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Der führende Schamanismus-Experte mit der Krönung seines Lebenswerks
Mit seinem bahnbrechenden Buch »Der Weg des Schamanen« brachte Michael Harner den Schamanismus in die moderne westliche Welt. Nun, mehr als 30 Jahre später, krönt er mit Höhle und Kosmos sein Lebenswerk. Auf Grundlage von rund 5000 Erfahrungsberichten von Menschen, die schamanische Reisen unternommen haben, lässt Michael Harner eine faszinierende Landkarte der unsichtbaren Welten der Schamanen entstehen. Eindrucksvoll führt er vor Augen: Diese verborgenen Wirklichkeiten existieren tatsächlich! Und jeder kann sie bereisen, um sich mit der spirituellen Urkraft zu verbinden, Kontakt zum persönlichen Schutzgeist aufzunehmen und Heilung, Wegleitung und tiefe Selbsterfahrung zu erlangen.
Mit praktischen Anleitungen, um selbst Schamanenkraft zu entfalten und im eigenen Leben zu nutzen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 553
Michael Harner
Höhle
und
Kosmos
Schamanische Begegnungen mit der verborgenen Wirklichkeit
Aus dem Englischen übersetzt
von Karin Weingart
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel »Cave and Cosmos. Shamanic Encounters with Another Reality« bei North Atlantic Books, Berkeley, CA, USA.
Das vorliegende Buch ist sorgfältig erarbeitet worden. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gemachten praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.
Ansata Verlag
Ansata ist ein Verlag der Verlagsgruppe Random House GmbH.
ISBN 978-3-641-11274-5
Erste Auflage 2013
Copyright © 2013 by Foundation for Shamanic Studies, Inc.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2013 by Ansata Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Alle Rechte sind vorbehalten.
Redaktion: Dr. Paul Uccusic
Einbandgestaltung: Reinert und Partner, München, unter Verwendung von Motiven von Shutterstock (Höhle, Adler)
Satz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering
www.ansata-verlag.de
Für meine Frau,
Sandra Harner,
A Rose Constant and True.
Für meine Kinder.
Für alle, die das Alte Wissen bewahren.
Und in Erinnerung an Paul Uccusic, 1937–2013.
Alle Honorare aus dem Verkauf dieses Buches gehen an die Foundation for Shamanic Studies, eine gemeinnützige Bildungseinrichtung, die sich der Bewahrung, dem Studium und der Verbreitung schamanischen Wissens zum Besten unseres Planeten und seiner Bewohner widmet.
Inhalt
Einleitung
1 Spirituelle Kraft und die Höhle
2 Es gibt uns! Die Geister rufen nach Anerkennung
3 Die Suche
4 Schamanen und Geister
5 Die Reise in andere Welten
6 Erste Reisen: Untere Welt und Krafttiere
7 Der Schamanische Aufstieg: Geschichte, Folklore und Wissen
8 Trommeln über dem Regenbogen: Wie die Westler in die Obere Welt aufsteigen
9Lehrer – mitfühlende Geister, die Ratschläge erteilen
10 Lehrer – mitfühlende Geister, die heilen
11 Kosmische Zerstückelung, Einssein und Heilkraft
12 Geister, Himmel und spirituelle Freiheit
Nachwort
Noch einmal die Höhle
Anhang A
Der Aufstieg in die Obere Welt, um Erfahrungen zu vergleichen
Anhang B
Der Abstieg in die Untere Welt, um Erfahrungen zu vergleichen
Anhang C
Trainingsmaterialien
Anhang D
Core-Schamanismus und Heilen: Informationen für Ärzte und Angehörige anderer Heilberufe
Teilnehmer an der Celestia-Study
Dank
Anmerkungen
Literatur
Über den Autor
Register
Bildteil
Einleitung
Seit mein Buch Der Weg des Schamanen erschienen ist, gebe ichmein Wissen gemäß der uralten Tradition des Schamanismus vor allem mündlich weiter. Jetzt aber scheint es mir an der Zeit, bestimmte Fragen, die in der heutigen Welt erheblich mehr Aufmerksamkeit verlangen, auch für eine größere Öffentlichkeit anzusprechen. Zwei grundsätzliche Fragen sind: Gibt es mehr als eine Wirklichkeit? Und: Müssen wir die existenziellen Probleme des Lebens tatsächlich alleine lösen?
