Diesmal will ich alles - Anne Eames - E-Book

Diesmal will ich alles E-Book

Anne Eames

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Beschreibung

Jenny freut sich auf die Ferien bei ihrer Freundin Savannah. Doch die ist bei Weitem nicht der einzige Mensch, der Jenny so magisch auf die Malone-Ranch zieht. Shane, Savannahs Schwager, hat in Jenny lustvolle Wünsche geweckt. Wird es ihr diesmal gelingen, diesen überaus attraktiven Mann zu erobern?

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© 2023 für die deutschsprachige Ausgabe by MIRA Taschenbuch in der Verlagsgruppe Harper Collins Deutschland GmbH, Hamburg © 1997 by Creative Business Services, Inc. Originaltitel: »The Best little Joeville« Erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V. / SARL Covergestaltung von Birgit Tonn / Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH Coverabbildung von Svitlana Ivanova / Getty Images ISBN E-Book 9783745753394

Diesmal will ich alles

Cover

Impressum

Inhalt

Diesmal will ich alles

Titel

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

12. KAPITEL

13. KAPITEL

14. KAPITEL

Guide

Start Reading

Contents

1. KAPITEL

Es verging kaum ein Tag, an dem Jenny Moon sich nicht fragte, warum sie Montana und die Malone Ranch überhaupt verlassen hatte. Vor achtzehn Monaten war sie nach Detroit zurückgekehrt und hatte mehr als nur ihre beste Freundin Savannah zurückgelassen. Sie hatte die Berge, die Flüsse und den weiten Himmel lieben gelernt, und das zu einer Zeit in ihrem Leben, als sie sich heftig dagegen wehrte, überhaupt irgendetwas zu lieben … oder irgendjemanden.

Geschweige denn einen Mann wie Shane Malone.

Ihr Job war damals eine gute Entschuldigung für ihre Abreise gewesen, doch heute, als das Flugzeug auf dem Flughafen von Bozeman landete, überlegte sie, ob sie nicht davongelaufen war.

Jenny schloss die Augen und versuchte diesen lächerlichen Gedanken zu verdrängen. Nein, ihre Zweifel hatten nichts mit diesem unmöglichen Mann zu tun. Die bevorstehenden Feiertage machten sie melancholisch. Das war alles.

Ich kehre nur zurück, um ein paar Tage mit Savannah zu verbringen, redete sie sich ein, als sie von Bord ging. Lügnerin , widersprach eine innere Stimme, und ihr Herzschlag beschleunigte sich bei dem Gedanken an den Mann, der sie vom Flughafen abholen würde.

Sie blickte sich in der Ankunftshalle um und entdeckte Shane, der lässig an einer Säule lehnte. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und seinen Stetson tief ins Gesicht gezogen. Shane rührte sich nicht von der Stelle, sondern wartete darauf, dass Jenny zu ihm kam, was sie sofort verärgerte.

„Das hat aber lange gedauert“, sagte er, als sie zu ihm trat.

Jenny stellte ihr Bordcase vor seine Füße und stemmte die Hände in die Hüften. „Es gibt keinen Direktflug. Ich musste über Minneapolis fliegen und …“

Shane nahm ihr Handgepäck und ging los. „Ich meinte, bis du zurückgekehrt bist.“

Unwillkürlich warf sie einen Blick auf seine engen Jeans, bevor sie ihn einholte. „Wer hat gesagt, dass ich überhaupt jemals wiederkommen werde?“

Er sah sie von der Seite an und ging weiter in Richtung Gepäckausgabe. Es war, als sei sie nie weg gewesen. Wieder forderte er etwas von ihr, nur mit seinem stummen Blick. Nun, er würde es nicht bekommen – was auch immer es sein mochte. Sie würde die Situation unter Kontrolle behalten, koste es, was es wolle.

„Ist Savannah nicht mit dir gekommen?“

„Es ging ihr nicht so gut.“

Sie zupfte Shane am Arm, bis er sich zu ihr umdrehte. „Was ist mit ihr?“

„Sie ist schwanger.“

Jenny verdrehte die Augen. „Das weiß ich.“ Sie hatte vergessen, wie wortkarg er war. Es kostete sie Nerven, ihm alles aus der Nase ziehen zu müssen. „Ist das alles?“

„Reicht das nicht?“

Sie entdeckte ihren Koffer auf dem Förderband und griff danach. Shane war schneller. „Hast du noch mehr Gepäck?“

„Nein.“ Sie sah in seine dunklen Augen.

