Edgar Allan Poe - Gesammelte Werke - Edgar Allan Poe - E-Book

Edgar Allan Poe - Gesammelte Werke E-Book

Edgar Allan Poe

0,0

Beschreibung

*** Fünfte, überarbeitete Auflage mit zusätzlichen Texten *** Über 1000 Seiten Edgar Allan Poe ist einer der wichtigsten und einflussreichsten Schriftsteller, der auch weit nach seinem Tod großen Einfluss auf Autoren, Filmemacher und Künstler unserer Zeit hat. Dieses Buch wird Sie ein Stück begleiten bei der Entdeckung dieses großartigen Künstlers. Lesen Sie eine spannende Auswahl aus seinem Werk. Darunter die bekanntesten Gedichte wie "Leonore", "Der Rabe", "Annabel Lee" und Geschichten wie "Der Untergang des Hauses Usher", "Der Doppelmord in der Rue Morgue", "Die schwarze Katze" und viele mehr. Insgesamt erwarten sie auf 1217 Seiten 38 Gedichte, 45 Geschichten, 4 Novellen, Poes einziger Romen "Die denkwürdigen Erlebnisse des Artur Gordon Pym" und ein einführender Aufsatz zu Leben und Werk. Viel Vergnügen bei diesem frühen Meister seines Fachs, der leider viel zu früh verstorben ist. Ausschnitt aus "Der Rabe" Hastig stieß ich auf die Schalter - flatternd kam herein ein alter, Stattlich großer, schwarzer Rabe, wie aus heiliger Zeit hervor, Machte keinerlei Verbeugung, nicht die kleinste Dankbezeigung, Flog mit edelmännischer Neigung zu dem Pallaskopf empor, Grade über meiner Türe auf den Pallaskopf empor - Saß - und still war's wie zuvor. 4. Auflage Umfang: 1213 Buchseiten bzw. 662 Normseiten Null Papier Verlag

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 1487

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Edgar Allan Poe

Gesammelte Werke

Edgar Allan Poe

Gesammelte Werke

 

Überarbeitung, Umschlaggestaltung: Null Papier Verlag

5. Auflage, ISBN 978-3-943466-95-9

www.null-papier.de/poe

 

Inhalt

EDGAR ALLAN POE

GEDICHTE

Der Rabe

Gebet

Ulalume

Die Glocken

Annabel Lee

An meine Mutter

Das Kolosseum

Das Geisterschloß

Lenore

Israfel

An Marie Louise Shew

An Helene

Eroberer Wurm

An Frances S. Osgood

An Eine im Paradies

Das Tal der Unrast

Die Stadt im Meer

Die Schlafende

Schweigen

Ein Traum in einem Traum

Traumland

An Zante

Eulalie

El Dorado

Für Annie

An –

Braut-Ballade

An F –

An den Fluß

Ein Traum

Romanze

An M. L. S.

An –

Sonett an die Wissenschaft

Hymne

Lied

Märchenland

Der See

GESCHICHTEN

Der Untergang des Hauses Usher

Der Mann der Menge

Hinab in den Maelström

Die Maske des roten Todes

Wassergrube und Pendel

Das schwatzende Herz

Der entwendete Brief

Bericht über den Fall Valdemar

Der alte Mann mit dem Geierauge

Die Rache des Zwerges

Eine Geschichte aus dem Felsengebirge

Schweigen

Schatten

Morella

Metzengerstein

Eleonora

Eine Erzählung aus den Ragged Mountains

Du bist der Mann

Die längliche Kiste

Die Insel der Fee

Der Teufel der Verkehrtheit

Der Herrschaftssitz Arnheim

Das ovale Porträt

Berenice

Eine Geschichte aus Jerusalem

Bon-Bon

Das Manuskript in der Flasche

König Pest

Das Stelldichein

Vier Tiere in einem

Ligeia

Der Teufel im Glockenstuhl

William Wilson

Die schwarze Katze

Die Brille

Der Duc de l’Omelette

Lebendig begraben

Des wohlachtbaren Herrn Thingum Bob

Das System des Dr. Teer und Prof. Feder

Die Tatsachen im Falle Waldemar

Die Sphinx

Das Faß Amontillado

Hopp-Frosch

Von Kempelen und seine Entdeckung

Landors Landhaus

ROMAN & NOVELLEN

Die denkwürdigen Erlebnisse des Artur Gordon Pym

Der Doppelmord in der Rue Morgue

Der Goldkäfer

Das unvergleichliche Abenteuer eines gewissen Hans Pfaall

Das Geheimnis der Marie Rogêt

INDEX

DAS WEITERE VERLAGSPROGRAMM

Vorwort zur vierten Auflage

Liebe Leser,

auch im schnellen Geschäft der E-Book-Verlegerei ist es erstaunlich, wenn bereits nach zwei Jahren eine vierte, überarbeitete Fassung vorliegt.

Neu hinzugekommen sind: »Berenice«, »Das ovale Porträt«, »Das unvergleichliche Abenteuer eines gewissen Hans Pfaall«, »Der Goldkäfer«, »Der Herrschaftssitz Arnheim«, »Der Teufel der Verkehrtheit«, »Die denkwürdigen Erlebnisse des Artur Gordon Pym«, »Die Insel der Fee«, »Die längliche Kiste«, »Du bist der Mann«, »Eine Erzählung aus den Ragged Mountains«, »Eleonora«, »Schweigen«, »Eine Geschichte aus dem Felsengebirge«, »Die Rache des Zwerges«, »Der alte Mann mit dem Geierauge«, »Bericht über den Fall Valdemar«

Das Buch hat Ihnen gefallen? Dann würde ich mich sehr über eine positive Bewertung freuen.

Das Buch hat Ihnen nicht gefallen? Dann wäre ich für jeden Hinweis dankbar. Schreiben Sie mir doch direkt: [email protected]. Geben Sie mir eine Chance zur Reaktion, falls etwas nicht nach Ihren Wünschen oder Vorstellungen war.

Das komplette Verlagsprogramm finden Sie unter www.null-papier.de. Abonnieren Sie noch heute meinen Newsletter: www.null-papier.de/newsletter.

Herzliche Grüße

Jürgen Schulze, Null Papier Verlag

Edgar Allan Poe

Edgar Allan Poe (* 19. Januar 1809 in Boston, Massachusetts, USA; † 7. Oktober 1849 in Baltimore, Maryland) prägte entscheidend die Genres der Kriminalliteratur, der Science Fiction und der Horrorgeschichte. Seine Poesie bildete die Basis des aufkeimenden Symbolismus und damit der modernen Dichtung.

Edgar Allan Poe wurde als Sohn der in England geborenen Schauspielerin Elizabeth Arnold Poe und des aus Baltimore stammenden Schauspielers David Poe in Boston geboren. Der Vater verließ die Familie früh, die Mutter starb jung mit 23 Jahren an der Tuberkulose. Der zweijährige Poe, sein zwei Jahre älterer Bruder William Henry Leonard und seine ein Jahr jüngere Schwester Rosalie blieben mittellos zurück.

Edgar Allan Poe und seine Geschwister wurden von verschiedenen Familien aufgenommen. Und obwohl er sich nicht immer in seiner Pflegefamilie akzeptiert fühlte, nahm er deren Familienname Allan als Zweitname an.

1815 zog die ganze Familie wegen geschäftlicher Verpflichtungen nach England, wo Poe von 1816 bis 1817 ein Internat besuchte. Die Wirtschaftskrise von 1819 belastete die Familie sehr, so dass man sich gezwungen fühlte, 1820 wieder in die Vereinigten Staaten zurückzukehren.

Daheim in Richmond genoss Poe weiterhin eine gute Erziehung, zeigte eine hohe Begabung für Sprachen und entwickelte sich zu einem hervorragenden Sportler, insbesondere Schwimmer.

Im Alter von 14 Jahren verliebte sich Poe in Jane Stanard, die 30-jährige Mutter eines Schulfreundes. Jane Stanard starb ein Jahr später, und Poe besuchte wiederholt ihr Grab. 1825 entwickelte sich eine Beziehung zwischen Poe und der etwa gleichaltrigen Sarah Elmira Royster. Diese endete jedoch, als Poe die Universität besuchte und Elmiras Vater, der die Beziehung ablehnte, Poes Briefe an sie abfing. Als Poe von der Universität zurückkehrte, war Elmira mit einem Anderen verlobt.

Im Februar 1826 immatrikulierte sich Poe im Alter von 17 Jahren an der kurz zuvor von Thomas Jefferson gegründeten Universität von Virginia in Charlottesville. Dort studierte er alte und neue Sprachen. In dieser Zeit vertiefte Poe sein Französisch und lernte vermutlich auch etwas Italienisch und Spanisch.

An der Universität verschuldete sich Poe, begann zu spielen und zu trinken. Die genauen Hintergründe sind nicht klar. Nach nur acht Monaten Studium hatte Poe Schulden von 2000 US-Dollar. Als Resultat verschärften sich die Spannungen zwischen ihm und seinem Ziehvater. Was schließlich dazu führte, dass Poe die Familie verließ und nach Boston ging – wahrscheinlich auch, um Gläubigern zu entgehen. Mitte des Jahres 1827 veröffentlichte er seinen ersten Gedichtband »Tamerlane and Other Poems« – allerdings auf eigene Kosten. Kurz darauf verpflichtete sich Poe 5 Jahre zur Armee.

Poe wurde mehrmals befördert, 1829 zum Sergeant Major, dem höchstmöglichen Rang für einen einfachen Soldaten. Nach zwei Jahren kaufte sich Poe vorzeitig aus der Armee frei. Das Geld dazu hatte ihm sein Ziehvater nach anfänglichem Widerstand gegeben.

