Die Zeitmaschine - H.G. Wells - E-Book
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Die Zeitmaschine E-Book

H G Wells

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Beschreibung

Die weltberühmten Romane in neuer Übersetzung Die Entdeckung der Zukunft "Es widerspricht der Vernunft!" sagte Filby. "Welcher Vernunft?" fragte der Zeitreisende. Wer hat diesen Traum nicht schon geträumt: einmal durch die Zeit zu reisen? Für unseren Helden geht er in Erfüllung mithilfe einer eigens entwickelten Maschine. Angekommen im Jahr 802 701 entdeckt er zwischen den Ruinen Londons die Eloi, eine paradiesische Gemeinschaft. So also sieht das Schicksal der Menschheit aus! Als er, um von seinen Erkenntnissen zu berichten, in die Gegenwart zurückkehren will, ist die Zeitmaschine verschwunden. Und die Anzeichen häufen sich, dass die Eloi nicht die einzigen Bewohner dieser wundersamen Welt sind. Die beiden berühmtesten Romane von H.G. Wells (Krieg der Welten und Die Zeitmaschine) wurden vielfach verfilmt und zählen zu den meistgelesenen Werken der Weltliteratur Endlich in neuer Übersetzung und mit aufschlussreichem Zusatzmaterial

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Seitenzahl: 234

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H.G. Wells

Die Zeitmaschine

Eine Erfindung

Aus dem Englischen übersetzt, mit einem Nachwort, Anmerkungen und einer Zeittafel von Lutz-W. Wolff

dtv

 

 

 

 

Die Zeitmaschine

1

Der Zeitreisende (so nennt man ihn wohl am einfachsten) erklärte uns eine komplexe Materie. Seine grauen Augen funkelten und strahlten, und sein für gewöhnlich blasses Gesicht war gerötet und angeregt. Das Feuer im Kamin brannte hell, und das weiche Licht der lilienförmigen Leuchter spiegelte sich in den Bläschen, die in unseren Sektkelchen aufstiegen und platzten. Die Sessel, die er sich hatte patentieren lassen, duldeten nicht nur, dass wir auf ihnen saßen, sondern umfingen uns geradezu zärtlich, und es herrschte jene komfortable After-Dinner-Entspanntheit, in der die Gedanken, von den Fesseln der Logik befreit, anmutig schweifen. Und so – indem er die wichtigsten Punkte mit seinem mageren Zeigefinger betonte – stellte er uns die Sache vor, während wir träge dasaßen und seinen Ernst und Einfallsreichtum hinsicht- lich dessen bewunderten, was wir für sein neuestes Paradox hielten.

»Hören Sie bitte genau zu, denn ich werde ein, zwei Vorstellungen widersprechen müssen, die praktisch allgemein akzeptiert sind. Die Geometrie, die man uns in der Schule beigebracht hat, beruht zum Beispiel auf einem Missverständnis.«

»Ist das nicht schon zu Beginn eine ziemlich steile Behauptung?«, fragte Filby, ein etwas streitsüchtiger Rothaariger.

»Ich verlange nicht von Ihnen, dass Sie irgendwas ohne vernünftigen Grund akzeptieren. Sie werden gleich sehen, worum es mir geht. Sie wissen ja, dass eine mathematische Linie, eine Linie der Stärke null in Wirklichkeit nicht existiert. Hat man Ihnen das beigebracht? Das Gleiche gilt für eine mathematische Fläche. Das sind reine Abstraktionen.«

»Das ist richtig«, sagte der Psychologe.

»Auch ein Würfel, der lediglich Länge, Breite und Höhe hat, kann in Wirklichkeit nicht existieren.«

»Da muss ich widersprechen«, widersprach Filby. »Natürlich existiert ein solider Körper. Alle realen Dinge –«

»Das denken die meisten. Aber warten Sie. Kann es einen Würfel ohne Dauer geben?«

»Ich kann Ihnen nicht folgen«, erklärte Filby.

»Kann ein Würfel real existieren, der keinerlei zeitliche Dauer hat?« Filby wurde sehr nachdenklich.