Dieses Buch erzählt die Geschichten einiger der nach Tausenden zählenden Westler, die mithilfe der uralten schamanischen Methoden, zu denen auch das Trommeln »über dem Regenbogen« gehört, nach Antworten suchten und auf staunenswerte himmlische Gefilde stießen, in denen nur darauf gewartet wurde, ihnen behilflich zu sein. Auch fanden sie eine neue spirituelle Freiheit, nämlich die Freiheit, zu wissen und nicht mehr nur zu glauben beziehungsweise nicht zu glauben.
Der verstorbene berühmte Religionswissenschaftler Mircea Eliade wies darauf hin, dass Schamanen in allen spirituellen Traditionen die Einzigen sind, die die Fähigkeit besitzen, in andere Welten fliegen zu können, auch in den Himmel.
Dies gelang ihnen in einem veränderten Bewusstseinszustand, den Eliade »Ekstase« nannte. In ihn gelangten sie, wie er sagte, »durch den musikalischen Zauber der Trommel«, die es dem Schamanen ermöglichte, »den höchsten Himmel« zu erreichen.1 Allerdings äußerte er sich nicht weiter über die Natur dieses »musikalischen Zaubers«.
Auf Fotos von sibirischen Schamanen, die für ihre Flüge außerhalb dieser Welt besonders berühmt sind, finden sich allenthalben Trommeln. Viele Forscher behaupteten, sie würden nur des »theatralischen Effekts« wegen in schamanischen Sitzungen verwendet. Manche meinten sogar, dass die Schamanen ihren Bewusstseinszustand überhaupt nicht veränderten. Andere wiederum schlossen sich der Ansicht des Mykologen Gordon Wasson an, es läge an der Einnahme des psychoaktiven Pilzes Amanita muscaria, dass die sibirischen Schamanen glaubten, sie flögen in andere Welten.
Mich machte die Allgegenwart der Trommel auf diesen Fotos neugierig, und so begann ich Ende der Neunzehnhundertsechzigerjahre damit zu experimentieren, um herauszufinden, ob und gegebenenfalls wie sich das Trommeln auf diese magischen Flüge auswirkt. Schließlich kam ich zu dem Ergebnis, dass ein gleichbleibender Rhythmus von 205 bis 220 Schlägen pro Minute ideal ist, um in einen veränderten Bewusstseinszustand einzutreten und – mit schamanischem Wissen ausgestattet – in die Welt der Spirits zu fliegen beziehungsweise zu reisen.2 Dabei sprechen wir von »auditory« oder auch »sonic« driving, dem akustischen Antrieb, einer klassischen schamanischen Methode, die gänzlich ohne Drogen auskommt.
Auf vielfachen Wunsch begann ich meine persönlichen Trommel-Erfahrungen an kleine Gruppen von Interessierten weiterzugeben und ihnen beizubringen, wie sie das bewusstseinsverändernde Trommeln nicht nur für Reisen in andere Welten einsetzen konnten, sondern auch, um schamanische Hilfe und Heilung für den Alltag bereitzustellen. Dieses Wissen war so gefragt, dass meine Frau Sandra Harner und ich als Plattform für die Lehrtätigkeiten 1979 das Center for Shamanic Studies (die heutige Foundation for Shamanic Studies) gründeten. Zur selben Zeit experimentierte ich auch mit Tonaufnahmen schamanischen Trommelns, damit man reisen konnte, ohne auf Live-Begleitung angewiesen zu sein. (An dieser Stelle ist zu sagen, dass einen das schamanische Reisen als solches noch nicht zum Schamanen macht; allerdings ist es sehr nützlich, um den Schamanismus zu erlernen und sich darin zu üben, weil man dabei unmittelbar und schnell von den Spirits lernen kann.) 1980 veröffentlichte ich dann Der Weg des Schamanen, und das Buch löste weltweit eine Renaissance des Schamanismus aus.3
Meine Feldforschungen und die Ausbildung bei überlebenden Stammesschamanen, mit denen ich vor mehr als einem halben Jahrhundert begonnen habe, sowie meine eigene schamanische Praxis und die Lektüre von Berichten über Hunderte von Kulturen haben dazu geführt, dass ich eine Vielzahl schamanischer Praktiken entdeckte, erlernte und sie wiederbelebte. Daraus entwickelte ich den »Core-Schamanismus« – jene universellen oder quasi-universellen und weitverbreiteten Prinzipien und Techniken des Schamanismus zusammen mit den Reisen in andere Welten, einem besonders charakteristischen Merkmal des Schamanismus – als Lehrmethode, um den Schamanismus in unser heutiges Leben zu bringen. Er beruht auf der unausgesprochenen, wenn nicht gar expliziten Anerkennung zweier Wirklichkeiten, der alltäglichen und der nichtalltäglichen Wirklichkeit; in die Letztere tritt man im Allgemeinen durch das ein, was ich den Schamanischen Bewusstseinszustand (SBZ; engl. Shamanic State of Counsciousness, SSC) nenne. Diesen zu erreichen ist erlernbar. Er kann von unterschiedlicher Intensität sein.