Poe wollte später jedoch seine Karriere als Offizier bei der Armee fortsetzen. Er musste ein Jahr warten, um auf Empfehlung seines Ziehvaters auf der Akademie West Point aufgenommen zu werden. 1830, in den ersten Monaten dort zeichnete er sich durch hervorragende Leistungen aus. Es flammte jedoch der alte Konflikt zwischen ihm und seinen Ziehvater erneut auf, worauf Poe seinen unehrenhaften Rauswurf aus der Akademie provozierte, um seinen Ziehvater zu demütigen.

Am 1. August 1831 im Alter von 24 Jahren starb Poes Bruder William Henry an den Folgen seiner Alkoholkrankheit.

Über Edgar Allan Poes Leben in Baltimore zwischen 1831 und Anfang 1835 ist nur sehr wenig bekannt. Sicher ist, dass er in dieser Zeit begann, Erzählungen zu schreiben, um so ein Einkommen zu erzielen.

Am 16. März 1836 heiratete Poe offiziell seine Kusine Virginia. Auf der Urkunde wird ihr Alter mit 21 angegeben. Tatsächlich war Virginia zu dieser Zeit 13 Jahre alt, Poe 27.

In Richmond, wohin die kleine Familie mittlerweile gezogen war, entstand 1836 Poes Essay »Maelzel’s Chess-Player« über den auch als Schachtürken bekannten Automaten. Zwar war Poe nicht der Erste, der nachwies, dass sich in dem vermeintlichen Roboter ein kleinwüchsiger Mensch verbergen musste, aber die detaillierte Technik seiner Beweisführung bereitete seine späteren Detektivgeschichten vor.

Im Februar 1837 zog Poe für etwa 15 Monate nach New York. Seine Hoffnungen, in New York eine Anstellung bei einer Zeitschrift zu finden, vielleicht sogar ein eigenes Magazin zu gründen, erfüllten sich nicht.

1838 schlug Poe sich mit Arbeiten für verschiedene Zeitschriften durch. In Philadelphia wurde Poe im Juni 1839 Redakteur und später Mitherausgeber von »Burton’s Gentleman’s Magazine«, für das er Artikel über die verschiedensten Themen schrieb.

Im Dezember 1839 erschien die erste Erzählsammlung Poes unter dem Titel »Tales of the Grotesque and Arabesque«. Das Buch wurde überwiegend positiv besprochen.

Anfang 1841 erschien Poes erste Detektivgeschichte »The Murders in the Rue Morgue« (»Der Doppelmord in der Rue Morgue«), für die er den Pariser Detektiv C. Auguste Dupin erfand. Das Wort »detective« kam durch Poe in die englische Sprache.

Im März 1842 lernte Poe in Philadelphia Charles Dickens kennen, dessen Werke er schätzte und wiederholt positiv besprach.

Im April 1844 verließ Poe Philadelphia wieder in Richtung New York – in der Hoffnung, auf dem dortigen Zeitschriftenmarkt ein besseres Einkommen erzielen zu können.

In New York arbeitete Poe für den Evening Mirror, wo er vor allem journalistische Kurztexte unterschiedlichster Art veröffentlichte und Artikel anderer Journalisten redigierte. Während dieser Zeit entstanden u.a. die Geschichte »The Purloined Letter« (»Der entwendete Brief«) und sein wohl bekanntestes Gedicht »The Raven« (»Der Rabe«).

In seiner New Yorker Zeit betrieb Poe weiterhin Literaturkritik und versteigerte sich in teils polemische Briefwechseln mit anderen erfolgreicheren Autoren. Diese Fehden ließen Poe bei Verlegern und Kollegen in Ungnade fallen. Ein Umstand, der noch lange nach seinem Tode drohte seine literarischen Fähigkeiten und Schöpfungen in Vergessenheit geraten zu lassen.

1847 starb Virginia, deren Gesundheit schon seit Jahren angegriffen war, im Alter von 24 Jahren. Poe brachte seine Trauer unter anderem in dem Gedicht »Annabel Lee« zum Ausdruck.

1849 traf Poe in Richmond seine Jugendliebe Elmira Royster wieder. Sie war mittlerweile verwitwet. Nach kurzer Werbung akzeptierte sie Poes Antrag, und die beiden verlobten sich.

Poe starb am 7. Oktober 1849 in Baltimore. Die Umstände seines Todes sind unklar, die Todesursache ist unbekannt. Es gibt hierzu zahlreiche Theorien, bewiesen ist jedoch keine. Nachgewiesen ist nur, dass er auf dem Weg zu Hochzeitsvorbereitungen für mehrere Tage verschollen ging. Bereits stark geschwächt tauchte er am 03. Oktober 1849 in Baltimore wieder auf, wo er vier Tage später trotz ärztlicher Fürsorge verstarb.

In seinem Heimatland lange Zeit als trunksüchtiger Streitsucher verschrieen, wurde er für die europäische Literaturszene durch seine Übersetzer Charles Baudelaire und Stéphane Mallarmé entdeckt. Schließlich fand er auf diesem Umwege auch die späte, aber verdiente Anerkennung in den USA.

Im deutschsprachigen Raum wurde er Anfang des 20. Jahrhunderts populär, als eine zehnbändige Ausgabe der Werke Poes zwischen 1901 und 1904 herausgegeben wurde.

Poe hatte großen Einfluss auf die Werke von Jules Verne, Arthur Conan Doyle und H. G. Wells. Ebenfalls von großer Bedeutung ist sein lyrisches Werk. Poes Lieblingsthema, das in vielen Geschichten immer wieder auftaucht, ist der Tod einer schönen Frau. Nicht selten Verfallen seine zurückgelassenen, männlichen Protagonisten daraufhin dem Wahn.

Poe verfasste Satiren, Essays, Lyrik und Erzählungen, literaturwissenschaftliche und auch komplexe naturwissenschaftliche Abhandlungen. Es ist schwer, ein Oberbegriff für sein Werk zu finden.

Seit 1922 erinnert das Edgar Allan Poe Museum in Richmond, Virginia an Leben und Werk des Autors.

Gedichte

Der Rabe

Einst in dunkler Mittnachtstunde,als ich in entschwundner KundeWunderlicher Bücher forschte,bis mein Geist die Kraft verlorUnd mir’s trübe ward im Kopfe,kam mir’s plötzlich vor, als klopfeJemand zag ans Tor, als klopfe –klopfe jemand sacht ans Tor.Irgendein Besucher, dacht ich,pocht zur Nachtzeit noch ans Tor –Weiter nichts. – So kam mir’s vor.

Oh, ich weiß, es war in grimmerWinternacht, gespenstischen SchimmerJagte jedes Scheit durchs Zimmer,eh es kalt zu Asche fror.Tief ersehnte ich den Morgen,denn umsonst war’s, Trost zu borgenAus den Büchern für das Sorgenum die einzige Lenor,Um die wunderbar Geliebte –Engel nannten sie Lenor –,Die für immer ich verlor.

Die Gardinen rauschten traurig,und ihr Rascheln klang so schaurig,Füllte mich mit Schreck und Grausen,wie ich nie erschrak zuvor.Um zu stillen Herzens Schlagen,sein Erzittern und sein Zagen,Mußt ich murmelnd nochmals sagen:Ein Besucher klopft ans Tor. –Ein verspäteter Besucherklopft um Einlaß noch ans Tor,Sprach ich meinem Herzen vor.

Alsobald ward meine Seelestark und folgte dem Befehle.»Herr«, so sprach ich, »oder Dame,ach, verzeihen Sie, mein OhrHat Ihr Pochen kaum vernommen,denn ich war schon schlafbenommen,Und Sie sind so sanft gekommen –sanft gekommen an mein Tor;Wußte kaum den Ton zu deuten…«Und ich machte auf das Tor:Nichts als Dunkel stand davor.

Starr in dieses Dunkel spähend,stand ich lange, nicht verstehend,Träume träumend, die kein irdischerTräumer je gewagt zuvor;Doch es herrschte ungebrochenSchweigen, aus dem Dunkel krochenKeine Zeichen, und gesprochenward nur zart das Wort »Lenor«,Zart von mir gehaucht – wie Echoflog zurück das Wort »Lenor«.Nichts als dies vernahm mein Ohr.

Wandte mich zurück ins Zimmer,und mein Herz erschrak noch schlimmer,Da ich wieder klopfen hörte,etwas lauter als zuvor.»Sollt ich«, sprach ich, »mich nicht irren,hörte ich’s am Fenster klirren;Oh, ich werde bald entwirrendieses Rätsels dunklen Flor –Herz, sei still, ich will entwirrendieses Rätsels dunklen Flor.Tanzt ums Haus der Winde Chor?«

Hastig stieß ich auf die Schalter –flatternd kam herein ein alter,Stattlich großer, schwarzer Rabe,wie aus heiliger Zeit hervor,Machte keinerlei Verbeugung,nicht die kleinste Dankbezeigung,Flog mit edelmännischer Neigungzu dem Pallaskopf empor,Grade über meiner Türeauf den Pallaskopf empor –Saß – und still war’s wie zuvor.

Doch das wichtige Gebarendieses schwarzen SonderbarenLöste meines Geistes Trauer,und ich schalt ihn mit Humor:»Alter, schäbig und geschoren,sprich, was hast du hier verloren?Niemand hat dich herbeschworenaus dem Land der Nacht hervor.Tu mir kund, wie heißt du, Stolzeraus Plutonischem Land hervor?«Sprach der Rabe: »Nie du Tor.«

Daß er sprach so klar verständlich –ich erstaunte drob unendlich,Kam die Antwort mir auch wenigsinnvoll und erklärend vor.Denn noch nie war dies geschehen:über seiner Türe stehenHat wohl keiner noch gesehensolchen Vogel je zuvor –Über seiner Stubentüreauf der Büste je zuvor,Mit dem Namen »Nie du Tor«.

