Wie ich lernte, die Eifel zu fürchten - Angelika Koch - E-Book

Wie ich lernte, die Eifel zu fürchten E-Book

Angelika Koch

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Beschreibung

Jens und Jana wollen raus aus der Stadt und rein ins Vergnügen. Für die bekennenden Krimifans ist das Landleben nach ein paar Kurzurlauben in der Vulkaneifel voller Verheißungen. Sie finden ein altes Bauernhaus mit Scheune, verwildertem Garten und Wiese … spottbillig und renovierungsbedürftig, aber das wirft erst recht den Fantasiemotor der beiden an. Was kann man nicht mit etwas Eigenleistung daraus machen! Die Kinder Annalene und Paul, die Freunde Fabian und Julia, sie alle werden begeistert und neidisch sein. Jens nimmt ein Sabbatical und zieht mit Familienhund Gottfried schon mal ins Provisorium, während Jana ihr letztes Jahr im Gütersloher Bürojob absolviert.

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Seitenzahl: 102

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WIE ICH LERNTE, DIE EIFEL ZU FÜRCHTEN

EINE ETWAS ANDERE LIEBESGESCHICHTE

EIFELER ERZÄHLUNGEN

ANGELIKA KOCH

IMPRESSUM

Eifeler Erzählungen

Wie ich lernte, die Eifel zu fürchten

Eine etwas andere Liebesgeschichte

Angelika Koch

1. Auflage 2024

Eifelbildverlag

Ein Imprint der Kraterleuchten GmbH,

Gartenstraße 3, 54550 Daun

Verlagsleitung: Sven Nieder

Alle Rechte vorbehalten.

Gestaltung: Björn Pollmeyer

Titelfoto: iStock.com/OJO Images

Lektorat und Korrektorat: Tim Becker

ISBN E-Book 978-3-98508-041-0

ISBN Print 978-3-98508-034-2

www.eifelbildverlag.de

»Wir wollen einmal einen Tag so ausgeglichen wie die Natur verbringen und uns nicht von jeder Nußschale, jedem Mückenflügel aus dem Geleise werfen lassen. Wir wollen früh und geschwind aufstehen und ruhig und ohne Hast frühstücken. Mag einer kommen, mag einer gehen, mögen Glocken läuten, die Kinder schreien, wir sind entschlossen, den Tag richtig zu leben. Warum sollen wir klein beigeben und mit dem Strom schwimmen?«

Henry David Thoreau,

Walden. Ein Leben mit der Natur

Einheimische fahren achtlos an diesem ehemaligen Gehöft mitten im Dorf vorbei, dessen ursprünglich heller Putz im Laufe vieler Jahre die Färbung eines graubraun gefleckten Viehs angenommen und in großen Placken abgefallen war. Das Grundgemäuer aus nur sporadisch mit Mörtel verbundenen Steinen liegt teils offen zutage und die hölzernen Stützbalken, die den Scheunentrakt aufrecht hielten, sorgen nicht unbedingt für Vertrauen in die Fortexistenz des Schniggerhauses, wie die fragile Immobilie im Volksmund heißt. Eine verschnörkelte Inschrift, die in die Buntsandsteinfassung der Haustür gemeißelt ist, erinnert an die Bauherren, die im Jahre 1820 sicher voll Optimismus daran gingen, für ihre Schneiderwerkstatt, eine vielköpfige Kinderschar sowie eine Handvoll Milchkühe ein Zuhause zu schaffen.

