Eifel zum Fressen gern - Angelika Koch - E-Book

Eifel zum Fressen gern E-Book

Angelika Koch

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Beschreibung

Lecker essen, gemächlich spazieren gehen, Kultur und Natur entdecken - das passt in der Eifel wunderbar zusammen! »Die Eifel zum Fressen gern« bietet Ausflugstipps für Menschen, die den klassischen Sonntagsausflug lieben: kurze Genießertouren mit Zeit fürs Schlemmen und für Begegnungen. So ein Sonntagsausflug führt zu Kunstschätzen und geologischen Wundern, zugleich verführt er mit Süßem, Raffiniertem, Deftigem oder ganz Gesundem. Und nebenbei lernt man Menschen kennen, die mit Leidenschaft kochen, Gemüse anbauen oder Honig ernten. »Eifel. Qualität ist unsere Natur!« Regionalmarke Eifel

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Angelika Koch

Eifel zum Fressen gern

Der wilde Westen auf die leckere Tour

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EIFEL ZUM FRESSEN GERN Die Eifel ist die perfekte Landschaft für Genussmenschen mit unverfälschter Natur und spannenden Kulturhighlights. Wandern wird hier zum Selbstzweck. Aber mal ehrlich: Wer hat nach einer Halbmarathondistanz mit glühenden Zehen noch die Sinne frei für Schönheit und Köstlichkeiten? Echte Frei-Zeit geht anders, findet Eifelkennerin Angelika Koch. Sie gibt zu, für XXL-Wanderungen viel zu faul zu sein, außerdem Lust auf gutes Essen zu haben und zu allem Überfluss Interessantes sehen zu wollen. Alles an einem Tag. Früher hieß das Sonntagsausflug, heute sollte das am liebsten jeden Tag gehen. Aber wo gibt es dieses bukolische Rundum-sorglos-Paket? »Eifel zum Fressen gern« ist eine kulinarisch-naturverliebte Sammlung mit Geschichten und Tipps für Unternehmungslustige, die kein Entweder-Oder wollen. Sie suchen das dreifache Ausflugsglück: entspannte Spaziergänge und moderate Touren, tolle Cafés und Restaurants, spektakuläre Sehenswürdigkeiten. Das geht!

Angelika Koch wurde in Rheda-Wiedenbrück geboren, verlebte viel Zeit auf dem Bauernhof der Großeltern im Teutoburger Wald, studierte Soziologie in Münster und entdeckte die Eifel als ihre Wahlheimat eher zufällig. Sie war sofort schockverliebt in Land und Leute, seitdem durchstreift sie die Eifel als Tageszeitungsjournalistin und Autorin von unter anderem Krimis und Reiseführern. Außerdem macht sie mit ostwestfälischer Beharrlichkeit und aus voller Überzeugung Standortmarketing für die Eifel nach dem Motto »einer muss es ja tun«. Sie will es tun, ganz freiwillig und seit mehr als 30 Jahren zu Hause auf den Eifelvulkanen.

Impressum

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Alle Rechte vorbehalten

Redaktion: Anja Sandmann

Lektorat: Isabell Michelberger

E-Book: Mirjam Hecht

Layout & Gestaltung: Veronika Buck unter Verwendung der Fotos von:

©Adobe Stock: Gorodenkoff; Schloss Bürresheim: ©Eifel Tourismus GmbH, Dominik Ketz

ISBN 978-3-7349-3140-6

Ab in die Sommerfrische … ein Kindheitstraum(a)