Doch ich hört in seinem Krächzenseine ganze Seele ächzen,War auch kurz sein Wort, und brachteer auch nichts als dieses vor.Unbeweglich sah er nieder,rührte Kopf nicht noch Gefieder,Und ich murrte, murmelnd wieder:»Wie ich Freund und Trost verlor,Werd ich morgen ihn verlieren –wie ich alles schon verlor.«Sprach der Rabe: »Nie du Tor.«

Seine schroff gesprochnen Lauteklangen passend, daß mir graute.»Aber«, sprach ich, »nein, er plappertnur sein einzig Können vor,Das er seinem Herrn entlauschte,dessen Pfad ein Unstern rauschte,Bis er letzten Mut vertauschtegegen trüber Lieder Chor –Bis er trostlos trauerklagte in verstörter Lieder ChorMit dem Kehrreim: ›Nie du Tor.‹«

Da der Rabe das bedrückteHerz zu Lächeln mir berückte,Rollte ich den Polsterstuhl zuBüste, Tür und Vogel vor,Sank in Samtsitz, nachzusinnen,Traum mit Träumen zu verspinnenÜber solchen Tiers Beginnen:was es wohl gewollt zuvor –Was der alte ungestalteVogel wohl gewollt zuvorMit dem Krächzen: »Nie du Tor.«

Saß, der Seele Brand beschwichtend,keine Silbe an ihn richtend,Seine Feueraugen wühltenmir das Innerste empor.Saß und kam zu keinem Wissen,Herz und Hirn schien fortgerissen,Lehnte meinen Kopf aufs Kissenlichtbegossen – das LenorPressen sollte – lila Kissen,das nun nimmermehr LenorPressen sollte wie zuvor!

Dann durchrann, so schien’s, die schaleLuft ein Duft aus WeihrauchschaleEdler Engel, deren Schreitenrings vom Teppich klang empor.»Narr!« so schrie ich, »Gott beschertedir durch Engel das begehrteGlück Vergessen: das entbehrteRuhen, Ruhen vor Lenor!Trink, o trink das Glück: Vergessender verlorenen Lenor!«Sprach der Rabe: »Nie du Tor.«

»Weiser!« rief ich, »sonder ZweifelWeiser! – ob nun Tier, ob Teufel –Ob dich Höllending die Hölleoder Wetter warf hervor,Wer dich nun auch trostlos sandteoder trieb durch leere LandeHier in dies der Höll verwandteHaus – sag, eh ich dich verlor:Gibt’s – o gibt’s in Gilead Balsam? –Sag mir’s, eh ich dich verlor!«Sprach der Rabe: »Nie du Tor.«

»Weiser!« rief ich, »sonder ZweifelWeiser! – ob nun Tier, ob Teufel –Schwör’s beim Himmel uns zu Häupten –schwör’s beim Gott, den ich erkor –Schwör’s der Seele so voll Grauen:soll dort fern in Edens GauenIch ein strahlend Mädchen schauen,die bei Engeln heißt Lenor? –Sie, die Himmlische, umarmen,die bei Engeln heißt Lenor?«Sprach der Rabe: »Nie du Tor.«

»Sei dies Wort dein letztes, Rabeoder Feind! Zurück zum Grabe!Fort! zurück in Plutons Nächte!«schrie ich auf und fuhr empor.»Laß mein Schweigen ungebrochen!Deine Lüge, frech gesprochen,Hat mir weh das Herz durchstochen. –Fort, von deinem Thron hervor!Heb dein Wort aus meinem Herzen –heb dich fort, vom Thron hervor!«Sprach der Rabe: »Nie du Tor.«

Und der Rabe rührt sich nimmer,sitzt noch immer, sitzt noch immerAuf der blassen Pallasbüste,die er sich zum Thron erkor.Seine Augen träumen trunkenwie Dämonen traumversunken;Mir zu Füßen hingesunkendroht sein Schatten tot empor.Hebt aus Schatten meine Seeleje sich wieder frei empor? –Nimmermehr – oh, nie du Tor!

Gebet

Am Morgen – am Mittag – im AbendlichtVernahmst Du, Maria, mein Lobgedicht.In Lust und Leid – in Wonne und Weh,Gott-Mutter, auch fernerhin mit mir geh!Als strahlende Stunden heiter entwichenUnd keine Wolken den Himmel durchstrichen,Führtest Du gnädig die Seele mirHin zu den Deinen, hin zu Dir.Nun, da Schicksalsstürme schrecken,Dunkel mein Heute, mein Gestern bedecken,Laß mein Morgen strahlend scheinenIm holden Hoffen auf Dich und die Deinen!

Ulalume

Der Himmel war düster umwoben;Verflammt war der Bäume Zier –Verdorrt war der Bäume Zier;Es war Nacht im entlegnen OktoberEines Jahrs, das vermodert in mir;War beim düsteren See von Auber,In den nebligen Gründen von Weir –War beim dunstigen Sumpf von Auber,In dem spukhaften Waldland von Weir.

Durch Zypressenallee, die titanisch,Bin ich mit meiner Seele gegangen –Bin hier einst mit Psyche gegangen –Zur Zeit, da mein Herz war vulkanischWie die schlackigen Ströme, die langen,Wie die Lavabäche, die langen,Die rastlos und schweflig den YaanekHinab bis zum Pole gelangen –Die rollend hinab den Berg YaanekZum nördlichen Pole gelangen.

Unser Wort war von Dunkel umwoben,Der Gedanke verdorrt und stier –Das Gedenken verdorrt und stier;Denn wir wußten nicht, daß es Oktober,Und der Jahrnacht vergaßen wir –Der Nacht aller Jahrnächte wir!Wir vergaßen des Sees von Auber(Obgleich wir gewandert einst hier),Des dunstigen Sumpfs von AuberUnd des spukhaften Waldlands von Weir.

Und nun, da in alternder NachtDie Sternuhr gen Morgen sich schob –Da die Sternuhr gen Morgen sich schob –Ward am End unsres Pfades entfachtEin Schimmern, das Nebel umwob,Aus dem mit wachsender PrachtEin Halbmond sein Doppelhorn hob –Astartes demantene PrachtDeutlich ihr Doppelhorn hob.

»Sie ist wärmer«, so sagte ich,»Als Diana: sie schwärmt durch ein MeerVon Seufzern – ein Seufzermeer;Sie sah es: die Träne wichVon diesen Wangen nicht mehr,Und vorbei am Löwenbild strichAls Lenker zum Himmel sie her,Als Leiter zu Lethe sie her;Trotz des Löwen getraute sie sich,Uns zu leuchten so hell und so hehr –Durch sein Lager hindurch wagte sichIhre Liebe, so licht und so hehr.«

Doch Psyche hob warnend die Hand:»Fürwahr, ich mißtraue dem ScheinDieses Sterns – seinem bleichen Schein.O fliehe! o halte nicht stand!Laß uns fliegen – denn oh! es muß sein!«Sprach’s entsetzt, und es sanken gebanntIhre Schwingen in schluchzender Pein –Ihre Schwingen schleiften gebanntDie Federn in Staub und Stein –Voll Kummer in Staub und Stein.

Ich erwiderte: »Traum ist dies Grauen!Laß uns weiter in Lichtes Pracht –Laß uns baden in seiner Pracht!Es läßt mich die Hoffnung erschauenIn kristallener Schönheit heut nacht –Sieh! es flackert gen Himmel durch Nacht!Oh! man darf seinem Schimmern vertrauen,Es führt uns mit weisem Bedacht –Oh! man muß seinem Schimmern vertrauen,Es lenkt uns mit treuem Bedacht,Da es flackert gen Himmel durch Nacht!«

Ich beruhigte Psyche und gabIhr Küsse und lockte sie vor –Aus Bedenken und Dunkel hervor;Und wir schritten den Baumgang hinab,Bis am Ende uns anhielt das TorEiner Gruft – ein märchenhaft Grab.»Schwester«, sprach ich, »was schrieb man aufs Grab –An das Tor von dem Wundertume?«»Ulalume!« sprach sie; »in dem GrabRuht verloren für dich Ulalume!«

Und mein Herz wurde düster umwoben,Wurde dürr wie der Bäume Zier –Wurde welk wie der Bäume Zier;Und ich schrie: »Es war sicher OktoberIn der nämlichen Nacht, da ich hierIm Vorjahr gewandert – und hierEine Last hertrug, fürchterlich mir!Diese Nacht aller Jahrnächte mir,Welcher Dämon verführte mich hier?Gut kenn ich den See jetzt von Auber –Diese nebligen Gründe von Weir –Gut kenn ich den Dunstsumpf von Auber –Dieses spukhafte Waldland von Weir.«

Die Glocken

I.

Hört der Schlittenglocken Klang –Silberklang!Welche Welt von Lustigkeit verheißt ihr heller Sang!Wie sie klingen, klingen, klingenIn die Nacht voll Schnee und Eis,Während sprüh die Sterne springen,Zwinkernd sich zum Reigen schlingenIm kristallnen Himmelskreis:Halten Schritt, Schritt, Schritt,Tanzen Runenrhythmen mitZu der kleinen klaren Glocken süßem Singesang,Zu dem Klang, Klang, Klang, Klang,Klang, Klang, Klang –Zu dem Singen und dem Schwingen in dem Klang.

II.

Hört der Hochzeitsglocken Klang –Goldnen Klang!Welche Welt von Seligkeit verheißt ihr voller Sang!Wie ihr Läuten lauter lachtDurch den Balsamduft der Nacht!Aus dem holden goldnen Schwall,Wie altgewohnt,Fliegen leicht die Töne allHin zur Turteltaube, die beim frohen SchallSchaut zum Mond.O wie schwillt im ÜberschwangEin Guß von hohem Feierklang so voll die Nacht entlang!Hochgesang –HoffnungssangAuf der Zukunft heitern Gang!Freude treibt zu schnellerm DrangDieses Ringen und das SchwingenIn dem Klang, Klang, Klang –In dem Klang, Klang, Klang, Klang,Klang, Klang, Klang –Dieses Quellen und das Schwellen in dem Klang.

