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Der Weihnachtsmann hat sein Gedächtnis verloren! Nachdem ihn ein Unbekannter von seinem Schlitten geschubst hat, landet er sehr unsanft auf der Erde und kurz darauf im Krankenhaus. Er kann sich nicht an den Vorfall erinnern – und noch viel schlimmer: Er weiß nicht mehr, wer er ist! Slalom und seine kleine Schwester Lykke beschließen, ihm zu helfen. Doch dazu müssen sie nicht nur den Täter entlarven, sondern auch rechtzeitig zum Fest den großen Sack voller Weihnachtsglücksgefühlpulver wiederfinden.
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Christian Tielmann
Die Weihnachtsmann-Verschwörung
Ein Weihnachtskrimi in 24 Kapiteln
Mit Illustrationen von Vera Schmidt
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1. Auflage 2016
© 2016 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Alle Rechte vorbehalten
Umschlagbild und Innenillustrationen: Vera Schmidt
Umschlaggestaltung: basic-book-design, Karl Müller-Bussdorf
cr · Herstellung: AJ
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-19533-5V002www.cbj-verlag.de
Was war das?«, fragte Lykke.
Auch Slalom hatte etwas gehört. Es war der erste Dezember. Und die Stadt sah noch nicht besonders weihnachtlich aus: Der Nieselregen verwandelte die Bürgersteige in Schlitterbahnen und alle Welt musste aufpassen, nicht auf der Hundekacke auszurutschen, die an jeder Ecke lauerte. Hundekackschuhe konnte Oma nicht ausstehen und Slalom sollte mit seiner kleinen Schwester zur Oma gehen, um das dicke Rezeptbuch abzuholen. Die beiden Geschwister hatten ein feines, fieses Lachen gehört. Irgendjemand hatte über ihren Köpfen gekichert und gerufen: »Alles meins!«
Aber als sie nach oben blickten, konnten sie niemanden entdecken, der lachte. Da waren nur die grauen Wolken, aus denen der feine Nieselregen runterfiel, und die Belüftungsschlitze des Parkhauses, die wie leere Augenhöhlen ins Grau dieses ersten Dezembernachmittags blickten.
»Wahrscheinlich haben wir uns verhört«, sagte Slalom.
»Oder es war ein Alles-Meins-Männchen«, sagte seine kleine Schwester.
Simson Salomon Deinste, der schon seit er Fahrrad fahren konnte nur noch Slalom genannt wurde, kannte seine kleine Schwester jetzt schon seit sechs Jahren. Und seit Lykke sprechen konnte, erzählte sie irre Geschichten. Lykke glaubte einfach an alles, was eine Zipfelmütze und einen Bart hatte: Weihnachtsmänner, Wichtel, Heinzelmännchen, Gartenzwerge und sogar Trolle gab es in Lykkes Leben und ihren Geschichten. Wenn irgendjemand das letzte Stück Schokolade geklaut hatte, war es bestimmt nicht Lykke, sondern irgendein Schokowicht gewesen. Wenn Slaloms Fahrrad umgefallen und Papas Auto verbeult war, war ganz sicher nicht Lykke schuld, die ihren Roller holen wollte. Nein, es musste ein Roller-Troll gewesen sein. Und natürlich kannte nur Lykke all diese merkwürdigen Wesen. Logisch. Aber wehe, wenn Slalom seiner Schwester sagte, was er dachte. Er dachte natürlich, dass sie die Schokolade geklaut und sein Fahrrad umgeworfen und Papas Auto demoliert hatte. Und Slalom dachte, dass sich Lykke die Trolle und Wichte nur ausgedacht hatte. Aber wenn Slalom das sagte, dann bekam seine kleine Schwester einen ihrer gefürchteten Wut-Heul-Schluchzanfälle. Und diese Anfälle konnte einfach niemand aushalten. Deshalb überhörte Slalom die Sache mit dem Alles-Meins-Männchen lieber, statt seine kleine Schwester zu fragen, was denn ein Alles-Meins-Männchen sein sollte.