Heutzutage sind mithilfe des Core-Schamanismus und mit akustischen Hilfsmitteln Zehntausende von Menschen auf der ganzen Welt in der Lage, wie die traditionellen sibirischen Schamanen Zugang zu einer anderen Realität zu finden, andere Welten zu bereisen und auch in der alltäglichen Wirklichkeit schamanisch zu heilen und zu helfen. (Wer mit dem Core-Schamanismus noch nicht vertraut ist, findet in Anhang D detailliertere Informationen darüber.)
Seit mehr als einem Vierteljahrhundert unterstützt die Foundation for Shamanic Studies nun schon ein Projekt, das es sich zum Ziel gesetzt hat, schamanisches Wissen zusammenzutragen und zu archivieren. Dazu gehören unter anderem an die fünftausend Berichte von Westlern über ihre Erfahrungen auf schamanischen Reisen in die nichtalltägliche Wirklichkeit – den »Reisen außerhalb der Zeit«, wie sie auch genannt werden. Wobei das Wort Westler einfach als Sammelbegriff für die heutigen Amerikaner (von denen die meisten der unveröffentlichten Berichte in den Archiven der Stiftung stammen), Kanadier und Europäer verwendet wird.
Diese »westliche« Sammlung, der die meisten Erfahrungsberichte in diesem Buch entnommen sind, sucht weltweit ihresgleichen. Sie ist Teil des Projekts »Mapping of Nonordinary Reality« (MONOR – Kartierung der nichtalltäglichen Wirklichkeit) und gehört zum Shamanic Knowledge Conservatory (SKC – Speicher Schamanischen Wissens) der Foundation for Shamanic Studies in Nordkalifornien, das auch im Besitz einer Sammlung von Veröffentlichungen über den indigenen Schamanismus in Hunderten von Gesellschaften weltweit ist.4
Jahrelang war ich nicht bereit, dieses Wissen zu veröffentlichen. Ich befürchtete, dass es, wenn es einmal losgelassen war, neuen Interessenten und anderen Westlern verunmöglichen könnte, unvoreingenommen eigene Erfahrungen zu machen. Inzwischen ist es aber passiert; Informationen sind längst durchgesickert – nicht zuletzt durch die Seminare, die die Foundation selbst anbietet. Um sicherzustellen, dass die Erfahrungen nicht durch Vorwissen über das, was andere erlebt haben, »kontaminiert« wurden (was wirklich neuartige, spontane Reisen ins Unbekannte erheblich erschweren würde), nimmt das SKC mittlerweile keine neuen Erfahrungsberichte von Westlern mehr an. Zugleich scheint es an der Zeit, eine kleine Auswahl der gemachten Entdeckungen zu veröffentlichen.
Die Westler, deren Erfahrungen in diesem Buch wiedergegeben werden, sind sowohl in die Obere Welt aufgestiegen, wie viele Schamanismusforscher das nennen, als auch in die Untere Welt hinabgestiegen – im Gegensatz zu jener, in der wir leben und die als Mittlere Welt bezeichnet wird.