„Ich hole den Wagen.“ Er ließ sie einfach stehen und marschierte zum Ausgang.

Wütend folgte sie ihm. Ich kann meinen Koffer selbst tragen und auch zum Auto laufen, wollte sie ihm gerade zurufen, als er durch die Tür verschwand und ein eisiger Windzug sie erfasste. Zitternd vor Kälte blieb sie stehen.

Nun gut, sollte er den Wagen holen.

Die Flughafenhalle leerte sich langsam. Jenny trat von einem Fuß auf den anderen, um sich zu wärmen. Sie würde sich von diesem Cowboy nicht unterkriegen lassen. Auf keinen Fall. Sie hatte die letzten Tage im November und den ganzen Dezember Zeit, um ihren Urlaub mit Savannah zu genießen und ihr bei den letzten Vorbereitungen auf das Baby zu helfen. Falls ihre Freundin Lust hatte, konnten sie nach Bozeman fahren und Weihnachtseinkäufe erledigen. Jenny betrachtete die Schneemassen und lächelte. Eine Schneeballschlacht würde auch Spaß machen.

Lautes Hupen riss sie aus ihren Träumen. „Auf in den Kampf“, murmelte sie und atmete tief durch, bevor sie das Flughafengebäude verließ und trotz der schneidenden Kälte keine Eile hatte, zum Wagen zu kommen und einzusteigen.

Bei diesem Wetter würden sie Stunden bis zur Ranch brauchen. Das hatte Jenny gerade noch gefehlt: Die ganze Zeit allein mit diesem schweigsamen Mann im Auto. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und blickte stur nach vorn.

„Lebst du immer noch mit diesem alten Indianer in der Hütte hinter den Ställen?“, fragte sie.

Shane warf ihr einen grimmigen Blick zu, dann konzentrierte er sich wieder auf die verschneite Straße.

„Und bist du noch genauso intolerant wie damals?“, fragte er zurück.

Okay, dachte Jenny, dann eben nicht. Sie hatte keine Lust, schon in den ersten Minuten mit Shane zu streiten. Wortlos stellte sie das Radio an und ignorierte ihn. Er und alle anderen auf der Ranch wussten, dass ihr Vater ein Crow-Indianer war und ihre Mutter noch vor der Geburt der Tochter verlassen hatte. Wie konnte Shane also glauben, sie hätte ihre Meinung über Indianer geändert?

Schweigend legten sie einige Meilen zurück. Jenny blickte hinaus auf die schneebedeckten Felder. Ganz anders als im Sommer, dachte sie, als überall wild wachsende Blumen blühten, aber nicht weniger hübsch. Wie sehr hatte sie doch diese Gegend und das Leben auf der Ranch vermisst.

Verstohlen musterte sie Shane und überlegte, wie es ihm wohl seit ihrer Abreise ergangen sein mochte. Gab es inzwischen eine Frau in seinem Leben?

Und wenn schon. Jenny richtete sich auf. Welchen Unterschied machte es? Über kurz oder lang würde sie wieder in Michigan sein, und er … egal. Es spielte keine Rolle.

Unvermittelt fragte Shane: „Arbeitest du immer noch als Köchin bei diesem Catering-Service?“

Jenny wollte schon eine patzige Antwort geben, doch sie beherrschte sich. Nur keinen Streit. Ein unverfängliches Gespräch konnte nicht schaden. Zumindest würde die Zeit schneller vergehen. „Ja, und es macht mir sehr viel Spaß. Kürzlich habe ich an einem Kursus für Kräuterkunde teilgenommen. Ich habe viel Interessantes gelernt … nicht nur welche Kräuter ich wie und wo beim Kochen verwende, sondern auch in der Medizin.“

„Hm.“

„Wusstest du zum Beispiel, dass ein Mückenstich nicht mehr juckt, wenn man frischen Knoblauch auf den Stich reibt?“

„Ja, aber wenn man zu viel verwendet, wird der Stich noch dicker.“

„Woher weißt du das?“

„Von Buck. Die Indianer benutzen seit eh und je Naturheilmittel.“ Shane lächelte sie spöttisch an. „Wenn du an Kräutern interessiert bist, könntest du eine Menge von Buck lernen.“

Ja natürlich. Das hättest du gern.

Wieder das alte Thema. Warum drehte sich nur jede Unterhaltung bei ihnen um Indianer? Man könnte fast meinen, er sei selbst einer.