Aber dann sagte Slalom sowieso nichts mehr und Lykke auch nicht. Denn als sie um die Ecke des Parkhauses bogen, flog etwas von oben runter. Es landete genau auf seinem Kopf und vor den Füßen von Lykke und Slalom. Es war kein Etwas. Es war ein Mann. Ein großer Mann mit einem roten Mantel, schweren Stiefeln, einem weißen Bart und einer dicken, roten Mütze. Fehlte eigentlich nur der dicke Sack, dann wäre er ein perfekter Weihnachtsmann gewesen. Aber Slalom und Lykke dachten nicht an den Sack voller Geschenke und Glück, als dieser Mann vor ihre Füße stürzte. Sie dachten nur: Ach du Schreck!
Und Slalom dachte noch: Zum Glück ist der nicht in einem Hundekackhaufen gelandet.
Der Mann öffnete die Augen.
Also ist er schon mal nicht tot, dachte Slalom. Und nicht-tot ist gut.
»Das Glück der Welt! Rettet das Glück das Welt!«, sagte der Mann.
Immerhin, er kann noch sprechen, dachte Slalom. Und sprechen ist auch gut.
»Wieso sind Sie vom Dach des Parkhauses gesprungen?«, fragte Lykke. Das war eine gute Frage, fand Slalom.
Aber der Mann beantwortete sie nicht. Er verdrehte nur die Augen. Schnappte noch einmal nach Luft. Dann fiel er ihn Ohnmacht.
Zum Glück war er Slalom und Lykke und nicht Pechvogel Paul vor die Füße gefallen, denn Slalom und Lykke wussten sofort, was zu tun war.
»Krankenwagen und dann ab die Post ins Krankenhaus Nordstraße«, sagte Slalom. Er holte sein Handy raus. Aber der Akku war schon wieder leer. Das war Mamas Schuld, schließlich schenkte sie ihm einfach kein neues Handy. So ging das nicht weiter. Denn es konnten immer Notfälle vom Himmel oder vom Dach eines Parkhauses fallen. Das war ja spätestens jetzt klar.
»Ich flitze schnell zum Parkhaus, da sitzt Pauls Papa«, sagte Slalom.
Lykke nickte nur. Sie legte den ramponierten Kopf des armen Weihnachtsmanns auf ihren Schoß und redete auf den ohnmächtigen Kerl ein. »Keine Angst, wir bringen Sie zu unserer Mama ins Krankenhaus. Die ist Notärztin und kriegt das wieder hin. Die kennt sich super aus mit Gehirnen und Notfällen und Unfällen und Anfällen und manchmal auch mit Zufällen. Aber bitte, bitte jetzt noch nicht sterben, Weihnachtsmann!«
Mehr hörte Slalom nicht, denn er rannte bereits zur Einfahrt des Parkhauses. Pauls Vater saß wie immer in dem Glaskasten mit der Aufschrift »Information«. Das war sein Job. Er gab den Leuten Wechselgeld und half ihnen, zerknitterte Tickets aus dem Schlitz der Schranke zu fischen. Im Knitterticketsangeln war Pauls Vater so gut, dass er damit glatt bei den Olympischen Spielen antreten könnte, sagte Pechvogel Paul immer. Aber leider ist Knitterticketsangeln ja keine olympische Disziplin. »Tja, wieder mal Pech gehabt«, pflegte Pechvogel Paul zu sagen.
Slalom war echt froh, dass Pauls Vater da saß und nicht seine Kollegin, die unfreundliche Sabrina. Die angelte niemals Tickets und wechselte auch kein Geld, selbst dann nicht, wenn sie die Kasse so randvoll mit Münzen hatte, dass sie sie abends mit einem Bollerwagen zur Bank kutschieren musste.