Die Obere Welt und die Untere Welt gehören vollständig der nichtalltäglichen Wirklichkeit an; sie sind das Reich der Geister. Im Gegensatz dazu hat die Welt, in der wir leben, die Mittlere Welt, nicht nur einen alltäglichen Aspekt – den, in dem wir uns normalerweise bewegen –, sondern auch einen nichtalltäglichen. Dieser ist ebenfalls ein Reich der Geister und ohne schamanische Ausbildung eher schwer wahrzunehmen.
Von den Phänomenen, die sich in der alltäglichen Wirklichkeit oberhalb der Erde abspielen, also den Dingen, die die Astronomen beobachten, unterscheidet sich die Obere Welt grundsätzlich. Nicht einmal die am weitesten entfernten Galaxien unseres Universums sind Teil der Oberen Welt der Schamanen. Ebenso wenig haben sich die Westler, die in die Untere Welt abgestiegen sind, in die Felsschichten der Geologen-Welt begeben, sondern vielmehr in das rein spirituelle Reich unter uns, in dem es keinerlei irdische Begrenzungen gibt.
In diesem Buch werden Beispiele für die nichtalltäglichen Erfahrungen von Westlern in allen drei Welten vorgestellt; der Schwerpunkt liegt allerdings auf der Oberen Welt, zum Teil deshalb, weil der Westen heutzutage sehr neugierig auf das zu sein scheint, was es – wenn überhaupt – spirituell »da oben« geben mag. Anders ausgedrückt lauten die Fragen, die viele sich stellen: Gibt es wirklich einen Himmel, oder ist das alles Fantasie? Oder ist es als Gleichnis zu verstehen?
Die Antwort hängt offenbar ganz davon ab, von welcher der beiden Wirklichkeiten man spricht, von der alltäglichen oder der nichtalltäglichen. In der nichtalltäglichen Wirklichkeit – zu der man mithilfe der klassischen schamanischen Methoden Zugang findet, zu denen auch der akustische Antrieb gehört – scheint kein Zweifel an der Existenz der Himmel, der himmlischen Chöre, von Gottheiten und Wesenheiten beziehungsweise Geistern in der Oberen Welt mehr möglich. Und auch für die Existenz von Geistern in unserer eigenen Welt, der Mittleren, gibt es Beweise.
Die Erfahrungen in der Oberen Welt, über die in diesem Buch berichtet wird, widersprechen der Behauptung, es gebe nur einen einzigen Himmel, den nach Wunsch zu bereisen nur ein paar wenigen längst verstorbenen Propheten, Heiligen und den Begründern der großen Religionen vorbehalten sei. Unparteiisch, wie sie sind, erteilen die Berichte zugleich auch den Atheisten und »säkularen Fundamentalisten« eine Abfuhr, die den Himmel für eine reine Ausgeburt der Fantasie halten. Dabei gehen heutzutage selbst einige Mitglieder des christlichen Klerus schon davon aus, dass der Himmel eher ein Gefühl ist als ein Ort.
In Der Weg des Schamanen habe ich den Lesern im Westen eine Anleitung für schamanische Reisen in die Untere Welt an die Hand gegeben, der in den vergangenen drei Jahrzehnten viele gefolgt sind. Das ist ein weiterer Grund, warum ich mich in diesem Buch mehr auf die Obere als auf die Untere Welt konzentriere. Im letzten Kapitel informiere ich jedoch auch über neue, sehr überraschende Erfahrungen, die einige Westler in der Unteren Welt gemacht haben.
Da die kosmografischen Berichte in diesem Buch schon für sich genommen einen bedeutenden Beitrag zum schamanischen Wissen darstellen, versuche ich auf dem beschränkten Platz, der zur Verfügung steht, gar nicht erst, sie mit Schilderungen von Nahtoderfahrungen oder mit den Reiseberichten indigener Schamanen zu vergleichen (von denen es übrigens ausgesprochen wenige gibt). Ich finde derartige vergleichende Studien jedoch sehr wichtig und plädiere nachdrücklich dafür, dass sie gemacht werden. Die Arbeit, die Sie gerade in den Händen halten, verfolgt nicht zuletzt den Zweck, Anregungen für derartige Untersuchungen zu geben.
