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Ein neuer Blick auf ein altes Wort: E H R F U R C H T - ein sperriger Begriff, weil er oft missbraucht wurde, um Menschen klein zu halten. Richtig verstanden, bedeutet er das Gegenteil. Ehrfurcht, das ist diese tiefe Emotion, die uns ergreift, wenn wir etwas wahrhaft Großem begegnen, das uns anzieht und uns bewegt, ihm ähnlich zu werden. Anton A. Bucher bricht eine Lanze für den gesunden Reflex, der Menschen wachsen lässt. Anschaulich vermittelt er psychologische Erkenntnisse und zeigt: Ehrfurcht kann das Leben enorm vertiefen. Ihr kommt deshalb eine wichtige Rolle zu in der Erziehung, die ihrerseits die Ehrfurcht vor jedem Kind braucht.
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Seitenzahl: 123
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Cover
Haupttitel
Inhalt
Über den Autor
Über das Buch
Impressum
Hinweise des Verlags
Einstieg: Erschauern vor dem All
Gliederung des Buches
Erstes KapitelWas ist Ehrfurcht?
1.1 Ein junges Wort für ein altes Phänomen
1.2 Ehrfurcht: Eine Emotion?
1.3 Ehrfurcht und nahestehende Phänomene
Furcht
Respekt
Achtung
Bewunderung
Staunen
Zweites KapitelWovor empfinden Menschen Ehrfurcht?
2.1 Die Klage über die verlorene Ehrfurcht
2.2 Wie Menschen Ehrfurcht erleben, auch heute
Spontangedanken zu Ehrfurcht
Ehrfurcht in und vor der Natur
Ehrfurcht vor dem Leben, speziell an dessen Grenzen
Ehrfurcht vor außerordentlichen Persönlichkeiten
Ehrfurcht vor (Kunst-)Werken
Religiöse Ehrfurcht
2.3 Ehrfurcht – am stärksten vor dem Leben, am wenigsten in einer Bank: Quantitatives
Ehrfurcht in der Natur
Ehrfurcht vor Toten, exzellenten Persönlichkeiten, dem Leben und den Nahpersonen
Ehrfurcht vor Religiösem und Kirchlichem
Ehrfurcht vor Nationalsymbolen, Macht, Prominenz und Reichtum
Zusammenfassend
Wie oft Ehrfurcht empfunden wird
Was von Ehrfurcht gehalten wird
Drittes KapitelWas Ehrfurcht bewirkt
3.1 Unterwürfigkeit und Erschrecken
3.2 Ehrfurcht stärkt und vertieft: Biographische Beispiele
Anton Bruckner
Adalbert Stifter
Albert Schweitzer
3.3 Ehrfurcht: Psychologische Experimente
Viertes KapitelErziehung zur Ehrfurcht
4.1 Ehrfurcht vor dem Kind
4.2 Ehrfürchtig handeln
Ausblick
Über den Autor
Über das Buch
Impressum
Hinweise des Verlags
Gewidmet einer ehrfurchtsvollen Frau: Birgitta Kuhl
Auf dem Gaisberg bei Salzburg, 1260 Meter über dem Meer. Die letzten Sonnenstrahlen sind hinter dem Untersberg, einer gewaltigen, 1000 Meter hohen zerklüfteten Masse aus Kalk, verglüht. Ins Salzachtal, aus dem ferner Motorenlärm heraufhallt, sinkt dunkle Kühle. Aus dem verdämmernden Himmel, nur noch im Westen ein goldener Streifen, treten erste Sterne hervor. Gebannt blicke ich dorthin und sinniere über die Weite unseres Planeten. Nicht mehr zu sehen, aber zu erahnen sind noch höhere Gipfel, der Montblanc in ewigem Eis. Und noch ferner die Wogen des Atlantik, die seit Jahrmillionen an die Algarve rauschen. Immer dunkler wölbt sich der Himmel über die weite Landschaft, die schwarzen Gipfel und Grate. Immer mehr Sterne sind zu sehen, nicht nur die Venus – hell funkelnd im Westen herabsinkend, Lichtstrahlen in die Pupillen schickend –, sondern Sternbilder: Großer Wagen, Schütze. Hinter diesen liegt das Zentrum der Milchstraße, ein schwarzes Loch, die Masse von vier Millionen Sonnen zusammenballend, so dicht, dass die Erde, würde sie dorthin verschluckt, in einer Cappuccino-Tasse Platz hätte.