Nachdenklich betrachtete Jenny ihn von der Seite. Seine Haare waren fast schwarz, er hatte hohe Wangenknochen und ein markantes Profil. Lebte er schon so lange mit Buck zusammen, dass er sich ihm sogar äußerlich angepasst hatte? Sie zuckte mit den Schultern und sah wieder aus dem Fenster.

Wen interessierte es? Wenn Shane sich zu den Indianern hingezogen fühlte, dann war das seine Sache. Vielleicht würde er ihre ablehnende Haltung besser verstehen, wenn ihm das gleiche Schicksal wie ihr widerfahren wäre. Sein Vater aber war Max Malone – ein reicher Chirurg und erfolgreicher Rancher. Und ein herzlicher, sympathischer Mann. Wie sollte Shane also verstehen, wie sie fühlte?

Ihre Mutter hatte sie verstanden. Doch sie war vor kurzem gestorben.

Aus dem Grund war Jenny auch nach Montana gekommen. Es wäre ihr erstes Weihnachtsfest allein gewesen. Immer war ihre Mutter da gewesen, und viele Male – außer im letzten Jahr – auch Savannah. Seit sie mit Shanes Bruder verheiratet war, lebte sie nicht mehr in Michigan. Das bedauerte Jenny sehr. Savannah fehlte ihr. Mehr als erwartet.

„Wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Willst du dich nicht etwas zurücklegen und schlafen? Ich wecke dich, sobald wir angekommen sind.“

„Gute Idee.“ Sie verstellte die Rückenlehne in Liegeposition und atmete tief durch. Der frische Duft nach Seife und Aftershave stieg ihr in die Nase. Gereizt drehte sie den Kopf zur Seite, schloss die Augen und versuchte zu schlafen. Sein Duft und seine bloße Nähe hielten sie jedoch wach.

Vielleicht hätte sie nicht ausgerechnet zu den Feiertagen kommen sollen. Weihnachten, das war das Fest der Liebe. Wie sollte sie es da schaffen, Distanz zu dem Mann neben sich zu wahren? Und schlimmer noch, wollte sie es denn überhaupt?

Shane verhielt sich wie ein Schuft, und er war sich dessen sogar bewusst. Was hatte diese Frau an sich, dass ihm ihre Nähe so unter die Haut ging?

Er ließ den Blick über ihre engen Jeans gleiten und biss die Zähne zusammen. Sein Körper reagierte wie beim ersten Mal sofort auf sie, und die Erinnerung an die schönen Dinge, die sie zusammen unternommen hatten, wurde wach. Ritte durch das Vorgebirge, Nächte am Lagerfeuer …

Die Bilder verfolgten ihn.

Es ist verrückt, Kerl. Er umklammerte das Lenkrad und versuchte sich auf die Straße zu konzentrieren. Lass dich nicht mit ihr ein , warnte ihn seine innere Stimme. Sie wird wieder abreisen, genau wie das letzte Mal. Bei ihrem letzten Besuch hatte er sich in sie verliebt, und was war dabei herausgekommen?

Frust und Einsamkeit.

Shane stieß einen tiefen Seufzer aus. Irgendwie würde er es schaffen, Abstand zu halten. Ihre unnachgiebige Haltung den Menschen gegenüber, die er liebte und achtete, würde ihm dabei helfen. Er hatte gehofft, dass sie eines Tages toleranter sein würde, doch offensichtlich hatte er sich getäuscht.

Warum hasste sie die ganze Rasse? Einen Moment lang stellte er sich vor, mit Jenny eng umschlungen vor einem geschmückten Weihnachtsbaum zu sitzen …

Nein! Bloß nicht! Shane atmete tief durch und straffte sich. Ein vertrauliches Gespräch mit Jenny Moon war das Letzte, was er brauchte.

Doch ihr blumiges Parfum lullte ihn ein, brachte seinen Vorsatz ins Wanken und erinnerte ihn an andere Bedürfnisse. Er sehnte sich nach einer Familie, wie sein jüngerer Bruder Ryder sie mit Savannah und Billy hatte. Er sehnte sich nach einer liebenswerten Frau, mit der er seine Hoffnungen und Träume teilen konnte, einer Frau, die er unter dem Mistelzweig umarmen und küssen konnte, und das nicht nur aus der Tradition heraus.

Was war nur mit ihm los? Das erste Mal in dreiunddreißig Jahren war ihm all das, was er hatte – Buck, seine Brüder, Dad, die Malone Ranch, die Pferde – nicht genug. Etwas ganz Wichtiges fehlte.

