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Arno hat einen großen Traum: Er möchte einmal – nur einmal im Leben – gegen die Angeber seiner Klasse gewinnen. Das Problem: Mats Muskel und seine Buddies sind richtige Sportskanonen. Doch Arnos bester Freund Charly lässt sich nicht einschüchtern und meldet seine Mannschaft zum großen Fußball-Sommercup an – eine Mannschaft allerdings, die es bislang nur auf dem Papier gibt. Mit Ach und Krach schaffen es Charly und Arno eine Elf zusammenzustellen, eine Elf, die kein Fußballfeld zum Trainieren hat, keine Trikots, nur mäßige Spieler und damit keine Chance – oder doch?
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Seitenzahl: 118
Christian Tielmann
Mit Illustrationen vonHeribert Schulmeyer
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1. Auflage 2016
© 2016 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Alle Rechte vorbehalten
Umschlagbild und Innenillustrationen: Heribert Schulmeyer
Umschlagkonzeption: Init GmbH
cr · Herstellung: AJ
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
Reproduktion: ReproLine Mediateam, München
ISBN 978-3-641-18650-0V001www.cbj-verlag.de
Inhalt
1 Angeschossen
2 Charly Li wird wahnsinnig
3 Feindfreundschaften
4 Training und die Samurai
5 Florians Tor
6 Der erste Spieltag
7 Krise auf der Wiese
8 Qwerio und der große Krach
9 Noch mal von vorn
10 Die Brocken
11 Finale
1 Angeschossen
Ich weiß nicht mehr, woher die Flanke kam. Aber plötzlich hatte ich den Ball am Fuß kleben. Es war unglaublich. Die letzte Sekunde des Spiels lief. Ich kam mir vor wie einer der ganz Großen in einem ganz großen Stadion.
Da waren nur ich und der Ball. Und natürlich war da noch der Reporter, der in sein Mikrofon schrie: »Und es ist Arno Tempo am Ball. Er fliegt, er rennt, er praliniert auf das Tor zu.«
»Praliniert« – so was sagt nur ein Reporter. Mein Freund Charly Li. Und so sah die Wahrheit aus: Es war 10:19 Uhr, kurz vor Ende der Pause. Das Tor sah auch nicht so aus wie ein Profitor, es war nur durch zwei Mülleimer markiert.
Denn ich raste gar nicht über den Rasen des Stadions. Ich rannte über den Asphalt des Schulhofs. Die anderen führten mit 2:1 und ich war schneller denn je. Denn hinter mir waren die stärksten Spieler der Klasse her: Mats Muskel und sein Freund Dankward.
Die beiden kicken eindeutig besser als ich. Und Mats lässt auch keine Gelegenheit aus, mir das unter die Nase zu reiben. Aber diesmal war ich schneller als Mats. Ich rannte vor ihm weg, mitsamt dem Ball. Denn ich hatte die Chance, das Spiel noch in der letzten Sekunde zu einem Unentschieden zu wenden.
»Arno Tempo, der nackte Wahnsinn! Er zieht an Mats Muskel vorbei wie eine Schnecke an einem Stau. Doch was ist das?«
Ich spürte sofort an meinem Schienbein, was das war: Foul.
»Foul!«, hörte ich Charly Li noch in seine Banane, die er als Mikrofon benutzte, schreien. Ich segelte durch die Luft und landete vor den Füßen des Torwarts. Meine Hose war hin. Mein Schwung war gebremst.
Und meine Kumpels bauten sich sofort vor Mats Muskel und seinen Kumpels auf.
Das Problem ist nur: Die Kumpels von Mats sind Dankward und Rod. Dankward ist wahnsinnig sportlich, unheimlich breit, und Rod benutzt seine Torwart-Fäuste auch nicht nur, um einen Ball abzuwehren. Oder er ist so blöde im Kopf, dass er einen Ball nicht mehr von einem Gesicht unterscheiden kann. Bei Rod bin ich mir da nicht ganz sicher …
Meine Kumpels waren:
Charly Li und …
und …
also, Charly Li und …
sonst …
… eigentlich keiner.
Dafür ist Charly Li aber auch ein superguter Kumpel. Er kann super reden. Glaubt er jedenfalls. Und Charly Li würde mich niemals im Stich lassen. Und ich ihn auch nicht. Nur sind Charly Li und ich ungefähr so schmal wie zwei Gurken.