Bei diesem Anblick beschleichen mich Gefühle, die stärker und stärker werden. Staunender Schwindel, wenn ich die kosmischen Tiefen und Weiten zu erahnen versuche. Viele Sterne, die so winzig glitzern, teils gleißend, teils rötlich, sind tausendfach größer als die Sonne. VY Canis Majoris würde in unserem Sonnensystem bis zum Saturn glühen. Viele Sterne sind längst erloschen. Aber die Photonen, vor Jahrmillionen weggeschleudert, jagen noch immer durch das gewaltige All, in jeder Sekunde eine Strecke von mehr als siebenmal um die Erde. Sie treffen auf Millionen von Zellen im Augapfel, auf die Retina, die die Impulse in den visuellen Cortex im Hinterkopf schickt. Größenvergleiche fallen ein: Unsere Milchstraße, spiralförmig, reduziert auf zehn Kilometer Durchmesser, durchschnittlich einen Kilometer hoch, darin ein imaginiertes Schneetreiben. Unsere Sonne wäre eine von mehr als 100 Milliarden Schneeflocken und so winzig, dass sie durch ein Mikroskop nicht zu sehen wäre. Unser gesamtes Sonnensystem bis zur Umlaufbahn des Pluto: ein winziger Punkt von 0,1 Millimeter Durchmesser.
Ein greller Lichtstrahl, jäh erloschen: eine Sternschnuppe! Aber was, wenn es ein Asteroid gewesen wäre, zehn Kilometer im Durchmesser, zwar ein kosmisches Staubkorn, aber ganz Salzburg zermalmend und pulverisierend, die Säuglingsstation wie den Flughafen, einen gewaltigen Krater reißend, Milliarden Tonnen Staub aufwirbelnd, sodass der Himmel über Jahre verdunkelt bliebe? Diese Bilder erzeugen Angst, ebenso die unbegreiflichen Gewalten da draußen, dichteste Materie, die jedes Licht verschluckt; lohende Hitze, Millionen Grad, alles zerschmelzend, und klirrendste Kälte, in der jedes Leben zersplittert!
Doch in die Furcht mischt sich das Staunen, dass dies alles überhaupt ist, dass gerade ich gerade jetzt meinen Atem als blasse Schwade diesen Tiefen entgegenhauchen darf, die schon Jahrmilliarden waren, bevor mein Herz schlug – und dies nur kürzeste Zeit, auch wenn dies Leben 100 Jahre währen sollte. Und das dankbare Staunen, dass ein milder Windhauch die Stirne umfächelt und in diesem gewaltigen Kosmos plötzlich, wie aus dem Nichts, das muntere Lachen eines Kindes zu hören ist, das an der Hand der Mutter daherkommt, um auf die nächtliche Stadt sehen zu können. »Ist das schön!«, sagt es. Und mir geht durch den Kopf: Dass dieses Mädchen jetzt atmen und schauen kann, dafür lebten und starben Millionen von Generationen, erst mäuseartige Säuger, dann sich aufrichtende Primaten und schließlich betende Menschen; dafür wurden Billiarden Spermien ausgestoßen, pochten unzählige Herzschläge Meere von Blut durch die Adern in die Kapillaren und zu den unendlich vielen Synapsen.
Nun leuchtet im Westen nur noch ein schmaler oranger Streifen über der nächtlichen, schweigenden Erde. Mir ist, als dehne sich das staunende Bewusstsein weit in den nächtlichen Himmel hinein, die Frage nach sich ziehend: »Wie im gewöhnlichen Leben allen diesen Wundern ähnlicher werden?« Viele Vorsätze drängen sich auf: tiefer empfinden, bewusster leben, gelegentlich innehalten.
