wunderbares auf. Wer wundert sich über die Entstehung und die Bildung der Mineralien, wer über das Wachstum der Pflanzen? Einem jungen unbefangenen Gemüt von zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren erregt vielleicht der erste Anblick eines Wasserfalls oder eines Berges mehr Verwunderung, als das Nachdenken über die Kräfte, welche bei dem Leben ins Spiel treten: wie gelangt der Mensch auf diese Welt? Durch welche Kräfte lebt er? Welche Macht vermag ihn aufrecht zu erhalten und ihn in den Stand zu setzen, sich von einem Ort zu dem anderen zu bewegen? Wir treten also in diese Welt ein, wir leben darin und verlassen dieselbe, ohne dass unsere Gedanken sich darauf hinwenden, zu überlegen, wie dieses vor sich geht. Würden nicht einige wenige Menschen genauer ihr Augenmerk auf diese Dinge gerichtet und die wahrhaft wundervollen Gesetze und Bedingungen entschleiert haben, nach welchen wir leben und auf dieser Welt existieren, so würden wir schwerlich es für etwas Wunderbares halten.
Diese Untersuchungen, welche die Philosophen schon von den frühesten Zeiten beschäftigt haben, wo sie zuerst anfingen, die Gesetze, nach denen wir entstehen, leben und unser Dasein genießen, ausfindig zu machen, haben gezeigt, dass alles die natürliche und notwendige Folge von gewissen Kräften ist. Diese sind aber so natürlich und gewöhnlich, dass es dem Menschen erscheint, als ob nichts anderes sein könnte: nichts ist gewöhnlicher als die wunderbaren Kräfte, durch welche wir in den Stand gesetzt sind, eine aufrechte Haltung zu bewahren – sie sind alle wesentlich zu unserem Dasein und werden darin in jedem Augenblick in Anspruch genommen.
Wir wollen uns jetzt mit einigen von diesen Kräften beschäftigen und nicht allein die Lebenskräfte, sondern auch die elementaren oder wie sie gewöhnlich genannt werden, physikalischen Kräfte in den Kreis unserer Betrachtung ziehen; zuerst müssen wir uns jedoch klarmachen, was man unter dem Begriff Kraft versteht. Angenommen ich nehme einen Bogen Papier und stelle ihn auf einer Kante aufrecht hin, indem ich ihn gegen irgendetwas anlehne – es ist dies zwar ein sehr rohes aber anschauliches Beispiel – und ich ziehe an diesem Papier mittels eines Fädchens, welcher daran befestigt ist, so würde ich dasselbe umwerfen. Ich habe dann, um dies ausführen zu können, eine Kraft in Anwendung gebracht. Die Kraft meiner Hand gab dem Fädchen eine Richtung, welche ziemlich eigentümliche Resultate gibt, wenn wir dieselbe untersuchen: mit Hilfe dieser Kräfte insgesamt – denn es sind mehrere zur Verwendung gelangt – habe ich dies Papier umgerissen. Wenn ich ferner dem Bogen einen Stoß auf die andere Seite gebe, so bringe ich abermals eine Kraft ins Spiel, aber eine ganz andere Kraftäußerung als die vorige. Nehme ich jetzt ein Stück Schellack von ungefähr 12 Zoll Länge und 1 Zoll Durchmesser, reibe dasselbe mit einem wollenen Lappen und halte es in der Nähe eines Stückchen Papiers oder gegen die vordere Seite des aufrecht stehenden Bogens, so wird derselbe sofort sich gegen den Schellack bewegen; entfernen wir jetzt den letzteren etwas, so wird das Papier umfallen, ohne dass es durch etwas berührt worden wäre. Bei dem ersten Versuch war die Wirkung eine allgemein bekannte; jetzt aber werfe ich es um, nicht durch Hilfe des Fädchens oder durch Berührung meiner Hand, sondern einzig und allein mittels des Schellacks; derselbe besitzt also eine Macht, vermöge deren er auf diesen Papierbogen einwirkt. Als Beispiel einer anderen Kraft könnte ich noch Schießpulver anführen, durch welches sich der Papierbogen ebenfalls umwerfen lässt.
