Ein Dom und sein Künstler - Xenia Melzer - E-Book

Ein Dom und sein Künstler E-Book

Xenia Melzer

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Beschreibung

Manchmal findet man den perfekten Mann dort, wo man ihn am wenigsten erwartet … Martin Carmichael besitzt eine Security Firma und ist Miteigentümer des Club Whisper. Er ist ein Dom auf der Suche nach dem richtigen Mann und als sein Auto an einer einsamen Straße den Dienst quittiert, denkt er, dass er ihn vielleicht gefunden hat. Der Künstler Collin Malloy ist talentiert und unbekümmert, aber etwas unsicher. Dennoch hat er ein großes Herz und bietet sofort seine Hilfe an, als er sieht, dass Martin sie braucht. Um sich zu bedanken, lädt Martin Collin zum Abendessen ein, wo die Anziehungskraft zwischen den beiden immer unwiderstehlicher wird. Aber was wird aus ihrer aufkeimenden Beziehung, wenn Martin enthüllt, dass er seine Männer gefesselt, unterwürfig und leidend mag? Ist das etwas, das Collin akzeptieren kann – und vielleicht sogar erforschen möchte? Band 2 der Reihe "Club Whisper"

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Seitenzahl: 347

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Xenia Melzer

Ein Dom und sein Künstler

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2020

http://www.deadsoft.de

© Xenia Melzer

Published by Arrangement with dreamspinner press

Cover: Irene Repp

http://daylinart.webnode.com

Bildrechte: © Anna Ismagilova – shutterstock.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-360-8

ISBN 978-3-96089-361-5 (epub)

Inhalt:

Manchmal findet man den perfekten Mann dort, wo man ihn am wenigstens erwartet …

Martin Carmichael besitzt eine Security-Firma und ist Miteigentümer von Club Whisper. Er ist ein Dom auf der Suche nach dem richtigen Mann und als sein Auto an einer einsamen Straße den Dienst quittiert, denkt er, dass er ihn vielleicht gefunden hat.

Der Künstler Collin Malloy ist talentiert und unbekümmert, aber etwas unsicher. Dennoch hat er ein großes Herz und bietet sofort seine Hilfe an, als er sieht, dass Martin sie braucht. Um sich zu bedanken, lädt Martin Collin zum Abendessen ein, wo die Anziehungskraft zwischen den beiden immer unwiderstehlicher wird.

Aber was wird aus ihrer aufkeimenden Beziehung werden, wenn Martin enthüllt, dass er seine Männer gefesselt, unterwürfig und leidend mag? Ist das etwas, das Collin akzeptieren kann  – und vielleicht sogar gerne erforschen möchte?

Widmung

Für all die Leute, die lustige Bilder, Zitate, Comics und Clips auf FB posten – ohne euch wäre ich sicher in der Lage, doppelt so viele Bücher zu schreiben wie im Moment …

Es gibt so viele Menschen, denen ich dafür danken muss, dass meine Bücher an die Öffentlichkeit kommen, dass ich immer Angst habe, jemanden zu vergessen. Wie immer muss ich meiner Familie danken, die meine seltsamen Launen erträgt, wenn die Geschichte sich nicht so entwickelt, wie ich mir das vorstelle. Meiner Katze dafür, dass sie schnurrend und schnarchend neben mir liegt und mich so freundlicherweise daran erinnerte, dass es zumindest ein Familienmitglied gibt, das nichts auch nur annähernd Produktives tut und sich deswegen nicht schlecht fühlt. Meinem Pferd dafür, dass es auch nicht produktiv ist, mich aber von der Arbeit abhält. Meinen Lektoren, Anne Regan, Kelly, Liv und Anastasia, die geduldig meine Logik- und Grammatikfehler korrigieren und nette Kommentare ins Manuskript schreiben, die mich davon abhalten, depressiv zu werden. Besonderer Dank gilt auch Simon von dead soft, der dem zweiten Band der Club Whisper Reihe wieder ein Zuhause in deutscher Sprache gibt. Und natürlich meinen Lesern. Ihr seid der Grund, warum ich das alles mache. Danke!

Kapitel 1

„Verdammt! Scheiße!“ Martin Carmichael zeigte einem weiteren Auto den Stinkefinger, als es einfach an ihm vorbeibrauste und seine verzweifelten Handzeichen ignorierte. Er hatte ein ungutes Gefühl verspürt, als sein Auto auf dieser Straße im Nirgendwo angefangen hatte, komische Geräusche von sich zu geben, und er hatte gewusst, dass er in der Scheiße steckte, als die Lichter der Konsole aufgeleuchtet hatten wie ein Weihnachtsbaum, bevor sie ausgegangen waren wie sterbende Sterne. Der Motor seines brandneuen, sehr teuren Cadillac Escalade hatte einen traurigen, Schluckauf ähnlichen Laut von sich gegeben und dann war das Auto stehen geblieben. Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, hatte, was immer auch dafür gesorgt hatte, dass die Weltraumtechnologie, die sein Auto im Grunde genommen fuhr, ausfiel, auch noch sein Handy gegrillt, das an das Soundsystem des Autos angeschlossen gewesen war. Verdammte moderne Spielereien und ihre Tendenz, einen im Stich zu lassen.

Martin hatte sich in seinem Leben schon mit vielen gefährlichen Situationen auseinandersetzen müssen, aber er hätte nie gedacht, dass auf einer einsamen Straße im Außenbereich von Miami zu stranden dazugehören würde. Als Ex-Militär, Eigentümer einer Security-Firma, die im ganzen Land und hin und wieder sogar international agierte, und als Dom bestand Martins Lebensgrundlage darin, einschüchternd zu wirken. Es war ein Teil seiner selbst und dank der Tatsache, dass er über einen Meter neunzig groß und gebaut war wie ein Panzer, mit der Art Muskeln, die man nur bekommt, wenn man mit seinem Körper tatsächlich arbeitete, war er ein Meister im Einschüchtern. Unglücklicherweise gereichte es einem nicht zum Vorteil, Menschen durch die eigene Erscheinung Angst zu machen, wenn man auf der Straße gestrandet und auf die Hilfe von Fremden angewiesen war.

In den zwei Stunden, seit sein Gefährt den Geist aufgegeben hatte, waren nur ungefähr dreißig andere Autos hier vorbeigekommen und ihre Fahrer hatten ihn alle ignoriert. Einige hatten sogar Gas gegeben, sobald sie ihn gesehen hatten.

