Eigentlich - Gabriela Obermeir - E-Book

Eigentlich E-Book

Gabriela Obermeir

0,0

Beschreibung

E i g e n t l i c h ist die Brücke zwischen wollen und sollen, müssen und dürfen, zwischen Kritik und Lob, Lust und Unlust. Angesammeltes aus einem Leben voll Humor, Herausforderung, Selbstbestimmung, Anstrengung, Widerstand, Leibhaftigkeit und Herzlichkeit.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 86

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Für Lena und Valentin

Mein besonderer Dank geht an Hannah, Yuriy, Thomas, In-Ja und Cornelia.

INHALT

Vorwort

Eigentlich ohne Titel

Donau

Musik

Tanten

Der großzügige Assistent

Al dente

Scheiden tut weh

Glauben

Ihre Haare

Die 60er und 70er

Wo wollen’s denn hin?

Lucht ins Dinkel

Wisch und weg

Der Artzt kommt ins Haus

Offener Brief an eine Plattform

Gleich ist nicht gleich

Der sensible Assistent

Mein Tisch

Frühstück mit Mr. Grähäm

Stiefel

Arbeitslos und rechtswidrig

Der Meister des Hauses

Vom Einatmen und Auslassen

Schwitzen Schweine?

Der Donaudampfer am Donaudamm

Nummernchaos

Das Malakoffmassaker

Namasté!

„I bin dort daham, wo meine Schlapf’n san“

Grüß Gott

O-Töne

Ein nett gemeinter Lösungsansatz

Das Papier und der Revolver

Fotos

Vorwort

Warum eigentlich “Eigentlich”? Das Wort “eigentlich” wird in Österreich gern verwendet und sagt eigentlich nichts aus. Außer vielleicht die Unentschlossenheit, Gemütlichkeit und Unsicherheit der Österreicher:innen.

“Eigentlich” ist ein Teil der österreichischen Seele. Dieses Wort mit intensivem Sprachgebrauch ist für Österreich und seine Österreicher:innen die Brücke zwischen wollen und sollen, müssen und dürfen, zwischen Kritik und Lob, Lust und Unlust.

Es war Hannahs Idee:„Ich mag deine Geschichten. Du hast so viele Geschichten. Mach doch ein Buch daraus!“.

Ja, ich habe viele Geschichten, die sich auf meiner Festplatte und in den Tiefen der Cyberwelt angesammelt haben. Ich schreibe sie aus Zorn, aus Liebe, aus Achtung, aus Wehmut, aus Spaß und auch, damit die Welt es erfährt. Was soll die Welt erfahren?

Sie soll erfahren, was hinter den Kulissen passiert. Ereignisse und Erfahrungen, die ich mache und gemacht habe in der Ausnahmesituation, in der ich lebe.

Und trotz all dem Zorn und der Wehmut über die Situation, will ich immer der Lebensqualität Platz schaffen und lassen.

Schließlich lebe ich ja nur einmal. Nur ein einziges Mal!

Es war Hannahs Idee, während sie mir den, schon kalt gewordenen, Frühstückskaffee zum Mund reichte.

Hannah ist eine meiner Persönlichen Assistentinnen, die mich seit einigen Jahren durch den Alltag begleiten, um ihn bewältigen zu können. Es waren deren schon viele in meinem kleinen Universum. Einige hinterlassen Spuren.

Hannah auch.

Wien im Juni 2021

Eigentlich ohne Titel

Eigentlich bin ich ein feiger Mensch Ich verstumme schnell in fremder Gesellschaft, weil ich mir so lange Gedanken über das Unausgesprochene mache, bis es an Wichtigkeit es auszusprechen verloren hat. Ich gehe unangenehmen Dingen so lange aus dem Weg, bis die Schlinge um den Hals so eng wird, dass ich keine Luft mehr bekomme und mich konfrontieren muss. Ich hatte immer schon Scheu allein ein Lokal zu betreten, weil ich nicht mal für den kurzen Augenblick des Betretens im Mittelpunkt stehen will. Ich ziehe mich gern zurück, um Anderen keine Rechtfertigung über mein Tun und Sein geben zu müssen. Ich habe oft Angst Wahrheiten sagen zu müssen, wenn sie den anderen verletzen könnten. Mir fehlt Courage auszusteigen.

Eigentlich bin ich ein mutiger Mensch. Ich wehre mich gegen Ungerechtigkeiten und nehme nicht alles stillschweigend hin unter dem Motto: "Da kann man halt nichts machen". Ich konfrontiere unangenehme Zeitgenossen auch mitunter mit unrunden Worten. Ich kann frech sein mit gewissem Sarkasmus und übe das gerne aus, um andere aus der Reserve zu locken. Ich nehme gerne meinem Gegenüber den Wind aus den Segeln, wenn ich eine Möglichkeit dazu habe.