»Offensichtlich«, fuhr der Zeitreisende fort, »muss sich jeder real existierende Körper in vier Dimensionen erstrecken: Er muss Länge, Breite und Höhe haben, aber er muss auch von Dauer sein. Nur auf Grund einer naturgegebenen menschlichen Schwäche, auf die ich gleich kommen werde, übersehen wir diesen Umstand meist. Tatsächlich gibt es vier Dimensionen, drei davon nennen wir die Dimensionen des Raumes, die vierte ist die der Zeit. Allerdings neigen wir dazu, zwischen den erstgenannten drei Dimensionen und der vierten einen Unterschied zu machen, der so gar nicht existiert, und zwar deshalb weil sich unser Bewusstsein – mit Unterbrechungen – vom Anfang bis zum Ende unseres Lebens immer in derselben Richtung daran entlangbewegt.«

»Das«, sagte ein sehr junger Mann, der sich krampfhaft bemühte, seine Zigarre an einer Lampe neu zu entzünden, »das ist tatsächlich sehr klar.«

»Ja, es ist wirklich erstaunlich«, sagte der Zeitreisende mit einem leichten Anflug von Ironie, »dass es so konsequent ignoriert wird. Genau das ist nämlich mit der vierten Dimension gemeint, obwohl manche Leute, die von der vierten Dimension reden, das gar nicht wissen. Der Begriff ist nur eine andere Art, die Zeit zu betrachten. Es gibt keinen Unterschied zwischen der Zeit und den drei anderen Dimensionen, außer dass sich unser Bewusstsein daran entlangbewegt. Manche törichten Leute haben das allerdings falsch verstanden. Sie haben sicher schon gehört, was sie über die vierte Dimension sagen?«

»Ich nicht«, sagte der Provinzbürgermeister.

»In einfachen Worten: Der Raum hat drei Dimensionen, wie unsere Mathematiker sagen, die man Länge, Breite und Höhe nennt. Mit diesen drei Ebenen, die senkrecht aufeinanderstehen, ist er stets definierbar. Einige philosophische Menschen haben sich nun gefragt, warum es gerade drei Dimensionen sind – warum nicht noch eine weitere Dimension im rechten Winkel zu den bisherigen drei? Sie haben sogar versucht, eine vierdimensionale Geometrie zu entwerfen. Erst vor einem Monat oder so hat Professor Simon Newcomb das vor der New York Mathematical Society erläutert.

Sie wissen ja, dass man auf einer flachen Oberfläche, die nur zwei Dimensionen hat, einen dreidimensionalen Körper abbilden kann. Dementsprechend glauben diese Leute, dass sie mit Hilfe dreidimensionaler Modelle vierdimensionale Dinge darstellen können – wenn es ihnen gelingt, mit der Perspektive zurechtzukommen. Verstehen Sie?«

»Ich glaube schon«, murmelte der Provinzbürgermeister, verknotete seine Augenbrauen und versank in einen Zustand der Selbstprüfung, während sich seine Lippen bewegten, als wiederholten sie mystische Worte. »Ja, ich glaube, jetzt verstehe ich es«, sagte er nach einer Weile, und sein Gesicht hellte sich auf, allerdings nur vorübergehend.

»Nun, ich kann Ihnen sagen, dass ich mich schon eine ganze Weile mit dieser Geometrie der vier Dimensionen befasse. Meine Ergebnisse sind teilweise sehr eigenartig. Nehmen wir zum Beispiel das Porträt eines Menschen im Alter von acht Jahren, ein anderes mit fünfzehn, eins mit siebzehn, mit dreiundzwanzig und so fort. Alle sind offenbar dreidimensionale Ausschnitte aus seinem vierdimensionalen Sein, das eine beständige, kontinuierliche Tatsache ist.«

»Die Wissenschaftler«, sagte der Zeitreisende nach der Pause, die nötig war, um diesen Gedanken zu absorbieren, »wissen sehr gut, dass die Zeit nur eine Art Raum ist. Hier sehen Sie ein gängiges wissenschaftliches Diagramm aus der Wetterkunde. Die Linie, die ich jetzt mit dem Finger nachzeichne, zeigt die Schwankungen des Luftdrucks. Gestern stand er hier oben, letzte Nacht ist er gefallen, heute Morgen ist er wieder gestiegen, bis er hier oben angekommen ist. Aber die Quecksilbersäule hat diese Linie doch wohl in keiner der anerkannten Dimensionen des Raums aufgezeichnet? Andererseits ist diese Linie aber vorhanden, woraus wir schließen müssen, dass sie in der Dimension der Zeit verläuft.«

»Aber«, sagte der Mediziner und starrte intensiv auf ein Stück Kohle im Kamin, »wenn die Zeit wirklich nur eine vierte Dimension des Raums ist, warum wird sie dann seit jeher als etwas anderes angesehen? Und warum können wir uns in der Zeit nicht so bewegen wie in den anderen Dimensionen des Raumes?«

Der Zeitreisende lächelte. »Sind Sie sicher, dass wir uns im Raum frei bewegen können? Nach rechts und links können wir gehen, vorwärts und rückwärts genauso, und das haben die Menschen auch immer getan. Ich gebe zu, dass wir uns in zwei Dimensionen frei bewegen können. Aber wie sieht es mit aufwärts und abwärts aus? Da setzt die Schwerkraft uns Grenzen.«

»Nicht unbedingt«, sagte der Mediziner. »Es gibt doch Ballons.«

»Aber vor den Ballons hatte der Mensch nicht die Freiheit, sich vertikal zu bewegen, wenn man von gelegentlichen Sprüngen und den Unebenheiten der Erdoberfläche mal absieht.«

»Aber ein bisschen konnte man sich schon auf und ab bewegen«, beharrte der Mediziner.

