Dorian Hunter 101 - Cape Wrath - Catherine Parker - E-Book

Dorian Hunter 101 - Cape Wrath E-Book

Catherine Parker

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Beschreibung

Mit Lima und ihrer Brut ist ein neuer Machtfaktor aufgetaucht, der sich sowohl als Feind der Schwarzen Familie wie auch des Dämonenkillers entpuppt. Während Coco Zamis in Österreich einer Spur nachgeht, von der sie sich mehr Informationen über Lima erhofft, steht im Norden Schottlands an der magischen Barriere am Cape Wrath der Entscheidungskampf an. Wird es Dorian und seinem Team gelingen, die Dämonen um Lili Saxon erneut zurückzuschlagen?

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Cape Wrath

 

 

Band 101

 

Cape Wrath

 

von Catherine Parker und Andi Bottlinger

 

Impressum

 

© Zaubermond Verlag 2024

© "Dorian Hunter – Dämonenkiller"

by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

 

 

Titelbild: Mark Freier

 

www.Zaubermond.de

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis
Cape Wrath
Impressum
Was bisher geschah
Erstes Buch: Die Nebelinsel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Zweites Buch
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Vorschau

 

Was bisher geschah

 

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es Dorian, ihnen die Maske herunterzureißen.

Bald kommt Hunter seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Bösen, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. De Condes Versuch, den Teufel zu überlisten, scheiterte. Der Pakt galt, und als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. Im Jahr 1713 wurde er als Ferdinand Dunkel in Wien Zeuge, wie Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, von einem Nachfolger verdrängt wurde, der sich fortan Asmodi II. nannte. Ihn kann Dorian schließlich töten.

Nach vielen Irrungen nimmt Lucinda Kranich, die Schiedsrichterin der Schwarzen Familie, die Rolle des Asmodi an. Niemand weiß, dass sie in Wirklichkeit hinter dem wiedererstandenen Fürsten steckt. Und letztendlich wird ihre Maskerade Wirklichkeit. Dass Lucinda sich einen Teil Asmodis einverleibt hat, um seine Macht zu erlangen, wird ihr zum Verhängnis. Der in ihr schlummernde Asmodi übernimmt die Kontrolle über ihren Körper und ersteht so tatsächlich wieder auf.

Den Posten des Schiedsrichters nimmt die babylonische Vampirin Salamanda Setis an. Gleichzeitig gelingt es Dorian mithilfe seiner Tochter Irene, ganz Großbritannien fast vollständig von Dämonen zu befreien. Um Salamanda als Schiedsrichterin zu stürzen, unterstützt Dorian seinen alten Bekannten, den Januskopf Olivaro, als Schiedsrichter-Gegenkandidaten. Die endgültige Entscheidung über das Schiedsrichteramt soll bei einem Wettstreit fallen. Dieser endet mit Salamandas Tod, aber auch damit, dass der Eidesstab Dorian zum neuen Schiedsrichter erwählt. Asmodi erkennt diese Wahl nicht an und ernennt Zakum, den Archivar der Schwarzen Familie, zum Schiedsrichter. Das hält Dorian nicht davon ab, die Schiedsrichter-Kanzlei in Wien zu besetzen und das Amt anzutreten, mit dem Ziel, die Schwarze Familie von innen heraus zu zerstören.

In der Kanzlei entdeckt Dorian hinter einer magischen Barriere den »Schrein der Schande«, der einige geheimnisvolle Artefakte enthält. Eines davon ist ein Buch, das in Dorian die Erinnerung an ein fremdes Leben weckt. Offenbar wurde der Mönch Turpin vor vielen Jahrhunderten von einer Dämonin namens Lima versklavt. Aus Limas Brut erwächst eine neue Gefahr, die das Dämonenkiller-Team noch nicht einschätzen kann. Während Hunter in Wales gegen eines von Limas Geschöpfen kämpft, bleibt Coco in der Kanzlei beim Schrein der Schande …

Erstes Buch: Die Nebelinsel

 

Die Nebelinsel

 

von Catherine Parker

 

 

Kapitel 1

 

Penrhyndeudraeth

Der Wald umfing sie mit fahlgrüner Dämmerung. Baumschatten reihte sich an Baumschatten. Ringsum tropfte noch das Wasser des Wolkenbruchs von den Blättern, trotz der Kühle schien die Luft zu dampfen.

Außer dem stoßweisen Keuchen aus ihrer eigenen Kehle hatte Elsbeth McLain seit geraumer Zeit kein Geräusch vernommen. Allmählich hatte die junge Hexe genug von der Rennerei.

Wo hastete ihr Vater überhaupt hin? Verfolgte Mordencain bei seiner Flucht ein Ziel?

»Rede mit mir!« Sie stolperte hinter ihm her. »Wovor laufen wir weg?«

Mordencain wandte sich um. Ohne Vorwarnung schlug er mit seinem Eibenstock nach ihr. Das knotige Holz verfehlte sie nur knapp. »Schweig, dummes Ding! Du hast doch gesehen, was passiert ist.« Seine Augen glühten vor Zorn.

Oder war es gar kein Zorn, sondern … Angst?