Meine Eltern hatten einen kleinen Familienbetrieb, eine Frottierweberei, die ungemein haltbare und kuschelige Handtücher hervorbrachte. Dagegen sind die heute im Handel erhältlichen Erzeugnisse schlappe Lappen, deren Ziernähte sich mit jeder Wäsche weiter zusammenkrümmen, sodass am Ende ein klumpiger Fummel bleibt. Unsere Produkte waren dagegen echte Kleinode … und wurden auch ebenso selten verkauft. Was der Leidenschaft fürs Handwerk keinen Abbruch tat. Mein Vater webte, meine Mutter entwarf die Muster und nähte tatsächlich stabile Säume, mein Großvater verpackte. Das Ergebnis der für kitschige Melodramen filmreifen Konstellation war, dass wir nie weite Reisen unternahmen. Wer selbstständig ist, arbeitet selbst und ständig. Der Lieblingsspruch meines Opas: »Wer spart, der wahrt Westfalen Art«. Das trifft auf Eifeler übrigens genauso zu, was ich Jahrzehnte später merkte, aber es reimt sich nicht so gut. Die Freizeit und das Geld jedenfalls reichten gerade mal für Sonntagsausflüge. Mit Neid lauschte ich in der Schule den Beschreibungen meiner Klassenkameraden, die ihre Ferien an südlichen Stränden oder in alpinen Hochgebirgen verbrachten, in schicken Metropolen oder in subtropischer Wildnis. Fernreisen waren damals etwas für Millionäre oder wahlweise haschbesessene Hippies.

Mich hingegen schleppte Papas unermüdlicher Ford Taunus zu Stippvisiten am Steinhuder Meer oder an den Externsteinen im Teutoburger Wald, zu Tagestouren an den Maschsee in Hannover oder an den Möhnesee im Sauerland. Ich bestaunte Viecher im Münsteraner Allwetterzoo, die rumpelnde Leichtigkeit der Wuppertaler Schwebebahn oder die frappierende Eleganz der Müngstener Brücke. Hochkultur im Kloster Corvey und die Historie des Hermannsdenkmals wurden mir ebenso nahegebracht wie die Botanik einer Bundesgartenschau in Dortmund oder die Weserrenaissance in Hameln. Kein bildungsbürgerliches Naherholungsziel im Teutoburger Wald und Sauerland, im Weserbergland und in der Münsterländer Bucht war vor der unaufhaltsam heranzockelnden Familie Koch sicher. Meine Mutter, die nie den Führerschein machte, saß neben dem stoisch lenkenden Vater und ermahnte ihn stets, doch langsamer zu fahren. Auch dann, wenn er sowieso nur sechzig Stundenkilometer schlich und sich hinter uns bereits eine beachtliche Karawane zwangsentschleunigter Fahrzeuge gebildet hatte. Ich saß im Fond, blickte ab und zu durch die Heckscheibe in die wutstarrenden Gesichter der Nachfolgenden und kotzte ebenfalls ab und zu in die zu diesem Zweck eigens mitgebrachte Tüte. Am liebsten dann, wenn mehrere Kurven hintereinander mit abrupten Brems- und Anfahrmanövern meines gemaßregelten Vaters eine Art Seekrankheit verursachten.

Ganz unschuldig an der Rebellion meines Magens gegen die Zentrifugalkräfte war wohl auch die in Tupperdosen und Henkelmann – für jüngere Leser: ein luftdicht abschließbares Metallbehältnis zum Transportieren von Mahlzeiten, jahrzehntelang haltbar (das Behältnis, nicht die Mahlzeit) und darum ökologisch von angenehm schmalem Fußabdruck – mitgeführte Hausmannskost nicht. Das Ziel des Transports: Vermeidung von kostenintensiven Restaurant- und Cafébesuchen. Das Ergebnis des Transports, außer sporadischer Übelkeit: heftige Sehnsucht nach Restaurant- und Cafébesuchen, koste es, was es wolle.