Was bisher beschrieben wurde, lässt sich »Ehrfurcht« nennen: Die Begegnung mit etwas viel Größerem, Stärkerem, Geheimnishaftem, das erschauern lässt, Gänsehaut erzeugen kann und dazu motiviert, diesem im Geist, in der Seele, im Verhalten ähnlicher zu werden. Allerdings: Viele Menschen stoßen sich an diesem Wort. »Ehrfurcht, nein, nur das nicht!«, beteuerte eine Studentin. »Ehrfürchtig mussten wir in der Kirche sein, knien, den Kopf senken, uns an die Brust schlagen, schuldig! Ehrfurcht läuft doch nur auf Macht und Unterwerfung hinaus!« In der Tat: Viele Mächtige dieser Welt umgaben und umgeben sich mit einem Nimbus der Ehrfurcht. Der frühere Diktator in Nordkorea, Kim Jong-il, pflegte sich als göttliche Führergestalt zu präsentieren, die vom Himmel herabschwebt – die Menschen sanken in die Knie. Die Nationalsozialisten ließen das 245 Meter lange Luftschiff »Hindenburg« über großen Menschenmassen kreisen, so bei den Olympischen Spielen in Berlin, um Ehrfurcht ins Riesenhafte zu steigern. Generationen von Christen wurden zu Ehrfurcht gegenüber geistlichen Vätern erzogen, denen zu widersprechen undenkbar war. Der Katholizismus sei »die größte, die heiligste Schule der Ehrfurcht«.1 Ab dem Jahre 1910 hatten alle Kleriker zu schwören: »Ich unterwerfe mich mit gebührender Ehrfurcht«2 – nicht Gott, sondern dem päpstlichen Lehramt.
Aber: Was missbraucht wurde (und wird), muss deswegen kein Übel sein. Gilt dies nicht in besonderem Maße für Ehrfurcht? Kein Geringerer als Johann Wolfgang Goethe schrieb in seinem Bildungsroman »Wilhelm Meisters Wanderjahre«: »Aber eins bringt niemand mit auf die Welt, und doch ist es das, worauf alles ankommt, damit der Mensch nach allen Seiten zu ein Mensch sei: … Ehrfurcht.«3 Und Albert Einstein, der tief in die schwindelerregenden Weiten des Universums und in das Mysterium der Atome zu blicken vermochte, sagte: »Wer sich nicht mehr wundern und in Ehrfurcht verlieren kann, ist seelisch bereits tot.«4
Dieses Buch will »Ehrfurcht« aus den Fesseln befreien, die um sie geschnürt wurden, weil Menschen stumm ihr Haupt senken sollten: vor Herrschern, Kirchenfürsten, Pracht- und Machtbauten. Es soll deutlich machen, dass Ehrfurcht vielmehr als tiefe Emotion zu würdigen ist, die den Menschen gerade nicht klein macht, sondern ihn zu seiner wahren Größe erheben, das Leben enorm bereichern und vertiefen kann. Auch wird belegt, dass Menschen im 21. Jahrhundert keineswegs so seicht und ehrfurchtslos sind, wie vielfach behauptet wird, auch von Vertretern der Kirche: Ehrfurcht sei in unserer materialistischen Lebenswelt ein Fremdwort geworden.
Ehrfurcht, wenn intensiv, mit Gänsehaut und als Erschauern erlebt, kann das Leben tief verändern. Eine klassische Schilderung findet sich in der Bhagavadgita, einer alten heiligen Schrift der Inder. Sie erzählt, wie der Königssohn Arjuna gegen ein übermächtiges Heer kämpfen soll. Er ist niedergeschlagen, verzweifelt. Da erscheint ihm Krishna und lässt ihn durch ein göttliches Auge schauen. Als er das ewige Brahma erblickt, heller als tausend Sonnen, und die Kleinheit der Menschen vor dem alles verschlingenden Rachen des Todes, gerät er in tiefste Ehrfurcht. Und rafft sich in neuer Stärke auf, um den Kampf zu bestehen.
Obschon Ehrfurcht die Psyche stärken kann, habe die Psychologie zu ihr »erstaunlich wenig zu sagen«.5 Eine weithin vergessene Ausnahme ist Carl Gustav Carus, zu seinen Lebzeiten in der Romantik (1789–1869) ein angesehener Mediziner, Naturforscher und Psychologe. Neben der Liebe sei Ehrfurcht die »Spitze und reinste Blüte der Achtung«, »die reinste Verklärung des Empfindens der Seele«, die, anders als beim rohen Menschen, der die Natur fürchte, Bildung voraussetze.6 Wenn der Mensch die Natur und das Leben in »wahrer« Ehrfurcht betrachte, sei »ihm ein heiliges Asyl bereitet, in welchem er gegen manche Stürme sicheren Schutz und beseligende Ruhe findet«.7 Tatsächlich sprechen die wenigen einschlägigen psychologischen Studien dafür, dass Ehrfürchtige psychisch stabiler sind.8 Dass die Psychologie ausblendete, was aus der Sicht Goethes den Menschen nach allen Seiten hin Mensch sein lasse, ist dadurch bedingt, dass »Ehrfurcht« alsbald kirchlich besetzt wurde. PsychologInnen stellten sich in zahlreichen Umfragen als die am wenigsten religiösen Akademiker heraus. Sofern die Psychologie die »Seele« also wiedergewinnen will, die sie in ihrer Gründungsphase demonstrativ verabschiedete (»Psychologie ohne Seele«), kommt sie an Ehrfurcht nicht vorbei.
