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Von einer Liebe, die unmöglich scheint … „Ein Kerl zum Verlieben“ von Katarina Mazetti jetzt als eBook bei dotbooks. Als sie ihm vor die Füße fällt, ist es nicht gerade Liebe auf den ersten Blick: Die alleinerziehende Mariana ist lebenslustig und temperamentvoll – Janne hingegen ein vermeintlich eitler Gockel mit Lamborghini. Doch nach einer gemeinsamen Nacht wird Mariana ihn nicht mehr los. Aber will sie das überhaupt? Er versteht sich bestens mit ihren Kindern, ist immer zur Stelle, wenn sie ihn braucht, und verwöhnt sie, wo er nur kann. Allerdings ist da ja auch noch Micke, der Vater ihrer Kinder, für den Marianas Herz noch immer schlägt – und das ist nicht die einzige Gefühlskapriole … „Ein witziger Roman mit einem gefährlichen Glitzern.“ Die schwedische Tageszeitung „Dagens Nyheter“ Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Ein Kerl zum Verlieben“ von Katarina Mazetti. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 260
Über dieses Buch:
Als sie ihm vor die Füße fällt, ist es nicht gerade Liebe auf den ersten Blick: Die alleinerziehende Mariana ist lebenslustig und temperamentvoll – Janne hingegen ein vermeintlich eitler Gockel mit Lamborghini. Doch nach einer gemeinsamen Nacht wird Mariana ihn nicht mehr los. Aber will sie das überhaupt? Er versteht sich bestens mit ihren Kindern, ist immer zur Stelle, wenn sie ihn braucht, und verwöhnt sie, wo er nur kann. Allerdings ist da ja auch noch Micke, der Vater ihrer Kinder, für den Marianas Herz noch immer schlägt – und das ist nicht die einzige Gefühlskapriole …
»Ein witziger Roman mit einem gefährlichen Glitzern.« Dagens Nyheter, schwedische Tageszeitung
Über die Autorin:
Katarina Mazetti, geboren 1944 in Stockholm, arbeitete als Schwedisch- und Englischlehrerin sowie als Journalistin bei Sveriges Radio. Mit ihrem Erfolgsroman »Der Kerl vom Land« stand sie monatelang in Schweden auf der Bestsellerliste, 2002 wurde das Buch verfilmt.
Katarina Mazetti veröffentlichte bei dotbooks bereits ihre romantischen Schweden-Romane »Der Kerl vom Land – Eine Liebesgeschichte« und »Mein Kerl vom Land und ich – Die Liebesgeschichte geht weiter«, die auch im Doppelband »Mittsommerküsse« erschienen sind. Weiterhin veröffentlichte sie den fesselnden Kriminalroman »Das Schweigen der Schuld«.
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eBook-Neuausgabe Juni 2018
Copyright © der schwedischen Originalausgabe 2003 Katarina Mazetti und Alfabeta bokförlag, Stockholm
Die schwedische Originalausgabe erschien 2003 unter dem Titel »Tarzans tårar« bei Alfabeta Bokförlag AB, Stockholm.
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2005 Piper Verlag GmbH, München
Copyright © der Neuausgabe 2018 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildabbildung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/laura. h und shutterstock/Zoom Team
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)
ISBN 978-3-96148-099-9
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Katarina Mazetti
Ein Kerl zum Verlieben
Roman
Aus dem Schwedischen von Annika Krummacher
dotbooks.
Mit Gebrüll schwang sich Tarzan vom Ast. Sie sauste in weitem Bogen durchs Laubwerk und landete mit einem dumpfen Aufprall an meiner linken Schulter. Mit rudernden Armen und Beinen purzelte ich mehrere Meter weit.
Ich zeigte mich nicht gerade von meiner vorteilhaftesten Seite, als wir uns das erste Mal trafen, könnte man sagen. Oder besser gesagt, als sie mich traf, es war ein astreiner Treffer.
Und was sagte sie?
Sie ließ das grobe Seil los, mit dem sie sich durch die Gegend geschwungen hatte, und knurrte wütend: »Verdammt noch mal!« Sie rieb sich das Knie, das nach dem Zusammenstoß mit meinem Schlüsselbein etwas gerötet war. Dann starrte sie mich unter ihren dunklen Augenbrauen hervor an und erinnerte mich auf fatale Weise an meine Mittelstufenlehrerin.