Elsbeth konnte sich nicht erinnern, ihren Vater jemals so unbeherrscht erlebt zu haben – es sei denn, Kyle und Conor, ihre Brüder, lieferten ihm einen Grund dazu. Mordencain war ein eher kaltblütiger Hexenmeister, er verschaffte sich auf andere Weise Respekt. Dass das Oberhaupt der McLains aus den schottischen Highlands die Kontrolle verlor, kam eigentlich nie vor. Heute schon.

»Lauf weiter!«, fuhr er sie an.

Elsbeth raffte den Rocksaum, sprang über knorrige Wurzeln und glitschige, moosbewachsene Steine. Zweige peitschten ihr ins Gesicht. Der uralte Wald auf den Hügeln bei Portmeirion war ein unwegsames Dickicht. Ganz anders als Rannoch Moor, wo sie aufgewachsen war und wo sie jeden Baum und jedes Sumpfloch kannte.

Mordencain stapfte in seinem Fuchsmantel vor ihr her. Ohne Rücksicht zu nehmen, fegte er herabhängende Äste mit den Armen beiseite. Ständig musste Elsbeth ausweichen oder den Kopf einziehen. Aber sie wagte nicht, sich ein weiteres Mal zu beschweren oder eine Frage zu stellen.

Du hast doch gesehen, was passiert ist.

Das stimmte. Gesehen hatte sie es. Dasselbe wie er.

Aber sie wusste nicht, was es bedeutete.

Schaudernd dachte Elsbeth an den dämonischen Wirbelsturm, der sich über der Mündung des Afon Dwyryd gebildet und Teile des Flussufers verwüstet hatte. Zum Glück waren sie und ihr Vater zu diesem Zeitpunkt schon weit genug von Portmeirion entfernt gewesen. Solange der Wald, durch den sie flohen, nicht einer ähnlichen Windhose zum Opfer fiel, die ihn in gehäckseltes Kleinholz verwandelte, sollten sie sicher sein. Ob das Dorf mit den pastellfarbenen Häusern noch existierte? Oder hatte der Sturm es hinweggefegt? Was war mit den Massen von besessenen Menschen und Dämonen geschehen, die durch die Straßen getaumelt waren?

Ja, Elsbeth hatte es gesehen, aber sie fand keine Erklärung dafür. Es verwirrte sie bloß.

Sie wurde einen Moment langsamer, um Luft zu holen.

»Weiter«, befahl Mordencain, ohne sich umzudrehen. Sein Mantel wehte ihm um die Knöchel. »Schneller!«

Elsbeth gehorchte. Ihre Stiefelsohlen schlitterten über den feuchten Waldboden – ihre Gedanken rasten mit.

Sie hatte ihren Vater zu den Kendricks begleitet. Mordencain hatte sich mit der Waliser Vampirsippe getroffen, um über die Lage in Großbritannien zu beraten. Enttäuscht hatte er feststellen müssen, dass die Kendricks sich bereits von Yama abgewendet hatten. Die Vampire haderten mit der Situation, zweifelten Yamas Macht an. Der chinesische Totengott konnte ihrer Meinung nach nichts gegen die Barriere ausrichten, welche die Dämonen Großbritanniens vom Rest der Welt abschnitt. Dass sie ihr Überleben Yamas Gunst verdankten, schienen die Kendricks vergessen zu haben. Elsbeths Vater hatte das Gespräch abgebrochen, als Vernon Kendrick ihn überreden wollte, sich Asmodi und der Schwarzen Familie anzuschließen. Das kam für ihn nicht in Frage.

Aber dieser Streit konnte nicht der einzige Grund für ihren überstürzten Aufbruch gewesen sein, das wusste Elsbeth. Was in Portmeirion vor sich gegangen war, schien Mordencain aufs Äußerste zu beunruhigen.

Die letzten Beobachtungen gaben ihm da mehr als recht.

»Uh!« Elsbeth prallte gegen seinen Rücken. »Was …?«

Mordencain antwortete nicht. Sie erkannte, dass er vor einem uralten, krumm gewachsenen Baum stehen geblieben war.

Eine Eibe! Endlich ein vertrauter Anblick.

Elsbeth atmete auf. »Denkst du, wir könn…?«

»Schweig!«, zischte Mordencain. »Dein ständiges Geplapper macht noch jemanden auf uns aufmerksam.«

Elsbeth presste die Lippen zusammen. Heute war ihr Vater wirklich unausstehlich. Der magische Sturm musste ihn mehr als erschreckt haben.

Mordencain streckte die linke Hand aus und schob einen dürren, benadelten Zweig beiseite, um den Stamm der Eibe zu betasten. Dann nickte er zufrieden. Elsbeth sah, wie er die Finger spreizte und mit der Handfläche das Zeichen ihrer Familie unter die Rinde brannte.

So war es nur für Dämonen sichtbar.

Eilig kramte sie in ihrer Umhängetasche nach dem kleinen Lederbeutel, in dem sie die Eibennadeln aus ihrer Heimat aufbewahrte. Mithilfe der Eibenkräfte konnten sie nach Taigh Iubhair zurückkehren – ihrem Familiensitz, der nach der ebenfalls uralten Eibe benannt war, die direkt neben ihrem Haus wuchs.