Martin fluchte wieder. Er trug sogar einen Anzug, verdammt! Obwohl er ehrlicherweise sagen musste, dass dieser Anzug, auch wenn er handgefertigt und perfekt geschnitten war, ihm die Aura eines intellektuellen Mafiabosses verlieh. Das war etwas, das er brauchte, wenn er mit der Art Kunden fertigwerden musste, von dem er gerade kam, aber eher hinderlich auf der Suche nach Hilfe. Wenn es ihm nicht in den nächsten dreißig Minuten gelang, ein Auto anzuhalten, würde er nach Hause gehen müssen. Der Gedanke allein ließ ihn in seinen teuren Designerschuhen schaudern, die für viele Dinge gemacht waren, aber eindeutig nicht für eine lange Wanderung im Staub.

In der Ferne hörte er das Rumpeln eines Autos und schaute gerade rechtzeitig auf, um zu sehen, wie der wohl älteste Pick-up in den Staaten den Blinker setzte und neben seinem Auto stehenblieb. Das Erste, was Martin neben dem Alter des Trucks auffiel, waren die Zeichnungen. Das Ding war damit bedeckt. Schlangen, Eidechsen, Geckos, Salamander. Einige von ihnen wirkten so lebensecht, dass es schien, als würden sie jeden Moment davonkriechen. Andere sahen eher aus wie etwas, das man an den Wänden einer Höhle finden mochte. Sie alle waren in leuchtenden Farben gemalt und Martin musste zugeben, dass der Truck beeindruckend aussah.

Jetzt öffnete sich die Fahrertür und Martin stockte der Atem. Er wusste nicht, was er erwartet hatte. Er wusste nur, dass es nicht das war. Der Mann, der aus dem Truck stieg, war ungefähr einen Meter fünfundsechzig und eher dünn, auch wenn sich leicht definierte Muskeln unter dem schäbigen, schmutzigen weißen Muskelshirt abzeichneten. Er hatte langes schwarzes Haar, das in schweren Wellen um sein ebenmäßiges Gesicht fiel. Ein Teil davon wurde von einem Lederband gehalten, aber dem Mann waren die wilden Strähnen, die seine hohen Wangenknochen liebkosten, entweder egal oder er hatte aufgegeben, sie zähmen zu wollen.

Martin mochte Twinks. Nein, er liebte sie. Aber er bevorzugte sie normalerweise mit viel mehr Make-up, perfekt gepflegt – er hatte schon immer gefunden, dass manche Männer einfach für Eyeliner gemacht waren – und mit modischer Kleidung. Wenn sie dann auch noch zerstreut waren und jemanden brauchten, der auf sie aufpasste, dann war er der Dom, nach dem sie gesucht hatten.

Dieser Mann war nicht gepflegt. Er trug kein Make-up und auch wenn seine Kleidung irgendwann modisch gewesen war, war sie jetzt nur noch schmutzig. Er trug Sneakers mit Löchern, die Haut an seinen Händen sah rau aus, als ob er nicht wüsste, wozu Handcreme gut war, und unter seinen Nägeln befand sich Schmutz. Außer seiner Größe erfüllte der Mann keine von Martins Vorlieben und doch konnte er seine Augen nicht von ihm abwenden. Da war etwas an ihm, an der Art, wie er Martin anschaute, ohne die Furcht und Vorsicht in den tiefgrünen Augen, die Menschen normalerweise zeigten, wenn sie ihm das erste Mal begegneten. Martin war fasziniert.

Jetzt öffnete der Mann seinen hinreißenden Mund. „Hallo, ich bin Collin. Brauchst du Hilfe?“

Seine Stimme war ein wenig tiefer, als Martin es erwartet hatte, aber sie klang nett. Er lächelte. „Hallo, Collin. Ich bin Martin und ja, ich brauche Hilfe. Mein Auto ist stehen geblieben und mein Handy ist tot. Könntest du mir deines leihen, damit ich jemanden anrufen kann, um mich abzuholen?“

Das schöne Gesicht wurde traurig. Martin fragte sich, was er falsch gemacht hatte, als Collin wieder zu sprechen begann. „Es tut mir wirklich leid. Ich habe kein Handy. Weißt du, die sind irgendwie teuer, und dann braucht man einen Vertrag und für den muss man auch zahlen, und dann können einen die Leute immer erreichen, was ein bisschen ungelegen sein kann, und sie haben immer langweilige Farben und man kann so viel mit ihnen machen, wenn ich doch nur telefonieren möchte, und ich verstehe diese Nachrichten-Dinger nicht wirklich, und Jude hat gesagt, dass ich es sowieso verlieren würde, was wahrscheinlich stimmt, weil ich oft Dinge verlege und mich dann nicht daran erinnern kann, wo sie sich verstecken und ein Telefon kann sich gut verstecken, so klein und schlank, wie es ist und es macht keinen Ton, wenn man vergessen hat, es zu füttern, was ich würde, denn ich bin nicht daran gewöhnt eines zu haben und mein Zuhause ist ein bisschen unordentlich, wegen all der Dinge, die herumliegen, und ich würde nicht wollen, dass Dog es findet, denn er würde sicher darauf herumkauen und dann wäre es tot, genau wie der Hase, den er letzte Woche gefangen hat, und Mann, war das ein Schlamassel und es hat ihm überhaupt nicht leidgetan, obwohl überall Blut war und ich saubermachen musste und die winzigen Fellteile wollten nicht aus den Ritzen im Boden herauskommen.“ Er hielt inne und lächelte dann. „Aber ich habe einen ziemlich tollen Schädel bekommen, darum würde ich sagen, ist es schon in Ordnung, obwohl ich das Dog nicht sagen werde, denn sonst denkt er vielleicht, dass er mir mehr Hasen bringen soll und einer reicht vollkommen, und habe ich schon erwähnt, dass das Saubermachen ziemlich eklig war? So richtig?“

Martin starrte Collin mit offenem Mund an. Er hatte noch nie gehört, wie jemand so viel Unsinn in einem – nein, zwei – Atemzügen erzählte. Das musste ein Talent sein. Martin begann auch zu vermuten, dass Collin nicht unbedingt mit einem vollen Satz Karten spielte, auch wenn er eher charmant als vollkommen verrückt wirkte. Zumindest in Martins Augen, der während seiner Zeit beim Militär und jetzt mit seinen Kunden schon alle Arten von verrückt gesehen hatte. Er hatte festgestellt, dass die Linie zwischen vollkommen irre und exzentrisch sehr oft von der Anzahl an Nummern auf einem Bankkonto definiert wurde. Collin sah sicher nicht so aus, als ob er in dieser Hinsicht viel zu bieten hatte und Martin fragte sich kurz, ob er überhaupt ein Konto besaß. Aber er war süß, mit einer Offenheit, die die meisten Menschen verloren, wenn sie ihre Kindheit hinter sich ließen. Und er war der Einzige, der angehalten und seine Hilfe angeboten hatte.