»Viel leichter abwärts als aufwärts.«

»Und in der Zeit kann man sich überhaupt nicht bewegen. Vom gegenwärtigen Zeitpunkt kommt man nicht weg.«

»Das, mein lieber Herr, ist ein Irrtum. Da haben nicht nur Sie, sondern die ganze Welt sich geirrt. Wir entfernen uns ständig vom gegenwärtigen Zeitpunkt. Unser geistiges Dasein, das nicht materiell ist und keine Dimensionen besitzt, bewegt sich von der Wiege bis zur Bahre mit gleichförmiger Geschwindigkeit entlang der Zeit-Dimension. Genauso, wie wir uns abwärts bewegen würden, wenn wir unser Dasein fünfzig Meilen über der Erdoberfläche beginnen würden.«

»Und doch besteht der Unterschied«, unterbrach ihn der Psychologe, »dass man sich im Raum in alle Richtungen bewegen kann, aber nicht in der Zeit.«

»Eben das ist die Keimzelle meiner großen Entdeckung. Aber Sie irren, wenn Sie sagen, wir könnten uns in der Zeit nicht hin und her bewegen. Wenn ich mich zum Beispiel sehr intensiv an ein Ereignis erinnere, dann kehre ich zum Augenblick zurück, in dem es geschehen ist: Ich bin, wie man sagt, geistesabwesend. Für einen Augenblick springe ich in die Vergangenheit. Natürlich haben wir keine Möglichkeit, lange da hinten zu bleiben. Auch ein Wilder oder ein Tier haben ja keine Möglichkeit, zwei Meter über dem Boden zu schweben. Aber der moderne Mensch ist in dieser Hinsicht schon besser dran als der Wilde. Gegen die Schwerkraft kann er in einem Ballon vorgehen. Warum sollte er also nicht hoffen, dass er eines Tages auch sein Dahintreiben auf der zeitlichen Dimension anhalten oder beschleunigen, ja, dass er es vielleicht sogar umkehren und sich in die andere Richtung bewegen kann?«

»Also, das ist doch alles –«, fing Filby an.

»Warum denn nicht?«, fragte der Zeitreisende.

»Weil es gegen die Vernunft ist«, sagte Filby.

»Welche Vernunft?«, fragte der Zeitreisende.

»Sie haben vielleicht Argumente, dass Schwarz nicht schwarz ist, sondern weiß«, sagte Filby. »Aber Sie werden mich nie überzeugen.«

»Kann schon sein«, sagte der Zeitreisende. »Aber Sie sehen jetzt, worum es mir bei meinen Untersuchungen zur Geometrie der vierten Dimension geht. Schon seit langem habe ich eine vage Vorstellung von einer Maschine –«

»Mit der man durch die Zeit reisen kann!«, rief der sehr junge Mann.

»– die sich ungehemmt in alle Richtungen durch Raum und Zeit bewegen kann, wie es der Fahrer bestimmt.«

Filby begnügte sich damit zu lachen.

»Ich habe die experimentelle Bestätigung«, sagte der Zeitreisende.

»Für den Historiker wäre es außerordentlich komfortabel«, bemerkte der Psychologe. »Man könnte zum Beispiel in die Vergangenheit reisen und den offiziellen Bericht über die Schlacht von Hastings mal überprüfen!«

»Glauben Sie nicht, dass Sie da Aufmerksamkeit erregen würden?«, fragte der Mediziner. »Unsere Vorfahren waren gegenüber Anachronismen nicht sehr tolerant.«

»Man könnte sein Griechisch von Homers und Platons Lippen lernen«, schwärmte der sehr junge Mann.

»Dann würden Sie allerdings schon bei der Vorprüfung durchrasseln. Die deutschen Gelehrten haben das Griechische doch sehr verbessert.«

»Es gibt ja auch noch die Zukunft«, sagte der sehr junge Mann. »Überlegen Sie mal! Man könnte sein ganzes Geld investieren und abwarten, bis es sich durch Zins und Zinseszins vervielfacht hat, und fährt dann einfach hinterher!«

»Und findet eine Gesellschaft vor«, sagte ich, »die auf streng kommunistischer Basis errichtet ist.«

»Also von allen verrückten Theorien …!«, begann der Psychologe.