Die McLains kannten seit jeher das Geheimnis der magischen Kraftlinien, die manche Orte miteinander verbanden. Bei der Eibe im Rannoch Moor kreuzten sich sogar mehrere solcher Linien. Dass Mordencain auf diese Weise reiste, kam trotzdem selten vor. Er bevorzugte die Caledonian Railway. Als Kyle einmal gescherzt hatte, sie hätten doch einen Caledonian Express vor der Haustür, hatte ihr Vater ihm eine Kopfnuss verpasst. Magie war kein Spiel, kein purer Lustgewinn für ihn, sondern eine ernstzunehmende Angelegenheit.

»Nein.« Mordencain schüttelte den Kopf, als Elsbeth ihm den Beutel reichen wollte. »Das sind die falschen Nadeln. Wir können nicht nach Taigh Iubhair zurück. Noch nicht.«

»Aber …?«

»Wir müssen zuerst an einen anderen Ort.« Er drehte ihr das Gesicht zu. In der fahlgrünen Dämmerung sahen seine Züge wie in Stein gemeißelt aus. Dennoch hatte sie wieder das Gefühl, dass er Angst empfand. Das Flackern in seinen Augen verriet ihn, noch bevor er sagte: »Wir brauchen Hilfe. Jemanden, der stark genug ist, uns zu beschützen.«

Elsbeth nickte. »Yama.«

»Nicht Yama!« Mordencain spuckte aus. »Wir sind zu wenige in diesem Land, die ihm dienen. Auf Yamas Eingreifen können wir uns nicht verlassen.«

Das mochte zutreffen. Yama war ein fremder Gott auf diesem Boden, seine Anhängerschaft umfasste wenige hundert Dämonen, und sie lebten quer über die ganze Insel verstreut.

»Wenn meine Ahnung mich nicht trügt, hatten wir es in Wales mit Limas Brut zu tun.« Mordencain sprach so leise weiter, dass Elsbeth ihn kaum noch verstand. »… können wir im Kampf nichts ausrichten.«

Elsbeth starrte ihren Vater an.

Limas Brut? Wovon redete er?

Mordencains Stimme klang jetzt eindringlicher. »Wenn wir überleben wollen, müssen wir einen Weg beschreiten, den vor uns noch niemand gegangen ist.«

Elsbeth konnte seiner gemurmelten Erklärung kaum folgen. Offenbar befürchtete er, dass Portmeirion nur der Anfang gewesen war und ihnen durch Limas Brut die Vernichtung und Auslöschung drohte. Angst erfasste Elsbeth.

»Was sollen wir tun?«

»Uns bleibt nur eine Möglichkeit.« Mordencain legte die Stirn in Falten. Sein Blick war finster und unheilvoll. »Wir müssen uns mit jemandem verbünden, der über ähnliche Kräfte wie unser Feind verfügt.«

»So jemanden gibt es?« Elsbeth fragte sich, von wem er sprach. Doch Mordencain war nicht gewillt, noch mehr Zeit mit Erklärungen zu verschwenden.

Er griff in die Tasche seines Mantels und holte dort seinen eigenen Lederbeutel hervor. Darin bewahrte er Nadeln anderer Eiben auf – von Orten, an denen Elsbeth nie gewesen war.

Er wählte eine Nadel von seltsam heller Farbe aus.

Mordencain ritzte damit die Rinde der walisischen Eibe, dann forderte er Elsbeth auf, ihm die Phiole mit Fledermausblut zu geben. Sie händigte ihm das Gewünschte aus.

Mit einem Tropfen des Blutes beschwor ihr Vater den Ort, den er aufsuchen wollte. Zwischen den gälischen Worten, die er murmelte, glaubte Elsbeth »Glastonbury« zu hören.

Hastig fasste sie nach seiner Hand. Mit geschlossenen Augen wartete sie auf das schwindelerregende Summen im Kopf, das zu dieser Art des Reisens gehörte. Elsbeth mochte es nicht sehr gern, weil ihr dabei übel wurde – aber sie bewunderte Mordencain für seine Fähigkeit, große Entfernungen auf diese magische Weise schnell zu überwinden. Widersacher, die sich vor ihm sicher wähnten, hatte er so schon öfter aus dem Weg geräumt. In den Highlands legte sich kein Hexenclan mehr mit den McLains an.

Elsbeth spürte einen Ruck. Das Summen in ihren Ohren wurde zu einem rauschenden Tosen. Dann hob etwas ihre Füße vom Boden und wirbelte sie davon.

 

Gleich darauf fiel sie auf weichen Untergrund. Mordencain ließ ihre Hand los. Elsbeth strauchelte, griff haltsuchend ins Leere und landete unsanft auf den Knien. »Au!«

»Wheesht!«, zischte Mordencain.

Elsbeth rappelte sich hoch und rieb den Schmutz vom Stoff ihres Rocks. Stumm sah sie sich um. Die Landschaft wirkte mystisch und fremd. War das Glastonbury Tor dort auf dem Hügel?

Sie kniff die Augen zusammen, um klarer sehen zu können, aber es half nicht. Stattdessen schien das diesige Zwielicht nur noch undurchdringlicher zu werden.