Pechvogel Paul selbst kam auch gerade aus dem Treppenhaus runter ins Erdgeschoss des Parkhauses. Er schleppte einen dicken Rucksack und hatte unheimlich gute Laune. Das war zurzeit eigentlich eine Seltenheit. Denn Pechvogel Paul hatte erst in der vergangenen Woche den Pechvogel abgeschossen: Er hatte ein echtes Auto, den stattlichen Cadillac von Fernsehmoderator Schönemeyer, zu Schrott gefahren. Und jetzt saß sein Vater in der Patsche, weil er nicht versichert war und die Reparatur selbst bezahlen musste. Aber das alles war Slalom in diesem Augenblick egal. Selbst die gute Laune von Pechvogel Paul.
»Herr Pech, Sie müssen einen Rettungswagen rufen. Da ist ein Weihnachtsmann runtergekracht. Der hat sich am Kopf verletzt und sagt nichts mehr«, keuchte Slalom.
»Was? Wo? Wann?«, fragte Herr Pech nach, während er schon den Notruf wählte.
»Weihnachtsmann. Schwer verletzt. Links neben der Einfahrt. Gerade eben!«, gab Slalom kurz wieder und er sah noch aus dem Augenwinkel, dass sogar Pechvogel Paul blass im Gesicht wurde. So ein schwer verletzter Weihnachtsmann am ersten Dezember, der lässt eben niemanden kalt.
Pauls Papa telefonierte mit dem Krankenhaus und keine fünf Minuten später hörten Slalom und Lykke auch schon das Heulen des Martinshorns.
Als Lykke und Slalom am Montag zur Besuchszeit das Krankenzimmer ihres Weihnachtsmanns betraten, lag er im Bett. Vor dem Bett standen eine Ärztin, das war die Mutter von Slalom und Lykke, und der Krankenpfleger Ulf.
»Dürfen wir reinkommen?«, fragte Slalom.
»Na klar, kommt rein. Sie erinnern sich an Lykke und Slalom?«, fragte Mama den Weihnachtsmann.
»Natürlich. Meine beiden Retter! Wie geht es euch?«
Ulf räusperte sich. Er hatte eine Liste auf einem Klemmbrett. »Also, ich muss für die Krankenhausverwaltung ein paar Fragen stellen«, sagte er. »Ihr Name ist Santa, ja?«
»Klaus. Santa Klaus.«
»Gut, Herr Santa. Verraten Sie mir Ihr Geburtsdatum?«
»Selbstverständlich«, sagte Herr Santa. Aber dann stockte er und schluckte. »6. Dezember des Jahres 523.«
»Äh, aber 523 kann nicht sein, das ist doch Blödsinn. Dann wären Sie ja über tausend Jahre alt!«
Da guckte Herr Santa sehr verblüfft. Erst zu Ulf. Dann zu Frau Doktor Deinste und schließlich zu Slalom und Lykke. Er zuckte mit den rundlichen Schultern und nuschelte in seinen Bart. »Ja, und?«
»Gut, wie auch immer«, sagte Ulf. »Jetzt fehlt uns noch die Krankenkasse. Wie sind Sie denn versichert?«
»Weiß nicht«, sagte Herr Santa.
»Privat oder gesetzlich?«
»Weiß nicht«, sagte Herr Santa kleinlaut.
Krankenpfleger Ulf ließ sein Klemmbrett sinken. »War es ein Unfall oder ein Anfall? Wenn es ein Unfall auf dem Weg zur Arbeit war, dann wird das ja anders abgerechnet und die Krankenkasse wäre egal. Dann zahlt ja die gesetzliche Unfallkasse.«
»Ich weiß es nicht …«, murmelte Herr Santa.
Er tat Slalom irgendwie leid, wie er da lag in seinem Krankenhausbett und keine Antwort wusste.
»Ist doch wohl logisch«, sprang Lykke dem armen Herrn Santa bei. »Das war ein Unfall bei der Arbeit. Der ist geflogen und dann vom Schlitten runtergefallen, weil der Weihnachtsmann doch die Geschenke bringt.«
»Also Unfallkasse?«, fragte Ulf.
»Na klar!«, sagte Lykke.