Eigentlich bin ich ein trauriger Mensch.

Ablehnung und Ignoranz machen mich kaputt. Dummheit ist mein größter Feind.

Menschen, die mich verletzten, schwimmen in meinem Tränenfluss davon. Traurig ist die Mobilität, die ich nicht habe. Ich male mir oft aus, wie es wäre, das körperlich bessere Leben. Ich würde in den Wald Schwammerl suchen gehen, das macht mich glücklich. Ich würde von einem Felsen kopfüber ins Meer springen, das macht mich frei. Ich würde in einem Haus mit meinen Kindern und einer Freundin leben, das macht mich zufrieden. Ich würde jeden Tag mit dem Fahrrad den Donaukanal entlangfahren, das macht mir ein gutes Körpergefühl.

Meine Herkunftsgeschichte macht mich traurig. Und es machen mich die vielen Menschenrechtsverletzungen im kleinen wie im großen Rahmen sehr traurig. Die Missachtungen, die Unvorsichtigkeiten, der Eigennutz und wie noch vieles mehr, das Desinteresse.

Eigentlich bin ich ein lustiger Mensch.

Ich liebe das Lachen und manchmal gelingt es mir sogar andere dazu zu motivieren. Ich verdrehe gerne Eigennamen von Persönlichkeiten. Wie Arnold Schwarzenegger wird zu Arnold Warzenschlecker, Bruce Willis wird zu Schuss Willis, Karin Resetarits wird zu Karin Resisagnix, Alois Mock zu Amok Lois, Milosevic zu Miloscheissvic. Das macht mir echt Spaß. Und ich bilde gerne Wortketten mit Freunden. Ach, was haben wir schon gelacht!

Dienstagsnervositätsmittelüberdosis oder Schildkrötenschlatzspurensuche.

Lachen ist gesund und hat für mich den höchsten Faktor an Lebensqualität.

Eigentlich bin ich ein emotionaler Mensch.

Ich liebe mit allem was ich habe bis zur Bedingungslosigkeit. Hass kenne ich nicht. Wut bringt mich schon genug aus meinem Lebenskonzept. Ich sehe, höre und spüre meine Gefühle und handle in vielen Dingen zu spontan in der Emotionalität und zu emotional in der Spontaneität.

Eigentlich bin ich ein schwacher Mensch.

Ich kann mein Ich schwer lenken – es treibt vor sich hin. Ich kann schwer "Nein" sagen. Ich kann schwer an mich denken.

Eigentlich bin ich ein starker Mensch.

Ich lebe und handle nach der sozialistischen Dialektik. Das macht mich stark. Alles ist in Bewegung. Die Gegensätze der Naturgesetze bestimmen das Leben. Minus bedingt Plus, positiv bedingt negativ. Diese Theorie sagt vieles für mich. Nach dem Tief kommt wieder ein Hoch. Es kann mich nichts mehr erschüttern, außer es passiert etwas mit meinen Kindern. Die Opferrolle steht mir nicht, denn sie ist statisch und leidend.

Ich muss kämpfen.

Eigentlich bin ich ein glücklicher Mensch.

Meine Kinder sind stark. Mein Geist ist wach. Meine Seele ist gesund.

Eigentlich gibt es für mich nur einen Fluss …

Die Donau

Die Donau entspringt im Schwarzwald und mündet bei Odessa in das Schwarze Meer. Das habe ich in der Schule gelernt und da gibt es auch ausnahmsweise nichts daran zu rütteln. Die Donau fließt aber auch durch mein Leben und egal, wo es mich hin verschlug, sie war immer in meiner Nähe, wenn es um Sesshaftigkeit ging.

Die Donau fließt durch Linz, dort bin ich geboren und zwei Jahrzehnte aufgewachsen. Über die Donau führt die Nibelungenbrücke. Sie teilt Linz in zwei Teile. In Linz eben und in Linz- Urfahr.

Wahrscheinlich ist das kleine Urfahr irgendwann zu Linz dazu gewachsen oder Linz hat sich das kleine Urfahr einfach genommen. Die Nibelungenbrücke verbindet Linz mit Linz-Urfahr und ihre Brückenköpfe auf der Linzer Seite sind ein Relikt von Adolf Hitler. Vor mehr als einigen Jahren haben die merkwürdigen Linzer auch auf der anderen Seite in Urfahr zwei Brückenköpfe hingebaut, aber das ist eine andere Geschicht 1977 richtete sich plötzlich die Nike zwischen den Brückenköpfen gen‘ Himmel. Eine Aluminiumkonstruktion der internationalen Architekten-Gruppe Haus-Rucker-Co der kopflosen und beflügelten griechischen Siegesgöttin.