„Das ist ja dumm.“

Collin schien für einen Moment angestrengt nachzudenken. Dann leuchteten seine Augen auf und ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Wie wäre es, wenn ich dich in die Stadt fahre? Wenn du mir sagst, wo du hinmusst, kann ich fahren. Ich habe genügend Benzin und alles und ich bin ein guter Fahrer. Ich schwöre!“

Collins Eifer brachte Martin zum Lächeln. Eine so reine Offenheit war erfrischend.

„Das wäre sehr nett von dir.“

Collin lächelte und die Sonne schien in seinen Augen aufzugehen. „Okey-dokey. Spring rein!“ Er drehte sich um und ging zurück zur Fahrerseite. Martin beugte sich in sein eigenes Auto, um das geröstete Handy zu holen, und näherte sich dann Collins Truck. Er glaubte nicht, dass die Daten auf seinem Handy gerettet werden konnten, aber er musste auf Nummer sicher gehen. Einige der Adressen waren viel wert.

Als er versuchte, die Beifahrertür zu öffnen, bewegte sie sich nicht. Martin versuchte es noch einmal, und dieses Mal beugte sich Collin herüber und machte etwas an der Innenseite der Tür, wobei ein seltsamer, klackender Laut ertönte. Mit einem Mal öffnete sich die Tür und Martin stieg ein. Collin biss auf seiner Lippe herum. „Es tut mir leid“, murmelte er, auf einmal nicht mehr aufgeregt. „Das Auto ist schon ziemlich alt.“

Martin verspürte das Bedürfnis, Collin für das Kauen auf der Lippe zu bestrafen und gleichzeitig den tiefen Wunsch, ihn aufzumuntern. Beide Gefühle waren so stark, dass es ihn überraschte. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so tiefe Emotionen durchlebt hatte – noch dazu mit einem vollkommen Fremden. Nur dass Collin sich nicht wie ein Fremder anfühlte. Mehr wie – Zuhause. Und das war wirklich seltsam, denn Martin glaubte nicht an romantischen Mist wie Seelengefährten und Liebe auf den ersten Blick. Liebe war optional, sobald ein Vertrag aufgesetzt und unterschrieben war. Zuerst kamen die Regeln und dann alles andere – wenn überhaupt.

„Auf der Rückbank ist Wasser. Ich fürchte, es ist nicht mehr kalt, aber … na ja …, wenn du Durst hast …“ Collin verstummte. Unsicherheit färbte jede Silbe.

Martin verfluchte sich selbst dafür, dass er seine Gedanken hatte wandern lassen, obwohl er sich doch konzentrieren musste. Wenn er sich Collins unsichere Halb-Sätze anhörte, fragte er sich, was den plötzlichen Wechsel bewirkt hatte und ob es seine Schuld war.

„Danke, Collin. Das ist sehr nett von dir. Und ich weiß, welchen Kummer Autos einem bereiten können. Ich will damit sagen, deines fährt noch. Meines ist vollkommen tot.“

Martin beobachtete Collin sehr genau und sah, wie die Schultern des jungen Mannes sich entspannten. Er musste sich auf die Zunge beißen, um ihn nicht zu loben. Das würde wahrscheinlich nicht so gut aufgenommen werden. Stattdessen drehte er sich um und suchte nach der Wasserflasche auf der schmalen Rückbank. Als er einen Blick auf die Ladefläche des Trucks warf, sah er alte Äste, Steine, ein Stück Metallrohr und den Schädel eines mittelgroßen Tieres, alles auf einem chaotischen Haufen. Mit der Flasche in der Hand drehte er sich wieder nach vorne, um durch die Frontscheibe zu schauen. Nachdem er den Deckel abgedreht und das lauwarme Wasser mit ein paar gierigen Schlucken getrunken hatte, wagte er es, eine Frage zu stellen. „Interessante Sammlung, die du da hast.“ Martin deutete mit seinem Daumen nach hinten.

Collins Wangen röteten sich. Ob aus Scham oder Freude konnte Martin nicht sagen. Er schien jedoch eindeutig seine Begeisterung wiederzufinden, was Martin als ein Plus wertete. „Die Sachen sind für mein neues Projekt. Ich habe sie heute gesammelt.“

„Projekt?“

Das Rot vertiefte sich. Freude, entschied Martin. Freude über Martins Interesse an etwas, das Collin machte. Wenn Martin hätte wetten müssen, würde er sagen, dass das Collin nicht allzu oft passierte. Was eine Schande war.

„Ich bin Künstler. Oder versuche, einer zu sein. Ich bin nicht sehr erfolgreich oder berühmt, aber ich verdiene genug, um davon leben zu können und das hier ist mein neues Projekt. Ich habe nach Träumen gesucht.“

Martin konnte eine Mischung aus Unsicherheit und Eifer von Collin spüren. Er war offensichtlich sehr von dem Projekt eingenommen, aber sich gleichzeitig nicht sicher, wie Martin darauf reagierte. Martin zuckte innerlich zusammen. Niemand sollte sich unwohl fühlen, wenn er über die Dinge sprach, die er gerne tat. Vor allem nicht dunkelhaarige junge Männer mit den grünsten, wunderschönsten Augen, die Martin je gesehen hatte und einem Lächeln, das ihn seinen eigenen Namen vergessen ließ.

„Klingt interessant. Darf ich fragen, was der Schädel eines Tieres mit Träumen zu tun hat?“ Er lachte, um die Schärfe, die ihm gerade in seinen Worten aufgefallen war, zu mildern. „Wie du wahrscheinlich aus meiner Frage schließen kannst, habe ich keine sehr lebhafte Vorstellungskraft.“ Es sei denn, es geht darum, niedliche kleine Twinks zu quälen, sie dazu zu bringen unter meiner Peitsche und meinen Händen und meinem Mund zu stöhnen und zu wimmern.