III.

Hört der Feuerglocken Klang –Bronznen Klang!Welch ein Aufruhr stürmt daraus so schreckenvoll und bang!Wie ihr Schreien Schreck entfachtIn durchbebter Luft der Nacht!Zu entsetzt, um klar zu sein,Können sie nur schrein, nur schrein,Ohne TaktRufen sie in lautem Lärmen um Erbarmen an das Feuer,Zanken in verrücktem Toben mit dem tollen tauben Feuer.Höher, höher, ungeheuerSpringt verlangend auf das Feuer;In verzweifeltem Bemühn,Bis zum Mond emporzusprühn,Sind die Flammen steilgezackt.Oh, der Klang, Klang, Klang!Wie er grauenvoll und bangAlles schreckt!Wie er schauert, schallt und braust,Daß den Lüften bangt und graust,Wie er aller Orten lähmendes Entsetzen weckt!Dennoch hört das Ohr sie gutDurch das SchallenUnd das Hallen:Ebbe der Gefahr und Flut;Dennoch nimmt das Ohr es wahrDurch das ZankenUnd das Schwanken:Flutet oder ebbt Gefahr –Durch das Stocken und das Schwellen in dem schnellen Glockenklang,In dem Klang –In dem Klang, Klang, Klang, Klang,Klang, Klang, Klang –Durch das Härmen und das Lärmen in dem Klang.

IV.

Hört der Eisenglocken Klang –Eisenklang!Welche Welt von Trauer trägt ihr monotoner Sang!In der Grabesruh der NachtWie er uns erschauern machtDurch das Trauern und das Drohen in dem Ton!Denn die Klänge, die entrollenRostigen Glockenkehlen, tollenGrollend fort.Oh, die Wesen, die dort obenIn dem Glockenturme toben –Einsam dortMit den monotonen Glocken –Die da tollen, tollen, tollen,Voll verschleiertem FrohlockenEinen Stein aufs Herz uns rollen –Leichenfressende DämonenSind’s, die in den Glocken wohnen,All im SoldIhres Königs, der da tollt,Der da rollt, rollt, rollt,RolltTriumph aus Glockenklang!Und sein Busen schwillt im DrangDes Triumphs aus Glockenklang.Johlend tanzt er zu dem Sang:Haltend Schritt, Schritt, Schritt,Tanzt er Runenrhythmen mitZum Triumph aus Glockenklang,Glockenklang.Haltend Schritt, Schritt, Schritt,Tanzt er Runenrhythmen mitZu dem Dröhnen in dem Klang,In dem Klang, Klang, Klang –Zu dem Stöhnen in dem Klang.Haltend Schritt, Schritt, Schritt,An der Totenglocke StrangTanzt er Runenrhythmen mitZu dem Tollen in dem Klang,In dem Klang, Klang, Klang,Zu dem Rollen in dem Klang,In dem Klang, Klang, Klang, Klang,Klang, Klang, Klang –Zu dem Trauern und dem Schauern in dem Klang.

Annabel Lee

Ist ein Königreich an des Meeres Strand,Da war es, da lebte sie –Lang, lang ist es her – und sie sei euch genanntMit dem Namen Annabel Lee.Und ihr Leben und Denken war ganz gebanntIn Liebe – und mich liebte sie.

In dem Königreich an des Meeres StrandEin Kind noch war ich und war sie,Doch wir liebten mit Liebe, die mehr war denn dies –Ich und meine Annabel Lee –Mit Liebe, daß strahlende SeraphimBegehrten mich und sie.

Und das war der Grund, daß vor Jahren und JahrEine Wolke Winde spie,Die frostig durchfuhren am MeeresstrandMeine schöne Annabel Lee;Und ihre hochedele Sippe kam,Und ach! man entführte mir sie,Um sie einzuschließen in Gruft und Grab,Meine schöne Annabel Lee.

Die Engel, nicht halb so glücklich als wir,Waren neidisch auf mich und auf sie –Ja! das war der Grund (und alle im LandSie wissen, vergessen es nie),Daß der Nachtwind so rauh aus der Wolke fuhrUnd mordete Annabel Lee.

Weit stärker doch war unsre Liebe als dieAll derer, die älter als wir –Und mancher, die weiser als wir –Und die Engel in Höhen vermögen es nieUnd die Teufel in Tiefen nie,Nie können sie trennen die Seelen von mirUnd der schönen Annabel Lee.

Kein Mondenlicht blinkt, das nicht Träume mir bringtVon der schönen Annabel Lee,Jedes Sternlein das steigt, hell die Augen mir zeigtMeiner schönen Annabel Lee;Und so jede Nacht lieg zur Seite ich sachtMeinem Lieb, meinem Leben in bräutlicher Pracht:Im Grabe da küsse ich sie –Im Grabe da küsse ich sie.

An meine Mutter

Weil tief ich fühle, daß in Himmeln dortDie Engel, wenn sie Liebe-Worte nennen,Kein heilig-heißer und kein inniger WortAls »Mutter« zueinander flüstern können,

Drum gab ich diesen liebsten Namen dir –Die – mehr denn Mutter mir in meinen Schmerzen –Der Tod, als er Virginias Geist von hierBefreit, zum Horte setzte meinem Herzen.

Die eigne Mutter, die schon früh mir starb,War mir nur Mutter, du hingegen bistVon ihr die Mutter, die mein Lieben warb;

Und so viel mehr, als meiner Seele istMein Weib denn meiner Seele eignes Leben,Muß ich auch dir denn eigner Mutter geben.

Das Kolosseum

Urbild des alten Rom! ReliquienschreinFür Schaun und hohen Traum, den in die ZeitJahrhunderte von Pracht und Macht gestellt!Nun endlich – endlich – nach so vielen TagenVon Wandermüdigkeit und gierem Durst(Von Durst zum Quell des Wissens, den du birgst)Ein andrer und demütiger kniee ichIn deinem Schatten nun und trinke einDein ragend Düster, deinen Glanz und Ruhm.

Unendlichkeit und Öde! Schwermut, Schweigen!Uralter Zeit Erinnern – düstere Nacht!Ich fühl euch jetzt – fühl eure ganze Wucht –O Zauber, stärker als Judäas KönigVoreinst gelehrt im Berg Gethsemane!O Wunder, machtvoller als der ChaldäerJemals verzückt aus stillen Sternen zog!

Hier, wo ein Held einst stürzte, stürzt die Säule.Hier, wo ein goldner toter Adler glänzte,Hält mitternächtig Wacht die Fledermaus.Hier, wo der Damen Roms vergoldet HaarIm Winde wehte, wogt nun Ried und Distel.Hier, wo auf goldnem Thron der Herrscher lehnte,Schlüpft geisterhaft aus ihrem Marmorhaus,Vom Schein des zwiegehörnten Monds beleuchtet,Die flinke Echse schweigend über Steine.

Doch halt! Die Mauern – diese Bogengänge,Hochauf von altem Efeu eingekleidet,Die schwarzen bröckeligen SäulensockelUnd düstern Schäfte, dunklen Kapitelle,Zerfallenden und fast verblaßten Friese,Zersprungnen Kranzgebälke – dieses Wrack –All diese Steine – ach, die grauen Steine –Sind sie denn alles, was der Zahn der ZeitVon all dem Ruhm und ungeheuren GlanzFür mich und für das Schicksal übrigließ?»Nicht alles«, geben mir die Echos Antwort,»Nicht alles, nein! Prophetische Klänge steigen –Und laute Klänge – ewig von uns auf,Von allen Trümmern zu den Weisen auf,Wie Melodie von Memnon steigt zur Sonne.Wir leiten alle riesenhaften Geister.In unumschränkter Macht beherrschen wirMit unserm Schwung die Herzen aller Großen.Wir sind nicht leblos – wir erblichnen Steine.Nicht alle Macht ist hin – nicht aller Ruhm –Nicht aller Zauber unsres hohen Rufes –Nicht all das Wunder, das uns rund umfaßt –Nicht all Geheimnis, das in uns verborgen –Nicht all Erinnern, das wie ein GewandUns rund umhängt und überall bedeckt,Und das uns hüllt in mehr als Herrlichkeit.«

Das Geisterschloß

In der Täler grünstem TaleHat, von Engeln einst bewohnt,Gleich des Himmels KathedraleGolddurchstrahlt ein Schloß gethront.Rings auf Erden diesem SchlosseKeines glich;Herrschte dort mit reichem TrosseDer Gedanke – königlich.

Gelber Fahnen FaltenschlagenFloß wie Sonnengold im Wind –Ach, es war in alten Tagen,Die nun längst vergangen sind! –Damals kosten süße LüfteLind den Ort,Zogen als beschwingte DüfteVon des Schlosses Wällen fort.

Wandrer in dem Tale schautenDurch der Fenster lichten GlanzGenien, die zum Sang der LautenSchritten in gemeßnem TanzUm den Thron, auf dem erhaben,Marmorschön,Würdig solcher Weihegaben,War des Reiches Herr zu sehn.

Perlen- und rubinenglutendWar des stolzen Schlosses Tor,Ihm entschwebten flutend, flutendSüße Echos, die im Chor,Weithinklingend, froh besangen– Süße Pflicht! –Ihres Königs hehres PrangenIn der Weisheit Himmelslicht.

Doch Dämonen, schwarze Sorgen,Stürzten roh des Königs Thron. –Trauert, Freunde, denn kein MorgenWird ein Schloß wie dies umlohn!Was da blühte, was da glühte– Herrlichkeit! –Eine welke MärchenblüteIst’s aus längst begrabner Zeit.