Sie gerieten jetzt in dichtes Schneetreiben, und Shane trat auf die Bremse. „Du setzt dich besser aufrecht hin und legst den Sicherheitsgurt wieder an.“

Jenny richtete sich auf und schnallte den Gurt fest. Shane konzentrierte sich unterdessen auf die Straße. Er hatte die Scheibenwischer eingeschaltet, doch der Schneefall nahm ihm die Sicht. Er trat fester auf die Bremse. Der Wagen kam ins Schleudern und rutschte in den Graben, direkt in eine große Schneewehe hinein. Shane und Jenny schleuderten nach vorn – gehalten von den Sicherheitsgurten.

„Alles in Ordnung?“, fragte Shane, als er sich von dem ersten Schreck erholt hatte.

Sie starrte ihn aus großen braunen Augen an, und sein Herz begann zu rasen.

„Ist etwas mit deinem Nacken? Deiner Brust?“ Er löste seinen Gurt und beugte sich zu ihr.

Sie hob den Kopf und sah ihm in die Augen. „Bist du das erste Mal bei Schnee gefahren, oder wolltest du mir nur Angst einjagen?“

Er atmete erleichtert auf und lächelte. „Jenny Moon, frech wie immer.“

„Schön, dass du das alles amüsant findest, aber wie willst du hier wieder herauskommen?“

Shane hörte die Angst in ihrer Stimme. Tröstend legte er den Arm um ihre Schultern. „Zerbrich dir darüber nicht deinen hübschen Kopf. Ich habe mich schon aus schwierigeren Situationen befreit und …“

Jenny schob seinen Arm von ihrer Schulter. „Was soll das?“

„Es war nur ein Versuch, um dich zu beruhigen.“ Als er ihren wütenden Blick sah, konnte er nicht widerstehen hinzuzufügen: „Oder hast du mehr erwartet?“ Er griff nach ihrem Handgelenk und rettete sich damit vor einer Ohrfeige.

„Du … du arroganter, egozentrischer Cowboy!“

Shane hob beide Hände hoch und rückte wieder hinter das Lenkrad, ohne jedoch den Blick von Jenny zu wenden. Ungeachtet ihrer herausfordernden Haltung merkte er, dass sie innerlich zitterte. „Auf dem Rücksitz liegt eine Decke.“ Als sie sich nicht rührte, griff er hinter sich, zog die Decke nach vorn und legte sie zwischen sie beide. Dann suchte er nach seinem Handy und fand es unter dem Fahrersitz.

„Bist du sicher, dass du damit umgehen kannst?“

Er verkniff sich eine Antwort und wählte die Nummer der Ranch. Erst nach dem dritten Klingeln meldete sich Ryder.

„Tut mir leid, Bruderherz. Habe ich euch geweckt?“

„Das soll wohl ein Witz sein! Glaubst du, Savannah würde ins Bett gehen, solange Jenny noch nicht hier ist? Habt ihr es bald geschafft?“

„Kann man nicht behaupten. Die Straßen werden immer schlechter und … nun … im Moment stecken wir im Straßengraben, in einer Schneewehe.“

„Sag mir, wo ihr seid und …“

„Nein. Ich habe eine Schaufel und Sand im Kofferraum. Ich werde uns aus dem Graben befreit haben, bevor du hier sein kannst. Ich wollte nur Bescheid sagen, dass es noch einige Zeit dauern wird.“

Es entstand eine Pause, und Shane dachte schon, die Verbindung sei unterbrochen, da hörte er wieder die Stimme seines Bruders. „Savannah möchte unbedingt noch mit Jenny sprechen.“

Shane reichte Jenny das Handy. „Für dich.“

„Hallo?“

„Jenny! Ist mit dir alles in Ordnung?“

„Alles in Ordnung. Shane hat nur kurzfristig den Highway verlassen. Das ist alles.“ Sie blickte ihn finster an und drehte sich dann von ihm weg. „Männer am Steuer, weißt du.“

Shane zog eine Grimasse und beschloss, dem Gerede nicht länger zuzuhören, sondern den Wagen endlich aus der Schneewehe zu schaufeln. Er öffnete die Tür, sprang hinaus und verschaffte sich einen Überblick über die Situation. Die Vorderräder steckten im Schnee, die hinteren waren jedoch frei. Mit einiger Anstrengung müsste es doch zu schaffen sein, aus dem Graben zu kommen. Jenny sprach immer noch mit Savannah.