Hinzufügen möchte ich, dass ich mit diesem Buch nicht versuche, eine Brücke zwischen den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen zu schlagen. Ich bin Anthropologe, Schamanismusforscher, ein Praktizierender des Schamanismus und in diesem Buch auch der Berichterstatter über die schamanischen Erfahrungen von Westlern. Mehr aber nicht. Wer den Schamanismus mit anderen Wissenschaftszweigen – zum Beispiel der Psychologie – unter einen Hut bringen will, sollte der naheliegenden Versuchung, die »üblichen Verdächtigen« zu verhaften, wie es in Casablanca heißt, zu widerstehen versuchen und die Standardwerkzeuge des Reduktionismus in der Tasche lassen. Gegen den Reduktionismus per se habe ich gar nichts einzuwenden, bin aber der Meinung, dass man es auf jedem Gebiet, das man »reduzieren« möchte, zunächst einmal zu wirklicher Meisterschaft gebracht haben sollte. Was in unserem Fall bedeutet, dass man den Schamanismus aus erster Hand erlebt, praktiziert und ihn ausgiebig studiert haben müsste. Hinzu kommen die entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem jeweiligen Wissensgebiet, mit dem man ihn vergleichen möchte. Das ist zugegebenermaßen keine einfache Aufgabe … aber wann war seriöse Wissenschaft je einmal leicht?5
In den Ausbildungskursen für Westler, die den Core-Schamanismus studieren, legen wir von Anfang an großen Wert darauf, dass die Kursteilnehmer nur die allernötigsten Anweisungen erhalten, um Zutritt zu den anderen Welten zu finden. Diese können Sie in den Anhängen A und B nachlesen. Dort werden Sie eingeladen, sich derselben Methoden zu bedienen, um sich auf schamanische Reisen zu begeben und Ihre Erfahrungen mit denen aus diesem Buch zu vergleichen. Diese Anhänge sollen aber kein »Rezeptbuch« sein, sondern Ihnen die Möglichkeit geben, die Erfahrungen zu überprüfen, die die Westler, von denen die Berichte in diesem Buch stammen, in der Oberen (sowie in einem geringeren Maße auch in der Unteren) Welt gemacht haben.
Nach der Lektüre dieses Buches werden Sie Ihre Naivität hinsichtlich dessen, was Sie in der Oberen oder Unteren Welt erwartet, wohl leider verloren haben. Dennoch: Wenn Sie der Einladung, die ich gerade ausgesprochen habe, Folge leisten, können Sie sich auf Erstaunliches gefasst machen – und dazu gehört auch, dass Sie nicht mehr auf die Berichte anderer angewiesen sind, um beurteilen zu können, was existiert und was nicht. Der Core-Schamanismus kann dazu führen, dass einige der eisernen kosmologischen Dogmen von Kirche, Staat und Wissenschaft beginnen, Rost anzusetzen.
Ich schreibe dies in meinem vierundachtzigsten Lebensjahr. Vieles von dem, was ich im vergangenen halben Jahrhundert über den Schamanismus gelernt habe, hat sich bei mir schon vor langer Zeit zu einem persönlichen Wissensschatz kondensiert, den ich in vielen Gesprächen weiterzugeben versucht habe zusammen mit Anmerkungen, wie sie meiner Erinnerung entstammen, die jedoch im Treibsand der Zeiten verblasst sind. Passagen dieses Buches beruhen auch auf Reden, die ich im Laufe von mehr als drei Jahrzehnten vor meinen Studenten und anderen Interessierten gehalten habe.
Das Gute daran: Die meisten meiner Behauptungen können ernsthaft Interessierte anhand ihrer eigenen schamanischen Arbeit empirisch nachprüfen. Im Mittelpunkt dessen, was ich in diesem Buch präsentiere, stehen neue Materialien sowie Methoden, mit denen man sie überprüfen kann. Seien Sie aber nicht überrascht, wenn es Sie in Teilen an irgendetwas erinnert, was Sie schon an anderer Stelle gelesen oder gehört haben. Ich persönlich habe Tausende von Studenten in die Grundlagen und Methoden des Schamanismus und der schamanischen Reise eingeführt. Und da ließ es sich wohl kaum vermeiden, dass einige meiner mündlich übermittelten Lehrinhalte veröffentlicht wurden.6 Dies gilt jedoch nicht für die Materialien, die ich hier vorlege – die sind neu.