Collin warf ihm einen schnellen, stechenden Blick zu, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte. „Eine Menge, um genau zu sein. Zerstörte Träume, weil ein Leben zu Ende ist. Das Hoffen auf ein neues Leben, weil der Zyklus von vorne beginnt. Zeit im Reich der Träume, bevor die Seele auf die Erde zurückkommt. Die Träume von anderen, die von diesem Tod beeinflusst wurden. Die Dinge, die die Knochen mir erzählen. Da gibt es so viel. Weißt du.“ Mit einem Mal, als ob ein Schalter umgefallen wäre, fiel Collin in den schnell gesprochenen Rhythmus zurück, den er vorhin gezeigt hatte.

„Die Leute sehen immer nur, was sich genau vor ihnen befindet. Sie schauen nie genauer hin. Ich will damit sagen, ein Schädel ist nur Knochen, eine Erinnerung an jemanden, der nicht länger da ist. Ein sehr biologisches Ding aus Kollagen und Kalzium und anderen Teilen, die den Elementen eine ganze Weile widerstehen können, aber am Ende verschwinden auch sie. Und dann ist da noch die Geschichte hinter den Knochen, die Kraft, die sie angetrieben hat, das Gehirn, das sicher darin gelebt hat, die Seele, die es zu mehr gemacht hat, als nur einer harten Hülle, dafür vorgesehen, etwas zu beschützen. Oder das Metallrohr. Ich habe es im Wald gefunden. Jemand hat es dort abgelegt und ich bin mir nicht sicher, wofür es gut war. Es hat angefangen zu rosten und es wachsen Sachen darauf, Moos und Flechten, glaube ich, und kleine Insekten wohnen darin und es ist zu einer eigenen kleinen Stadt geworden und jetzt habe ich es aus dem Wald mitgenommen und seine Bedeutung erneut geändert und jetzt müssen die Insekten und das Moos einen neuen Platz zum Wohnen finden und diese Stelle im Wald wird sich ebenfalls verändern, und niemand sieht je die chronologische Seite der Dinge, das Davor und Danach, die Dinge, die den momentanen Zustand möglich machen und ihn durch das definieren, was sie gewesen sind. Indem ich all diese Dinge gesammelt habe, wurde ich zu einem Katalysator für verschiedene Ereignisse und die Möglichkeiten erstrecken sich endlos vor mir und es sind so viele Farben und Entscheidungen und Formen und irgendwie schwer zu verstehen, weil es so hell und leuchtend und verwirrend ist.“

Collin nahm einen tiefen Atemzug dringend benötigten Sauerstoffs und schaute unsicher zu Martin hinüber. „Ich rede schon wieder zu viel.“ Er klang sehr eingeschüchtert. Das Feuer und Funkeln waren fort. „Es tut mir leid. Jude sagt, ich soll nicht, aber manchmal vergesse ich es und dann –“

Martin konnte es nicht länger ertragen. Er hob die Hand. „Du brauchst nicht weiterzureden, Collin. Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest. Ich höre dir gerne zu. Ich kann sehen, wie sehr du deine Kunst liebst, wie tief deine Gedanken gehen. Es ist nichts Falsches daran, Leidenschaft für etwas zu empfinden, das man liebt. Und wenn ich hin und wieder ein komisches Gesicht mache, dann nicht, weil du mich langweilst, sondern weil deine Ideen sehr komplex sind und es ernsthaftes Nachdenken erfordert, sie zu verstehen.“

Er lächelte Collin aufmunternd an und als er das glückliche Lächeln auf dem Gesicht des jungen Mannes sah, entschied er sich, einen kleinen Scherz zu wagen. „Außerdem kannst du wirklich schnell reden und daran muss man sich erst gewöhnen.“

Collins Wangen röteten sich, aber er kicherte und verstand offenbar, dass Martin versuchte, die Stimmung aufzuhellen.

Collin fuhr mit moderater Geschwindigkeit und sie konnten Miami bereits in der Ferne sehen. Die Stimmung im Auto war jetzt ruhig, mit einer leichten Unterspannung. Martin konnte förmlich sehen, wie sich die Rädchen in Collins Kopf drehten, als er versuchte ein Thema zu finden, das ihn davon abhielt, gleich wieder loszuplappern. Da er neugierig war, was Collin tun würde, blieb Martin still. Schließlich fragte Collin: „Warum warst du dort draußen?“

Gemessen an der komplizierten Zeit-und-Ursache-Rede, die Collin gerade gehalten hatte, war seine Frage logisch und es beeindruckte Martin, wie der junge Mann den roten Faden einer Unterhaltung halten konnte, auch wenn er davon abzuweichen schien, indem er nach dem Offensichtlichen fragte. Doch Martin verstand, dass Collin sich nicht nach dem defekten Auto erkundigte. Nicht wirklich. Er lächelte und entschied sich, mitzuspielen. „Ich habe eine Security-Firma und einer meiner Kunden wohnt da draußen. Er hat sich gerade ein neues Haus gebaut und ich habe ihm mit dem Sicherheitssystem geholfen. Heute war der letzte Tag und ich bin froh sagen zu können, dass alles glatt gelaufen ist.“

„Trägst du darum eine Verkleidung?“

Die Frage überraschte Martin. „Was meinst du?“ Seine Stimme klang wohl ein wenig strenger, als er es vorgehabt hatte, denn Collins Finger packten das Lenkrad fester.

„Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht beleidigen. Ich kann nicht immer sagen, was mir auf der Zunge liegt. Das vergesse ich immer wieder.“

„Nein, schon gut. Du hast mich nur überrascht. Wenige Menschen würden mich so etwas fragen. Wie hast du das gemeint?“

Collin starrte auf die Straße vor ihnen. „Das bist nicht du. Dieser Anzug ist jemand anderes, jemand, der etwas zu tun hat, aber das bist nicht du. Jedenfalls nicht alles von dir. Die Kleider, die du trägst, sind Teil einer Projektion, die andere Menschen von dir haben, und du benutzt sie. Ich frage mich nur, warum jemand, der so stark und unabhängig ist wie du, eine Verkleidung braucht.“

Martin war sprachlos. Ohne jede Mühe hatte Collin durch die Designer-Kleidung direkt ins Herz der Sache gesehen. „Hast du darum für mich angehalten? Weil du gesehen hast, dass ich kein Gangster bin?“ Er hatte vorgehabt, es leicht klingen zu lassen, aber in Wahrheit störte es ihn manchmal, dass die Menschen immer nur seine brutale Stärke sahen und dann fröhlich das Schlimmste annahmen.