»Ja, so kam mir das auch vor, und deshalb habe ich nie darüber geredet, bis –«

»Experimentelle Bestätigung?«, rief ich. »Sie wollen das praktisch beweisen?«

»Das Experiment!«, schrie Filby, der inzwischen an Gehirnerweichung litt.

»Na, dann lassen Sie Ihr Experiment mal sehen«, sagte der Psychologe, »auch wenn das alles Humbug ist, wie Sie sehr wohl wissen.«

Der Zeitreisende lächelte in die Runde. Dann, immer noch vage lächelnd, mit den Händen tief in den Hosentaschen, ging er langsam aus dem Zimmer, und wir hörten seine Schlappen den langen Korridor zu seiner Werkstatt hinunterschlurfen.

Der Psychologe sah uns an. »Ich frage mich, was er hat.«

»Irgendein Taschenspielertrick«, sagte der Mediziner, und Filby versuchte, uns von einem Zauberer zu erzählen, den er mal in Burslem gesehen hatte, aber noch ehe er mit seiner Vorrede fertig war, kam der Zeitreisende zurück und Filbys Geschichte brach in sich zusammen.

Das Gerät, das der Zeitreisende in der Hand hielt, war ein glitzerndes Metallgestell, kaum größer als eine kleine Uhr, und sehr fein gearbeitet. Es war zum Teil aus Elfenbein und einer durchsichtigen, kristallinen Substanz. Und jetzt muss ich ins Detail gehen, denn das Folgende ist – wenn man die Erklärung des Zeitreisenden nicht akzeptiert – absolut unerklärlich. Er nahm einen der kleinen achteckigen Tische, die im Raum verteilt waren, und schob ihn ans Feuer; zwei Beine standen dabei auf dem Kaminvorleger. Den Mechanismus stellte er auf diesen Tisch. Dann zog er einen Stuhl heran und setzte sich. Der einzige andere Gegenstand auf dem Tisch war eine kleine Lampe mit Schirm, deren helles Licht auf das Modell fiel. Es gab noch mindestens ein Dutzend Kerzen im Zimmer, zwei Messingleuchter standen auf dem Kaminsims, die anderen steckten in Wandleuchtern, so dass der Raum grell erleuchtet war. Ich saß auf einem niedrigen Lehnstuhl, direkt am Feuer, und zog ihn sogar noch etwas vor, so dass ich fast zwischen dem Zeitreisenden und dem Kamin saß. Filby saß hinter ihm und blickte ihm über die Schulter. Der Mediziner und der Provinzbürgermeister beobachteten ihn im Profil von der rechten Seite, der Psychologe von der linken Seite. Der sehr junge Mann wiederum stand hinter dem Psychologen. Wir waren alle höchst wachsam. Es scheint mir also sehr unwahrscheinlich, dass uns unter diesen Umständen ein Streich gespielt worden sein könnte, auch wenn er noch so schlau geplant und noch so geschickt ausgeführt worden sein sollte.

Der Zeitreisende sah zuerst uns und dann sein Gerät an.

»Nun?«, sagte der Psychologe.

»Dieses kleine Ding«, sagte der Zeitreisende, stützte seine Ellbogen auf den Tisch und presste die Hände über dem Apparat zusammen, »ist nur ein Modell. Es ist der Entwurf für eine Maschine, mit der man durch die Zeit reisen kann. Sie haben sicher schon bemerkt, dass sie etwas verdreht aussieht und dass diese Stange hier eigenartig zu flimmern scheint, so als wäre sie nicht ganz real.« Er zeigte mit dem Finger auf das entsprechende Bauteil. »Außerdem gibt es hier einen kleinen weißen Hebel, und da noch einen weiteren.«

Der Mediziner stand von seinem Sessel auf und spähte in das Gerät hinein. »Es ist sehr schön gearbeitet«, sagte er.