Den Schamanismus (wieder) in den Westen zu bringen heißt auch, Sie, die Leserin oder den Leser, zu ermutigen, größeres Vertrauen in Ihre eigene spirituelle Autorität zu setzen. Und das betrifft ausdrücklich auch die Lektüre dieses Buches. Zwar konnte ich mir, was die Berichte der Westler betrifft, einen kleinen persönlichen Kommentar nicht immer verkneifen, doch die anderen sind absichtlich nur mit ganz wenigen oder überhaupt keinen Kommentaren versehen, um Sie in der Unabhängigkeit Ihres eigenen Denkens zu unterstützen.
Es gab und gibt genug Leute, die von der Kanzel herab beziehungsweise vor den Versammlungen der verschiedenen kirchlichen Gemeinden bis zum Gehtnichtmehr immer dieselben alten Geschichten über die Erfahrungen der großen Religionsgründer wiederkäuen. Jetzt haben Sie die Gelegenheit, selbst solche Erfahrungen zu machen. In dieser Hinsicht stellen die Berichte hier, so interessant sie sein mögen, keinen Ersatz für das Eigentliche dar: Ihr persönliches Erleben. Auch soll dieses Werk kein traditionelles Lehrbuch sein, das sich in erster Linie an ein akademisches Publikum richtet; vielmehr ist es der Versuch, die Leser zu inspirieren, in buchstäblich größere Höhen vorzudringen, indem es sie mit neuen Materialien und Gedanken konfrontiert.
Als wichtigste Aufgabe und meinen eigentlichen Beitrag zu diesem Buch betrachte ich die Vorstellung dieser neuen Informationen – also die Berichte der Menschen und die Inspiration, die von ihnen ausgehen kann. Die Archive der Foundation wurden nach Beispielen für ein breites Spektrum von Erfahrungen durchforstet, die zwar nichtalltäglich sind, aber doch im Rahmen der Möglichkeiten und des Potenzials von uns allen liegen. Zusammen mit den Grundsätzen des Core-Schamanismus, die ich gerade kurz umrissen habe, stellen diese Zeugenaussagen – lebendige Ausblicke auf die condition humaine – ein Gesamtpaket dar, das in der Lage ist, den Horizont einer interessierten Leserschaft zu erweitern.
Ich habe beschlossen, meine beschränkte Zeit darauf zu verwenden, in diesem Buch Informationen weiterzugeben, von denen ich denke, dass sie für unsere zänkische und gefahrvolle Welt, die auf der Basis des Glaubens an alte Geschichten unaufhörlich über spirituelle Dinge streitet, nicht nur wichtig, sondern dringend erforderlich sind. Der Weg des Schamanen ist der des Wissens aus erster Hand und keiner von Geschichten (auch nicht den meinen!); denn es hat schon seinen Grund, dass der Schamane in vielen indigenen Kulturen als »einer, der weiß« gilt.
Ich hoffe, dass die Leser dieses Buch nützlich finden, weil es ihre Abhängigkeit von den kosmologischen Dogmen der organisierten Religion und Wissenschaft verringert. Ferner hoffe ich, dass es Sie in Ihren eigenen schamanischen Begegnungen mit einer anderen Realität bestärkt, denn darin finden wir unglaubliches Mitgefühl, Hilfe und Heilung, die wir in unserer Alltagswelt so dringend brauchen. In gewisser Hinsicht ist dieses Buch also eine tatsachengestützte spirituelle Unabhängigkeitserklärung und die Einladung, dieses Wissen und die Freiheit zu nutzen, um mehr Weisheit, Mitgefühl in Ihr Leben und das Ihrer Mitmenschen zu bringen.
Michael Harner
Herbst 2012
1/1 – Spirituelle Kraft und die Höhle
Kraft
Im Februar 1957 verlief ich mich mit einem Grüppchen männlicher Shuar (Jívaro), nachdem wir wochenlang durch den gebirgigen Regenwald des oberen Amazonasbeckens gewandert waren. Müde, desorientiert und hungrig trafen wir schließlich auf ein paar freundliche Jäger, von denen wir erfuhren, dass wir in der falschen Richtung unterwegs waren. Sie gaben uns etwas von ihrer Verpflegung ab und zeigten uns den Weg in das Dorf, das wir suchten.