Collin warf ihm einen Blick zu, bevor er sich wieder auf das Fahren konzentrierte. „Wenn ich Angst vor Stärke hätte, hätte ich nicht angehalten. Die Person unter dem Anzug ist viel gefährlicher als die, die der Anzug zeigt. Du weißt das. Ich kann dein Selbstbewusstsein spüren. Es umgibt dich wie eine Halo und das hat mich angezogen. Etwas, das ich nicht habe.“ Collin lächelte schief. „Außerdem weiß ich, wie es ist, am Straßenrand gestrandet zu sein.“

In diesem einen Satz steckte so viel Schmerz, dass Martin das Bedürfnis verspürte, Collin in den Arm zu nehmen und die schlechten Erinnerungen zu verscheuchen. Im Moment konnte er jedoch nichts tun, nicht nur, weil Collin gerade fuhr, sondern auch, weil Martin seine Annahme, dass Collin schwul war, noch nicht verifiziert hatte. Darum meinte er nur: „Ich bin nur froh, dass du für mich angehalten hast, auch wenn ich verkleidet war.“

Das brachte ihm einen Seitenblick und ein Kichern und die Stimmung hellte sich wieder auf. Als sie sich Miami näherten, musste Collin sich auf den Verkehr und die Richtungsanweisungen von Martin konzentrieren, darum schlief ihr Gespräch ein wenig ein. Als Collin endlich vor dem Bürogebäude parkte, in dem Martins Firma ihren Hauptsitz hatte, wusste Martin, dass er Collin entweder um ein Date bitten oder ihn vergessen musste.

„Vielen Dank für deine Hilfe, Collin. Hast du eine Nummer, unter der ich dich erreichen kann? Ich würde dich gerne als Dankeschön zum Essen einladen.“

Collin schien zunächst ein wenig überrascht zu sein, doch dann erblühte ein Lächeln auf seinem Gesicht. „Das wäre sehr nett. Und ich habe eine Festnetznummer.“ Er ratterte die Zahlen herunter und Martin notierte sie schnell auf einem Stück Papier, das er an der Innenseite der Beifahrertür gefunden hatte.

„Noch einmal danke, Collin. Ich rufe dich später an und dann können wir ein Da–“ Beinahe zu spät wurde Martin die Doppeldeutigkeit seiner Worte klar. Auch wenn er sich ziemlich sicher war, dass Collin sie nicht erkennen würde, wollte er das Risiko doch nicht eingehen. Er würde Näheres über Collins sexuelle Orientierung herausfinden, sobald sie ihr Date/Dankeschön-Essen hatten. „Äh, Datum ausmachen.“

Collin lächelte immer noch, hatte offensichtlich Martins Ausrutscher gar nicht bemerkt. Er stieg aus dem Truck aus, schlug gegen die Tür und wünschte Collin eine gute Reise. Dann stand er vor dem Gebäude und wartete, bis die Rücklichter des Trucks im Verkehr verschwanden. Es war lächerlich, aber Martin konnte nicht anders. Etwas an Collin – er schüttelte den Kopf. Er benahm sich wie ein liebeskranker Idiot, nur weil ein hübscher Hintern ihn im Auto mitgenommen hatte. Es war höchste Zeit, dass er jemanden flachlegte. Nur, dass das nicht so einfach sein würde. Nicht, solange das Gesicht von Collin durch seine Gedanken geisterte. Martin konnte es nicht glauben. Beinahe fünfunddreißig Jahre alt und jetzt verliebte er sich? Unmöglich. Richard würde ihn bis ins nächste Jahr aufziehen, wenn er ihn jetzt sehen könnte.

Wie sich herausstellte, brauchte er Richard nicht, um sein Fett wegzubekommen. Als er das Gebäude betrat und in Richtung seines Büros ging, begrüßte ihn seine Schwester Olivia mit einem Wolfsheulen und einem wissenden Blick in ihren dunklen Augen, die ein genaues Spiegelbild seiner eigenen und ein Erbe ihrer indianischen Großmutter waren. „Wer war der heiße Junge in dem beschissenen Truck und warum siehst du aus wie ein verliebter Teenager?“ Sie runzelte die Brauen, als sie ihrem eigenen Satz lauschte und feuerte dann eine weitere Frage ab. „Warum warst du überhaupt mit dem heißen Jungen in dem Scheißtruck? Wo ist dein hübsches neues Spielzeug?“

Martin stöhnte. Mist. Olivia hatte ihn wegen seiner Schwanzverlängerung, wie sie sein neues Auto zu nennen pflegte, aufgezogen, seit er es vor einer Woche bekommen hatte. Jetzt musste er zugeben, dass es eine Panne gehabt hatte, woran sie ihn für den Rest seines Lebens erinnern würde. Und zu seinem Glück konnte seine geliebte Schwester zwei Dinge gleichzeitig tun, was bedeutete, dass sein Missgeschick mit dem Auto ihn nicht davor retten würde, ihr von Collin zu erzählen. Warum war er heute nicht im Bett geblieben? Nein, halt. Wenn er das getan hätte, wäre er Collin nicht begegnet … Warum war Olivia nicht im Bett geblieben?

„Brüderchen, ich warte!“

„Kannst du nicht einfach weggehen?“

Sie grinste breit. „Nein. Nicht, bis ich nicht meine Pflicht als deine nervige ältere Schwester erfüllt habe. Gewisse Standards müssen eingehalten werden.“

„Zunächst einmal habe ich dir schon oft gesagt, dass fünf Minuten nicht ausreichen, dich zu einer echten älteren Schwester zu machen. Das heißt nur, du warst entschlossener, den Bauch zu verlassen. Zweitens musst du nicht daran arbeiten, nervig zu sein – das kommt bei dir ganz von selbst.“