Die Sehnsucht blieb zumeist unerfüllt und der Body-Mass-Index verharrte zwischen hager und dürr. Denn nicht nur anlässlich von Ausflügen, sondern tagtäglich war der Konsum der hausfraulichen Bemühungen um Nahrungszubereitung eher diätmotivierend. Meine Mutter hatte viele Fähigkeiten. Sie konnte wunderschöne, ellenlange Gedichte über Blumen, Bäume, Schmetterlinge, Heuernte oder Fachwerkhäuser schreiben. Sie hatte einen extrem grünen Daumen, was einen dschungelartigen Zimmerpflanzenbewuchs sämtlicher Fensterbänke und ein stets dämmriges Licht im ganzen Haus zur Folge hatte. Sie konnte fotografieren, sodass gefühlt jeder einzelne Lamettastrang auf dem alljährlichen Weihnachtsbaum, jede einzelne Primel im Garten und jede einzelne missgelaunte Mimik der pubertierenden Tochter, die ich irgendwann war, bildlich festgehalten wurde. Eines konnte sie anerkanntermaßen nicht: kochen. Man hatte sie, eine an Wiesen und Wälder gewöhnte Bauerntochter, zum Erlernen der Küchenfertigkeiten auf ein weit entferntes Hauswirtschaftsinternat geschickt, wo sie offenbar ein inneres Bollwerk aus Widerwillen gegen weite Teile des Unterrichtsstoffs entwickelte.

Wenn ich nach der Schule heimkam und das Mittagessen auf dem Tisch stand, geschah dies selten ohne Murren meinerseits. Die Antwort war jedes Mal der leidvolle Hinweis meiner Mutter, dass sie doch stundenlang am Herd gestanden habe, und nun … Es begab sich, dass ich mit Blick auf einen in Mehlschwitze ertrunkenen Brei antwortete, es sei besser gewesen, sie hätte nicht stundenlang da gestanden, sondern nur minutenlang, denn dann könnte man das Gemüse wenigstens noch als solches identifizieren. Es dauerte ein paar Tage, bis wir wieder miteinander sprachen. In der Folge gab es des Öfteren Dosen- und Tütensuppen oder Fischstäbchen.

Als ich viele Jahre später, längst schon in der Eifel, in einer Gemeinschaft mit rund anderthalb Dutzend Menschen aller Altersklassen lebte, war jede und jeder nach Rotationsprinzip mal mit Kochen dran. Wir hatten uns ökologische Lebensweise auf die Fahnen geschrieben, was eine vegetarische Vollwertkost umfasste. Für unvorbereitete Gäste bedeutete dies bisweilen eine abrupte Umstellung der Verdauung, welche das Gedärm in Aufruhr versetzte und die täglichen Ruhemeditationen zu einer anal sehr verkniffenen Angelegenheit machte. Nicht immer gelang die Zurückhaltung, und es umwehte uns dann ein geräuschvolles Lüftchen. Ich hingegen war nach wenigen Wochen akklimatisiert und konnte es genießen. Nie vergessen werde ich die Kochkunst von Anita, die das als Beruf von der Pike auf gelernt hatte. Oder von Petra, einer gelernten Apothekerin, die sich mit Hingabe dem Studium von Rezepten widmete und sie mit Geschick verwirklichte. Plötzlich schmeckte Gemüse nicht nach pürierter alter Socke, sondern tatsächlich nach etwas mit Vitaminen, Aroma und Konsistenz.

Jedes Mal, wenn ich mit Kochen an der Reihe war, fiel mir jedoch auf, dass sowohl Gäste wie Gemeinschaftsmitglieder offenbar rappelvolle Terminkalender hatten. Die eine musste zum Zahnarzt, der andere zum Einkaufen in eine weit entfernte Stadt. Auch plötzlich auftretende und am Nachmittag bereits wieder gelinderte Beschwerden griffen um sich, vornehmlich Bauch und Magen betreffend. Und so musste ich nicht Unmengen Spaghetti weichkochen und dazu eine blubbernde Pampe aus zwei bis drei verschiedenen Käsesorten plus Sahne und Pfeffer zur Illusion von Sauce verrühren. Sondern nur einen kleinen Topf voll, also für mich selbst und die zwei oder drei Leute, die nun wirklich von Hunger getrieben waren. Ich ahnte, dass ich das kulinarische Erbe meiner Mutter nicht hatte abstreifen können, das Kindheitstrauma wirkte fort.