»Es hat zwei Jahre gedauert«, erwiderte der Zeitreisende. Dann, als wir alle dem Beispiel des Mediziners gefolgt waren, sagte er: »Ich möchte, dass Sie Folgendes wissen: Wenn man diesen Hebel herunterdrückt, bewegt die Maschine sich in die Zukunft, der andere hier kehrt die Bewegung um. Der Sattel stellt den Sitz des Zeitreisenden dar. Ich werde jetzt gleich den Hebel herunterdrücken, und dann macht die Maschine sich auf den Weg. Sie wird verschwinden, denn sie gleitet in die Zukunft und ist nicht mehr hier. Beobachten Sie das Gerät genau. Sehen Sie sich auch den Tisch genau an und überzeugen Sie sich, dass es keinen Trick dabei gibt. Ich möchte nicht dieses Modell verlieren und mir dann sagen lassen, dass ich ein Scharlatan wäre.«

Es entstand eine Pause von vielleicht einer Minute. Der Psychologe schien mir etwas sagen zu wollen, überlegte es sich aber anders. Dann streckte der Zeitreisende seinen Finger nach dem Hebel aus. »Nein«, sagte er plötzlich. »Leihen Sie mir ihre Hand!« Er wandte sich dem Psychologen zu, nahm dessen Hand in seine eigene und sagte ihm, er solle den Zeigefinger ausstrecken. So war es am Ende der Psychologe, der das Modell der Zeitmaschine auf seine unendliche Reise schickte. Wir alle sahen, wie der Hebel umgelegt wurde. Ich bin absolut sicher, dass keine Täuschung vorlag. Man spürte einen Luftzug, und in der Lampe zuckte die Flamme. Eine der Kerzen auf dem Kaminsims wurde ganz ausgeblasen. Die kleine Maschine drehte sich halb herum, wurde unscharf, war eine Sekunde lang noch als Phantombild zu sehen, als Wirbelfeld von flimmerndem Messing und Elfenbein; dann war sie verschwunden. Sie hatte sich aufgelöst! Abgesehen von der Lampe war der Tisch leer.

Eine Minute lang waren alle stumm. Dann sagte Filby, er wolle verdammt sein. Der Psychologe erholte sich von seinem Schock und spähte unvermittelt unter den Tisch.

Darüber lachte der Zeitreisende herzhaft. »Nun?«, sagte er im selben Tonfall wie zuvor der Psychologe. Dann stand er auf, ging zu der Tabakbüchse auf dem Kaminsims und stopfte sich, mit dem Rücken zu uns, seine Pfeife.

Wir starrten einander an. »Hören Sie«, sagte der Mediziner. »Meinen Sie das wirklich ernst? Glauben Sie wirklich, dass diese Maschine in die Zeit hinausgefahren ist?«

»Ja, sicher«, sagte der Zeitreisende und bückte sich, um einen Span am Kamin zu entzünden. Dann wandte er sich um, steckte seine Pfeife an und sah dem Psychologen ins Gesicht. (Der Psychologe, um zu zeigen, dass er seine Fassung bewahrt hatte, griff nach einer Zigarre und versuchte sie zu entzünden – hatte aber vergessen, sie anzuschneiden.) »Außerdem habe ich eine fast fertige große Maschine da drin« – er zeigte in Richtung der Werkstatt – »und wenn ich die zusammengebaut habe, gedenke ich, eine Reise auf eigenes Risiko zu unternehmen.«

»Wollen Sie damit sagen, dass diese Maschine tatsächlich in die Zukunft gereist ist?«, fragte Filby.

»In die Zukunft oder in die Vergangenheit – ganz sicher weiß ich das auch nicht.«

Nach einem Augenblick hatte der Psychologe eine Eingebung. »Wenn überhaupt, dann muss sie in die Vergangenheit gefahren sein«, sagte er.

»Wieso?«, fragte der Zeitreisende.

»Weil ich annehme, dass sie sich nicht im Raum fortbewegt hat, und wenn sie sich in die Zukunft bewegt hätte, wäre sie ja noch da, weil sie am jetzigen Zeitpunkt vorbeigekommen sein müsste.«

»Aber wenn sie in die Vergangenheit gefahren wäre«, sagte ich, »hätten wir sie doch sehen müssen, als wir ins Zimmer kamen. Und letzten Donnerstag auch, als wir hier waren; und den Donnerstag davor auch; und so weiter.«

»Ernst zu nehmende Einwände«, stellte der Provinzbürgermeister mit unparteiischer Miene fest, als er sich dem Zeitreisenden zuwandte.