„Ich warte immer noch.“

Martin warf die Arme in einer Geste der Niederlage in die Luft. Sie würde nicht nachgeben, das wusste er, darum ergab er sich. „Schön. Mein hübsches neues Spielzeug hatte eine Panne und hat dabei auch noch mein Handy geschrottet. Ich habe für mindestens zwei Stunden in der prallen Sonne gestanden und mehrere Leute sind an mir vorbeigefahren, ohne anzuhalten oder Hilfe anzubieten, weil, na ja, du weißt schon.“ Er deutete auf seinen massiven Körper. „Ich habe mich bereit gemacht zurückzugehen, als auf einmal der beschissene Truck anhielt und der heiße Junge mir eine Mitfahrgelegenheit anbot. Und, ja, ich werde ihn zum Abendessen einladen, sobald ich ein nettes, langes Gespräch mit meinem Autohändler geführt habe. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob er schwul ist.“ Martin hörte sich selbst zu und fügte an: „Der heiße Junge, nicht der Autoverkäufer, aber mein Gefühl sagt ja, darum werde ich einen Versuch wagen.“

Für einen Moment sagte Olivia kein Wort. Dann zuckten ihre Lippen und sie fing zu lachen an. Sobald sie sich ein wenig beruhigt hatte, wischte sie sich die Augen mit dem Ärmel ihrer Bluse und starrte ihn voller Schadenfreude an. „Aus der Sache mit dem Auto werde ich einige Meilen herausschlagen können.“ Sie lachte über ihr eigenes Wortspiel. „Und ich kann nicht glauben, dass du gerade versucht hast, deine Wahl bezüglich eines Hinterns vor mir zu rechtfertigen. Das machst du sonst nie.“ Ihre Augen verengten sich. „Du magst ihn.“

Martin zuckte mit den Schultern. „Und wenn?“

Olivia seufzte, mit einem Mal ernst. „Dann freue ich mich natürlich für dich, mache mir aber auch Sorgen. Du weißt so gut wie ich, dass es ein gefährliches Spiel sein kann, außerhalb der Szene zu fischen und dass es beinahe immer zu einem gebrochenen Herzen führt.“

Martin seufzte ebenfalls. Mann, wusste er das. Er hatte es mehr als einmal erlebt – Richard und Dean waren bis jetzt die einzige Ausnahme der Regel – und hatte es auch selbst durchlebt, damals, als er gerade als Dom angefangen hatte und jung und dumm genug gewesen war zu denken, dass Liebe alles überwinden konnte. Wie sich herausstellte, hatte die Liebe ernsthafte Schwierigkeiten damit, unterschiedliche Meinungen bezüglich des Stellenwertes von versautem Sex in einer Beziehung zu überwinden. Das war etwas, das Martin sich geschworen hatte nie wieder durchzumachen und jetzt schien es, als würde er direkt ins Herz des Sturms segeln. „Ich weiß. Und ich habe vor, dieses Gespräch so bald wie möglich mit ihm zu führen. Ich bin mir nicht einmal sicher, was mich so zu ihm hinzieht. Er sieht ganz gut aus, aber ich bevorzuge meine Männer normalerweise besser gepflegt und mit weniger Hirn.“

Olivia kicherte. „Nur Gott weiß warum. Es würde mich wahnsinnig machen jemanden zu haben, der sich nicht um sich selbst kümmern kann und an meiner Schürze hängt.“

„Du trägst keine Schürzen. Und ich bin mir nicht sicher, aber sich an ein Lederkorsett zu hängen, ist wahrscheinlich nicht so einfach. Außerdem –“ Martin warf ihr ein schiefes Lächeln zu. „Weißt du ganz genau, dass es mich glücklich macht, wenn ich mich um andere kümmern kann. Einen Sub zu haben, der mir den leisesten Wunsch von den Augen abliest und meinen Schutz und meine Führung braucht ist das ultimative Geschenk für mich.“

„Nicht alle von uns sind so seltsam.“ Olivia schlug ihm spielerisch auf den Arm. Martins einander widersprechende Bedürfnisse – zu dominieren versus sich um jemanden zu kümmern – stellten eine nie enden wollende Quelle für Diskussionen zwischen den Geschwistern dar. Olivia war eine gute Domina sowohl für Männer als auch für Frauen, aber sie bevorzugte ihre Subs stark und unabhängig. Sie brauchte die ständige Herausforderung durch eine Persönlichkeit, die so stur war wie sie selbst, sowie die Befriedigung, so eine Person zu unterwerfen. Wenn jemand sich nicht wehrte, war Olivia nicht interessiert. So ähnlich sich die Geschwister in beinahe jedem Aspekt ihres Lebens waren, stellte das einen großen Unterschied dar.

Martins Wunsch nach jemandem, der von ihm abhing, unterschied ihn auch von den meisten anderen Doms. Nicht, dass es keine Doms gab, die von ihren Subs verlangten, dass sie mit ihnen lebten oder sogar ihre Jobs aufgaben. Aber normalerweise wollten diese Doms das wegen des Gefühls der Kontrolle, das sie bekamen, wenn sie ihre Subs befehligen konnten. Martin tat es, weil er sich gut fühlte, wenn er sich um jemanden kümmern konnte, der es brauchte. Er fühlte sich sogar noch besser – oder würde sich besser fühlen – wenn diese Fürsorge natürlich entstand und nicht in einem Vertrag ausformuliert war. Bis jetzt hatte er nur Verträge bekommen und die Art häusliche Erfüllung, nach der er sich sehnte, war ein weit entfernter Traum, den er dachte aufgeben zu müssen.

Martin hatte versucht, mit einem Sub zusammen zu leben, und das hatte nicht funktioniert. Er hatte sogar einmal eine Master/Sklave Beziehung ausprobiert, doch das war so weit von dem entfernt, was er wirklich wollte, dass er das Experiment schon nach eine Woche in der Probezeit gestoppt hatte.

Martin erzählte es niemandem, aber mit jedem fehlgeschlagenen Versuch, einen dauerhaften Partner zu finden, zweifelte er mehr an seiner eigenen Fähigkeit zu erkennen, was er wirklich von einer Beziehung wollte. Was, wenn es nicht die Twinks waren, die nicht zu ihm passten, sondern umgekehrt? Es half auch nicht, dass er in der Szene einen gewissen Ruf hatte. Sein Aussehen sorgte dafür, dass vor allem Schmerzschlampen ihn aufsuchten und sein Geld garantierte praktisch, dass neun dieser zehn Schmerzschlampen auch noch Goldgräber waren.

Kein Wunder, dass er sich zu Collin hingezogen gefühlt hatte, der nichts über ihn wusste und doch mehr als die Twinks im Club. Einfach, indem er das Offensichtliche durchschaute.