Nachdem wir uns von den Jägern verabschiedet hatten, kamen wir bald an einen kleinen, aufgrund schwerer Regenfälle in den Anden im Westen aber reißenden Fluss. Wir warteten mehrere Tage, dass das Wasser endlich nachließ, jedoch vergeblich. Während meine Weggefährten die Ruhe bewahrten, verlor ich schnell die Geduld, wusste ich doch, dass wir uns aus Balsastämmen Flöße bauen und Guadua-Bambus als improvisierte Paddel nutzen konnten, um den Fluss zu überqueren. Mehrfach schlug ich das den Männern vor, sie lehnten jedoch immer wieder ab.
Schließlich provozierte ich sie, indem ich ihnen vorhielt, sie bezeichneten sich doch stets als große Krieger, seien jetzt aber nicht einmal bereit, das Flüsschen zu überqueren. Ohne darauf zu antworten, bauten sie kurzerhand drei Flöße und bereiteten alles für die Überfahrt vor. Der Fluss war ungefähr 45 Meter breit, und das erste Floß, auf dem sich zwei der Indianer sowie ein Teil unseres Gepäcks befanden, schaffte es wohlbehalten ans andere Ufer. Mit weiteren zwei Männern bestieg ich das nächste Floß. Wir hatten den Fluss bereits zu drei Vierteln überquert, als wir in eine Stromschnelle gerieten. Das Floß kippte um und wir fielen in das Wildwasser. Nur mit größter Anstrengung konnten wir uns ans andere Ufer retten. Das dritte Floß passierte den Fluss dann wieder problemlos.
Als wir uns etwas ausruhten, bevor wir unseren Weg fortsetzen wollten, meinte ich zu den Männern: »Das war ziemlich knapp. Wir können von Glück sagen, dass wir noch am Leben sind.«
Ich hatte damit gerechnet, dass sie mir, vielleicht auch nur stillschweigend, zustimmen würden, aber meine Begleiter standen einfach da, wie man sich den typischen Indianerkrieger so vorstellt. Als wäre das alles gar nichts gewesen. Sie wirkten völlig unbeeindruckt.
Ihre Haltung verblüffte mich. Schließlich waren es dieselben Männer, die zuvor trotz meines Drängens so lange gezögert hatten, den Fluss zu überqueren. Und jetzt taten sie, als wäre das alles ein Spaziergang gewesen. Dabei hatten sie vorher Angst gehabt.
Sie wechselten Blicke, sagten aber nichts. Dann endlich rückte einer der Männer, den ich besonders gut kannte, mit der Sprache heraus. Er sagte: »Na ja, weißt du, wir hatten nicht wirklich Angst, den Fluss zu überqueren, denn wir können nicht sterben. Aber bei dir waren wir uns da nicht so sicher!«
Für mich öffnete die gefährliche Flussüberquerung in diesem Moment eine Tür zu wichtigem spirituellen Wissen. Nach und nach erfuhr ich von den Shuar, dass sie gegen alle Todesursachen mit der Ausnahme von Epidemien durch die Kraft der Geister geschützt sind. Ich erfuhr aber auch, dass einen diese Kraft verlassen kann und dass man derart ungeschützt dann tatsächlich stirbt. Deshalb achteten die Shuar, bevor sie zu einer gefährlichen Mission aufbrachen, auf die Zeichen, die ihnen verrieten, ob sie noch über die Kräfte verfügten, die ihnen ihre Schutzgeister verliehen. Waren diese Zeichen negativ, bliesen sie die Mission ab, insbesondere wenn es dabei um den Angriff auf einen Gegner ging.
Wie die Shuar wissen auch die anderen indigenen Schamanen weltweit, dass Geisterkraft die Grundlage für Gesundheit, Überleben und die Fähigkeit, andere zu heilen, ist. Ohne diese Kraft ist man Krankheiten oder Unglücksfällen schutzlos ausgeliefert. Dieses Wissen durchdringt in traditionell schamanischen Kulturen den Alltag von nahezu jedem.
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