Zaghaft mehren sich die Ansätze zu einer Psychologie der Ehrfurcht, im angelsächsischen Raum intensiver als hierzulande, möglicherweise weil »awe« dort verbreiteter ist, speziell das auch von Jugendlichen verwendete »awesome«, was nicht nur »ehrfurchtgebietend« bedeuten kann, sondern auch »super« und »affengeil«. Der Ehrfurcht angenommen hat sich die Positive Psychologie. Emotionen wie Ehrfurcht (awe) und Erhebung (elevation) tiefer zu verstehen, sei eine vordringliche Zukunftsaufgabe.9 Kirk Schneider plädierte dafür, zu einer Psychologie aufzuwachen, die auf Ehrfurcht gegründet ist und das Heilige berührt.10 In eindrücklichen biographischen Studien zeigte er, wie tiefgreifend Ehrfurcht das Leben transformieren kann.11 Paul Pearsall, ein Psychologe, der auf Hawaii tätig war, hält Ehrfurcht für die rätselhafteste und faszinierendste Basisemotion. Sie sei viel erstrebenswerter als seichtes Streben nach Wohlfühlen und Glück.12
Wenn hierzulande über Ehrfurcht geschrieben wird, dann oft im Zusammenhang mit Albert Schweitzer,13 der eine Ethik der »Ehrfurcht vor dem Leben« entwickelte – und lebte –, die sich aber in der Philosophie nicht so durchzusetzen vermochte, wie der Urwalddoktor und Philosoph erhoffte.14 Sodann waren und sind es Theologen, die sich zu Ehrfurcht äußern, umfassend Gerhard Marschütz, der seiner Dissertation den bezeichnenden Titel »Die verlorene Ehrfurcht« gab.15 Eine Psychologie der Ehrfurcht liegt noch nicht vor. Eine erste Morgenröte war der Artikel »Ehrfurcht: Staunend das Leben bereichern« in der Zeitschrift »Psychologie heute«.16
Das erste Kapitel versucht, Ehrfurcht definitorisch zu erfassen, insbesondere als Emotion, was kein leichtes Unterfangen ist, weil sich nur schwer in Worte kleiden lässt, wie sich Pupillen weiten und Schauer über den Rücken rieseln. Hilfreich ist daher, sie in Beziehung zu nahestehenden und doch verschiedenen Phänomenen zu setzen: zu Furcht, Respekt, Achtung, Bewunderung, Staunen.
Das zweite Kapitel beginnt mit der Klage über die geschwundene Ehrfurcht, wie sie schon vor Jahrtausenden angestimmt wurde, und bis heute andauert. Keine Ehrfurcht mehr vor dem Tabernakel, vor Respektspersonen, vor den Alpen, vor Stammzellen, Tieren, der Natur. Aber haben unsere ZeitgenossInnen Ehrfurcht wirklich verloren? Und wann und wo stellt sie sich ein, wenn überhaupt? In sakral gestalteten Hallen von Banken? Auf einer Aussichtskanzel über dem Grand Canyon? Vor Anemonen, die durch schmelzenden Schnee treiben? Wir befragten 500 Personen und waren erstaunt: So ehrfurchtslos – wie oft behauptet – sind Menschen auch im 21. Jahrhundert gar nicht.
Das dritte Kapitel erörtert Funktionen von Ehrfurcht, die negativ, aber auch wünschenswert sein können. Verwerflich ist, mit Ehrfurcht Menschen einzuschüchtern, sie klein und abhängig zu halten, um sie leichter manipulieren zu können. Die amerikanischen Streitkräfte bezweckten mit ihren Tomahawk-Marschflugkörpern, welche meterdicke Betonwände (und menschliche Leiber) zerrissen und tödliche Feuerpilze in den Himmel trieben, nicht nur Schock, sondern ausdrücklich Ehrfurcht (awe). Aber: Ehrfurcht kann erwiesenermaßen auch bewirken, dass sich bei stillenden Müttern der Milchfluss verstärkt, dass Menschen erfahren, mehr Zeit zu haben, dass sie eine innigere Verbundenheit mit der Natur und den Mitmenschen spüren und zu großartigen Schöpfungen inspiriert und motiviert werden. Anton Bruckner, Komponist der Ehrfurcht, bekannte, seine schönsten Werke »in Ehrfurcht« geschaffen zu haben; ebenso Adalbert Stifter, Dichter der Ehrfurcht, und Albert Schweitzer, Philosoph und Praktiker der Ehrfurcht. Drei biographische Skizzen belegen: Ehrfurcht macht stark!