Nebel zog auf. Von allen Seiten.

Wie weiße Leichentücher hüllte er sie ein.

»Vater?«, wisperte sie.

Zu ihrer Verblüffung lachte Mordencain leise.

»Wir sind hier richtig. Es funktioniert!«

Was denn, wollte Elsbeth fragen – da bemerkte sie, dass ihre Schuhe nass wurden. Hastig sprang sie einen Schritt zurück.

Die Feuchtigkeit breitete sich aus. Schilf wuchs empor. Und während der Nebel weiter auf sie zu kroch, wurden die Umrisse eines Sees hinter den Schilfhalmen sichtbar.

Ungläubig starrte Elsbeth auf das dunkle Wasser.

Wie konnte das sein? Wo kam es her? Vor einer Minute war an dieser Stelle noch kein See gewesen.

Mordencain klopfte mit seinem Eibenstock fest auf den Boden. Wartete. Lauschte. Klopfte erneut. Dann nickte er.

»Siehst du das?« Er deutete aufs Wasser.

Ein länglicher dunkler Schatten bewegte sich aus dem Nebel durch das hohe Schilf auf sie zu. Als der Schatten ans Ufer vor ihren Füßen stieß, erkannte Elsbeth, was es war.

Ein Boot!

»Kein Fährmann?« Mordencain runzelte die Stirn. »Nun, wenn uns niemand abholt, müssen wir den Weg mit der Barke eben allein finden. Steig ein!«

Elsbeth krallte sich an seinem Fuchsmantel fest, damit sie nicht ins Wasser fiel. Ungeschickt kletterte sie ins Boot. Ganz deutlich spürte sie einen Widerstand – ähnlich, wie wenn sie eine Grenze übertrat, die mit zu schwachen Dämonenbannern gesichert war. Vielleicht gehörte dieses Boot jemandem, der über weißmagische Kräfte verfügte.

Doch woher sollte ihr Vater so jemanden kennen?

Sobald sie vorn am Bug kauerte, gab Mordencain der Barke einen Stoß und schwang sich selbst hinein. Es lagen keine Ruder im Boot, nur eine hölzerne Stange. Knurrend bückte Mordencain sich danach.

Gleich darauf stakte er die Barke langsam vorwärts.

Lautlos glitten sie hinaus auf den See. Tiefer in den Nebel hinein. Elsbeth streckte die Hand aus, doch sie konnte nicht einmal mehr ihre Fingerspitzen deutlich erkennen.

Und die Schwaden wurden noch dichter.

Hüllten sie vollkommen ein.

Elsbeth fröstelte. Sie wagte nicht, sich zu rühren.

»Weiche!«, befahl Mordencain dem Nebel.

Ein Korridor öffnete sich vor dem Bug.

Mordencain steuerte hinein. Doch schon nach wenigen Sekunden umschloss der Nebel sie wieder.

»Weiche!«, wiederholte Mordencain.

Dieses Mal verflüchtigten sich die Schwaden für einen Moment auf der linken Seite.

»Da entlang«, rief Elsbeth.

Mordenain änderte die Richtung. Doch sie kamen nicht weit. Dem Nebel gelang es ständig, sie in die Irre zu führen.

Wie Trugbilder tanzten die Schleier um die Barke. Gaukelten Harmlosigkeit vor. Leichtigkeit und Luftigkeit. Während sie sich in Wahrheit verdichteten, sodass Elsbeth Mühe hatte, zu atmen. Sie presste ihr Schaltuch vors Gesicht.

Dieser Nebel hatte so gar keine Ähnlichkeit mit dem Nebel, den sie von zu Hause kannte – der an trüben Tagen übers Moor wehte und sie und ihre Brüder als Kinder oft zum Spielen gelockt hatte. Moorgeister, Irrlichter und allerlei Gewürm trieben dann ihren Schabernack, aber trotzdem hatte Elsbeth sich dort immer sicher gefühlt – weil sie wusste, worauf sie achten musste. Der Nebel von Taigh Iubhair war ein Freund.

Dieser Nebel über dem See von Glastonbury war etwas ganz anderes. Er war heimtückisch und gefährlich.

Vielleicht sogar tödlich.

Der Nebel erinnerte Elsbeth an vergiftete Milch.

»Fíth-fáth!« Mordencains Stimme vibrierte vor unterdrückter Wut, als er eine neue Beschwörung murmelte.

Der Nebel riss jedes seiner Worte in Fetzen. Waberte davon und trug die nutzlosen Silben mit sich.

Verspottete er seine unerwünschten Besucher?

Mordencain schien das zu denken.

Die Barke verharrte regungslos auf dem Wasser. Um Elsbeths Stiefel sickerten Tropfen durch das Holz. Schlug sich dort nur der Nebel nieder, oder würde das Boot ein Leck bekommen und sinken? Der See war scheinbar nicht tief, aber ihm war nicht zu trauen.

»Warum weicht der Nebel nicht?«, wisperte sie.

Bisher hatte sie es selten erlebt, dass jemand – oder etwas – es wagte, ihrem Vater nicht zu gehorchen. Mordencain war ein bedeutender Hexer. Normalerweise brach die Kraft seiner Beschwörungen jeden Widerstand in Stücke.