„Ich weiß nicht, Olivia. Ich glaube, er hat Potenzial. Ich würde ihn liebend gerne besser kennenlernen.“ Martin fühlte, wie ein wölfisches Lächeln an seinen Lippen zerrte. „Ich würde ihn auch liebend gerne in die Welt des BDSM einführen. Ich wette, dass dieser knackige Hintern eine wunderschöne Farbe annehmen kann.“

Olivia lachte. „Du bist selbst so ein Arsch.“ Sie beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange. „Schnapp ihn dir, Tiger.“

„Bald. Erst muss ich den Autohändler anrufen. Ich hoffe für ihn, dass das alles versichert ist.“

„Viel Spaß, kleiner Bruder.“

Es war schon nach elf Uhr abends, als Martin endlich das Telefon weglegen konnte. Er hatte den Autohändler angerufen, der versucht hatte, sich aus der Verantwortung zu stehlen, indem er behauptete, Martin hätte die komplizierte Elektronik falsch bedient. Es brauchte massive Drohungen und einen Anruf von Martins Anwalt, bevor der Händler zustimmte, die Kosten für die Reparatur zu übernehmen. Hurensohn, der er war, weigerte er sich, das Auto abzuschleppen, darum musste Martin eine Firma finden, die den Job übernahm. Das kostete ihn eine weitere Stunde am Telefon. Er hätte das alles liebend gerne seiner Sekretärin überlassen, aber heute war Jennifers freier Abend, an dem sie mit ihren Freundinnen zum Essen ging. Dieser Tag war heilig und nicht einmal die Apokalypse würde Jennifer an diesem Tag im Büro halten. Und sollten die Vier Reiter darüber nachdenken sie dazu zu zwingen, würden sie schnell herausfinden, dass es schlimmere Dinge als Tod, Hunger, Pestilenz und Krieg gab – mit einer schlecht gelaunten Jennifer ganz oben auf der Liste.

Martin schaute auf die Uhr. Viertel vor zwölf. Auf keinen Fall konnte er Collin zu so später Stunde anrufen. Er versprach sich selbst, dass er sein Date gleich am nächsten Morgen ausmachen würde und verließ das Büro, um nach Hause zu gehen.

Zum hundertsten Mal starrte Collin auf das Telefon. Es wollte nicht klingeln. Es wollte einfach nicht klingeln. Es war bereits nach zehn und seine Vernunft sagte ihm, dass der heiße Kerl nicht anrufen würde, aber sein dummes Herz gab die Hoffnung nicht auf. Martin war so nett gewesen. Was wahrscheinlich der Grund war, warum er nicht anrief. Collin neigte dazu, alle mit seinem Verhalten und seiner Neigung, mehr zu reden als gut für ihn war, abzuschrecken. Er seufzte. Es wäre so nett gewesen, einen Freund zu finden. Einen gut aussehenden Freund. Andererseits hätte Martin sich wahrscheinlich nicht über einen Freund gefreut, der ihn ständig anstarrte und sich dabei überlegte, wie es sich wohl anfühlte, von ihm geküsst zu werden. Jude hatte recht. Collin war hoffnungslos.

Mit einem tiefen Seufzen setzte Collin sich auf das alte Sofa, das er auf einem Flohmarkt gefunden hatte. Er hatte einen neuen Überwurf in den Farben des Regenbogens gehäkelt, damit es einladender aussah, und auch wenn er das selbst sagte, hatte er doch großartige Arbeit geleistet. Dog kam mit einem Stoffelefanten in seiner massiven Schnauze hereingerannt. Jude sagte, dass es nicht gut war, Dog ein Spielzeug zu geben und dass er hier war, um das Gelände zu bewachen, aber Collin sah keinen Grund, den Hund nicht zu verwöhnen. Ihm war bewusst, dass andere den Rottweiler als gefährliche Kreatur fürchteten, aber Collin verstand nicht warum. Dog war loyal und voller Liebe und Zärtlichkeit. Er mochte keine Fremden auf dem Grundstück, aber wenigstens zog er keine Waffe hervor und feuerte auf alles, was sich bewegte, wie es so viele andere Leute taten. Schön, die Sache mit dem Hasen war widerlich gewesen. Collin war sich nicht einmal sicher, wo Dog das Tier gefunden hatte, weil Hasen in der Stadt nicht unbedingt alltäglich waren. Andererseits verstand er die Geste – ein Versuch von Dog, Collin glücklich zu machen und für ihn zu sorgen. Undankbar zu sein war also irgendwie gemein.

Er tätschelte den Kopf des großen Tieres. „Er wird nicht anrufen, Dog.“

Collin fühlte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen. Normalerweise lebte er in einem Zustand der Seligkeit. Über eine Stunde mit Martin zu fahren hatte irgendwie sein Gehirn durcheinandergebracht. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wünschte er sich, er wäre besser darin, Menschen kennenzulernen. Dann hätte er Martin mit seinem natürlichen Humor bezirzt, seiner Intelligenz und seinen klugen Bemerkungen und der Mann hätte nicht nur in dem Moment angerufen, als Collin das Studio betrat, sondern sie würden sich jetzt auch an einem privaten Ort küssen.

Als ob er Collins Traurigkeit spürte, hüpfte Dog auf das Sofa – noch etwas, das Jude nicht guthieß – und schmiegte seinen massiven Kopf in Collins Schoß, wobei er leise winselte. Collin streichelte das weiche Fell und kraulte Dog hinter den Ohren. Manchmal war es wirklich beschissen, er selbst zu sein.

Am nächsten Morgen wurde Collin von Dogs enthusiastischem Bellen und dem Klingeln des Telefons geweckt. Er kam von dem Sofa hoch, auf dem er offensichtlich eingeschlafen war, und taumelte zu dem alten Telefon an der Wand. Er hob ab und gähnte. „Ja?“

„Collin? Bist du das? Hier spricht Martin Carmichael. Du hast mir gestern geholfen.“

Mit einem Mal war Collin hellwach. Ein seltsames Gefühl kribbelte in ihm, wie ein elektrischer Schlag, nur auf gute Weise.

„Ja. Ja, ich bin hier. Ich … äh … bin gerade aufgewacht. Guten Morgen.“ Collin verdrehte die Augen. So viel dazu, Martin mit seinen sozialen Talenten zu umgarnen. Er klang wie ein Idiot.