»Blöd gelaufen«, sagte sie dann. »Tut mir leid. Obwohl, du hättest dich ja von gerade diesem Baum fernhalten können.«
Ich war völlig sprachlos. Die Frau hätte mich beinahe umgebracht, und jetzt wollte sie mir vorschreiben, wo ich gehen durfte, und das an einem öffentlichen Badestrand.
»Halt doch die Klappe, du verdammter Tarzan!« schnaufte ich. Sie trug einen Bikini mit Leopardenmuster. Ich haßte sie und hätte ihr am liebsten eine gelangt, aber ich bekam noch immer nicht richtig Luft, sondern blieb japsend am Boden liegen. Sie hockte sich vor mich hin.
»Was gebrochen?«
Ich keuchte nur zur Antwort.
Ein kleines, blondes Kind mit Topfschnitt von undefinierbarem Geschlecht kam aus einem Busch hervor und schlang von hinten die Arme um ihren Hals. Dann hob es seine Füße vorn Boden ab und hängte sich an ihren Hals wie ein Fjällräven-Rucksack.
»Warum liegt der Onkel da rum und schnauft die ganze Zeit?«
Der Onkel! Ich nehme an, für so was Kleines ist ein Neunundzwanzigjähriger ein Onkel. Aber es schmerzte ein wenig, das zu hören. Ich glaube, bei mir ist eine Dreißigerkrise im Anzug. Ich starrte es eine Weile so böse an, wie ich nur konnte.
Gedankenverloren wischte sie dem Kind mit dem Handrücken die Nase ab. »Wir sind zusammengestoßen. Geh und zieh dir einen Pulli über, Bella. Du warst zu lange im Wasser.«
»Wieso wir! Du bist mit mir zusammengestoßen ...«, tobte ich. »Du mußt genau gezielt haben! Wenn was gebrochen ist, dann zeig ich dich an, und dann kannst du blechen, bis du schwarz wirst!«
Ich war stinksauer auf die Tante. Sie war älter als ich, mindestens fünfunddreißig, mit dunklen Augenringen und Sonnenfältchen.
Irgendwas brannte an meiner einen Pobacke. Scheiße! Ich war auf meiner Armani-Brille gelandet, die ich mir gerade erst vor drei Wochen in Hongkong gekauft hatte, und hatte mich an den Splittern geschnitten.
»Ich meine das ernst«, stieß ich schließlich hervor. »Das ist gemeingefährliche Fahrlässigkeit. Ich zeig dich an!«
Sie grinste kurz, irgendwie freudlos. »Viel Glück!« sagte sie. »Du wirst nicht mehr aus mir herausquetschen als der Gerichtsvollzieher letztes Jahr. Mit anderen Worten überhaupt nichts. Aber vielleicht schaust du dir erst mal das Schild da an und regst dich ein bißchen ab.«
Sie zeigte auf eins riesiges Schild am Trampelpfad, auf dem ich gekommen war. »Achtung! Baumschaukel!« stand da mit krakeligen roten Buchstaben. Scheiße.
»Er blutet am Po«, sagte das Gör. »Wie du manchmal, Mama. Kriegt er auch diese kleinen Mamawindeln?«
Die Tante lächelte plötzlich und streichelte dem Kind über den Arm.
»Vielleicht«, sagte sie. »Eine Camelia gefällig?« Sie streckte die Hand aus und berührte mich am Hintern.
Da hätte ich lachen müssen. Aber aus irgendeinem Grund war mir nicht danach zumute. Ich hätte am liebsten an ihren kleinen braunen Brüsten gezupft, bis sie gegen ihren Bauch geschnipst wären. Brüste wie häßliche kleine Dackelohren.
Und der Bikini erst! Sie mußte ihn in einem Altkleidercontainer der Dritte-Welt-Hilfe gefunden haben. Voller Kleidung, die nicht mal die armen Heiden haben wollten.
Ich richtete mich vorsichtig auf und rieb mir die Schulter. Alles schien funktionsfähig und am rechten Platz zu sein. Es wäre schon ein Risiko gewesen, sie anzuzeigen.
»Okay?« lächelte sie. Das Gör hatte sich ein Stückchen weiter weg ganz ungeniert zum Pinkeln hingehockt.