»Das ist kein normaler Nebel«, grollte Mordencain. »Er ist Jahrhunderte alt. Und er erfüllt genau die Aufgabe, für die er einst erschaffen wurde. Er soll uns fernhalten.«

»Fernhalten? Wovon?«

»Von der Insel in seiner Mitte.«

Mordencain klang so unwirsch, dass Elsbeth keine weiteren Erklärungen erbettelte. Wenn sie seine Geduld überreizte, stieß er sie möglicherweise einfach über Bord.

Mordencain zischte eine Reihe von Verwünschungen.

Nichts geschah.

Nachdem er eine Zeitlang mit geballten Fäusten in den Nebel gestarrt hatte, erhellte sich seine Miene. Die Zornesfalte auf seiner Stirn verschwand.

»Natürlich«, sagte er. »Wir sind McLains! Wir müssen es auf unsere Weise versuchen.«

»Was meinst du?«

»Schöpf eine Handvoll Wasser aus dem See!«

Elsbeth begriff nicht, was er damit wollte, tat es aber trotzdem. Mit den Handflächen formte sie ein halbrundes Gefäß und tauchte kurz ein. Ihre Hände umfassten so etwa eine halbe Tasse Wasser, die sie Mordencain hinstreckte.

»Halte die Hände vollkommen ruhig«, befahl er.

Sie bemühte sich. Die Barke schaukelte leicht, daher war es nicht ganz einfach. Endlich gelang es.

Als die Oberfläche des Wassers in ihren Händen so glatt wie ein Spiegel war, ließ Mordencain eine seiner Eibennadeln hineinfallen. Wieder murmelte er eine Beschwörung, doch dieses Mal passte er sie der Umgebung an. Leise und fließend tauchten seine gälischen Worte in die totenähnliche Stille ringsum. Wurden eins mit dem Nebel.

Die Nadel drehte sich langsam in Elsbeths Händen.

Ihre Spitze zuckte, als suche sie etwas – dann zeigte die Nadel eine Richtung an.

»Dort liegt die Insel, die wir suchen.« Triumphierend griff Mordencain nach der Stange. »Achte darauf, was sie anzeigt! Die Eibennadel wird unser Kompass sein.«

 

Minuten später erreichten sie Land.

»Endlich!« Mordencain drängte an Elsbeth vorbei und sprang mit einem Satz aus der Barke. »Los, komm schon!«

Sie folgte ihm zögernd. Unter ihren Stiefeln knirschte es, als sie ihrem Vater half, das Boot etwas höher an den Strand zu ziehen.

Die Barke war an einer flachen Stelle angelandet. Die Bucht, die sich vor Elsbeths Augen erstreckte, war schmal und mit grobkörnigem Sand bedeckt. Rechts und links ragten schroffe Felsen auf. Da der Nebel weiterhin dicht war, konnte Elsbeth ansonsten kaum etwas von der Umgebung erkennen. Sie glaubte das frische Grün von Bäumen zu riechen. Es musste einen Wald oder einen Eichenhain in der Nähe geben.

»Dies ist ein sehr alter Ort«, sagte Mordencain. In seiner Stimme vernahm Elsbeth fast so etwas wie Ehrfurcht.

Das fand sie mehr als ungewöhnlich.

»Bist du schon einmal hier gewesen?«

»Nein, aber ich habe vor langer Zeit davon gehört, dass diese Insel existiert. Die alten Überlieferungen erzählen davon. Ich hätte nie gedacht, dass es je einen Anlass für mich geben würde, einen Fuß darauf zu setzen. Dieser Boden ist heilig. Nicht für uns gedacht.«

Mehr sagte er nicht. Das war auch nicht nötig.

Elsbeth erschauerte in der kühlen Luft.

Dass diese Insel einst von weißer Magie beherrscht worden war, konnte man immer noch spüren. Deshalb hatte der Nebel versucht, sie fernzuhalten und in die Irre zu locken. Kein Krümelchen Erde, kein Stein hier hieß sie willkommen.

Die Insel erkannte sie als Feinde.

»Wir sollten nicht hier sein«, flüsterte Elsbeth.

Mordencain machte eine unwillige Handbewegung. »Ich denke, wir haben jedes Recht dazu! Hier ruht jemand, der seine Stärke in ferner Vergangenheit schon einmal bewiesen hat. Wir müssen ihn finden und aus dem Schlaf wecken. Damit er uns in dem Kampf hilft, der uns bevorsteht.«

Von wem redete ihr Vater bloß?

Mordencain klopfte mit seinem Eibenstock auf den Boden.

Elsbeth kam es vor, als würden Schockwellen durch die Insel laufen. Sie schluckte und kaute nervös an ihrer Unterlippe.

»Dort entlang«, sagte Mordencain zufrieden.

Zwischen den Felsen wurde ein Pfad sichtbar.

Hatte die Insel ihm auf eine stumme Frage geantwortet?