Als respektable Ehefrau eines respektablen Regionalkrimiautors erkundete ich wiederum Jahre später an seiner Seite die Gastroszene der Eifel. Ich weiß bis heute nicht, ob meine erst nach der Scheidung entwickelte Fähigkeit zum Kochen ohne größere Schäden an Mensch und Material dafür den Ausschlag gab … für die exzessiven Restaurantbesuche oder für die Scheidung oder beides. Seitdem weiß ich jedenfalls, dass die Eifel Genuss und Essgelüste auf wunderbare Weise erfüllen kann. Und auch die kindliche Prägung, dass ich keinen Flieger besteigen muss, um ins Staunen zu geraten, ist zum Heimvorteil geworden. Ich will wieder Sonntagsausflüge!

Die Eifel zum Fressen gern … Auszeiten für Genussmenschen

Vermutlich hast Du auch schon mal jemanden zum Fressen gerngehabt, »zum Anbeißen« und süß gefunden. Du hast einen knackigen Hintern bewundert oder den klammheimlichen Wunsch gehegt, die Haut des Gegenübers Zentimeter für Zentimeter abzuschlecken. Die Literatur ist voll von solchen Anwandlungen, der christliche Glaube auch. In Form von Hostien nehmen Katholiken den Leib Christi zu sich. Ein bisschen Kannibalismus gehört zum Lieben dazu, jedenfalls gedanklich. Zum Glück meinen wir es nicht ernst, selbst wenn wir bisweilen finden, dass da jemand eine echte Sahneschnitte ist. Aber im übertragenen Sinne möchten wir so ein geliebtes Wesen doch gern anknabbern, es uns einverleiben und miteinander verschmelzen – Inbegriff der romantischen Amour fou. Seit dem Mittelalter ist die Redewendung belegt, dass man jemanden zum Fressen gernhaben kann. Es gab sogar mal den Begriff »fresslieb« für besonders appetitliche Zeitgenossen.

Tiere sind da wenig zurückhaltend. Ich hatte einen schwarzen Kater namens Joey, dessen innigste Gunstbezeugung es war, meinen Arm fest zu umklammern, sodass jeder Fluchtversuch Kratzwunden zur Folge gehabt hätte, und mich dann so hingebungsvoll wie unerbittlich zu lecken. Die Aktion hatte aus meiner menschlichen Warte eher zweifelhaften Charme. Gut gemeint ist ja nicht immer gut gemacht. Es war jedoch unmissverständlich: Joey hatte mich Dosenöffner zum Fressen gern.

Aber kann man gleich eine ganze Landschaft zum Fressen gernhaben?

Man kann, sogar buchstäblich. Dabei muss man nicht so weit gehen wie ich in den ersten Monaten meines Eifeldaseins. In jugendlichem Experimentierwahn verschlug es mich in einem frostigen Dezember zu einer indianischen Schwitzhüttenzeremonie auf einer einsamen Lichtung hoch über dem Flüsschen Kyll. Ein Dutzend mehr oder weniger vernunftbegabte Menschen allerlei Geschlechts wurden in der Zeremonie, die eine Mischung aus Saunagang und Gottesdienst ist, auf Temperatur gebracht. Schweißtriefend und nach Luft schnappend krochen wir anschließend aus der von glühenden Steinen erhitzten, dampfenden Hütte. Ich ließ mich zwecks Abkühlung bäuchlings auf die reifüberzogene Wiese fallen und atmete mitten im Winter diesen Eifelduft ein: ein Hauch von Heu, glasklares Wasser, würzige Erde. Ich habe nicht ins Gras gebissen, aber viel gefehlt hat nicht. Es war vollkommen klar, dass die Eifel ein Landstrich ist, der Menschen und den Rest der Schöpfung trägt.