»Zieh Leine«, brummte ich. Mein Hinterteil und meine Schulter taten weh, und irgendwo hinter dem rechten Auge lauerte ein schwerer Kater und wartete darauf, die Krallen in mich zu schlagen. Das allerletzte, was ich jetzt brauchte, war eine gemütliche Verbrüderung mit dieser überwinterten Dallastante. Womöglich glaubte sie, ich würde einen Drink ausgeben, um zu feiern? Und es war nicht zu fassen, jetzt stand sie auch noch da und grinste mich an. Ein Schweißtropfen bahnte sich seinen Weg über ihren Magen und verschwand im Fake-Leopard. Schwarze Haarbüschel kräuselten sich aus dem Bikinihöschen. Es war so lange her, daß ich eine unrasierte Bikinizone gesehen hatte, daß ich einen kurzen Moment glaubte, sie halte dort unten ein Tier versteckt.
Ich krabbelte wieder auf meine Füße, wie ich es in keinem Fitneßstudio hätte vorführen wollen. Dann stapfte ich davon, ohne mich umzudrehen, daß der weiße Sand nur so um die Turnschuhe wirbelte.
Mama ist auf einen Onkel raufgesprungen, und er ist umgekippt und total sauer geworden und hat gesagt, daß er sie zeigen will, und dann hat er verdammt gesagt. Aber Mama ist gar nicht sauer auf ihn geworden, sie hat nur viel Glück gesagt, und dann sind wir weggegangen und haben so ein Eis gegessen mit Lakritze außenrum und innen auch. Und Billy, der Blödmann, hat seins in den Sand fallen lassen, und dann hat Mama gesagt, daß ich ihm die Hälfte von meinem abgeben soll, und das hab ich auch gemacht, aber ich hab ihn ganz doll in den Rücken gekniffen, und er hat geschrieen, und Mama hat gesagt, was soll das denn jetzt, verdammt. Aber so was dürfen Kinder nicht sagen.
Und dann am Abend im Haus mit den zwei Betten übereinander haben wir Bockwurst mit Brot gegessen und Himbeerlimo getrunken, und ich hab kleine Gummibonbons in einer Schachtel gekriegt, und Billy auch, aber er hat seine runterfallen lassen, und da sind sie alle rausgekullert, und dann haben wir Murmeln damit gespielt, und er hat gar nicht gemerkt, daß ich sie aufgegessen hab, erst als nur noch zwei übrig waren. Da hat er geschrieen, und Mama hat gesagt, was soll das denn nun schon wieder, verdammt.
Und Tante Jenny war da und sollte auf uns aufpassen, als Mama mal kurz weggegangen ist, und sie hat uns Donald Duck vorgelesen, und dann fußten wir ins Bett, und ich durfte oben liegen. Wir haben uns die Zähne draußen geputzt und auf den Rasen gespuckt, und alles ist weiß geworden, und dann hab ich mir an einem Nagel wehgetan, und da ist Blut rausgekommen, und Tante Jenny hat ein Pflaster draufgemacht, und als Mama gekommen ist, hab ich geweint, aber sie hat nichts gesagt. Sie war so komisch und ganz rot im Gesicht und hat ganz komisch gerochen und hat zu Tante Jenny gesagt, daß sie was von einem Onkel gekriegt hat, eine Pistole oder so. Da wollte ich sie sehen, aber sie hatte sie nicht dabei, und sie hat gelacht, und Tante Jenny hat auch gelacht. Dann ist Tante Jenny gegangen, und Mama hat mich ganz oft geküßt und hat auf mein Pflaster gepustet und hat meine Kleine gesagt, und Billy hat geschlafen, und ich durfte in ihrem Bett liegen, und Mama hat die ganze Zeit so komisch gerochen.
Jenny und ich hatten übers Wochenende für uns und die Kinder ein Häuschen hinter dem Strandhotel gemietet, für vier Personen. Deshalb mußten wir die Kinder jeweils zu zweit in ein Bett packen. Es war Nachsaison und spottbillig, und wir konnten es uns natürlich trotzdem kaum leisten. Aber es war der einzige Sommerurlaub, den wir uns gönnten, und wir hatten von zu Hause Lebensmittel mitgenommen.