»Aber nein«, sagte der Zeitreisende. Und dann zu dem Psychologen: »Denken Sie mal nach! Das können Sie doch erklären: Es liegt unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, im Bereich der verminderten Wahrnehmung.«

»Ja, natürlich«, sagte der Psychologe und führte dann weiter aus: »Das ist ein einfaches psychologisches Phänomen. Ich hätte daran denken sollen. Es ist ja ganz offensichtlich und erklärt das Paradox sehr elegant. Wir können diese Maschine genauso wenig sehen und wahrnehmen wie die Speiche eines rollenden Rades oder eine Kugel, die durch die Luft fliegt. Wenn sie fünfzig oder hundert Mal schneller durch die Zeit reist als wir, wenn sie eine Minute durcheilt, während wir bloß eine Sekunde zurücklegen, dann ist der Eindruck, den sie hinterlässt, nur ein Fünfzigstel oder ein Hundertstel von dem, den sie zurücklässt, wenn sie nicht durch die Zeit saust. Das ist offensichtlich.« Er bewegte seine Hand durch den Raum, wo die Maschine gewesen war. »Sehen Sie?«, sagte er lachend.

Eine Minute oder noch länger starrten wir auf den leeren Tisch. Dann fragte uns der Zeitreisende, was wir von alledem hielten.

»Heute Abend klingt das alles sehr plausibel«, sagte der Mediziner. »Aber warten wir lieber bis morgen früh. Warten wir auf den gesunden Menschenverstand des Vormittags.«

»Möchten Sie die große Zeitmaschine sehen?«, fragte der Zeitreisende. Er nahm die Lampe in die Hand und führte uns den langen zugigen Korridor zu seiner Werkstatt hinunter. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft an das flackernde Licht, die Silhouette seines eigenartigen, breiten Schädels, die tanzenden Schatten und daran, wie wir ihm alle gespannt, aber ungläubig folgten und schließlich in der Werkstatt eine größere Ausführung des kleinen Apparats sahen, der vor unseren Augen verschwunden war. Einige Teile waren aus Nickel, andere aus Elfenbein und wieder andere waren offensichtlich aus Quarz herausgefeilt oder -gesägt worden. Das Gerät war weitestgehend montiert, nur die gedrehten Kristallstangen lagen noch unfertig auf der Werkbank neben einigen Blaupausen. Eine davon hob ich auf, um sie genauer anzusehen. Sie schien aus Bergkristall zu bestehen.

»Hören Sie«, fragte der Mediziner, »meinen Sie das wirklich ernst? Oder ist das ein Trick – so wie der Geist, den Sie uns letzte Weihnachten vorgeführt haben?«

»Mit dieser Maschine«, sagte der Zeitreisende und hielt die Lampe hoch, »werde ich die Zeit erforschen. Verstehen Sie? In meinem ganzen Leben habe ich noch nichts so ernst gemeint.«

Keiner von uns wusste so recht, was er dazu sagen sollte.

Über die Schulter des Mediziners hinweg fing ich Filbys Blick auf, der mir feierlich zuzwinkerte.

2

Ich vermute, damals hat keiner von uns so recht an die Zeitmaschine geglaubt. Es war nun einmal so, dass der Zeitreisende einer jener Männer war, die zu intelligent sind, als dass man ihnen je ganz trauen würde. Man hatte nie das Gefühl, dass man ihn wirklich durchschaute; man hatte immer den Eindruck, dass hinter seiner Offenheit subtile Vorbehalte und Raffinesse lauerten. Wenn uns Filby das Modell gezeigt und in den Worten des Zeitreisenden erklärt hätte, hätten wir weitaus weniger Skepsis gezeigt. Denn wir hätten seine Motive durchschaut; jeder Fleischermeister konnte Filby verstehen. Aber der Zeitreisende war immer ein bisschen verrückt, und deshalb misstrauten wir ihm. Was einen weniger intelligenten Mann berühmt gemacht hätte, wirkte in seinen Händen oft wie ein Trick. Es ist ein Fehler, wenn man alles mit leichter Hand tut. Es gab durchaus ernsthafte Leute, die ihn ernst nahmen, aber sein Verhalten verunsicherte sie, und sie hatten immer die Sorge, dass sie ihre Reputation als urteilsfähige Männer riskierten, wenn sie ihm vertrauten. Schließlich stellte man hauchdünnes Porzellan ja auch nicht ins Kinderzimmer. Ich glaube daher nicht, dass einer von uns zwischen diesem und dem nächsten Donnerstag viel über das Zeitreisen redete, obwohl die verrückten Möglichkeiten, die damit verbunden waren, ohne Zweifel in unseren Köpfen herumspukten: die Glaubwürdigkeit oder vielmehr Unglaubwürdigkeit, die Möglichkeiten kurioser Anachronismen und völligen Durcheinanders, die man sich vorstellen konnte. Mich persönlich beschäftigte besonders der Trick mit dem Modell. Ich erinnere mich, mit dem Mediziner darüber gesprochen zu haben, den ich am Freitag bei der Linné-Gesellschaft traf. Er sagte, so etwas habe er in Tübingen schon mal gesehen, und lenkte meine Aufmerksamkeit besonders auf die ausgeblasene Kerze. Aber wie der Trick funktionierte, konnte er auch nicht erklären.