Allerdings ist sie für Überraschungen gut, vor allem dann, wenn man sich einbildet, nach Belieben einen Garten zwecks Erholung und Selbstversorgung anlegen zu können. Ich habe Jahre nach diesem Urerlebnis ein ehemaliges Bauernhaus gekauft. Dazu gehörte ein verwildertes Grundstück mit uralten Obstbäumen, das geradezu danach schrie, in einen hübschen Nutz- und Ziergarten verwandelt zu werden. Im frühen Frühjahr ging es mit sechs jungen,adrett gewachsenen Himbeersträuchern und sechs Erdbeerpflanzen äußerst bescheiden los. Ein Gartenbauer lieferte Mutterboden und säte Rasen. Es war das erste Jahr, in dem von Mai bis Oktober der Regen ausblieb. Ich hatte zwar einen nagelneuen, 1.000 Liter fassenden IBC-Container, in welchem sich das von der riesigen Dachfläche hinabrinnende Regenwasser hätte sammeln sollten – man beachte den Konjunktiv –, aber ich hatte keinen Außenwasseranschluss. Ich hatte 2.000 Quadratmeter Mutterboden, den ich mühsam per Gießkanne zu wässern versuchte … jeden Abend zigmal zwei volle Zehnliterkannen aus dem Badezimmer in den Garten schleppen, um am Ende Arme wie ein Gibbon, Rückenschmerzen und den Frust zu haben, auf eine Art Sahara 2.0 zu blicken.

Doch die Eifel ließ mich nicht im Stich. Die Himbeeren uferten rasch aus und aus den sechs Sträuchern ist längst eine undurchdringliche Phalanx geworden. Die Erdbeeren vermehrten sich ebenso rasant und sind, allen gärtnerischen Unkenrufen zum Trotz, auch etliche Jahre später noch voll im Saft. Der riesige uralte Kirschbaum ernährt Sommer für Sommer erst summende Bienenvölker, dann Heerscharen von Staren und zu guter Letzt Myriaden von Wespen. Unmöglich, diese süße Überfülle zu Marmeladen oder Säften zu verarbeiten. Äpfel, Birnen, Mirabellen und Haselnüsse werden in meinem Garten in derartig rauen Mengen produziert, dass ich niemals auch nur annähernd Herrin der Nahrungsflut werde. Allein der Rasen ist niemals ein Rasen geworden, sondern hat sich in eine blühende Kräuterwiese verwandelt, die Schmetterlinge und anderes Getier anlockt. Wenn ich wollte und das Talent dazu hätte, könnte ich sie zu Salaten, Suppen, Salben oder heilsamen Ölen verarbeiten.

Zwar war die Eifel, als sie zum kaiserlichen Preußen gehörte, verschrien als karges, kaltes und unwirtliches Gebirge, in das unbotmäßige Beamte strafversetzt wurden, wenn sie sich bei Hofe unbeliebt gemacht hatten. Als »preußisch Sibirien« schmähte man die Eifel. Aber aus heutiger Sicht ist das vollkommen unverständlich. Viel passender ist der Vergleich mit der Toskana: Es gibt heiße Tage, kühle Nächte und ganz besondere Böden, die hervorragenden Wein gedeihen lassen. Es gibt sanfte Bergzüge mit Weitblicken, die einen glauben lassen, man sei schwerelos im Himmel. Und wie jede ursprüngliche Genusslandschaft kennt auch die Eifel eine Fülle regionaler Speisen, die einst als Armeleuteessen angesehen wurden und heute verwöhnte Feinschmecker zum Schwärmen bringen. Die inspirierende Nähe zu Frankreich, Luxemburg und Belgien tut ein Übriges, damit einem das Wasser im Mund zusammenläuft. Überhaupt: Die Eifel überschreitet Grenzen, zu ihr gehören auch die deutschsprachigen Ardennen in Ostbelgien. Was für Fans von Fritten, Bier oder Schinken eine extrem gute Nachricht ist.