„Wir sollten den Akku etwas schonen … für den Fall, dass wir das Handy noch benötigen.“

„Ich muss Schluss machen, Savannah. Befehl des großen Meisters.“ Sie verdrehte die Augen. „Wir rufen wieder an, falls wir Probleme haben. Ich verspreche es. Aber du musst mir versprechen, dass du jetzt ins Bett gehst.“ Sie machte eine Pause, dann sagte sie: „Gut. Komm einfach morgen früh zu mir ins Bett, sobald du wach bist. Dann können wir uns weiter unterhalten.“

Komm einfach morgen früh in mein Bett …

Das war genau das, was Shane am liebsten tun würde.

Er schüttelte unwillig den Kopf und versuchte sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Schließlich schüttete er Sand unter die Räder und stieg wieder in den Wagen. Jenny starrte aus dem Fenster. Sie hatte sich die Decke bis unters Kinn gezogen. Auf Shane wirkte sie schmal und verletzlich. Ihre Worte klangen immer hart, doch er war sicher, dass unter der rauen Schale ein weicher Kern steckte. Und Leidenschaft. Und ob es nun klug war oder nicht, er wusste auch, dass er aufs Ganze gehen würde, bevor sie ein zweites Mal fortlaufen konnte.

2. KAPITEL

„Wahnsinn!“ Jenny nahm die Hand von Savannahs Bauch. Sie hatte gerade die Kindsbewegungen gespürt. „Tut das nicht weh?“

Savannah lachte und rieb sich die rechte Seite. „Nein. Ich habe zwar Schwierigkeiten, nachts eine bequeme Lage zu finden, aber keine Schmerzen.“

Jenny starrte auf Savannahs Seite. „Was bewegt sich denn da?“

„Wahrscheinlich ein Knie oder ein Fuß, vielleicht auch ein Ellbogen … für den Kopf ist es zu klein.“

Jenny begann plötzlich zu zittern und verkroch sich noch tiefer unter die Decke. „Das erinnert mich an einen Film mit Aliens … irgendwelche Kreaturen waren in den Körper eines Menschen eingedrungen.“

Savannah rollte sich auf die Seite und streichelte weiter über ihren Bauch. „Warte, bis du hochschwanger bist. Dann vergehen dir solche Gedanken. Ich liebe es, wenn sie sich bewegt. Es ist so …“

„Sie? Bist du sicher, dass es ein Mädchen ist?“

„Auf dem Ultraschallbild kann man das Geschlecht erkennen, aber wir wollen uns überraschen lassen. Ich sage einfach sie. Eigentlich ist es uns egal, ob Mädchen oder Junge, aber wegen Billy …“

„Ja, Billy.“ Jenny drehte sich zu ihrer Freundin und stützte sich auf den Ellenbogen. „Wie geht es ihm? Und was sagt er zu dem Baby?“

„Wir haben uns Sorgen um ihn gemacht. Als wir es ihm sagten, schien alles in Ordnung. Vielleicht war er etwas stiller und in sich gekehrter als sonst. Aber am nächsten Tag war er verschwunden.“

„Er ist weggelaufen?“

„Nicht direkt. Wir haben ihn zusammengerollt an Maddys Grab gefunden. Bei der ganzen Aufregung hatten wir vergessen, dass es der Todestag seiner Mutter war. Es dauert vielleicht einige Zeit, aber ich hoffe, er begreift, dass das Baby nichts an unseren Gefühlen für ihn ändert.“ Savannah rollte sich wieder auf den Rücken und legte die Hände unter den Kopf. „Trotzdem wäre es vielleicht einfacher, wenn es ein Mädchen wird. Zwischen Billy und Ryder besteht eine ganz besondere Beziehung. Manchmal vergesse ich völlig, dass Ryder nicht sein leiblicher Vater ist.“

Ein verträumtes Lächeln erhellte ihr Gesicht, und Jenny sah weg. Sie war glücklich, dass ihre Freundin so ein erfülltes Leben führte – mit einem Ehemann, den sie vergötterte, einem Adoptivsohn und einem Baby unterwegs, einer Familie und einer Umgebung, in der sie Liebe und Wärme erfuhr und das Gefühl der Zugehörigkeit. Jenny schloss die Augen und hörte den Familiengeschichten nur mit halbem Ohr zu. Ihr war schwer ums Herz. Sie freute sich für Savannah, aber sie verspürte auch eine gewisse Eifersucht. Savannahs Leben hatte sich verändert, seit sie Detroit und die gemeinsame kleine, gemütliche Wohnung verlassen hatte. Die Geheimnisse, Hoffnungen und Ängste, die sie einst mit Jenny geteilt hatte, teilte sie jetzt mit Ryder.