Am nächsten Donnerstag fuhr ich wieder nach Richmond – ich glaube, ich war einer der regelmäßigsten Besucher des Zeitreisenden. Da ich zu spät kam, fand ich in seinem Salon bereits vier oder fünf Gäste versammelt. Der Mediziner stand vor dem Kamin mit einem Blatt Papier in der einen und seiner Uhr in der anderen Hand. Ich sah mich nach dem Zeitreisenden um, und –

»Es ist schon halb acht«, sagte der Mediziner. »Ich denke, wir sollten jetzt lieber essen.«

»Wo ist denn …«, sagte ich und nannte den Namen unseres Gastgebers.

»Sind Sie gerade erst gekommen? Es ist ziemlich merkwürdig. Er scheint unabkömmlich zu sein. In dieser Nachricht fordert er mich auf, um sieben zum Essen zu bitten, sollte er noch nicht zurück sein. Er werde alles erklären, sobald er da sei.«

»Es wäre schade, das Essen verkommen zu lassen«, sagte der Redakteur einer bekannten Tageszeitung, und der Doktor läutete die Glocke.

Von mir und dem Arzt abgesehen, war der Psychologe der Einzige, der auch beim letzten Dinner dabei gewesen war. Die anderen waren Blank, der schon erwähnte Redakteur, ein weiterer Journalist und ein stiller, zurückhaltender Mann mit Bart, den ich nicht kannte und der, soweit ich es mitbekam, den ganzen Abend den Mund nicht aufmachte. Bei Tisch gab es einige Spekulationen über die Abwesenheit des Gastgebers, und ich erwähnte scherzhaft die Möglichkeit einer Zeitreise. Der Redakteur wollte, dass man ihm das erklärte, und der Psychologe gab einen hölzernen Bericht über »das Paradox und den genialen Trick«, deren Zeugen wir vor einer Woche geworden waren. Er war noch mitten in der Exposition, als sich die Tür zum Korridor leise öffnete. Ich saß direkt gegenüber und sah es zuerst.

»Hallo!«, sagte ich. »Endlich!«

Die Tür ging noch weiter auf, und der Zeitreisende stand vor uns. Ich stieß einen überraschten Schrei aus. »Gütiger Himmel, Mann! Was ist denn los?«, rief der Doktor, der ihn als Nächster sah. Dann drehte sich der ganze Tisch zur Tür um.

Er war in einem üblen Zustand. Seine Jacke war staubig und schmutzig, die Ärmel waren grün verschmiert; seine Haare waren in Unordnung und schienen grauer als sonst – entweder vor Staub und Schmutz, oder weil sie tatsächlich die Farbe verloren hatten. Sein Gesicht war schrecklich blass; sein Kinn wies eine halb verheilte, bräunliche Wunde auf, seine Züge waren verzerrt und schienen von schwerem Leiden geprägt. Er zögerte einen Augenblick auf der Schwelle, als sei er vom Licht geblendet. Dann trat er ins Zimmer. Er humpelte, wie ich es von fußkranken Landstreichern kannte. Wir starrten ihn schweigend an und warteten darauf, dass er redete.

Er sagte kein Wort, kam nur mühsam zum Tisch und zeigte mit der Hand auf den Sekt. Der Redakteur füllte ein Glas und schob es ihm hin. Er leerte es, und das schien ihm gutzutun, denn der Geist seines alten Lächelns zuckte auf seinem Gesicht.

»Was um alles auf der Welt haben Sie bloß gemacht?«, fragte der Mediziner.

Der Zeitreisende schien es gar nicht gehört zu haben. »Lasst euch nicht stören«, sagte er mit leicht stockender Stimme. »Alles in Ordnung.« Dann hielt er inne, streckte das Glas aus, und als es gefüllt war, trank er es wieder auf einen Zug leer. »Das tut gut«, sagte er. Seine Augen hellten sich auf, und ein wenig Farbe kehrte in seine Wangen zurück. Sein Blick glitt mit einer gewissen stumpfen Befriedigung über unsere Gesichter hin und schweifte durch den behaglichen, warmen Raum. Dann sprach er weiter, schien aber immer noch seinen Weg durch die Worte ertasten zu müssen. »Ich werde mich mal waschen und umziehen. Dann komm ich runter und erkläre es euch … Hebt mir was von dem Lamm auf. Ich hab richtig Hunger auf Fleisch.«