Seit einiger Zeit erwacht das Schniggerhaus aus dem ruinösen Dornröschenschlaf. Die Nachbarn sehen spätabends gelblichen Lampenschein durch die einfachverglasten Fenster, die von keinem Rollladen vor Neugier geschützt sind. Ein großes Hundehaus steht am Fuß der drei ausgetretenen Steinstufen einer Eingangstreppe. Sein frisch geöltes Fichtenholz, seine makellose Dachpappe und der Zipfel eines voluminösen Plüschkissens mit Pfötchenmuster kontrastieren reizvoll mit dem rauen Charme der Menschenbehausung. Mit sanftem Blick signalisiert der Hütteninsasse, ein flauschiger zimtfarbener Labradoodle, dass er zu grenzenloser Liebe fähig ist und keine Unterschiede macht zwischen Paketbote, Einbrecher oder spielfreudigem Schulkind mit Leckerli in der Hosentasche. In der grasüberwucherten Einfahrt nimmt sich ein Geländewagen mit Kennzeichen GT viel Platz. Es hat sich im Dorf herumgesprochen, dass diese Buchstabenkombination zum Kreis Gütersloh im fernen Ostwestfalen gehört. Der wuchtige Vierradler macht offenkundig Sinn, denn etwas seitwärts, schon zwischen die Stützbalken der Scheune gezwängt, steht ein Anhänger. Seine stählernen, einst silbrig glänzenden Bordwände präsentieren von Woche zu Woche mehr der zünftigen Schlammspritzer, die rege Teilnahme an urigem Landleben beweisen. Oder zumindest für Fahrten zur nächsten illegalen Grüngutkippe im Wald. Die Integration eines Güterslohers in den Eifeler Alltag schreitet demnach munter voran.

Immer öfter sehen die Nachbarn im Hof der maroden Immobilie auch einen schlanken, geradezu dünnen Mann unbestimmbaren Alters, dessen Arbeitskluft mit neongelbem Käppi sowie olivgrünem Blouson und schwarzer Cargohose ebenfalls immer mehr Gebrauchsspuren aufweist. Manchmal gesellt sich ein Kleinwagen mit Elektroantrieb zum klobigen SUV, auch er hat ein Gütersloher Kennzeichen. Gefahren wird er von einer leicht übergewichtigen Mittvierzigerin mit Vorliebe zu hochflorigen, beerenfarbigen Fleecejacken, deren zum Pferdeschwanz gebundene Haare exakt die Tönung der ehemaligen Bundeskanzlerin haben. Aber natürlich ist es nicht Angela Merkel, die bei trockenem Wetter auf den Treppenstufen hockt, aus einer großen Henkeltasse Kaffee schlürft und wie geistesabwesend den Kopf des Hundes krault, der sich an sie kuschelt. Sie heißt Jana, wie die Nachbarn hören, wenn der Mann sie aus dem Inneren des Hauses ruft. Und er heißt Jens, wie sich bei umgekehrter Gelegenheit herausstellt. Der Hund heißt Gottfried. Beide rufen ihn so mit zunehmender Dringlichkeit, wenn er wieder einmal aus dem Hof entwichen und die Dorfstraße hinunter getrottet ist. Gottfried will zu Uschi, seiner neuen Hundefreundin im Garten drei Häuser weiter, aber das kann er ja nicht sagen, und so dreht er als bestens erzogenes Familienmitglied um, sobald er begeistert an Uschis Hinterteil geschnuppert und selbst seine Duftmarke hinterlassen hat. Gottfried kann warten, bis seine Stunde gekommen ist, das weiß er instinktiv.

Die meiste Zeit jedoch ist Jana nicht da, auch ihr Auto fehlt. Dann sitzt Jens mit Gottfried allein auf den Treppenstufen und hackt mit dem rechten Zeigefinger auf das Display seines Smartphones ein. Er gehört nicht zu jenen jungen Menschen, deren Daumen so selbstverständlich wie ein Turmfalke im Rüttelflug Buchstaben tippen. Er gehört auch nicht zu jener Generation, die Rechtschreibung für etwas hält, das allein die Autokorrektur etwas angeht. Daher hat die Art, wie er seine WhatsApps an Jana im fernen Gütersloh verfasst, etwas Mühsames und Rührendes zugleich. Er muss da durch. Seine Botschaften auch. Jens und Jana haben sich ein Haus haarscharf am Rande eines Funklochs ausgesucht. Manchmal funktioniert alles, manchmal nichts. Aber das ist nur eine von vielen Lebenslektionen, die sie im wilden Westen zu lernen haben. Philosophen nennen es existenzielle Geworfenheit, andere benennen es gar nicht, weil es selbstverständlich erscheint. Jens und Jana wollten es so, Gottfried wurde nicht gefragt. Aber Gottfried hat Uschi. Und das Menschenpaar?