„Jenny, du hörst mir überhaupt nicht zu.“

Jemand klopfte laut, und beide drehten die Köpfe zur Tür.

„Zimmerservice. Darf ich eintreten?“

„Es ist Shane“, flüsterte Jenny und fuhr sich nervös durch ihr ungekämmtes Haar.

„Ich weiß“, meinte Savannah leise und begann zu kichern. „Du siehst gut aus.“ Sie tätschelte Jennys Hand und sagte laut: „Komm herein.“

Shane stieß die Tür mit dem Rücken auf und trat mit einem beladenen Tablett ein. „Hannah hat gesagt, dass sie euch heute ein Frühstück im Bett genehmigt, aber dann ist Schluss damit. Es muss noch viel für das Fest vorbereitet werden.“ Er stellte das Tablett zwischen die beiden jungen Frauen und wandte sich wieder zum Gehen.

„Willst du uns nicht Gesellschaft leisten?“, fragte Savannah. „Es ist genug zu essen da.“

„Ich denke, ich lasse euch beide besser allein.“ Er lächelte freundlich und verließ das Zimmer.

Jenny saß im Schneidersitz unter der Decke und betrachtete die leckeren Sachen auf dem Tablett, ohne ein Wort über Shanes überraschenden Besuch zu verlieren. „Hm … sieh dir das an! Waffeln und Erdbeeren. Hannah ist ein Schatz. Ich kann es kaum abwarten, sie zu begrüßen.“

Savannah biss herzhaft in eine Waffel. „Jenny, was spielt sich eigentlich zwischen dir und Shane ab? Sag nicht, dass er dir gleichgültig ist. Das glaube ich dir nicht. Mir ist schon bei deinem letzten Besuch aufgefallen, wie du ihn angesehen hast. Sei ehrlich, er interessiert dich.“ Sie nahm eine zweite Waffel.

Jenny dachte an sein stoppeliges Kinn und stellte sich vor, wie es sich an ihrer Wange anfühlen würde. Sie trank einen Schluck Kaffee und begegnete dann Savannahs fragendem Blick. „Hör zu, meine liebe Freundin, ich weiß, dass du uns gern verkuppeln würdest, aber da läuft überhaupt nichts. Eine Romanze wie bei dir und Ryder wird es bei uns nicht geben. Shane und ich sind vollkommen unterschiedlich. Außerdem passen wir nicht zusammen. Ich bin hier, um die Feiertage bei meiner besten Freundin zu verbringen, danach kehre ich dorthin zurück, wo ich hingehöre. Nach Michigan. Schluss. Aus. Thema durch.“ Sie sah die Enttäuschung in Savannahs Augen und senkte den Blick.

Es stimmte doch, was sie sagte, oder? Michigan war ihre Heimat. Aber war sie dort wirklich glücklich? Ihre Mutter lebte nicht mehr, und Savannah war in dieses … Paradies gezogen. Ein gottverlassenes Paradies, versuchte Jenny sich einzureden, aber es gelang ihr nicht. Immer wenn sie an Montana dachte, sah sie eine zauberhafte Landschaft und Menschen, die sie liebte – und Shane, diesen Halunken.

„Woran denkst du?“ Savannah betrachtete über den Rand ihrer Tasse ihre Freundin.

„Ich genieße einfach den Moment … dass ich mit dir zusammen bin.“

„Wie hast du es eigentlich geschafft, um die Feiertage herum so viel Urlaub zu bekommen?“

„Ich habe viele Überstunden gemacht und keinen Tag mehr frei gehabt, seit ich das letzte Mal hier war. Mein Chef war zwar nicht gerade begeistert, aber ich habe ihm keine andere Wahl gelassen.“

„Tut mir leid, dass ich nicht zu der Beerdigung deiner Mutter kommen konnte, aber der Arzt meinte, der Flug …“

Jenny berührte Savannahs Hand. „Kein Wort mehr darüber. Ich verstehe dich vollkommen.“

„Du musst sie sehr vermissen.“

Tat sie es? Das schlechte Gewissen regte sich. Natürlich vermisste Jenny ihre Mutter. Manchmal. Aber meistens verspürte sie einfach Erleichterung. „Du weißt, wie verbittert Mom war.“

Savannah nickte. Sie hielt immer noch Jennys Hand.