Versuchen wir es jetzt, unsere Gedanken auf eine von diesen Kräften insbesondere zu richten. Unter dem Ausdruck Materie versteht man alles, was man mit der Hand ergreifen oder in ein Gefäß einschließen kann – so z. B. ist Luft eine Materie oder ein Stoff, da man sie in einem Gefäß zusammenhalten kann. – Eine andere Art von Materie ist das Wasser. Hier ist Eis (auf ein Eisstück zeigend, welches auf dem Tische lag), das ist Wasser (auf Wasser zeigend, welches in einer Flasche kochte), dieses ist Dampf – man sieht ihn aus dem Halse der Flasche aufsteigen. Man darf aber nicht voraussetzen, dass das Wasser und das Eis zwei ganz verschiedene Dinge sind und dass der Dampf, welcher in Blasen in der Flüssigkeit aufsteigt und aus der Flasche ausströmt, von dem flüssigen Wasser absolut verschieden sei, wenn er auch in einigen besonderen Eigenschaften davon abweicht; in Bezug auf die Gesamtheit der Kräfte, welche sie enthalten, sind alle drei dasselbe als der Ozean, die große Wassermenge, welche das Festland umspült. Ich wähle gerade das Wasser, weil es uns Beispiele von allen den Kräften liefert, von welchen im Folgenden die Rede sein soll. Hier haben wir also Wasser – es ist schwer, und wir wollen uns nun nach dem Grunde seiner Schwere umschauen. Vor mir habe ich eine im Gleichgewicht befindliche Waage, auf deren einer Schale ein Gefäß von ungefähr einem halben Quart Inhalt steht, dieselbe ist im Augenblick leichter als die andere; gieße ich jedoch etwas Wasser hinein, so sinkt sofort diese Schale nieder. Dies zeigt, um mich der gewöhnlichen Sprache zu bedienen, dass das Wasser schwer ist; wenn ich dies Gewicht in die andere Schale lege, so würde das Gefäß mit dem Wasser in die Höhe gehen, bei einem größeren Wasserzusatze aber sinken. Warum halte ich aber die Flasche über das Gefäß, um das Wasser in dasselbe zu gießen? Ihr werdet sagen, weil die Erfahrung gelehrt hat, dass es so notwendig ist. Ich tue es aus einem anderen Grunde, weil es ein Naturgesetz ist, dass das Wasser zur Erde fallen würde, und deshalb sind dieselben Mittel, welche ich anwende, um das Wasser in das Gefäß zu bringen, dieselben, welche die ganze Wassermenge niederziehen. Dieses Bestreben oder diese Kraft nennen wir Schwere und ihr seht auf der Waage das Wasser, welches das Bestreben hat, zur Erde niederzusinken. Dieses hier (ein Stückchen Platin [1] vorzeigend) ist ein anderer Körper, welcher ebenfalls fortwährend sucht, zur Erde zu fallen und zwar in gleichem Maße als das Wasser.
[1] Platin ist mit einer Ausnahme der schwerste Körper und 21 ½ mal so scher als Wasser.
Seht, was für ein kleines Stück das ist! Dieses kleine Stückchen ist schwerer als eine so große Menge Wasser (indem er das Stückchen Metall auf die andere Schale legt). Wie wunderbar ist es, dass so viel Wasser (ein halber Liter) erforderlich ist, um mit derselben Kraft zur Erde zu sinken, als dieses kleine Stückchen, welches ich hier in der Hand halte. Wenn ich ferner dieses Metall nehme (einen Barren Aluminium [2]) von nahezu der achtfachen Größe des Platins, so finden wir, dass das Wasser durch dasselbe ins Gleichgewicht gebracht wird; sodass wir in dem eben angedeuteten ein Beispiel haben, was wir unter dem Ausdruck Kraft aber Macht zu verstehen haben.
[2] Aluminium ist ungefähr 2 ½ mal so schwer als Wasser.
Ich habe bisher vom Wasser gesprochen und zuerst von seiner Eigenschaft, zur Erde zu fallen; Ihr wisst sehr gut, dass der Ozean unsere Erde umschließt, dass er um die ganze Erdoberfläche herumgeht, dieselbe abrundet und sie gleichsam wie mit einem Gürtel umgibt, aber außerdem hat das Wasser noch andere Eigenschaften. Hier haben wir etwas ungelöschten Kalk, wir wollen etwas Wasser hinzufügen und werden dann eine neue Eigenschaft desselben kennen lernen. [1]
[1] Die Wärme, durch welche das Wasser unter gewöhnlichen Umständen im flüssigen Zustand erhalten wird, wird latente (verborgene) oder gebundene Wärme genannt. Wenn aber das Wasser seine Form ändert und durch Vereinigung mit dem Kalk oder dem schwefelsauren Kupferoxyd fest wird, so wird die Hitze, welche es im flüssigen Zustand erhält, frei.
Es ist jetzt so heiß, dass es sich in Dampf verwandelt und man Phosphor oder ein Zündhölzchen daran entzünden kann. Dies kann aber nicht anders erfolgen, als wenn eine Kraft vorhanden ist, welche dies Resultat hervorbringt; aber diese Kraft ist von der bisher betrachteten Eigenschaft der Schwere ganz verschieden. Hier haben wir ferner eine andere Substanz – etwas wasserfreies schwefelsaures Kupferoxyd [1] – welche eine andere Kraft des Wassers verdeutlichen wird.
[1] Wasserfreies schwefelsaures Kupferoxyd ist Kupfervitriol, welchem sein Kristallwasser entzogen ist; man erhält ihn, indem man Kupfervitriol in einem irdenen Tiegel glüht.
(Der Vortragende goss etwas Wasser auf den weißen Kupfervitriolen, welcher sofort eine blaue Farbe annahm und gleichzeitig eine beträchtliche Hitze entwickelte.) Wir haben hier dasselbe Wasser mit einer Substanz, welche sich fast ebenso stark erhitzt, als der Kalk, aber seht, in wie verschiedener Weise. Beim Kalk ist diese Hitze so stark, dass sie ausreichend ist, um Holz zu entzünden. Dies ist auch der Grund, weshalb bisweilen Schiffe, die mit ungelöschtem Kalk beladen sind, mitten auf dem Meer in Brand geraten, wenn das Wasser durch ein Leck oder eine Öffnung des Schiffes zu der Ladung eindringen kann. Ihr seht, wie mannigfache Gegenstände sich unserer Betrachtung darbieten, wenn wir diese verschiedenen Gegenstände ins Auge fassen – die Hitze, welche durch Einwirkung des Wassers auf Kalk entstanden ist, und die Kraft, welche die Umwandlung des weißen Kupfervitriols in blauen herbeiführt.