Er schien hier jedenfalls einiges wahrzunehmen, das Elsbeth entging. Es wunderte sie nicht. Die Hexenkraft ihres Vaters war viel stärker ausgeprägt als ihre und geschult durch die jahrhundertealte Tradition des Clans. In den Highlands nahm es niemand mit dem Oberhaupt der McLains auf.

Sie folgte ihm schweigend bis zum Rand der Bucht. Der Pfad war schmal und steinig. Er schlängelte sich zwischen den Felsen hindurch bis auf eine Anhöhe, wo die letzten Felsen eine Art Tor bildeten. Ohne zu zögern schritt Mordencain hindurch. Elsbeth huschte hinter ihm her.

»Oh.« Staunend blickte sie sich um.

Hier endlich lichtete sich der Nebel und gab die Sicht frei auf einen runden, grasbewachsenen Platz. Ein Windhauch wehte ein paar Eichenblätter vor Elsbeths Füße – sie hatte sich also nicht getäuscht, was die Bäume betraf. Im Hintergrund lag der Eingang zu einer Felshöhle. Die Höhle schien leer, aber es war für Elsbeth schwer einzuschätzen, wie tief sie in den Fels hineinreichte.

Unmittelbar vor dem Eingang zur Höhle thronte inmitten des Platzes ein großer, unbehauener Stein. Er reichte Mordencain bis zur Hüfte und war so breit, dass ihr Vater ihn kaum mit den Armen hätte umfassen können.

Elsbeth spürte die Magie, die den Stein umgab.

Mit dem Eibenstock in der Hand ging Mordencain langsam und bedächtig darauf zu.

Der Steinbrocken wirkte kantig und roh, so wie die Natur ihn einst aus dem Fels geboren hatte. Kein Steinmetz hatte ihn bearbeitet oder Gravuren hineingeritzt. An einer Seite wies der Stein einen klaffenden Spalt auf, fingerlang und schmal. Strömte die Magie, die Elsbeth wahrnahm, aus dieser Kerbe? In ihrem Kopf tauchte plötzlich ein Bild von einem Schwert auf, das in diesem Stein steckte …

»Steh nicht herum und starr Löcher in die Luft«, herrschte ihr Vater sie an. »Mach dich nützlich!«

»Was soll ich tun?«

Mordencain wollte den Stein entweihen. Er verlor keine Zeit. Elsbeth half ihm, das Ritual vorzubereiten. Sie zeichneten Linien um den Stein und hinterließen damit eine Brandspur, die einen fünfzackigen Stern bildete.

Elsbeth fühlte sich unbehaglich dabei. Doch Mordencain gab vor zu wissen, was er tat.

»Wer auf dieser Insel ruht, der hat geschworen zu erwachen, wenn Britannien Gefahr droht. Die Gefahr, die von Limas Brut ausgeht, kann er nicht leugnen. Er ist an seinen Schwur von einst gebunden. Wenn ich ihn zu Hilfe rufe, muss er erwachen und uns beistehen.«

Die magischen Flammen züngelten im Gras. Beißender schwarzer Rauch hüllte den Stein ein. Mordencain träufelte Eibengift auf die Oberfläche. Der Stein verfärbte sich, ein Gespinst aus Fäulnis wucherte über ihn.

Der weiße Nebel wich noch weiter zurück.

Mordencain lächelte. Stolz blitzte in seinen Augen.

Er klopfte mit seinem Eibenstock auf den Stein.

»Erwache!«

Elsbeth sah, wie ihr Vater schwarzmagische Symbole in den Rauch malte. Die Insel beschwor, den Schlafenden zu wecken. Wie Donnerhall durchbrach Mordencains Stimme die Stille auf dem Plateau vor der Höhle.

»Dein Schwur bindet dich – und ich rufe dich zu mir!«

Aus Richtung des klaffenden Höhleneingangs war ein Geräusch zu hören. Etwas bewegte sich dort. Elsbeths Hände begannen vor Aufregung zu schwitzen.

»Tritt hervor«, donnerte Mordencain.

Elsbeth riss ungläubig die Augen auf.

Aus der Höhle trat … ein Ritter!

Er trug eine Kettenrüstung und einen Helm mit geschlossenem Visier. Arme und Beine wurden von schweren eisernen Schienen geschützt. Bei jedem Schritt, den er tat, klirrte es.

Doch was Elsbeths Blick vor allem anzog, war das funkelnde Schwert in der Hand des Ritters.

Mordencain lachte. Triumphierend hob er die Arme.

»Ich war es, der dich gerufen hat! Großbritanniens Dämonen werden mir auf Knien danken dafü…«

Er sprach den Satz nicht zu Ende.

Denn noch während er auf den Ritter zuging, holte dieser mit dem Schwert aus und trennte Mordencains Kopf vom Hals.

In hohem Bogen flog der Kopf ihres Vaters auf Elsbeth zu.

Und Elsbeth kreischte, wie sie es noch nie in ihrem Leben getan hatte.

 

Kapitel 2

 

Cape Wrath

Don Chapman starrte durch das Fernglas.

Seit dem Morgen hatte der Wind aufgefrischt und sämtliche Regenwolken über dem Nordatlantik vertrieben. Der Himmel über den Klippen von Clò Mòr war strahlend blau.

Ein ungewohnter Anblick.