Das war ein Aufruhr unter den Linzern und spaltete die Bevölkerung.

"Fetzenvogel!" sagten die einen, "Endlich tut sich was in der Provinz!" sagten die anderen. Nicht nur die Leserbriefspalten, vor allem in den Oberösterreichischen Nachrichten, waren gefüllt. Zu den Befürworter:innen zählten Christo, Joseph Beuys, Friederike Mayröcker und Ernst Jandl. Nach mehr als zwei Jahren wurde die Nike in einer Nacht und Nebelaktion wieder abmontiert und nach Frankfurt gebracht. War wohl damals zu viel Kultur für die rotbackigen Linzer. Seit 2016 ist sie zurück und wieder in der Nähe der Donau, im Zentrum montiert.

Auch das ist Linz.

Die Donau fließt auch durch Greifenstein.

Dort habe ich ein halbes Jahrhundert meine Sommermonate verbracht. Am Donauufer entlang erstreckt sich eine alte Badesiedlung, deren Häuser auf Stelzen gebaut sind. Hochwassergebiet.

Vor dem Kraftwerksbau Anfang der 1980er Jahre war die Donau einmal im Jahr sehr wild und trat über die Ufer in die Siedlung hinein. Plötzlich war nur über den "Seeweg" ein Einkauf im Ort möglich. Wir Jugendlichen paddelten mit unseren Kanus unter den Häusern hindurch und ließen uns nicht von Feuerwehr und Hochwasserschutz verjagen. Im Sommer fuhren wir von Greifenstein mit dem Zug nach Tulln und schwammen von dort über die Donau. Sie trug uns bis nach Korneuburg. Dort stiegen wir aus dem Wasser, fuhren mit der Fähre wieder auf die andere Seite und mit dem Zug zurück nach Greifenstein. Im Badeanzug. Wir machten Wettschwimmen zu einer Boje mitten auf der Donau und uns beim DDSG1 -Steg, wo wir heimlich rauchten und uns küssten.

Die Siedlung wird von hoch oben durch die Burg Greifenstein beobachtet, auf der seit dem 14. Jhdt. der Geist eines Ritters auf seine Erlösung wartet.

"Greif in den Stein" heißt die Sagen umwobene Aufforderung an die Vorbeiziehenden, um den Stein so lange auszuhöhlen bis der Geist befreit ist. Die Donau fließt auch durch Ottensheim an der Donau. Ich packte in der Früh meine Schultasche und ging aus dem Haus. Ich ging aber nicht nach rechts, Richtung nahe-gelegenem Schulgebäude, sondern nach links, Richtung nahegelegener Linzer Donaulände. Ich trampte jeden Tag zu meinem Freund nach Ottensheim.

Mit der Schultasche natürlich. Nach zwei Wochen kam ein Brief vom Gymnasium.

Nie wieder Schule.

Die Donau fließt auch durch Wien. Dort bin ich irgendwann in meinem Leben gestrandet. Genauer gesagt, ganz in der Nähe des Donaukanals. Hier möchte ich bleiben und einmal in diesem Leben mache ich es noch, ich befahre die Donau bis Odessa! Dann bin ich angekommen.

1 Donaudampfschifffahrtsgesellschaft

Eigentlich alles wegen Boogie Down Produktion…

Musik

Wenn ich daran denke … daran, als wir fünf Mädchen waren im Haus Steingasse 7 in Linz. Wir waren fünf Kusinen, die gemeinsam groß wurden. Wir saßen im Birnenbaum, bis uns die grünen Birnen im Magen lagen. Wir „twistelten“ mit der Gummischnur bis zur Erschöpfung. Wir tauschten PEZ-Figuren und spuckten Kirschkerne über die Gartenmauer. Was so kleine Mädchen im Rudel eben alles machen. Was wir aber noch machten war, wir spielten alle das Klavier. Irgendeine von uns Mädchen hörte man im Haus immer in die Tasten klopfen. Unsere Familien hatten jeweils einen großen Klavierflügel in der Wohnung und es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass wir Mädchen auf dem Flügel das Klavierspiel lernten. Da gab es auch überhaupt keine Diskussion, falls wir das nicht wollten.

Onkel Fredi (er spielte das Jazzklavier) brachte es seinen Töchtern selbst bei.