Fast dreihundert Kilometer trennen die Liebenden. Im Dorf schließt man Wetten ab, wie lange das gutgeht. Man hat schon einige mit verträumten Augen kommen und mit verkniffenem Mund gehen sehen. »Man liebt die Eifel oder man hasst sie«, weiß der Bürgermeister. Angeblich hat das Paar zwei Kinder im Teenageralter. Noch niemand ist ihnen auf ein Schwätzchen begegnet, aber es gibt sie, sie haben mal im Hof Federball gespielt. Vielleicht warten sie jetzt, bis alles fertig ist. »Das kann Jahre dauern«, weiß die Frau des Bürgermeisters. Sie kennt das Schniggerhaus. Jeder kennt das Schniggerhaus … außer Jens und Jana. Aber warum die Pferde scheu machen? Gut Ding will Weile haben, wat kütt, dat kütt, den Ball flach halten und die Faust in der Tasche machen, wenn was nicht so gut läuft … mit diesen Erfolgsrezepten ist man auf der richtigen Seite. Das werden auch die Gütersloher Neulinge schon noch merken. Derweil hilft man ihnen beim Lichten dschungelartiger Grundstücksteile, die ans nagelneue Bürgerhaus grenzen und es zu überwuchern drohen, oder beim Ausräumen der Scheune. Ganz nebenbei lernt man die Neuen kennen. Das ist jedenfalls der Plan.

* * *

Was machst du gerade? Denk an dich, LG Jens 😘😘😘

11.45 √√

Das übliche. Excel-Tabellen ausfüllen, Häkchen setzen und so 🙈. Sterbe vor Langeweile. Ist gleich Mittagspause. Und du? Dicker Kuss, Jana ❤️❤️❤️❤️❤️❤️❤️

11.46 √√

Was gibt’s denn?

11.46 √√

Kantinenfraß, aber vegetarisch 💀. Freu mich so sehr aufs Biofleisch von der Mutterkuhherde von nebenan, hatte ich letzte Woche bei Bauer Häb bestellt. Fast wie Weideschlachtung, ohne Stresshormone. Ist die Kühltruhe schon angeschlossen? Jana

11.47 √√

??? Der Elektriker kommt erst übernächste Woche 😲. Frühestens. So lange muss das Rindvieh halt warten 😎. Es klingelt, meldemichgleich

11.47 √√

🤯🤯🤯🤯🤯🤯🤯🤯 Was hast du getan!!! Das war Häb mit dem Fleisch. Da steht jetzt ein roter Bottich im Hausflur mit Knochen und Hackfleisch und so. Dreißig Kilo, sagt der Bauer. Was soll ich damit tun???!!! Gottfried geben??? Jens

11.55 √√

😏😏😏😏😏 Uuups. Keine Ahnung. Frag mal die Nachbarn. Muss jetzt was essen, Kollegen warten. Kuss und grüß deine Stresskormorane, Jana.

11.55 √√

Stresshormone, sorry. Und bloß nichts Gottfried geben!!!! Der kriegt davon Durchfall.

11.55 √√

Jens steht bei Hubertus Müller vor der Tür und weiß nicht, ob er klingeln soll. Noch weniger weiß er, was er sagen soll. Er ist es nicht gewohnt, Unbekannte um Hilfe zu bitten, erst recht um so seltsame Dinge wie eisiges Asyl für Gehacktes, Beinscheiben oder Rückensteaks. Aber ihm bleibt nichts anderes übrig. Daheim in dem, was Küche werden soll, lauert dieses fleischgefüllte Monstrum auf dem von etlichen Schnigger-Generationen verschrammten Eichentisch und die Frühlingssonne ist in der Eifel sehr zu seiner Überraschung auch auf vierhundert Metern Eifelhöhe über dem Meer nicht wirklich weniger wärmend als in den westfälischen Niederungen. Jens kommt nicht dazu, allen Mut zusammenzunehmen, die Haustür wird auch ohne Geklingel aufgerissen.

»Mojen«, brummt ein braunäugiger Kerl. Um seine sonnengebräunte Glatze kräuseln sich dunkle Haare, ähnliche Wolle schaut auch aus dem Ausschnitt seines Flanellhemdes und aus den umgekrempelten Ärmeln hervor. Einen beachtlichen Bauch hat der Mann. Er grinst und wirkt wie ein erfahrener Bär, der es nicht nötig hat, sein Revier gegen spindeldürre Emporkömmlinge zu verteidigen. »Hab euch schon kommen sehen. Kütt rin.« Hubertus Müller tritt einladend zur Seite.