Wir hatten vereinbart, abends abwechselnd ins Tanzlokal zu gehen. Eine von uns würde sich mit einer Kippe zwischen den Fingern lässig hineinmogeln, während die andere den Kids im Häuschen Gesellschaft leistete.
Fast wäre das Ganze den Bach runtergegangen, denn Jennys Kalle saß würgend beim Abendbrot, und wir befürchteten, daß er eine Lebensmittelvergiftung hätte, und wollten schon die Giftauskunft in der Stockholmer Uniklinik anrufen, doch in diesem Moment kotzte er mitten auf den Flickenteppich. Offenbar hatte er den Tag mit einer Diät von Erdbeeren und Sand überstanden. Große Mengen an Sand. Er mußte ein paar Kilo leichter sein. Jenny fluchte und versuchte, die Flecken mit kaltem Wasser zu entfernen.
»Geh als erste«, sagte sie. »Check das Angebot ab und such dir die besten Typen aus. Dann komme ich und räume den Rest ab. Ich muß sowieso hierbleiben, bis Kalle eingeschlafen ist.«
»Von wegen aussuchen! Ich würde sie vermutlich alle nehmen! Vom Küchenjungen aufwärts«, sagte ich düster. »Ich werde mich auf sie stürzen wie ein Eichhörnchen im Gleitflug, wie auf den Jungen, auf dem ich heute gelandet bin. Es ist schon so lange her, daß ich Nahkontakt zu einem Mann hatte, daß ich vergessen habe, wie es geht.«
»So was vergißt man nicht, das sitzt im Rückenmark«, sagte Jenny. »Das ist wie beim Radfahren. Auf, ab, auf, ab. Oder rein, raus, rein, raus. Hauptsache, du hältst den Lenker fest.« Sie kicherte und wedelte mit einer Thermoskanne selbstgemachter Frozen Margarita.
»Genau, und dann lade ich sie zu einem Drink aufs Zimmer ein«, sagte ich und sah verstohlen zu den Kindern hinüber, die wir in den Betten verstaut hatten. Sie hat zwei und ich zwei, und im Moment konnte man nicht sehen, wer wer war, denn sie kabbelten sich gerade wie junge Füchse.
»Du mußt ihn eben ins nächste Gebüsch schleppen«, sagte sie. »Ist doch schließlich ein zweitklassiges Strandhotel, oder etwa nicht? Oder du krallst dir einen mit Einzelzimmer. Aber leg eine Pause ein, ich will auch mal auf die Tanzfläche.« Dann nahm sie wieder die Margarita in Angriff. Es ist kein schöner Anblick, wenn jemand direkt aus der Thermosflasche trinkt.
Mein meergrünes Kleid mit Spaghettiträgern hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel, aber es ist das schickste, was ich besitze. Es war eines von Mickes inspirierten Schnäppchen in einem Secondhand-Laden.
Ich witschte durch die Tür, gerade als Billy Bella einen Kinnhaken versetzte, sie hatte nicht mal Zeit, nach mir zu brüllen.
Es war wunderbar draußen. Ein starker, lauer Wind wehte vom Meer herauf, es war beinahe Vollmond, und die Wellen leuchteten wie geflammte Seide. Meer und Wind rauschten in den Ohren, und mir wurde ganz schwindlig. Ich blieb stehen und sog den Duft von Tang und Nadelwald ein. Eine andere Welt. Und jetzt, wo ich endlich meinem Mietghetto entkommen war, sollte ich da freiwillig in die Rauchschwaden und die schrille Tanzmusik des Strandhotels eintauchen? Hatte ich sie nicht mehr alle? Wenn das Paradies in Reichweite lag? Ich überlegte ernsthaft, ob ich das Tanzlokal schwänzen und einfach eine Stunde am Wasser entlangspazieren sollte. Ich zog mir die Schuhe aus.
In diesem Moment bewegte sich einer der Bäume neben mir. Ich schrie auf.
Mit einem Zigarillo in der Hand trat der Typ von der Schaukel ins Mondlicht. Er nickte mir ernsthaft zu und machte ein paar Schritte in Richtung Strandhotel.
Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen und rief ihm hinterher: »Willst du das nicht auch mal probieren? Eine Runde schaukeln? Das ist besser als Tabak! Besser als Sex!«
Ich hatte mir auch was von der Margarita genehmigt, das muß ich zugeben.