Es hätte fast schön sein können – wenn man nicht ungeschützt den Sturmböen ausgeliefert war, weil man hoch oben auf einem einsamen Leuchtturm stand und die Aufgabe hatte, eine Horde Dämonen an den Klippen zu beaufsichtigen.

So wie Don.

Der Wind pfiff ihm auf der Außengalerie des Lampenhauses derart um die Ohren, dass er kaum hörte, wie die Tür neben ihm aufging. Dennoch nahm er die Bewegung hinter dem Glas wahr. Er fuhr herum, und seine Hand zuckte zum Holster. Fast hätte er das Fernglas fallen lassen, mit dem er gerade noch akribisch die Brandung abgesucht hatte. Manche der Biester konnten ziemlich gut schwimmen.

»Ach, du bist es.« Er sollte es sich endlich abgewöhnen, jedes Mal die Waffe zu ziehen. Außer ihm und Gavin, dem schlaksigen Adepten der Magischen Bruderschaft, war niemand mehr hier, der Zutritt zum Turm hatte.

»Hej«, sagte Gavin. »Wer sollte es sonst sein?«

Die Frage war ebenso überflüssig wie Dons eigene Bemerkung zuvor, aber wenn es kaum etwas Interessantes zu besprechen gab, redete man eben über Nichtigkeiten.

Gavin trat neben Don und verschränkte die Arme. Er war Mitte Zwanzig, mit seinem bartlosen Gesicht sah er aber eher so aus, als würde er demnächst seinen Schulabschluss machen. Manchmal kam Don sich in seiner Gegenwart wie der Babysitter vor. Gavins nordischer Akzent verriet, dass seine Mutter aus Schweden stammte. Von ihr hatte er auch das hellblonde Haar geerbt, das ihm halblang über die Ohren fiel. Dass er hier mit Don ausharren musste, während die anderen Adepten sich um die Sicherung weiterer Küstenabschnitte kümmerten, trug Gavin mit Fassung. Die Langeweile, die Don plagte, schien ihm wenig auszumachen. Vielleicht hatte er seine Kindheit an einem abgelegenen Fjord in der Gesellschaft von Füchsen und Eichhörnchen verbracht – oder der Junge hatte einfach ein sonniges Gemüt. Don beneidete ihn insgeheim darum.

»Gibt’s irgendwas Neues?«, fragte Gavin.

»Abgesehen von der fantastischen Fernsicht heute?«

»Das meinte ich nicht.«

»Schon klar.«

»Also nichts Neues.« Gavin drehte eine kurze Runde um den Lampensockel. Über die gusseiserne Brüstung hinweg blickte er in alle Richtungen. Der zwanzig Meter hohe Leuchtturm war perfekt, um die Gegend zu überwachen – vorausgesetzt, das Wetter spielte mit. Wenn Nebel aufzog, was durchaus öfter vorkam, sah man ringsum nicht viel. Als Gavin wieder neben Don stand, rieb er sich fröstelnd die Arme.

»Echt kalt heute …«

Don grinste. »Du lernst es nie, was?«

»Hm?«

»Deinen Anorak anzuziehen, ehe du hier raufkommst.«

Der junge Adept ignorierte den Spott. Er kniff die Augen zusammen und fixierte die schroffen Felsnadeln, die aus dem Meer aufragten. Seepocken klebten an dem Gestein. Außerdem hockten dort einige dämonische Kreaturen – so unbeweglich wie die steinernen Gargoyles auf den Dächern der Londoner Kathedralen.

»Die geben nicht auf«, sagte Don. »Die glotzen und glotzen, Tag und Nacht. Als hätten sie vor, die Dämonenbanner von den Klippen zu starren.«

»Das wird nicht passieren! Die Banner sind intakt und werden standhalten. Ich habe alle überprüft.«

»Weiß ich doch.« Don klopfte Gavin besänftigend auf die Schulter. Der Junge war ja ganz okay, aber mit Humor hatte er es nicht so.

Dabei wäre es zum Zeitvertreib nett gewesen, ein paar blöde Witze reißen zu können. Es gab sonst einfach nichts, das man tun konnte. Die Abgeschiedenheit von Cape Wrath mochte für seltene Seevögel oder vom Aussterben bedrohte Moorhühner ein Segen sein, Don fand es total öde.

Auch die Horde Vampire, die an dem schmalen Strand unterhalb der Steilküste herumlungerte, geriet regelmäßig in Streit – vermutlich langweilten die Dämonen sich ebenso.

»Was ist mit der Yacht?«, fragte Gavin.

»Liegt vor Anker.« Don reichte ihm das Fernglas. »Genau wie die anderen Boote. Da tut sich nichts. Schau selbst!«

»Lili Saxon ist sicher noch da draußen.«

»Ja, und? Willst du ihr beim Planschen zuschauen?«

Gavin verzog keine Miene.

»Okay, der Witz war erbärmlich«, gab Don zu.

Außerdem stimmte es, Lili Saxon würde nicht aufgeben. Dass sie bei ihrem Versuch, die Klippen zu stürmen, gescheitert war, würde sie nicht davon abhalten, es ein weiteres Mal zu versuchen. Irgendwann würde sie wieder einen großen Angriff starten. Lili Saxon lag viel daran, in die Fußstapfen ihres toten Vaters Gerold zu treten.