Das sah also nach einer ziemlich üblen Lage für uns aus. Denn Mats Muskel sagte natürlich: »War nur ’ne Schwalbe!«
»Quatsch, das war ein Adler! Eine Meise! Eine Frechheit von einem Foul jedenfalls«, schimpfte Charly Li sofort los. Mich fragte er dann leise: »Wieso Schwalbe? Was heißt das?«
Das konnte ich in dem Augenblick nicht erklären, denn ich wollte Mats Muskel und vor allem Rod lieber nicht aus den Augen lassen. Ich wollte keine Prügel kassieren. Aber ich wollte auch meinen Strafstoß.
Am Ende waren es Mara Thon und Emre »Walze« Waltzmann, die entschieden: »Es gibt Elfmeter, Mats.«
Gegen Mara und Walze sagte Mats nichts. Er verdrehte nur die Augen und knurrte: »Die Flachgurke verschießt doch eh!«
Ich legte mir den Ball zurecht.
Rod machte sich im Mülleimer-Tor bereit. Er hüpfte ein bisschen albern hin und her und auf und ab, prüfte, ob er auch bis zur Latte kommen würde. Nur war da ja keine Latte.
Ich suchte mir die rechte Ecke aus. Nahm Anlauf, zielte dann doch auf die linke Ecke und schoss, so fest ich nur konnte.
Was dann passiert ist, war echt nicht meine Schuld. Finde ich jedenfalls.
Charly Li kommentierte es so: »Was für ein Schuss! Abgewehrt vom Torhüter, voll vor den Pfosten gelenkt. Der Elfmeterkiller hat wieder zugeschlagen. Der Ball prallt ab und landet doch glatt …« Charly Li stutzte.
»… im Gesicht der Unparteiischen.«
In diesem Augenblick pfiff der Schulgong das Spiel ab. Aber keiner rührte sich vom Fleck. Denn Frau Stumpe nahm ihre Brille ab. Zuerst den linken, dann den rechten Teil. Die Brille war ausgesprochen zerbrochen. Dann sah sie uns mit ihren kleinen Schweinsäuglein an und fragte: »Wem gehört der Ball?«
Ich atmete auf. Die Frage war zwar ein bisschen blöde, weil ja eigentlich egal war, wem der Ball gehörte. Viel interessanter hätte ich an ihrer Stelle gefunden, wer denn meine Brille zerschossen hatte. Aber das war ja nicht meine Brille, und die Stumpe wollte wissen, wem der Ball gehörte. Der Ball gehörte: Mats Muskel. Ich wollte schon auf ihn zeigen, aber da bemerkte ich Mats’ Gesichtsausdruck. Mats war nicht sehr glücklich. Und er würde mir den Hals umdrehen, wenn ich einen Ton sagte. Also hielt ich mal lieber die Klappe. Genau wie die anderen.
Die Stumpe wirkte etwas belämmert. Vermutlich war mein Schuss zu hart für ihren Kopf gewesen. Das muss sich wie ein Schlag wie von einem Boxer angefühlt haben. Oder wie eine Faustabwehr von Rod. Nur eben genau gegen ihre Birne. Und wer so einen Schlag abkriegt, der muss dann ja erst mal sein Gehirn kühlen. Die Stumpe sah zumindest ziemlich ramponiert aus.
Weil keiner sagte, wem der Ball gehörte, zog sie dann mit Mats’ Fußball unter dem Arm ab.
»Der Ball ist beschlagnahmt! Das wird ein Nachspiel haben!«, rief sie noch, als sie ins Schulhaus schlingerte.
»Cool. Die Unparteiische hat eine Nachspielzeit von unbestimmter Länge in Aussicht gestellt!«, flüsterte mir Charly Li zu.
Ich musste kichern. Aber das brachte Mats Muskel zu einer regelrechten Explosion. Kaum war die Stumpe verschwunden, packte er mich. Er nahm mich in den Schwitzkasten und schimpfte: »Arno, du bist der größte Idiot der Schule! Jetzt ist mein Ball weg! Und das nur, weil du Trottel nicht einen einzigen sauberen Schuss hinkriegst!«
So ein Blödsinn! Mein Schuss war doch gar nicht schlecht gewesen. Ich hatte den Ball schön erwischt und scharf geschossen. Aber Mats Muskel ist eben Mats Muskel. Und mit so einem Muskel-Man kann man nicht diskutieren. Ich probierte es natürlich trotzdem.
»Quatsch!«, stöhnte ich. »Das war doch nicht meine Schuld!«
»Ach nein?«, fragte Mats Muskel. Er hatte mich noch immer im Schwitzkasten und zerrte mich ins Schulhaus. »Wessen Schuld denn dann? Etwa meine, weil es mein Ball war?«
»Nein, aber Rod hat doch zuletzt berührt!«, verteidigte ich mich und versuchte, meinen Kopf aus seinem Griff zu befreien.