Der Zeitreisende warf dem Redakteur, einem seltenen Gast, einen Blick zu und erkundigte sich, ob es ihm gut gehe. Der Redakteur versuchte, eine Frage zu stellen. »Ich erzähle Ihnen gleich alles«, sagte der Zeitreisende. »Mir ist etwas – schwummerig! Geht gleich vorbei.«

Er stellte sein Glas ab und ging zur Tür, die nach oben führte. Wieder fielen mir sein Humpeln und der weiche Klang seiner Schritte auf. Ich stand auf und sah seine Füße, als er hinausging. Er trug lediglich ein Paar blutgetränkte, zerrissene Socken. Dann schloss sich die Tür hinter ihm. Ich war schon fast auf dem Sprung, ihm zu folgen, aber dann fiel mir ein, dass er jedes Getue um seine Person heftig verabscheute. Eine Minute lang träumte ich vor mich hin. Plötzlich hörte ich, wie der Redakteur sagte: »Erstaunliches Verhalten eines berühmten Naturwissenschaftlers.« Er dachte (wie gewöhnlich) in Schlagzeilen. Das rief meine Aufmerksamkeit zurück an den hell erleuchteten Tisch.

»Was hat er vor?«, fragte der Reporter. »Versucht er sich als Bettler oder Amateur-Clochard? Ich verstehe das nicht.« Mein Blick traf den des Psychologen, und in seinem Gesicht las ich meine eigene Deutung. Ich dachte daran, unter welchen Schmerzen der Zeitreisende nach oben gehumpelt war. Ich glaube, sonst hatte niemand sein Hinken bemerkt.

Der Erste, der sich von seiner Überraschung erholte, war der Mediziner. Er läutete die Glocke – der Zeitreisende konnte es nicht ausstehen, wenn Bedienstete am Tisch herumstanden – und verlangte ein Rechaud. Daraufhin wandte der Redakteur sich mit einem Grunzen wieder Messer und Gabel zu, und der stille Mann tat es ihm gleich. Das Dinner nahm seinen Fortgang. Die Unterhaltung bestand noch eine Weile aus knappen Ausrufen und fragenden Pausen, bis es der Redakteur in seiner Neugier gar nicht mehr aushielt.

»Stockt unser Freund sein mageres Einkommen als Straßenkehrer auf?«, fragte er. »Oder ist er in seiner Nebukadnezar-Phase?«

»Ich bin sicher, es hat mit dieser Zeitmaschine zu tun«, sagte ich und setzte den Bericht des Psychologen über das letzte Treffen fort.

Die neuen Gäste waren unverhohlen skeptisch. Der Redakteur erhob Protest. Worum ging es eigentlich bei diesem Zeitreisen? Man konnte sich doch nicht mit Staub bedecken, wenn man sich in einem Paradox wälzte, oder? Und dann, als er das Konzept kapiert hatte, flüchtete er sich in Spott. Gab es in der Zukunft denn keine Kleiderbürsten? Auch der Reporter wollte partout nichts verstehen und arbeitete sich im Gefolge des Redakteurs an der einfachen Aufgabe ab, die Sache ins Lächerliche zu ziehen. Sie gehörten beide zu dieser neuen Sorte von Journalisten – immer muntere, sehr junge, respektlose Leute. »Unser Sonderkorrespondent ins Übermorgen berichtet«, sagte – oder besser: krähte – der Reporter gerade, als der Zeitreisende wieder zurückkam. Er trug die übliche Abendkleidung, und außer seinem verstörten Gesichtsausdruck war von der Veränderung, die mich erschreckt hatte, nichts mehr zu sehen.

»Also wirklich«, rief der Redakteur aufgekratzt, »die Jungs hier behaupten, Sie wären in die Mitte der nächsten Woche gefahren! Erzählen Sie uns alles über den kleinen Rosebery, ja? Wie viel wollen Sie dafür?«

Der Zeitreisende setzte sich auf den für ihn reservierten Platz. Er lächelte still, auf die alte Art. »Wo ist mein Hammelbraten?«, sagte er. »Wirklich ein Genuss, wenn man seine Gabel wieder in ein Stück Fleisch stechen kann.«

»Die Story!«, rief der Redakteur.

»Zum Teufel mit der Story!«, sagte der Zeitreisende. »Ich will was zu essen. Ich sag kein Wort, ehe ich kein Pepton in meine Arterien kriege. Danke. Und das Salz, bitte.«

»Nur ein Wort«, sagte ich. »Waren Sie auf einer Zeitreise?«

»Ja«, knurrte der Zeitreisende mit vollem Mund und nickte.