Das abschließende Kapitel widmet sich der Erziehung zu Ehrfurcht. Sie kann nicht anders als damit beginnen, Ehrfurcht vor dem Kind zu empfinden und entsprechend zu leben.
1 Dupanloup, F.: Die Erziehung. Zweiter Theil: Von der Autorität und der Ehrfurcht in der Erziehung, Mainz: Verlag von Franz Kirchhelm 1867, 519 f.
2 Denzinger, H.: Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, Freiburg i. Br.: Herder 422009, Nr. 3543.
3 Goethe, J. W.: Sämtliche Werke, Band 8: Wilhelm Meisters Wanderjahre, Zürich: Artemis-Verlag 1977, 169.
4 http://www.zitate-online.de/sprueche/wissenschaftler/15752/das-tiefste-und-erhabenste-gefuehl-dessen.html
5 Keltner, D. & Haidt, J.: Approaching awe, a moral, spiritual, and aesthetic emotion. In: Cognition and Emotion 17 (2003), 297–314, hier 297.
6 Carus, G.: Vorlesungen über Psychologie, gehalten im Winter 1829/30 in Dresden, Leipzig: Verlag Gerhard Fleischer 1831, 400 f.
7 Ebd., 404.
8 Ausführlicher: Kapitel 3.
9 Snyder, C. R. & Lopez, S. J.: Handbook of Positive Psychology, Oxford & New York: Oxford University Press 2005, 753.
10 Schneider, K.: Awakenig to an Awe-Based-Psychology. In: The Humanistic Psychology 39 (2011), 247–252.
11 Schneider, K.: Awakening to awe. Personal stories of profound transformation, Lanham: Aranson 2009.
12 Pearsall, P.: Awe. The delights and dangers of our eleventh emotion, Deerfield Beach: Health Communications 2007.
13 Schweitzer, A.: Gesammelte Werke in fünf Bänden: Band 2: Schriften zur Kulturphilosophie, München: C. H. Beck 1993.
14 Eck, S. B.: Auf dem Prüfstand: Albert Schweitzer und die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben, Saarbrücken: Arbeitskreis Tierrechte & Ethik 2002.
15 Marschütz, G.: Die verlorene Ehrfurcht. Über das Wesen der Ehrfurcht und ihre Bedeutung für unsere Zeit, Würzburg: Echter 1992.
16 Reinhardt, S.: Ehrfurcht: Staunend das Leben bereichern. In: Psychologie heute 40 (2013), 8 f.
»Ehrfurcht« wird oft für ein altes, verstaubtes Wort gehalten. Aber sprachgeschichtlich ist es jung. Zwei große deutsche Sprachschöpfer verwendeten es noch gar nicht: Meister Eckhart (gest. um 1327) und Martin Luther (gest. 1546). Aber beide kannten das Phänomen. Der große Mystiker etwa mitten in rauschenden Ährenfeldern, in denen Gott gegenwärtig sei, erschaudernder als in der Kirche des Papstes. Und der Reformator, der in dem Gewitter zu Stotternheim gelobte, ins Kloster einzutreten, schrieb von Gott, so majestätisch zu sein, dass der Mensch, wenn er dies wirklich bedenke, in seinem Leibe und Herzen erschrecke und »scheu« werde.17
Erstmals findet sich »Ehrfurcht« in einem Buch, das der Jurist Ahasver Fritsch im Jahre 1666 über das Gemeinwesen veröffentlichte. Bereits zu Goethes Lebzeiten war »Ehrfurcht« – wie er selber sagte – »in allgemeiner Übung«. Dazu trug gerade er selbst bei, indem er in seinem Bildungsroman »Wilhelm Meister«, 1794 erschienen, die »dreifache Ehrfurcht« beschrieb, die den Menschen allererst zum Menschen mache: Ehrfurcht vor dem, was über uns ist, was unter uns und was uns gleich ist.18