Die Eifeler Kombination aus lecker und schön bringt es mit sich, dass man die zugeführten Kalorien auf angenehmste Weise auch wieder loswerden kann. Es gibt unzählige Wanderwege, mit oder ohne Premium-Zertifizierung. Immer wieder werden Routen in der Eifel ganz offiziell zu den schönsten Strecken Deutschlands gekürt. Und die haben es in sich. Mancher Weg erfordert alpengeschulte Trittsicherheit, andere die unerschütterliche Kondition eines Mulis. Allein der Eifelsteig von Aachen nach Trier misst mehr als 310 Kilometer, aufgeteilt in Tagesetappen von bis zu 28 Kilometern. Die Landschaft ist einzigartig, keine Frage. Aber geht es nicht ein bisschen weniger anspruchsvoll? Was ist mit Menschen wie mir, die ohne athletische Talente auf die Welt kamen und diese Unfähigkeit in Büros zur Perfektion trainieren? Was ist mit dem, was mal »Sonntagsausflug« genannt wurde: leckeres Essen UND wohldosierte Bewegung an der frischen Luft plus Sightseeing, aber all das ohne Selbstoptimierung und Survival. Was ist mit Menschen, die in der Freizeit lieber Dopamin als Adrenalin tanken? Und muss man wirklich immer raus aus der Komfortzone und Grenzen überschreiten, um ein besserer Mensch zu werden? Sind wir vielleicht alle so gestresst, weil wir nie wirklich drin sind in unserer Komfortzone? »Dau bôs ming Sôlperschnéssjen«, so lautet die authentischste Eifeler Liebeserklärung. Sôlper ist ein würziger Fleischsud, Schnéssjen ist das Schnäuzchen, das man immerzu herzen und küssen möchte. Liebe geht in der Eifel durch den Magen, nicht durch den Muskelkater.

Die Eifel hat unzählige Orte, an denen es sich gut schlemmen und schlendern lässt. Unmöglich, sie alle aufzuführen, daher gibt es eine kleine, feine Auswahl an zwei Dutzend Tipps für Tagesausflüge in alle Himmelsrichtungen: Immer ist die kulinarische Adresse der Aufhänger, um den sich Sehenswertes und Erlebenswertes in der Nähe rankt. Die Eifel ist berühmt für ihr Mineralwasser und ihr Bier. Den Auftakt macht folglich die passende Getränkezufuhr mit oder ohne Alkohol. Dann stehen Hofläden, Manufakturen und Milchtankstellen im kulinarischen Mittelpunkt, denn für eine Eifeltour kannst Du Dich natürlich auch selbstständig mit allen erdenklichen Köstlichkeiten eindecken. Erstklassige Restaurants diesseits des Sterneniveaus, in denen Raffinesse auf Bodenständigkeit trifft, findest Du als Start, Ziel oder Pause in einem weiteren Kapitel. Und dann wird es zünftig: Landgasthöfe wie aus dem Bilderbuch, unkompliziert und einfach lecker. Alle Wirtshäuser, Gaststätten und Restaurants, die hier nicht aufgeführt sind, muss ich um Verzeihung bitten. Die Qual der Wahl hat jeder Mensch, der in der Eifel unterwegs ist. Aber versprochen: Es ist die einzige Qual, ansonsten heißt es losfahren und losgehen, Speisekarte studieren und genießen. Zum guten Schluss steht das pralle Leben auf dem Programm mit hervorragenden Anlaufstellen für Kuchen und Torten, Pralinen und Eis. Nicht dass jemand denkt, die Eifel hätte nur Deftiges zu bieten. Eine Landschaft, die so nah an Frankreich, Luxemburg und Belgien liegt und nebenher so viele Sahneproduzentinnen in Ställen und auf Weiden stehen hat, kann gar nicht anders, als der süßen Sünde zu verfallen. Aber auch hier gilt, dass nicht einmal annähernd Vollständigkeit garantiert werden kann.