Und durch glutenrote FensterWerden heute Wandrer sehnUngeheure WahngespensterGrauenhaft im Tanz sich drehn;Aus dem Tor in wildem Wellen,Wie ein Meer,Lachend ekle Geister quellen –Weh! sie lächeln niemals mehr!

Lenore

Zerschellt die goldne Schale, ach!Der Geist so fern entflogen!Schickt Glockenschall der Seele nach,die fort zum Styx gezogen!Und Guy de Vere, weinst du nicht mehr?Jetzt oder nie sei trübe!Da liegt, sieh her, und liebt nie mehrLenore, deine Liebe.Komm! laß vollziehn mit frommem Wortdes Grabes Heiligung –Nichts Königlichres stirbt hinfortals sie, die starb so jung –Man singe, bete immerfortfür sie, die starb zu jung.

»Wichte! ihr Reichtum war euch lieb,ihr Stolz war euch verhaßt,Und da die Zarte fiel und blieb,das Grab ihr segnen laßt!Das Ritual und Requiem,wie frommt’s der Heiligung?Durch euch – durch euch: den bösen Blick?Durch euch: die Lästerung,Die diese Unschuld totgehetzt,die starb – und starb so jung?«

Peccavimus; doch laß Verdruß!Sing wie am FeiertagEin Lied zu Gott, daß keine Qualdie Tote fühlen mag.Lenore schritt voran, und mitihr flog die Hoffnung traut– Die unbedacht und toll dich macht –auf die erkorene Braut:So sanft sie war und wunderbar,erlag sie dem Geschick –Das Leben noch im gelben Haar,doch nicht in ihrem Blick –Noch immerdar im gelben Haar,doch Tod in ihrem Blick.

»Hinweg! Leicht wacht mein Herz heut nacht:Kein Schmerzlied will ich klagen,Triumph soll meinen Engel sachtim heiligen Fluge tragen.Kein Glockenschlag! daß nicht noch zagdie süße Seele werdeBei solchem Ton, aufgleitend schonvon der verfluchten Erde:Zu Freunden hin, von Feinden hier,laßt frei die Tote gehen –Aus Hölle auf zu hohem Ranghoch oben in den Höhen –Aus Gram und Groll auf goldnen Thronzum Herrn der Himmelshöhen.«

Israfel1

Ein Geist wohnt in den Höhn,»Dessen Herz einer Laute gleicht«;Wie Israfel so schönSingt keiner in den Höhn;Die Sterne, die sich kreisend drehn,Verstummen im Vorübergehn,Wenn der Klang sie erreicht.

Und wenn im WeltgetriebeDer wechselnde MondAm höchsten thront,Erglüht er von Liebe;Und horchend verharren der rote BlitzUnd die sieben Plejaden stockenden SchrittsAuf ihrem Himmelssitz.

Und sie sagen (der sternige RatUnd alle Lauscher in seinem Geleite),Daß Israfel sein FeuerVerdanke jener Leier,Die seine Stimme weihte –Dem bebenden lebenden DrahtJener ungewöhnlichen Saite.

Doch die Höhn, wo der Engel wohnt,Wo hohe Gedanken, Pflicht und Zoll,Wo, erwachsene Gottheit, die Liebe thront,Wo die Huri blickt, sind nah und fernVon all der Schönheit voll,Die wir schätzen an einem Stern.

Drum gehst du recht in deinem Drang,O Israfel, du weiser Barde!Verachtend glutenlosen SangGab dir der Ruhm den höchsten Rang,Dein ist der Lorbeer, bester Barde!Heiter lebe und lang!

Und die Verzückungen drüben,Sie passen zu deinem feurigen Reigen,Deinem Gram, deiner Lust, deinem Haß, deinem Lieben,Sind ganz deiner Inbrunst zu eigen –Wohl mögen die Sterne schweigen!

Ja, der Himmel ist dein! Doch dieser WeltIst Süß und Sauer gemein;Unsre Blumen können nur – Blumen sein;Der Schatten deiner Wonne fälltAuf uns als Sonnenschein.

O wär ich schnell,Wo IsrafelGewohnt, und er wär ich –Er säng wohl nicht so flammend hellEin sterblich Lied; doch ich,Ich säng aus solcher Leier QuellEin Lied, dem keines glich!

1 Und der Engel Israfel, dessen Herz eine Laute ist und der die süßeste Stimme hat von allen Gotteskreaturen. – Koran.

An Marie Louise Shew

Noch unlängst pries der Schreiber dieser Zeilen,Sich brüstend mit besonderem Verstand,»Die Schöpferkraft der Worte« und bestritt,Daß je Gedanken jenseits des GebietsDer Menschenzunge Menschenhirn entsprängen;Und jetzt gesteht er, seinen Stolz verhöhnend:Zwei Worte sind, zwei seltsam fremde Silben,Italiens Töne, die von Engeln nurIn Mondlichttraum sich flüstern lassen, »Tau,Der perlengleich auf Hermons Hügel hängt«,Aus seines Herzens tiefstem Grund bewegteGedanken, die, wie ungedacht, die SeeleNur von Gedanken sind, weit reicher, wilderUnd göttlich-visionärer, als sie selbstDer Seraphharfner Israfel (der doch»Die süßeste der Stimmen hat von allenGeschöpfen Gottes«) jemals äußern könnte.Und ich! Ach, meine Zauber sind gebrochen.Kraftlos entsinkt die Feder meiner Hand.Ob du auch batest drum, ich kann es nicht,Mit deinem teuren Namen etwas schreiben.Ich kann nicht sprechen oder denken, ach,Nicht fühlen mehr; denn das ist kein Gefühl,Dies starre Stehen auf der goldnen SchwelleWeitoffnen Traumtors, da ich regungslos,Entzückt vom prächtigen Ausblick und durchschauertSo auf dem rechten wie dem linken Weg,Weithin den ganzen Weg, in PurpurdunstBis fern ans Ende sehe – dich allein.

An Helene

Ich sah dich einmal – einmal nur – vor Jahren:Ich sage nicht wie vielen – doch nicht vielen.Es war in Julinacht, und aus dem vollenKreisrunden Mond, der gleich wie deine SeeleDen steilsten Weg hinauf zum Himmel suchte,Fiel sanft ein silberseidner Schleier Licht –Fiel still und schwül und schlummerselig niederAuf tausend Rosen, die nach oben schautenUnd die in einem Zaubergarten wuchsen,Wo Wind auf Zehen nur sich rühren durfte –Auf Rosen fiel er, die nach oben schauten,Die ihre Seelen in verzücktem SterbenAls Duft aushauchten in das Liebe-Licht –Auf Rosen fiel er, die nach oben schauten,Die lächelten und starben, wie verzaubertVon dir und deines Wesens Poesie.

Ich sah dich ganz in Weiß, auf Veilchenbeet;Auf offne Rosen, die nach oben schauten,Fiel hell der Mond – und auch auf dein Gesicht,Das aufwärts schaute – schaute, ach, in Leid.

War das nicht Schicksal, das in dieser Nacht –War das nicht Schicksal (das auch Leiden heißt),Das mir vorm Gartentore Halt gebot,Den Schlummerduft der Rosen einzuatmen?Kein Schritt: in Schlaf lag die verhaßte Welt;Nur du und ich – (o Gott, wie schlägt mein Herz,Da ich zusammen die zwei Worte nenne!) –Nur wachend du und ich. Ich stand, ich blickte –Und plötzlich loschen alle Dinge aus.(Bedenkt es wohl, es war ein Zaubergarten!)Der Perlenglanz des Monds erlosch, die Beete,Die moosigen Beete und gewundnen Pfade,Die frohen Blumen, säftevollen Bäume –Nichts sah man mehr; und selbst der Duft den RosenErstarb im Arm anbetend stiller Lüfte.All alles außer dir verschied, verhauchte,Nichts blieb als du – als weniger denn du:Als nur das Himmelslicht in deinen Augen –Als deine Seele nur in deinen Augen.Ich sah nur sie – sie waren mir die Welt.Ich sah nur sie – sah stundenlang nur sie –Sah nichts als sie, bis daß der Mond sich senkte.Welch wundersame Herzgeschichten sprachenAus jenen himmlischen kristallnen Kugeln!Welch dunkles Weh! Und doch welch hehres Hoffen!Welch heiter schweigend Meer erhabnen Stolzes!Welch kühne Ehrbegier! Und doch welch tiefe –Unfaßbar tiefe Liebe-Fähigkeit!

Doch jetzt, doch endlich sank Diana hinIn westliches Gewitterwolken-Pfühl;Und du entglittst wie Geist dem GrabesschattenDer Bäume dort. Nur deine Augen blieben!Sie gingen nicht – sie sind nie mehr gegangen!In jener Nacht mir sorgsam heimwärts leuchtendVerlaß’nen Pfad, verließen sie mich nie –Nie mehr (wie all mein Hoffen doch getan).Sie folgen mir – sie leiten mich durchs Jahr.Sie sind mir Diener – dennoch ich ihr Sklave.Ihr Amt ist: zu beleuchten, zu entflammen –Mein Dienst: beseligt sein durch ihren Glanz,Gereinigt sein durch ihr elektrisch Feuer,Geheiligt sein in ihrem Himmelsfeuer.Sie füllen mir mein Herz mit Schönheit an(Die Hoffen ist) und sind im Himmel drobenDas Sternenpaar, vor dem ich kniend liegeIm traurigstummen Wachen meiner Nacht;Indes sogar im Mittagsglanz des TagesIst noch sie sehe – holde Zwillingsschwestern,Venusse, die kein Sonnenlicht verlöscht!