Er drehte sich um und glotzte mich angewidert an. Ich sah, wie er in einer ganzen Auswahl schlagfertiger Antworten herumkramte. Vielleicht kam ihm keine davon so richtig über die Lippen, denn plötzlich stapfte er mit großen Schritten auf die Schaukel zu. Ich lief ihm hinterher.
Er warf sein Sakko ab, das teuer aussah, und enterte den Baum mit raschen Bewegungen. Dann griff er nach dem Seil, zögerte eine Weile, den Rücken gespannt wie ein Flitzebogen, und warf sich vom Ast, steif und mit gestreckten Beinen. Er drehte ein paar Runden in weiten Kreisen und stürzte schließlich zu meinen Füßen als ein Haufen zusammen. Ich streckte meinen Arm aus, um ihm aufzuhelfen, doch statt dessen zog er mich zu sich. Erst da merkte ich, daß er voll war wie eine Strandhaubitze. Die Augen glänzten glasig im Mondschein, und er lächelte schwachsinnig wie die Gewinner beim Rubbellos im Fernsehen. Er atmete geräuschvoll durch die Nase.
Plötzlich riß der eine Träger meines grünen Kleides. »Paß auf!« brüllte ich. »Paß auf, mein Kleid!«
Er beugte sich vor und schnupperte vorsichtig an meiner einen Brust, die die Gelegenheit genutzt hatte, aus dem Ausschnitt zu hüpfen. Dann wälzte er sich über mich wie eine Ladung Ziegelsteine. »Was meinschu, sollen wir?« fragte er. »Wenn wir eh schon hier liegen? Dann brauchen wir nicht zu tanzen. Verdammt miese Band.«
Eine absurde, aber höfliche Frage. Er war kein Vergewaltiger, es hing von mir ab. Er stützte sich sogar mit den Armen ab, um einen Teil seines Gewichts abzufangen, doch sein Unterkörper nagelte mich an die Erde, und ich war verloren. Zwei Jahre war es her. Warum nicht? Das Mindeste, was ich für einen Jungen tun konnte, den ich versehentlich blutig geschlagen hatte. Und für mich selbst natürlich. In einer einzigen geschmeidigen Bewegung glitt ich aus dem Kleid.
Der Mond leuchtete, das Meer rauschte, und nach einigem wirren Gefummel war er viel besser, als ich es erwartet hatte. Er wuchs mit seiner Aufgabe, und schließlich war er der reinste Traumprinz. Der weiße Sand lag kalt und stumm unter uns, er leuchtete beinahe im Dunkeln, die eine oder andere Kiefernnadel piekste mich in den Po, aber das war es wert. Ich wimmerte und seufzte und er auch.
Hinterher sahen wir uns erstaunt an. Durch das Mondlicht war es beinahe taghell, aber niemand störte uns, denn der Schaukelbaum lag auf dem Spielplatzgelände.
Er schob einen Zeigefinger unter meine eine Brust (ja, ja, ein Stift wäre hängengeblieben) und begann damit zu wippen, bis sie hüpfte. »Das wollte ich schon heute früh machen«, sagte er zufrieden.
»Laß das!« sagte ich. »Mit denen werde ich nicht Miss Erdbeere, dessen bin ich mir durchaus bewußt!«
»Weißt du, wenn man die sieht, begreift man, daß richtige Brüste eigentlich genau so aussehen«, sagte er gedankenverloren. Er legte das Ohr an die eine Brustwarze und tätschelte die Brust, als sei sie ein Hundewelpe. »Ist ja gut. Jetzt nicht den Kopf hängen lassen, meine Lieben.«
»Nett gesagt. Jetzt hast du aber bei mir gepunktet«, sagte ich und bürstete den Sand aus meinem Meergrünen. Er erhob sich und drohte das Gleichgewicht zu verlieren, schien aber ein wenig ausgenüchterter. Wir schüttelten feierlich die Hände, wie in einer schlechten Komödie. Besten Dank, Fräulein Karlsson!