Jens blickt um sich. Euch? Er rätselt über diese seltsame Anrede, er ist doch allein. Oder ist Gottfried hinter ihm hergelaufen? Ist er nicht, vermutlich klebt er noch immer mit der Nase an der Haustür und wittert durch den Spalt des verzogenen Holzes den Duft aus dem Bottich. »Ja, also, guten Tag, ich bin … ich wollte fragen … ich brauche …« Die hünenhafte Statur seines Gegenübers bringt ihn zum Stottern. Er bleibt auf der Schwelle stehen.

»Du bist Jens und hast keine Ahnung, was du mit dem ganzen Zeug machen sollst«, sagt Hubertus ganz gelassen und offenbart so entweder gottgleiche Allwissenheit oder aber, dass er von seinem Wohnzimmerfenster aus genau sehen kann, wer und was bei Jens ein- und ausgeht. Und dass jeder weiß, dass Jens eben Jens ist und nur Jens nicht weiß, dass es jeder weiß.

Jens nickt und räuspert sich. »Vielleicht …«

Hubertus schüttelt den Kopf. »Unsere Truhe ist auch voll. Bei Mätti und Maria könnte es gehen.« Er blickt in ein ratloses Augenpaar. »Die mit der Uschi.«

Jetzt hat Jens verstanden. »Danke für den Tipp, dann gehe ich mal …« Er dreht sich um und marschiert los.

Hubertus knallt die Haustür zu. Von außen. »Ich komm mit. Jemand muss euch ja mal ein bisschen an die Hand nehmen. Daje!« Es klingt aufmunternd. So gehen die beiden nebeneinander die Straße runter, es ist nicht weit. Und doch dauert es viele, viele Stunden, bis Jens in sein eigenes Bett fällt mit einem zufriedenen Gottfried am Fußende, der leise schnarcht und ab und zu entspannt pupst.

Erreiche dich nicht, aber schlaf gut. Alles okay? 😴 Jana

23.17 √

Schätze das www macht in der Eifel wieder schlapp, muss jetzt los ins Büro, Kuss, Jana

07.34 √√

☀️ Guten Morgen mein Schatz, alles okay. War nur etwas spät gestern. Kuss Jens

09.10 √√

Draußen den Sternenhimmel bewundert? Neid!!! Aber ich bald auch und die Kinder! Dann sitzen wir zusammen die ganze Nacht im Hof mit Rotwein und du machst den Grill an ❤️

08.24 √√

Was macht das Fleisch? Alles sicher verstaut? Muss jetzt ins Meeting, hab keinen Bock.

08.24 √√

Bist du abgetaucht? Hoffe dir und Gottfried geht’s gut. Annalene und Paul wollen am Wochenende mitkommen, dann grillen wir, ja? Kuss, Jana

12.33 √√

Was hast du unseren Kids in die Cola gegeben, dass die mitkommen? 😎 Umso besser! 👍Ich fahr dann gleich los, Großeinkauf. Dein Jens ❤️❤️❤️

12.36 √√

Du musst nix einkaufen, höchstens Holzkohle. Wein und Limo sind im Keller und ich bringe Dips mit und Fleisch ist ja genug da 😎😎😎

12.37 √√

Holzkohle hab ich noch massenweise von gestern. Aber Fleisch fehlt. Sorry 😖.

12.41 √√

???????????

12.41 √√

Erzähl ich dir dann, später. Liebe Grüße von Jens

12.52 √√

Nee, jetzt! Jana

12.52 √√

Sorry, hat was gedauert. Ist jetzt aber alles da, Familienparty kann steigen 👍. Maiskolben für den Grill sind noch da, echt lecker. Mach dir keine Sorgen. LG Jens

16.33 √√

Hä? Ist das Fleisch von Häb vergammelt? Oder hat es Gottfried gefressen? Will jetzt wissen, was los ist! Jana!

16.33 √√

Nix ist vergammelt. Gottfried hat nur 🐶 🙈 … erzähl ich dir dann. Schöne Grüße übrigens von Hubertus und den anderen! Dicker Kuss von Jens

16.37 √√

Wer ist Hubertus? Wer sind die anderen? J.

16.37 √√