Eroberer Wurm

O schaut, es ist festliche NachtInmitten einsam letzter Tage!Ein Engelchor, schluchzend, in FlügelprachtUnd Schleierflor sieht zageIm Schauspielhaus ein Schauspiel anVon Hoffnung, Angst und Plage,Derweil das Orchester dann und wannMusik haucht: Sphärenklage.

Schauspieler, Gottes Ebenbilder,Murmeln und brummeln dumpfUnd hasten planlos, immer wilder,Sind Puppen nur und folgen stumpfGewaltigen düsteren Dingen,Die umziehn ohne Form und RumpfUnd dunkles Weh aus KondorschwingenSchlagen voll Triumph.

Dies närrische Drama! – O fürwahr,Nie wird’s vergessen werden,Nie sein Phantom, verfolgt für immerdarVon wilder Rotte rasenden Gebärden,Verfolgt umsonst – zum alten FleckKehrt stets der Kreislauf neu zurück –Und nie die Tollheit, die Sünde, der SchreckUnd das Grausen: die Seele vom Stück.

Doch sieh, in die mimende RundeDrängt schleichend ein blutrot DingHervor aus ödem HintergrundeDer Bühne – ein blutrot Ding.Es windet sich! – windet sich in die BahnDer Mimen, die Angst schon tötet;Die Engel schluchzen, da Wurmes ZahnIn Menschenblut sich rötet.

Aus – aus sind die Lichter – alle aus!Vor jede zuckende GestaltDer Vorhang fällt mit Wetterbraus:Ein Leichentuch finster und kalt.Die Engel schlagen die Schleier zurück,Sind erbleicht und entschweben in Sturm,»Mensch« nennen sich sie das tragische Stück,Seinen Helden »Eroberer Wurm«.

An Frances S. Osgood

Dein Herz sucht Liebe? – So möge es nieVom jetzigen Pfade weichen,Sei, was du bist, und wolle nieDem, was du nicht bist, gleichen –So wird die Welt deinem sanften Sein,Deiner Anmut ein unendlichUnd freudevolles Preislied weihn,Und Liebe wird selbstverständlich.

An Eine im Paradies

Du warst für mich all dieses, Lieb,Was Seele füllt und Sein,Warst Inselgrün im Meere, Lieb,Springbrunn und AltarsteinVoll Frucht- und Blumenwunder, Lieb,Und all das Blühn war mein!

O Traum, dem Sterben kam!O Sternenhoffen, dessen LichtSturmwolke mir benahm!Ein Rufen aus der Zukunft spricht:»Voran! Voran!« – Doch GramUm das, was war, nimmt Zuversicht,Macht müd und flügellahm.

Denn weh! des Lebens warmer GlanzErstrahlt für mich nicht mehr!Die Woge raunt im BrandungstanzZum Sand: nie mehr – nie mehrWird wundgeschossne Schwinge ganz,Dürr bleibt der Baum und blätterleer,Dem jäh ein Blitz zerschlug den Kranz.

Und Tag ist Traum, der zu dir wacht,Und Nacht ist Traum und leitetHin, wo dein dunkles Auge lachtUnd wo dein Fuß hinschreitet,Der in ätherischen Tänzen sacht –Auf welchen Strahlen gleitet?

Das Tal der Unrast

Einstmals war ein stilles Tal,Unbewohnt; mit Schild und StahlZog das Volk in Kriege fort;Hielten milde Sterne dortVom arzurnen Turm zur NachtÜber all die Blumen Wacht,Über denen jeden TagRot und faul die Sonne lag.Jetzt wird jeder Wandrer sehenUnrast dieses Tal durchwehen,Nichts ist da, das nicht sich regt,Luft nur brütet unbewegtOb der Zauber-Einsamkeit.Ach, kein Lüftchen weit und breitRührt der Bäume Blätterkleid,Die da pulsen ohne FriedenGleich dem Eismeer der Hebriden.Ach, kein Lüftchen jagt und bauschtDas Gewölk, das ruhlos rauscht,Rastlos rauscht von früh bis spätÜber MyriadenbeetBlauer Veilchen, sorgenreich,Myriaden Augen gleich,Über Lilien, die so weichWehend, weinend schaun herabAuf ein namenloses Grab!Wehend: aus dem Duft herausKommen Tropfen ewigen Taus.Weinend: von den zarten ZweigenEwig Tränen niedersteigen,Die gleich Edelsteinen schweigen.

Die Stadt im Meer

Weh! wunderliche, einsame Stadt,Drin Tod seinen Thron errichtet hat,Tief unter des Westens düsterer Glut,Wo Sünde bei Güte, wo Schlecht bei GutIn letzter ewiger Ruhe ruht.An Schlössern, Altären und Türmen hat(Zerfreßnen Türmen, die nicht beben!)Nichts Gleiches eine unsrige Stadt.Von Winden vergessen, die wühlen und heben,Stehn unterm Himmel die Wasser ringsum,Schwermütige Wasser, ergeben und stumm.

Kein Strahlen vom Himmel kommt herabAuf jener Stadt langnächtiges Grab.Doch steigt ein Licht aus dem Meere herauf,Strömt schweigend an kühnen Zinnen hinauf,Hinauf an Türmen bis zum Knauf,Hinauf an Palästen, an Zitadellen,An Tempeln hinauf und an Babylonwällen,Hinauf an vergessenen LaubengängenMit eingemeißelten Fruchtgehängen,Hinauf an manchem Opferstein,Auf dessen Friesen zu engem VereinVerflochten Viola, Violen und Wein.

Stehn unterm Himmel die Wasser ringsum,Schwermütige Wasser, ergeben und stumm.Die Mauern und Schatten wie Nebelduft –Es scheint, als hänge alles in Luft.Vom Turm, der herrschend ragt und droht,Schaut riesenhaft herab der Tod.

Geöffnete Tempel und TotengrüfteGähnen auf leuchtende Meeresschlüfte.Doch nicht die blitzenden JuwelenIn goldner Götzen AugenhöhlenUnd nicht der reiche Tod verführenDie starren Wasser, sich zu rühren:Kein kleinstes Wellchen kommt in GangDie gläserne Einöde entlang;Kein Kräuseln erinnert, daß weniger leerVon Wind ist irgendein anderes Meer,Nichts sagt, daß je ein Wehen warAuf Meeren, die weniger grauenhaft klar.

Doch, oh – es regt sich leis wie Wind!Ein Wellen durch das Wasser rinnt –Als ob die Türme im sachten SinkenDie Flut verschöben zur Rechten und Linken –Als ob schon die Spitzen inmitten des blassenHimmels Lücken zurückgelassen.Ein roteres Glimmen steigt heran –Die Stunden halten den Atem an –Und wenn die Stadt hinab, hinabVon hinnen sinkt mit unirdischem Stöhnen,Wird ihr von eintausend Thronen herabDer Gruß der Hölle tönen.

Die Schlafende

In tiefe JunimitternachtDer mystische Mond herniederwacht.Einschläfernde Nebel dunsten leiseHeraus aus seinem goldnen KreiseUnd triefen sanft wie SchlummerliederTropfen um Tropfen sachte niederAuf Höhen, schimmernd wie Opal,Und in das allumfassende Tal.Auf einem Grab nickt Rosmarin,Träg lehnt die Lilie drüber hin.Von leerem Nebel überdachtFault die Ruine hinein in Nacht.Wie Lethe sieh den Weiher ruhn,Scheint tiefen, tiefen Schlaf zu tun,Nicht um die Welt erwachte er nun.Alle Schönheit schläft! – und ach! wo liegt(Ihr Fenster den Himmeln geöffnet) – wo liegtIrene, vom Schicksal eingewiegt!

O Schönste! – ach! ich steh’ betroffen:Das Fenster weit dem Nachtwind offen?Die Lüfte fallen im MondenscheinVom Baum herab durchs Gitter ein –Sie flüchten flüsternd wie GeisterscharDurch dein Gemach und stoßen gar

Am Bett den bunten BaldachinSo schaurig her, so schaurig hinÜber des Auges geschlossene Glut,Darunter die schlummernde Seele ruht,Daß Schatten gleich Gespenstern webenUnd Wand und Boden irr beleben.O liebe Dame, banget dir?Warum und was nur träumst du hier?Gewiß, du kamst von fernstem Meer,Ein Wunder, in diesen Garten her!Seltsam deine Blässe! Seltsam dein Kleid!Die Locken länger als jederzeit!Seltsam die düstere Feierlichkeit!

Sie schläft! Und wie sie dauernd ruht,So ruhe sie auch tief! Und gutHab Himmel sie in heiliger Hut!Heiliger sie jetzt und der Raum,Schwermütiger sie als je ihr Traum.O Gott! laß nie ihren Schlaf vergehn,Ihr Auge nie sich öffnen und sehn,Indes die Gespenster vorüberwehn!

Meine Liebe, sie schläft! Wie dauernd sie ruht,So ruhe sie auch tief und gut;Leis krieche um sie die Würmerbrut!Mög fern im Forst, in Düster und Duft,Für sie sich auftun eine Gruft –Eine Gruft, die oft das schwarze TorAufwarf vor bangem Trauerchor,Triumphierend über den WappenflorDer Toten aus ihrem erhabenen Hause –Eine Gruft, entlegen wie Einsiedlerklause,Deren Tor ihr einst beim kindlichen SpielFür manchen Stein gedient als Ziel –Ein Grab, aus dessen tönendem TorSie nimmermehr zwingt ein Echo hervor,Das dröhnend dem Kind in die Ohren rollte,Als sei es der Tod, der da drinnen grollte.