»Kommschu jetzt mit ins Strandhotel?« fragte er. »Vielleicht sollten wir doch ein büschen tanzen?«
Ich schüttelte den Kopf. Mein Tanzabend war vorbei, könnte man sagen. Ziemlich schmerzfrei im übrigen. Zeitsparende kurze Startstrecke, zufriedenstellendes Resultat, und das, ohne die Band anhören zu müssen. Geradezu ein angenehmes Naturerlebnis. Man könnte auch für weniger Umweltschützer werden.
Ich hielt das Kleid über der Schulter zusammen, winkte ihm freundlich zu und ging zurück in unser Häuschen. Den würde ich nie wiedersehen, aber das minderte nicht das Erlebnis.
»Was ist denn nun los?« fragte Jenny, die unsere ganze kleine Schar in einem Bett zusammengeharkt hatte und ihnen Donald Duck vorlas. »Schon zurück? Hoffe, das war nicht meinetwegen. Du kannst einen Schuß besser gebrauchen als ich!«
Ich griff nach der Thermosflasche mit der Margarita. »Hab gerade einen bekommen. Vom Schaukelmann! Manchmal landet man einen Treffer, noch ehe man auf dem Spielfeld ist«, sagte ich kryptisch, damit Bella oder Kalle nichts mitbekamen.
Aber Jenny kapierte meinen Hinweis und lachte entzückt. »Bingo!« sagte sie. »Dann verziehe ich mich jetzt. Laß uns einen Uhrenvergleich machen, dann versuch ich den Rekord zu brechen!«
Ich ging zurück zum Tanzlokal und richtete vor dem Spiegel im Foyer meine Kleidung. Fühlte mich beinahe nüchtern, nachdem ich aus reiner Langeweile nachmittags die halbe Minibar geleert hatte. Ich mußte grinsen, als ich mein Spiegelbild sah. Sie Tarzan, ich Janne. Oder eher ich Cheetah, ich machte einen affenähnlichen Eindruck mit Fünf-Uhr-Schatten am Kinn, zerzaust und verlebt.
Meine Finger erinnerten sich daran, wie sich ihre braunen Dackelohren von Brüsten anfühlten. Und ihre erstaunlich weichen Lippen. Natürlich würde ich keine Gelegenheit haben, sie ein zweites Mal zu schmecken.
Im Tanzlokal wartete Chris auf mich. Er machte sich über die Speisekarte mit dem falschen Küchenfranzösisch lustig und hatte zwei große Fleischstücke für uns bestellt.
»Dabei sollte man in so einem Lokal eigentlich nicht der Empfehlung des Küchenchefs folgen«, sagte er. »Aber den Hauswein trinken wir nicht, irgendwo gibt es Grenzen. Sie haben einen ganz ordentlichen Cabernet, der muß genügen. Und dann Eis mit Erdbeeren, das heißt auf der Karte Glaccé aveck framboises, ausgesprochen frambojses ...«
Chris, der eine Zeitlang in Brüssel gearbeitet hatte, ließ eine Speisekarte mitgehen, um sie seinen dortigen Freunden zukommen zu lassen.
Ein Orchester in himbeerroten Glitzerjacken mit blauem Revers und blauen Krawatten lärmte auf der Bühne herum. Die Musiker schwangen ihre Blasinstrumente im Takt und blinzelten den Damen auf der Tanzfläche zu. Das Publikum tanzte einen enthusiastischen Discofox, der am ehesten an ein Handgemenge erinnerte. Sie verloren sich in den Drehungen, knallten gegeneinander und johlten.
Irgendwo in meinem Hinterkopf lief immer wieder derselbe Film. Der Mond, der auf die Wellen schien und auf ein altmodisches grünes Moirékleid, und ein Paar neugierige grüne Augen unter naturbelassenen geraden Brauen, die im Dunkeln glitzerten. Kontaktlinsen, vermutete ich. Entweder war sie total trendy oder vollkommen untrendy, dachte ich, das weiß ich noch genau. Es erfordert schon Mut, Augenbrauen von dem Kaliber ungezupft zu lassen.
Ich hatte Sand in den Schuhen und ein angenehm entspanntes Gefühl im ganzen Körper. Wer hätte das gedacht? Das war schon eine Armani wert.
Währenddessen schwadronierte Chris herum, wie typisch schwedisch dieses Strandhotel sei. Das Orchester, die Tänzer, die Frisuren, der Kellner, das Essen. Als registrierte der große Globetrotter voller Interesse die Eingeborenen und machte sich Notizen für die National Geographic.