Ulf guckte unsicher rüber zur Mutter von Slalom und Lykke. Frau Doktor Deinste war schließlich die oberste Unfallärztin.
Sie nickte nur einmal kurz. »Die Diagnose lautet Amnesie. Gedächtnisschwund. Und zwar nach einem schweren Sturz auf den Kopf. Der Patient kann sich an nichts mehr erinnern, aber es könnte durchaus ein Unfall auf dem Weg zur Arbeit gewesen sein. Also rechnen wir das mal über die Unfallkasse ab.«
Ulf setzte sein Häkchen im Fragebogen und verließ erleichtert das Krankenzimmer.
Mama reichte Herrn Santa die Hand. »Sie bleiben heute noch hier. Und wenn Ihr Schädel so dick ist, wie es scheint, dann können wir Sie schon morgen woanders unterbringen.«
Herr Santa lächelte dankbar.
Mama runzelte die Stirn. »Und wo Sie diese Narbe an den Rippen herhaben, wissen Sie auch nicht mehr?«
»Tut mir leid, die Dame. Ich kann mich nicht erinnern«, sagte Herr Santa ein bisschen traurig.
Mama wandte sich zum Gehen. »Wenn Sie mögen, können Lykke und Slalom noch ein bisschen bei Ihnen bleiben, die beiden scheinen Ihnen ja gutzutun.«
Herr Santa nickte zufrieden.
Kaum war Mama aus dem Raum, grinste Herr Santa erleichtert. »Die haben hier doch alle eine Meise, wenn ihr mich fragt. Also sagt schon: Wo bin ich? Wer bin ich? Was bin ich? Und wer hat mir diese Beule verpasst?«
Herr Santa schob sein Hemd über den Bauch und zeigte Lykke und Slalom seine Narbe. Auf seiner rechten Seite, auf Höhe der Rippen, war ein Abdruck. Es sah aus, als hätte jemand eine kleine, kräftige Faust in Knete gedrückt. Nur dass die Knete eben der Brustkorb von Herrn Santa war. So einen Faustabdruck hatte Slalom noch nie gesehen. Er war auch nicht blau oder lila angelaufen, wie ein normaler Fleck.
»Sind denn die Rippen gebrochen?« fragte Slalom fachmännisch.
Herr Santa schüttelte den Kopf. »Eure Mutter hat mich von Kopf bis Fuß durchleuchtet. Meine Knochen sind supergesund, mein Gehirn ist spitzenmäßig, nur kann ich mich an den ganzen Blödsinn nicht mehr erinnern, der vor dem großen Schlag kam. Ich kann mich eigentlich nur an eure freundlichen Gesichter erinnern.«
»Und das Glück der Welt?«, fragte Lykke. »Was ist mit dem Glück der Welt?«
Das Lächeln im Gesicht von Herrn Santa gefror. Er sah plötzlich sehr traurig aus. Traurig und besorgt. Verzweifelt blickte er von Lykke zu Slalom und sagte schließlich: »Ich kann fühlen, dass es sehr wichtig ist. Aber ich habe keine Ahnung, was das Glück der Welt sein soll. Ich kann mich nicht mehr erinnern.«
»Aber das ist doch klar«, sagte Lykke. »Sie sind der Weihnachtsmann! Santa Klaus! Sie müssen vom Schlitten gefallen sein. Es war ja auch so rutschig. Wir sind selbst fast auf dem Bürgersteig ausgerutscht. Und dann sind Sie eben vom Schlitten gefallen, als sie die Geschenke abliefern wollten.«
Herr Santa lag da, hörte sich das alles an. »Ich bin der was?«, fragte er schließlich. »Wieso Geschenke?«
»Weihnachten!«, rief Lykke und ihr schossen die Tränen in die Augen. »Sie müssen sich doch noch an Weihnachten erinnern! Schauen Sie doch mal in den Spiegel! Sie sind ein eins a Weihnachtsmann! Der echte Weihnachtsmann! Da können Sie doch nicht vergessen haben, was Weihnachten ist! Die Wichtel und Geschenke, die Plätzchen und Nüsse und das große Fest, die Tannenbäume und die Millionen glücklicher Kinderaugen! Das alles kann man doch selbst nach einem Supercrash vom Schlitten nicht vergessen!«
Herr Santa öffnete den Mund und sagte leise: »Äh, doch. Kann man. Wieso Tannenbaum?«
»Also, das war so«, begann Slalom. »Maria und Josef …«
Aber seine kleine Schwester war viel zu ungeduldig für die ganze Weihnachtsgeschichte. »Du kannst doch jetzt nicht bei Adam und Eva anfangen!«
»Maria und Josef …«, begann Slalom erneut.