Ob die Hexe wusste, wer sich im Leuchtturm aufhielt?

Ausgerechnet Don war es nämlich gewesen, der Gerold Saxon mit einem Ritualdolch getötet hatte.

»Das sind eine Menge Dämonen da draußen.« Gavin runzelte die Stirn. »Worauf warten die bloß?«

»Keine Ahnung.« Don seufzte. »Ich dachte ja, wir hätten das Pack besiegt und der Rest würde bald abhauen. Aber da habe ich mich wohl getäuscht.«

Leider! Es war eine Art Pattsituation entstanden.

Die Dämonen am Strand attackierten die Klippen zwischendurch immer wieder mit Schwarzer Magie – oder indem sie frustriert stinkende Batzen Tang, Treibgut oder kleinere Felsbrocken dagegen warfen. Als würde das irgendetwas nützen!

Von einem Boot aus hatte es neulich ein Vampir mit einer Harpune probiert, von deren Spitze ekliger schwarzer Schleim getropft war.

»Dämonenkotze«, hatte Don es genannt.

Es war lächerlich, dass den Kreaturen nichts Besseres einfiel. Auf diese Weise würden sie die Banner garantiert nicht beschädigen. Trotzdem musste die Barriere vor Cape Wrath pausenlos überwacht werden.

Ein nervtötender Job.

Don hatte das Gefühl, dass die Eintönigkeit seinen Verstand einlullte. Manchmal kam er sich wie paralysiert vor.

Anfangs war es hier, am nordwestlichsten Punkt Schottlands, noch ziemlich dramatisch zugegangen. Die Dämonen hatten mit aller Macht versucht, die Klippen zu stürmen, dabei waren etliche der hässlichen Kreaturen verendet. Leider hatten die Bastarde auch die Menschen aus den Küstendörfern angelockt und ein übles Gemetzel unter der Bevölkerung angerichtet. Im Kampf geholfen hatte das Blutbad den Dämonen am Ende nichts, die Barriere hatte dem Ansturm getrotzt.

Und seitdem hielt sie stand – fester denn je.

Das ganze Gelände um Cape Wrath war mittlerweile akribisch abgeriegelt. Don und Gavin hatten sich als Beamte des Secret Service ausgegeben und den Leuchtturm kurzerhand im Namen des britischen Königshauses für beschlagnahmt erklärt. Auf mehrere Meilen durfte sich dem Sperrgebiet von der Landseite her niemand mehr nähern – und der Leuchtturmwärter durfte die umzäunte Zone nicht mehr verlassen. Der alte Perkins hatte seine Festsetzung mit einem verärgerten »Aye, Sir!« akzeptiert. Nach wie vor verrichtete er einen Teil seiner täglichen Arbeit, allerdings nur die Tätigkeiten, die sie ihm ausdrücklich gestattet hatten. Stur ignorierte er jeden weiteren Gruß und jedes Gespräch. Das war seine Art, ihnen zu zeigen, was er von ihnen hielt.

»Der Kerl hasst uns.« Gavin wies nach unten, wo der hagere Alte gerade eine Gießkanne schleppte.

»Verständlich«, fand Don.

»Plötzlich stumm kann er ja nicht sein«, überlegte Gavin und beobachtete den Mann weiter. Dabei gab es nichts Aufregendes zu sehen. Der Alte goss nur seine kümmerlichen Kräuter, die er in einen Blechkasten vor dem weißgekalkten Wärterhäuschen gepflanzt hatte. Kein einziges Mal sah er dabei nach oben.

»Perkins ist nicht stumm.« Don gähnte und kratzte sich im Nacken. »Der hat nur keine Lust, mit uns zu reden. Hätte ich auch nicht, wenn ich an seiner Stelle wäre.«

Sie mussten Perkins hierbehalten, damit er notfalls nach dem Rechten sehen konnte. Er war der Einzige, der sich mit dem Betrieb des Leuchtturms, der Pflege der empfindlichen Linsen und der Wartung der Lampe auskannte. Aber sie hatten ihn aus seinem Kontrollraum verbannt. In dem holzgetäfelten Zimmer ganz oben, von dem eine Leiter hinauf zum Lampenhaus führte, hatten sie sich selbst einquartiert. Perkins durfte den Turm nur noch nach Aufforderung betreten. Damit sie sich darauf verlassen konnten, dass er sich an das Verbot hielt, hatte Gavin die Anweisung mit Hypnose verstärkt.

»Ich geh runter und mach uns einen Kaffee.« Don wandte sich zur Tür. »Zum Aufwärmen.«

»Hab ich schon erledigt.« Gavin folgte ihm.

Über die Leiter gelangten sie in ihren Aufenthaltsraum. Von hier aus führte die schmale Wendeltreppe weiter hinab, bis ganz nach unten. Es gab mehrere kleine Lagerräume und einen Maschinenraum im Turm. Don war die Stufen inzwischen so oft hinauf- und hinuntergestiegen, dass er die Treppe im Schlaf bewältigt hätte.