»Du bist doch in dieser verdammten Stadt aufgewachsen, Chrissy!« schnaubte ich. »So viele Jahre kann es nicht her sein, daß du dieses Lokal für das exklusivste überhaupt hieltest. Bestimmt habt ihr hier deine Konfirmation gefeiert, und zum Achtzehnten durftest du dir zusammen mit deinen Eltern ein Dreigängemenü aussuchen.«
Er sah verdutzt aus. Ich wußte kein bißchen über Chris – außer daß er hier vor Ort der Chef einer Computerfirma war, die ich fit fürs neue Jahrtausend machen sollte, daß er während seines BWL-Studiums ein Praktikum bei der EU gemacht hatte und daß er es nicht mochte, wenn man ihn Chrissy nannte.
»Und ich wette, du warst hier auch beim Abiball, bist mit irgendeinem Mädel aus der Parallelklasse über die Sanddünen gestolpert und hast ihr in den Ausschnitt ihres kleinen, selbstgenähten Seidenfähnchens gekotzt!« fügte ich boshaft hinzu Er sah schuldig aus, wechselte das Thema und begann verschiedene Restaurants in der Nähe der Brüsseler Grand Place zu erörtern und von den phantastischen Auslagen vor den Lokalen zu schwärmen, mit denen die Kunden angelockt werden sollten. I couldn't care less.
»Davon verstehe ich nichts, aber das Filet hier war wunderbar«, schwindelte ich. »Es würde mich nicht wundern, wenn sie ein echtes Charolais erwischt haben sollten.«
Er blickte mich verunsichert an. Konnte man anhand des Geschmacks feststellen, welche Sorte Rindfleisch man aß? Wie hei Weinsorten?
Ich ließ ihn rätseln und ging los, um eine Blondine in einem silberfarbenen Fummel aufzufordern, der sehr effektiv ihre eigenen natürlichen Pastellfarben erschlug. Sie hatte sich an eine Säule gelehnt und schien keinen festen Platz an einem Tisch zu haben, rauchte eine Zigarette nach der anderen und ließ den Rauch durch die Nase ausströmen. Dann und wann warf sie verstohlene Blicke zu unserem Tisch herüber. Natürlich konnte es sein, daß sie sich Chris angeln wollte. Aber sie legte den Kopf ein wenig schief und folgte mir auf die Tanzfläche.
Der wilde Discofox war in etwas übergegangen, was am ehesten einem sprunghaften Platzwechsel unter feindlicher Befeuerung ähnelte, man mußte sich Lücken zwischen den Tanzenden suchen, um zu überleben.
»Bist du Janne?« fragte sie mit einer dunklen Stimme, die nicht zu ihrem Aussehen paßte.
Erstaunt gab ich es zu.
»Ich bin mit Mariana hier. Wir haben ein Häuschen gemietet.«
Mariana? Wer zum Teufel war Mariana? Sie sah mich an und lächelte, und plötzlich war mir klar, daß ich gerade eben den Namen zu einem Paar grüner Augen und einem grünen Moirékleid mit kaputtem Träger bekommen hatte. Und daß es dieser Mariana bereits gelungen war, eine Menge Informationen weiterzugeben.
Auf einmal war ich ziemlich genervt und fühlte mich wie die Jagdbeute einer Clique liebesdurstiger Schulmädchen. Im Gymnasium war es mir tatsächlich manchmal so ergangen. Mädchen hatten angefangen, meinen Namen auf die Schulbänke zu schreiben, und waren dann immer frecher geworden. Sie hingen vor meinem Klassenzimmer herum, drängelten sich in der Schulkantine neben mich, schickten mir Zettelchen mit Herzchen drauf. Im letzten Schuljahr gab es zwei Tussis, die mir abwechselnd in den Hintern kniffen und mich Tommie nannten, wegen Tom Cruise, meinten sie. Ich bin keineswegs schüchtern, und es war mir auch nicht peinlich, aber ich wurde wütend. Was glaubten sie eigentlich, wer sie waren? Und warum sollte die unwillkommene Anmache von Mädchen so viel unschuldiger sein als die von Jungs?
»Wollen wir tanzen?« sagte ich zu der Blondine und nutzte die Gelegenheit, sie mit voller Wucht gegen ein herannahendes breites Männerkreuz zu schleudern.