Schweigen

In Eins verleibt, in engster InnigkeitSind Kräfte: doppellebig – so geschweißtEin Bild von jener Zwillings-WesenheitAus Stoff und Licht, die Körper ist und Geist.Da ist ein zweifach Schweigen – Strand und Meer –Körper und Seele. Einer wohnt am Ort,Jüngst übergrünt; ein tränenvolles Wort,Gedenken und Ehrzeichen, ernst und hehr,Verhüllen alles Graun – er heißt: Nie mehr!Er ist vereinigt Schweigen; fürcht ihn nicht,Da ihm zum Bösen alle Macht gebricht.Doch solltest du begegnen (traurig Los!)Seinem Gespenst (dem Kobold Namenlos,Der spukt auf nie vom Mensch betretnen PfadenDer Einsamkeit), befiehl dich Gottes Gnaden.

Ein Traum in einem Traum

Auf die Stirn nimm diesen Kuß!Und da ich nun scheiden muß,So bekenne ich zum SchlußDies noch: Unrecht habt ihr kaum,Die ihr meint, ich lebte Traum;Doch, wenn Hoffnung jäh enflohnIn Tag, in Nacht, in VisionOder anderm Sinn und Wort –Ist sie darum weniger fort?Schaun und Scheinen ist nur Schaum,Nichts als Traum in einem Traum!

Mitten in dem WogenbrandSteh’ ich an gequältem Strand,Und ich halte in der HandKörner von dem goldnen Sand –Wenig, dennoch ach, sie rinnenDurch die Finger mir von hinnen –Weinen muß ich, weinend sinnen!Ach, kann ich nicht fester fassen,Um sie nicht hinwegzulassen?Ach, kann ich nicht eins in HutHalten vor der Woge Wut?Ist all Schaun und Schein nur Schaum –Nichts als Traum in einem Traum?

Traumland

Auf Pfaden, dunkel, voller Grausen,Wo nur böse Engel hausen,Wo ein Dämon, Nacht genannt,Auf schwarzem Thron die Flügel spannt,Aus letztem düsterm Thule fandIch jüngst erst her in dieses Land –Aus Zauberreich, so wild und weit,Fern von Raum, fern von Zeit.

Ewig bodenlose Schlünde,Klüfte, Schlüfte ohne Gründe,Unbegrenzte Wassermassen,Die sich nie in Ufer fassen,Wälder, die kein Ende nehmen,Die – titanenhafte Schemen –Tropfend stehn in Nebeltau,Endlos wuchtend, endlos grau!Berge, endlos niederfallend,Meere, in kein Ufer wallend,Meere, die urewig fluten,Himmel, die urewig gluten,Weiher, die unendlich breitenStummer Wasser Einsamkeiten,Die in Tod und Stille liegenUnd den Schnee der Lilie wiegen.

Bei den Weihern, die da breitenStummer Wasser Einsamkeiten,Die in Tod und Trauer liegenUnd den Schnee der Lilie wiegen;Bei den Bergen, bei den Flüssen,Die so ruhlos murmeln müssen;Bei den Wäldern, bei den Sümpfen,Wo bei schwarzverfaulten StümpfenMolch und Kröte lauernd schleichen;Bei den Pfuhlen und den Teichen,Wo gefräßige DämonenGierig bei den Leichen wohnen;Bei den trüben Sündenquellen,Die in giftigen Dünsten schwellen –Trifft der Wandrer voller BangenAlles, was schon lang vergangen:Totenhemden, die sich blähen,Schemen, die aus Schatten spähen,Freunde, lang schon aus dem Leben,Erd – und Himmel übergeben.

Für das Herz voll tausend WehenIst es hier ein friedvoll Gehen –Für den Geist, den Schatten bannt,Ist’s ein paradiesisch Land!Doch wer wandert durch dies Grauen,Wage niemals aufzuschauen,Nie den schwachen Blick zu hebenIn das Weben und das Beben,Senke das bewimpert Lid,Daß es kein Geheimnis sieht.So des Königs Machtbefehle.Und so darf die trübe SeeleHier nur im VorübergehenDurch getrübte Gläser sehen.

Auf Pfaden, dunkel, voller Grausen,Wo nur böse Engel hausen,Wo ein Dämon, Nacht genannt,Auf schwarzem Thron die Flügel spannt –Aus jenem letzten Thule fandIch jüngst erst heim in dieses Land.

An Zante

O schöne Insel, die den schönen NamenSich von der süßesten der Blumen nimmt,Ach, daß bei deinem Schaun mich überkamenAll jene Stunden, die einst froh gestimmt!

Wie viele Szenen lang versunkner Wonne!Wie viel Gedenken an begrabnen Traum –Ach, an ein Mädchen, das in deiner SonneNie mehr hinschreitet durch den Bradungsschaum!

Nie mehr! Das ist der zaubrisch trübe Klang,Der alles wandelt! Nie soll dein GedenkenMehr meiner Seele eine Freude schenken!

Verflucht erscheint mir nun dein blumiger Hang,O hyazinthne Insel! purpurn Zante!»Isol d’oro! Fior di Levante!«

Eulalie

Ich weilte alleinIn der Welt voll Pein,Und mein Herz war wie Sumpf so seicht,Bis die schöne und sanfte Eulalie mir errötend die Hand gereicht –Bis die blonde und junge Eulalie mir lächelnd die Hand gereicht.

Ach, weniger klarDie Sternennacht warAls die Augen der strahlenden Maid!Und nimmer ist HauchVom zartesten Rauch,Dem Mond seinen Sternenglanz leiht,So schön wie der Locke Eulalies bescheidene Lieblichkeit –So schön wie der Locke Eulalies gleichgültige Lieblichkeit.

Nun Zweifel – nun PeinKehr nimmermehr ein,Denn Seufzer um Seufzer strebtIhre Seele mir zu,Und all Tag in RuhAstarte am Himmel schwebt,Indessen zu ihr lieb Eulalie ihr mütterlich Auge hebt –Indessen zu ihr jung Eulalie ihr Veilchenauge hebt.

El Dorado

Ein Ritter, hehrVon Art und Ehr’,Durch Sonnenschein zog und Schatten.Er ritt gar langDurchs Land und sangUnd suchte El Dorado.

Doch wurde altDie Reckengestalt,Ihm sank ins Herz ein Schatten,Denn nirgends er fandEin Fleckchen Land,Das aussah wie El Dorado.

Und als er garEntkräftet war,Da traf er Pilger Schatten –Den sprach er an:»Schatten, wo kannEs liegen: El Dorado?«

»Reit immerzuÜber Mondberge duHinab ins Tal des Schattens,Reit fort und fort« –War Schattens Wort –»Dort findest du El Dorado.«

Für Annie

Gottlob! die GefahrIst nun endlich vorbei,Von schleppender KrankheitWard endlich ich frei –Ward sieghaft vom Fieber,Dem »Leben«, nun frei.

Ich weiß es, ich kannKeine Taten mehr tun,Keinen Muskel mehr regen,Nur langgestreckt ruhn –Was tut es! Jetzt fühl’ ichMich besser im Ruhn.

Und ich liege so friedlich,Errettet von Not,Daß wer an mein Bett tritt,Vermeint, ich sei tot –Erschrickt bei dem AnblickUnd meint, ich sei tot.

Das Ächzen und Krächzen,Die seufzende Plag’Ist nun endlich vorbeiMit dem schrecklichen Schlag,Mit des Herzens entsetzlichemSchrecklichem Schlag!Das Übel – der Ekel –Die ruhlose Not –Hörte auf mit dem Fieber,Das im Hirn mir geloht –Mit dem Fieber, dem »Leben«,Das wahnvoll geloht.

Und von allen FolternIch jener genas,Die am schrecklichsten quälte,Am furchtbarsten fraß:Des Durstes nach Liebe,Nach Lieb ohne Maß –Nun trank ich ein Wasser,An dem ich genas.

Ein Wasser, das flutetMit schläferndem Klang,Das nah unterm BodenSich gräbt seinen Gang –Wenig Fuß in dem GrundeSich gräbt seinen Gang.

Und ach, daß doch nimmerDie Dummheit es spricht,Daß enge mein Bette,Ohne Luft, ohne Licht –Denn in anderen BettenDa ruht es sich nicht,Und zum Schlafen bedarfst duSolch Bett ohne Licht.

Die gemarterte Seele,Hier ruht sie sich aus,Vergißt, und vermißt nichtDen duftenden StraußVon Myrten, von Freude –Den Rotrosenstrauß.

Denn drunten da ruht sieIn heiligerm Hauch,In süßestem DuftenVon Rosmarinstrauch –In BlauveilchenduftenUnd Rosmarinhauch –In Trauer und TreueVon Rosmarinstrauch.

Und da liegt sie nun heiterIn Träume gebanntVon Treue und SchönheitVon Annie, gebanntIn Träume von Annie,Von Locken umspannt.

Sie küßte mich innig,So zärtlich bewußt,Dann fiel ich in SchlummerDort an ihrer Brust –In traumtiefen SchlummerAn himmlischer Brust.

Als das Licht dann erloschen,Da deckt’ sie mich warm,Und sie bat zu den Engeln,Mich zu hüten vor Harm –Zu der Herrin der Engel,Mich zu schirmen vor Harm.

Und ich liege so friedlich,Errettet von Not(Denn ich weiß ihre Liebe),Daß ihr meint, ich sei tot –Und ich ruh’ so gelassen,Errettet von Not(Ihre Liebe im Busen),Daß ihr meint, ich sei tot –Nur schaudernd mich anschautUnd denkt, ich sei tot.

Doch mein Herz das strahlt heller,Als am Himmelsthron sprühtDer Sterne Gewimmel,Da von Annie es glüht –In der Liebe von AnnieErstrahlet und glüht,Im Gedanken an AnniesLichtaugen erglüht.

An –

Ich sorge nicht, daß mein ErdenlosWenig von Erde trägt,Daß Haß in Minute erbarmungslosJahre der Liebe schlägt.Ich klage nicht, daß mehr an GlückDer Einsame hat denn ich –Doch daß Du sorgst um mein Geschick –Um diesen Wandrer – mich!