»Pfeifen, Luschen und Flaschen wie du halten die Klappe, kapiert? Du darfst ab sofort nicht mehr auf dem Schulhof kicken«, fauchte Mats mich an. »Und du besorgst mir meinen Ball wieder!«
Dann ließ er mich endlich los. Aber am liebsten, da bin ich mir sicher, hätte er mir den Kopf abgerissen und ihn als Ersatz-Fußball benutzt.
Ich wollte natürlich noch eine ganze Menge dazu sagen. Dass jeder mal einen Ball verschießen könne. Und dass es ein Superschuss gewesen sei. Und dass Mats mir gar nichts zu befehlen habe. Und dass Mats nicht entscheiden könne, wer Fußball spielen dürfe. Und dass er mich schließlich gefoult hätte. Und dass meine Hose hin sei und bei ihm nur der Ball beschlagnahmt, und das sei ja wohl nur halb so wild. Außerdem wollte ich ihm sagen, dass er ein blöder Angeber sei und sich nicht immer so aufblasen solle wie ein wild gewordener Heißluftballon. Sonst könnte er eines Tages platzen. Und die Sauerei, das wollte ich auch noch sagen, würde ich dann jedenfalls nicht wegwischen.
Aber das alles konnte ich nicht mehr sagen. Denn in diesem Augenblick betraten zwei Menschen unsere Klasse. Die Schulleiterin Frau König und unsere Lehrerin Frau Schmucke. Und beide sahen nicht glücklich aus. Beide flöteten nicht: »Guten Morgen, liebe Kinderlein.«
Beide musterten uns. Und dann fragte Frau König, die Schulleiterin, mit ihrer eiskalten, strengen Stimme: »Wer hat Frau Stumpe angeschossen?«
Ich dachte natürlich, dass wir alle zusammenhalten würden. Genau wie bei der Frage, wem der Ball gehörte. Aber da kannte ich Mats Muskel schlecht. Der sprang direkt auf, zeigte auf mich und schrie: »Arno war’s!«
Ich beneide Maulwürfe normalerweise nicht. Es ist ja doch recht dunkel unter der Erde. Und immer nur Regenwürmer zu fressen ist bestimmt auch kein Vergnügen. Aber in diesem Augenblick in der Klasse kurz vor den Ferien, da wäre ich am liebsten wie ein Maulwurf in der Erde verschwunden.
Frau König und Frau Schmucke sahen mich an.
»Ausgerechnet Arno«, murmelte Frau Schmucke noch.
Aber die König sagte kalt und unbarmherzig: »Mitkommen!«
Ich stand auf. Mit wackelnden Knien folgte ich der Schulleiterin aus dem Klassenzimmer.
Ich hörte Charly Li noch etwas murmeln. Ich habe es nicht genau verstanden. Es klang nach: »Kein leichter Gang für den Kapitän. Aber ein echter Fußballer ist ein echter Fußballer, und das Spiel ist erst aus, wenn es aus ist.«
2 Charly Li wird wahnsinnig
»Sperre«, nannte Charly Li das, was mir die König verpasst hatte.
Die König nannte es »Fußballverbot und Hofdienst«.
Mats lachte sich schlapp, als er mich mit dem Besen sah. »Straf-Fegen! Das ist deine Sportart, Schlappschwanz!«
Eine Woche Fegedienst hatte ich gekriegt. Meine Mutter hat auch nicht gejubelt, dass ich so fest schießen kann. Denn die Brille mussten wir ersetzen und ich brauchte schon wieder eine neue Hose.
»Oh Arno, wenn wir nicht versichert wären, wärst du mein Ruin«, sagte sie. Geschimpft hat sie aber nicht. Dazu war meine Mutter in diesen Tagen abends viel zu müde. Denn sie hatte gerade einen neuen Job in einem Hygieneinstitut angefangen. Dafür musste sie jede Menge lernen und war abends so fix und fertig mit der Welt und den Nerven, dass ihr gar nicht auffiel, dass wir vier Tage hintereinander Pizza zum Abendbrot hatten.
Ich hab natürlich nichts gesagt. Aber nach der vierten Pizza hatte ich plötzlich Lust auf Vollkorn-Spaghetti oder Gemüse. Von mir aus sogar nackt und roh. (Das Gemüse jetzt, nicht ich!)