Kleiner Exkurs vorab – Von wegen Armeleuteküche

Wie kommt es, dass aus dem Armenhaus einer entfernt residierenden Monarchie und aus dem Aufmarschgebiet zwecks Kriegführung mit dem »Erbfeind« eine waschechte Feinschmeckerregion werden konnte? Die Verwandlung vollzog sich schleichend, aber konsequent. In den frühen 1980er Jahren gab es weder ausgeschilderte Wanderpfade noch war die Region bekannt für Lukullisches. Mit Ausnahme von Flüssigem, versteht sich, denn Bitburger Bier oder Gerolsteiner Sprudel erfreuten sich schon damals einer regen Beliebtheit – auch weit über die Eifel hi-naus. Ansonsten galt in den Häusern, die nicht selten noch mit »Fremdenzimmern« warben, die Devise: Viel hilft viel, gegen den Hunger. Das prägte das Image, dass die Eifel eine Landschaft nicht für Gourmets, sondern für Gourmands wäre. So lautet die vornehme frankophile Beschreibung für Vielfraß und Leute, welche das Niveau eines Restaurants danach bemessen, wie voll der Teller ist.

Das machte jahrhundertelang Sinn und war kein Zeichen von Bildungsferne und Kulturbanausentum. Es war ein Zeichen von herzlicher Gastfreundschaft. Die Eifel litt unter regelrechten Auswanderungswellen: Allein von 1840 bis 1871 verließen 60.000 Menschen die Dörfer Richtung USA – so viele wie heute die gesamte Einwohnerzahl des Landkreises Vulkaneifel. An manche Weiler wie Allscheid in der Nähe von Daun erinnert nur noch eine winzige Kapelle. Es war eine Epoche, die auch andernorts von eklatantem Mangel gekennzeichnet war. Zum einen waren die politischen und sozialen Verhältnisse die Ursache. Karl Marx, ein Trierer, schrieb sein 1867 erstmals veröffentlichtes Buch »Das Kapital« aus dem ganz praktischen Wissen um die Not der Bauern und Winzer in Eifel und Moselland. Zum anderen waren es viele Jahre in Folge mit »Schietwetter«. Die Eifel ist bei bestimmten Tiefdrucklagen das erste kontinentale Gebirge nach dem Atlantik, an dem sich regenreiche Wolken stauen und ihre Last entladen. Nicht nur die jüngste verheerende Flut vom Juli 2021 belegt dies, auch frühere Regensommer mit starken Gewittern wie 1804 oder 1910 brachten Katastrophen über den engen, von steilen Schieferklippen begrenzten Flusscanyon der Ahr, die ihrerseits unzählige Bäche in den Rhein abfließen lässt. 1815 ging in vielen Ländern Europas als das Jahr ohne Sommer in die Geschichte ein. Nicht die eigenen Eifelvulkane, sondern der Ausbruch des Tambora in Indonesien brachte die Missernten mit sich. Irland versank vollends im Elend. Verschärft wurde die Armut der kleinbäuerlichen Eifelbevölkerung durch die Realerbteilung: Jedes eheliche Kind eines Bauern erhielt ein gleich großes Stück Land. Das führte auf Dauer zu winzigen Parzellen, aus denen kaum jemand einen nennenswerten Ertrag ziehen konnte.

Wer wenig hat, macht das Beste daraus. Manchmal wird das zum echten Lifestyle. Austern beispielsweise galten in England bis weit ins 18. Jahrhundert hinein als Fraß für Arme, die sich keinen Fisch leisten konnten und stattdessen glibbriges Fast Food schlürfen mussten. Noch Charles Dickens konstatierte, dass Austern und Armut zusammengehörten.