Braut-Ballade

Der Ring an meiner Hand,Der Kranz aufs Haar gesetzt –Mein ist nun Prunk und TandUnd wunderbar Gewand,Und ich bin glücklich jetzt.

Und mein Herr, er liebt mich sehr;Doch sein Schwur hat mich entsetzt –Sein Wort klang dumpf und schwerWie Grabgeläute herUnd klang, als spräche er,Der kämpfend fiel im Heer –Und der wohl glücklich jetzt.

Doch er beruhigte michMit sanftem Kuß zuletzt,Indes ein Träumen michZum Kirchhof trug und ichD’Elormie, dem Toten, michVermählte innerlich.»O ich bin glücklich jetzt!«

Und so war das Wort gesprochenUnd der Schwur, der Pflichten setzt;Und sei auch die Treu’ gebrochen,Und sei auch mein Herz gebrochen –Der Ring, er hat gesprochen,Er zeigt mich glücklich jetzt.

Wollt’ Gott, ich könnte lassenDen Traum, der so mich hetzt!Meine Seele kann’s nicht fassen,Ich muß in Reu erblassen,Daß der Tote, so verlassen,Nicht glücklich sein mag jetzt.

An F –

Geliebte! mitten in der Qual,Die meinen Erdenpfad umdrängt(Ach, trüber Pfad, den nicht einmalEinsam erhellt einer Rose Strahl),Meine Seel’ an einem Troste hängt:An Traum von dir – der allemalMir Frieden bringt aus Edens Tal.

So ist das Deingedenken mirWie fern verwunschnes InsellandInmitten aufgewühlter GierDes Ozeans: ein Meer-RevierIn Sturm – indes doch unverwandtEin heitrer Himmel blauste ZierGrad über jenes Eiland spannt.

An den Fluß

Du schöner Fluß mit deiner Flut,Die niemals stille hält.Du bist ein Bild von Jugendmut,Von einem Herzen unverstellt.

Doch wenn in dein kristallnes Blau,Das trübe Augen scheuen,Die Liebste blickt, gleichst du genauMir selbst, ihrem Getreuen.

Denn dies Herz birgt wie du so reinIhr Bild und strahlt bewegt,Wenn es den teuren WiderscheinIn seinen Tiefen hegt.

Ein Traum

Oft fand ich mein entschwundnes GlückIn einem nächtlichen Gesicht,Doch ließ mich hoffnungslos zurückEin wacher Traum im Tageslicht.

Ach, was ist nicht ein solcher TraumFür ihn, der mitten in der FluchtDer Dinge über Zeit und RaumDer Seele einen Stützpunkt sucht!

O dieser Traum – dieweil in QualUnd Wirrnis um mich lag die Welt –Hat wie ein Schutzgeist manches MalSich zu mir Einsamen gesellt.

Was durch der Täuschung DämmerlichtSo tröstend schimmerte von fern –War es dem Herzen teurer nicht,Als selbst der Wahrheit Tagesstern?

Romanze

Romanze, die am NachmittagGern traumhaft nickt und singt im Hag,Wo überm schattendunklen TeichDie Zweige säuseln sacht und weich –Einst warst du, da ich wild und frei,Ein Kind, doch wissend, Tag für TagDir lauschend unterm Baume lag,Ein seltner bunter PapageiAus einem fremden Wunderland,Den ich doch Laut für Laut verstand.Doch nun umkreist den WeltenbauDer Kondorflug der Zeit so rauh,Daß in der tosenden GefahrIch aller seligen Muße bar.Und wenn mit sanfterem FlügelschlagDen unruhvollen Geist ein TagAuch wohl entführt in Träumerei’n –Dann litte meine Seele Pein,Wenn sie bei Leier und GesangNicht bebte mit dem Saitenstrang.

An M. L. S.

Von allen, die dich preisen wie den Morgen,Die, wenn du fern bist, wähnen, es sei Nacht,Am Himmel erloschen sei die Sonne –Von allen, die dich unter Tränen segnen,Daß du die Hoffnung ihnen wiedergabst,Ja, mehr noch, ihren tief begrabenen GlaubenAn Wahrheit – Tugend – Menschlichkeit;Von allen, die vom Bette der Verzweiflung,Wo hingestreckt sie lagen, sich erhobenBei deinem sanftgesprochnen Wort: »Es werde Licht!«Dem sanftgesproch’nen Wort, das sich erfüllteIm engelreinen Schimmer deiner Augen;Von allen, die dir danken, deren DankAnbetung gleichkommt – o gedenkeDes Wahrsten, innigst dir Ergebenen,Der, während er dies niederschreibt, erbebt zu denken,Daß er mit einem Engel Zwiesprach halte.

An –

Die Kelche, oft im Traum erschaut,Wo Singvögel sich wiegen,Sind deine Lippen – und der LautMelodisch draus entstiegen –

Dein Augenstrahl, mir sanft erglüht,Fällt mitten in dem DunkelAuf mein undüstertes GemütWie eines Sterns Gefunkel.

Dein Herz – dein Herz, seufz’ ich gepreßtUnd träume bis zum TageVom Glück, das sich nicht greifen läßt.Doch will, daß man es wage.

Sonett an die Wissenschaft

O Wissenschaft! Du Sproß der Greisin Zeit,Vor dessen Späherblick nichts sicher ist!Du Geier, fluglahm vor der Wirklichkeit,Was spürst du nach dem Dichter so voll List?

Wie sollte er – wenn schon du weise bist –Dich lieben, die ihm seine Wanderung,Mit der er Sternengegenden durchmißt,Mißgönnt und seinen adlergleichen Schwung?

Vertriebst du nicht die Götterliebespaare?Aus Fluß und Hain die Nymphen und Najaden,Daß sie sich flüchteten ins Unsichtbare?

Verscheuchtest du nicht von den WiesenpfadenDie Elfen – und von mir den SommertraumDes Mittags unterm Tamarindenbaum?

Hymne

Wenn ich des Morgens mich erhob,Maria! hörtest du mein Lob.Legte ich mich zum Schlummer hin.Pries ich dich, Himmelskönigin.Als noch die Stunde hell entflog,Den Himmel kein Gewölk umzog,Nahmst du, wie eine Mutter tut,Mein schwaches Herz in deine Hut.Nun, da die Tage freudlos fliehn,Mein Leben Stürme überziehn,Mach meine Zukunft wieder lichtDurch Hoffnung und durch Zuversicht.

Lied

Ich sah dich unterm MyrtenkranzErröten tief und zag,Da noch die Welt in eitel GlanzUnd Liebe vor dir lag.

Von allem Prunk und FlackerlichtIn deinem BrautgeleitSah mein geblendetes GesichtNur deine Lieblichkeit.

Mag sein, daß jene scheue GlutNur flüchtig dich berührt,Mir aber ward davon das BlutZur Flamme angeschürt.

Da ich dich unterm MyrtenkranzErröten sah so zag,Obwohl die Welt in eitel GlanzUnd Liebe vor dir lag.

Märchenland

Ströme und dunkle Täler und Tiefen,In wolkengleichen Wäldern versteckt,Deren Formen uns ganz verdeckt,Weil sie von bleiernen Nebeln triefen.Riesige Monde, die wachsen und schwindenDes Nachts drüber her ohne Unterlaß,Von deren Atem, frostig und naß,Die Sterne erlöschen oder erblinden.Ihr Kern sinkt auf die Bergesspitzen,Doch ihre Lichtkreise wogen schwerÜber dem großen WäldermeerUnd dringen in alle Schlünde und Ritzen,Bis alle Irrgänge weit und breitUmsponnen sind von MüdigkeitUnd sie des Schlafes LeidenschaftUmfängt mit zaubertiefer Haft.Des Morgens aber entschwebenDie Mondeshüllen, wirr zerflossenZugleich mit den Stürmen, und erhebenSich gleich riesigen Albatrossen,Die in den Lüften als getrennteAtome wieder herniederfallen,Und so (nie ruhende Elemente)In einem ewigen Zirkel wallenUnd auf ihren zitternden SchwingenZur Erde Himmelsspuren bringen.

Der See

In meinen jungen Jahren triebMich Sehnsucht oft an einen Ort,Der mich gebannt hielt wie ein Hort.So war die Einsamkeit mir liebVon einem See, um dessen RandEin schwarzes Felsgemäuer stand.

Doch wenn die Nacht ihr Bahrtuch warfAuf diese Stelle und auf mich,Und mystisch durch die Wellen strichDer Wind, bald klagend und bald scharf,Dann – ja – erschreckte mich oft jähDie Einsamkeit am dunklen See.

Doch dieser Schrecken war nicht Grau’n;Nein, eine Lust, die Schauer barg,So zitternd und dämonisch stark,Wie sie in unterirdischen Gau’nDer spüren mag, der einen ScheinErhascht von flimmerndem Gestein.

Tod war um jenen giftigen Strand –Und in der Flut ein Grab für ihn,Der dort für seine PhantasienBesänftigende Tröstung fandUnd den sein Träumen wandeln hießDas finstre Reich zum Paradies.

Geschichten

Der Untergang des Hauses Usher

Son cœur est un luth suspendu;Sitôt qu’on le touche il résonne.

De Beranger

Ich war den ganzen Tag lang geritten, einen grauen und lautlosen melancholischen Herbsttag lang – durch eine eigentümlich öde und traurige Gegend, auf die erdrückend schwer die Wolken herabhingen. Da endlich, als die Schatten des Abends herniedersanken, sah ich das Stammschloß der Usher vor mir. Ich weiß nicht, wie es kam – aber ich wurde gleich beim ersten Anblick dieser Mauern von einem unerträglich trüben Gefühl befallen. Ich sage unerträglich,