Martin kicherte. „Guten Morgen. Es tut mir leid, dass ich dich geweckt habe. Ich weiß, wie schwer es sein kann, ein Gespräch zu führen ohne eine Tasse Kaffee im Magen. Soll ich später anrufen?“

„Nein!“ Collin errötete, froh, dass Martin ihn nicht sehen konnte. Er versuchte, sich in den Griff zu bekommen. „Ich will sagen, nein, es ist gut. Ich bin jetzt wach und brauche keinen Kaffee. Tatsächlich meide ich ihn, weil das Koffein seltsame Dinge mit mir anstellt und dann kann ich nicht schlafen und fühle mich die ganze Zeit nervös und außerdem wird Kaffee oft von Kindern geerntet und wer will so etwas Furchtbares unterstützen, wenn ein Glas Wasser ganz hervorragend ist und weder die Haut kribbeln noch die Hände zittern lässt?“

Collin wurde klar, dass er wieder plapperte, als Martins tiefes Lachen über die Verbindung erklang. „Ich werde dir also keinen Kaffee geben. Ich rufe wegen unseres Abendessens an und wollte fragen, ob du heute Zeit hast.“

„Ich dachte, du hättest es vergessen!“ Collin schlug sich die Hand über den Mund. Wieder hatte er geredet, ohne nachzudenken. Martins Schweigen sagte ihm, dass dem Mann endlich klar geworden war, was für ein Irrer Collin war. Aber als Martin zu sprechen anfing, kam nicht die klare Zurückweisung, die Collin erwartet hatte.

„Ich habe es nicht vergessen, Collin. Und ich entschuldige mich, dass ich dir Sorgen bereitet habe. Das wollte ich ganz sicher nicht. Ich saß am Telefon fest, zuerst mit dem Autohändler und dann musste ich dafür sorgen, dass der SUV abgeschleppt wurde. Als ich endlich fertig war, war es fast schon Mitternacht. Ich wollte dich so spät nicht mehr stören.“

Collin fühlte sich ein bisschen besser, dass Martin ihn nicht vergessen hatte und gleichzeitig schlecht, weil er ihn angemeckert hatte. „Ich sollte mich entschuldigen, Martin. Natürlich hast du Wichtigeres zu tun, als mich anzurufen. Ich wollte nicht nörgeln.“

Wieder erklang das warme, rumpelnde Lachen, das seltsame Dinge mit Collins Bauch anstellte. „Du nörgelst nicht. Ich habe gesagt, dass ich anrufen werde und habe es nicht getan, darum hast du das Recht, mich danach zu fragen. Ich verspreche, es wird nicht wieder vorkommen. Wie sieht es aus, hast du heute Abend Zeit?“

Das war einfach. „Ja, natürlich.“

„Wie wäre es dann, wenn ich dich um sechs abhole und wir in meinem Lieblingsrestaurant nett zu Abend essen?“

Collin war voller Freude, bis er sich an etwas erinnerte. Sein Gesicht wurde lang. „Äh, ich habe keine Kleidung für ein vornehmes Restaurant und ich will dich nicht blamieren.“

„Mach dir keine Sorgen, Collin. Das Restaurant, zu dem ich gehen will, ist gemütlich und überhaupt nicht abgehoben. Du wirst es lieben und Jeans sind dort mehr als akzeptabel. Ich brauche übrigens noch deine Adresse.“

Collin fühlte sich, als ob ihm ein Bleigewicht vom Herzen gefallen wäre. „Dann freue ich mich auf heute Abend.“ Er sagte seine Adresse auf und fügte ein wenig scheu hinzu: „Danke.“

Martin lachte wieder. „Das verstehst du falsch, Süßer. Ich bin derjenige, der sich bei dir bedanken muss. Wir sehen uns heute Abend.“

Die Verbindung wurde unterbrochen und Collin starrte eine Ewigkeit auf den Hörer, bevor er auf die Knie fiel und Dog umarmte, der auf dem Boden saß und ihn mit leichter Neugierde anschaute. „Ich glaube, ich habe ein Date, Dog. Ich bin so aufgeregt.“

Kapitel 2

Martin lenkte den BMW 3, den er sich von Olivia ausgeliehen hatte, umsichtig durch den Verkehr in diesem heruntergekommenen Teil von Miami. Je näher er der Adresse kam, die Collin ihm genannt hatte, umso mehr sorgte er sich um die Sicherheit des jungen Mannes. Die Straßen hier waren schmal, die Gehwege mit allen möglichen Arten Müll bedeckt und die Wände mit Graffiti beschmiert, von denen Martin einige als Gang-Symbole erkannte. Wenn diese Sache zwischen ihm und Collin etwas wurde, würde er eine Möglichkeit finden müssen, ihn so schnell es ging hier herauszuholen. Martin bog noch einmal ab und fand sich vor einem Gebäude wieder, das wie eine sehr verwahrloste ehemalige Fabrik aussah, mit einem beinahe drei Meter hohen Holzzaun um das Gelände herum und einem Eisentor, das mit einer schweren Kette gesichert war. Vielleicht war Collin bewusst, wie gefährlich dieser Ort war und es würde nicht so schwierig werden, ihn zum Ausziehen zu bewegen. Es gab keine Klingel, mit der er sich ankündigen konnte, darum wählte Martin Collins Nummer.

Er hob nach dem ersten Klingeln ab. „Ja?“

„Collin? Ich bin es. Martin. Ich stehe vor deinem Tor.“

Collin legte auf. Ein wenig irritiert starrte Martin auf sein Ersatzhandy, aber dann sah er, wie Collin auf das Tor zu rannte und lächelte. Collin war nervös. Gut.

Martins Augen wurden groß. Collin wurde auch von dem größten verdammten Rottweiler verfolgt, den er je gesehen hatte und da er im Security-Bereich arbeitete, wollte das etwas heißen. Die Bestie war Collin dicht auf den Fersen und sogar durch die Fenster des Autos konnte Martin das drohende Knurren hören. Er wollte gerade nach der Tür greifen, um auszusteigen, als Collin vor dem Tor schlitternd zum Stehen kam, mit den Schlüsseln fummelte, sie fallen ließ und sich dann hinunterbeugte, um sie wieder aufzuheben, was ihn zum perfekten Ziel für den knurrenden, geifernden Hund machte – der die Chance ergriff und Collin quer übers Gesicht leckte. Collin lachte und schob die Bestie von sich fort, tätschelte sie dabei freundlich am Kopf.