»Ist doch egal!«, rief Lykke. »Es ist der zweite Dezember. Wir haben noch zweiundzwanzig Tage bis Heiligabend. Und der Weihnachtsmann hat den Verstand verloren!«
»Falls er jemals welchen hatte!«, sagte Herr Santa. »Wer ist noch mal der Weihnachtsmann? War das dieser Josef?«
»Nein, das ist der Vater von Jesus, der im Stall geboren ist«, erklärte Slalom.
»Wieso Stall? Ich dachte Tannenwald?«, fragte Herr Santa.
Lykke schossen die Tränen in die Augen. »So wird das nichts. Wenn Santa echt der Weihnachtsmann ist, dann steht das ganze Fest auf dem Spiel, Slalom! Wir müssen ihm helfen! Er muss sich an alles erinnern!«
»Mama sagt, dass so was Jahre dauern kann«, meinte Slalom.
»Jahre? Spinnt die?«, rief Lykke und rannte aus dem Krankenzimmer. »Ich hol jetzt Papa!«
Herr Doktor Deinste und Frau Doktor Deinste waren ein erstaunliches Ehepaar. Die meisten Ehepaare sind wie Enten: Sie schwimmen auf einer gemeinsamen Basis, dem Wasser des Teichs. Und so schwimmen sie immer hintereinander her, nebeneinander her und haben ein schönes und friedliches Enteneheleben. Herr und Frau Doktores Deinste führten nicht so eine Entenehe. Die Eltern von Slalom und Lykke waren sozusagen das glatte Gegenteil: Es war, als hätte sich ein Polarfuchs in eine Wüstenrennmaus verliebt. Kennengelernt hatten die beiden sich in ihrem Studium. Und zwar bei einem Vortrag von einem wahnsinnigen Professor. Sie waren sich nur in einem einzigen Punkt einig: Der Professor war wahnsinnig. Nur fand ihn Herbert Deinste, der Vater von Slalom und Lykke, wahnsinnig gut, diesen Professor und auch seinen Vortrag über Hypnose. Und Frau Rosemarie Elisabeth Deinste, die damals noch Fredemops hieß, die fand den Vortrag, die Hypnose und den ganzen Professor wahnsinnig. Über diesen Vortrag waren sich die junge Rosemarie Fredemops und der junge Student Hebert Deinste so herrlich uneins, dass sie darüber diskutierten. Und bei dieser wilden Diskussion verliebten sie sich ineinander. Und so blieb es auch: Sie diskutierten, was das Zeug hielt, und am Ende heirateten sie. Denn eins konnte sich weder der Polarfuchs noch die Wüstenspringmaus vorstellen: ein Leben ohne den anderen. Dann bekamen sie Slalom und Lykke und waren sich erst recht nicht einig. Papa erlaubte Fahrradfahren ohne Helm, Mama nur mit Helm, Knie- und Ellenbogenschonern. Papa war dafür, dass Lykke noch mit sechs Jahren den Schnuller haben konnte, wenn sie wollte. Mama hatte Sorge wegen Lykkes Zahnstellung und nahm ihrer Tochter den Schnuller einfach weg, als sie drei war.
Für Lykke und Slalom war das Leben mit solchen Eltern, die eben nicht so eine Entenehe führten und nebeneinander über den Teich des Lebens paddelten, nicht immer leicht.