Dann am Morgen haben wir ganz leckere Joghurts mit Bonbons drauf gekriegt, und es war total witzig, weil wir in so ner Art Höhle aufgewacht sind. Mama hatte von oben ein Tuch vors Bett gehängt. Ich hab die Beine so nach oben gestreckt und eine Kerze gemacht, was Billy noch nicht kann, und dann hab ich meine Füße gegen Mamas Matratze gedrückt, daß sie fast rausgefallen ist, aber sie hat trotzdem gelacht. Dann sind Kalk und Gabriella aufgewacht, und Gabi hatte ins Bett gemacht, obwohl es noch nicht mal ihr eigenes Bett war.
Jenny und Mama haben gesagt, ich soll für den Frühstückstisch Blumen pflücken, und das hab ich gemacht. Glockenblumen und noch so ein paar kleine gelbe, aber die Kleeblumen waren ganz braun und verwelkt, und von denen hab ich nur ein paar mitgenommen. Mama hat sie in den Becher von der Thermoskanne getan. Den brauchen wir nicht mehr, hat sie gesagt und Tante Jenny angeguckt, als wäre das ihre Schuld, daß der Kaffee alle war. Die Thermoskanne lag auf dem Boden und war leer, und Tante Jenny hatte Kopfweh.
Billy wollte wieder zur Baumschaukel, dabei darf er da gar nicht alleine hin, und Mama hat nein gesagt, weil es sich jetzt für eine Weile ausgeschaukelt hat, und da hat Tante Jenny ganz doll gelacht, obwohl das gar nicht witzig war. Sie hatte ganz viele Orangen dabei, und wir haben auf der Treppe gesessen und Orangen gegessen. Die waren ganz schön schwer zu schälen, aber ich kann das, und im Schrank von dem kleinen Haus waren Zuckerstücke, die nimmt man und macht ein Loch in die Orange und steckt die Zuckerstücke rein, und dann saugt man durch den Zucker den Orangensaft raus, aber das darf man eigentlich nicht, weil das ist nicht gut für die Zähne.
Kalle hat auch versucht, eine Kerze zu machen, aber er ist umgekippt, und dann hat er Orangenkerne genommen und gesagt, daß er sich traut, sie sich in die Ohren zu stecken. Da hab ich gesagt, das traust du dich gar nicht, und da hat er das gemacht. Erst einen und dann noch ein paar, und ich hab ganz doll gelacht, und wir hatten ganz viel Spaß. Aber dann ist seine Mama gekommen und hat geschrieen, und da hat Kalle angefangen zu heulen und hat gesagt, daß es total weh tut, aber ich hab gar nichts gesagt und eine schöne Schleife auf Billys Sportschuhen gemacht, weil es war ja eigentlich meine Schuld.
Irgendein Arschloch hatte meinen Wagen zerkratzt, er mußte mit einem Schlüssel oder einem anderen scharfen Gegenstand an der gesamten Karosserie entlanggeschrammt haben. Ich glaube, ich wäre weniger sauer gewesen, wenn er oder sie ein Herz mit »Lisa + Olle« eingeritzt hätte, dann hätte das Ganze wenigstens irgendeinen Sinn gehabt. So war es pure und sinnlose Zerstörungswut, und ich weiß, daß mir die Versicherung nichts nützen wird, obwohl das Auto vierhunderttausend Kronen gekostet hat. Der Eigenanteil ist immer so kalkuliert, daß man nur ein paar Hunderter rauskriegt, egal ob man einen kleinen Steinschlag erwischt oder ein ausgebranntes Wrack vorfindet.
Einen kurzen, schwindelnden Moment hatte ich die Vision, daß es Tarzan gewesen sein könnte, die sich am Auto entlanggeschwungen und es dabei mit scharfen Krallen zerkratzt hat. Allerdings glaube ich nicht, daß diese Dame sich schicke lange Fingernägel leistet. Eher etwas in Richtung Affentatze ... Warm ... stark ... und fingerfertig ...
Als ich in meinem geschändeten Lamborghini den Parkplatz verließ, sah ich sie – Mariana – und die arme magere Blondine, die ich als Waffe im Kampf gegen einen discofoxtanzenden Proleten eingesetzt hatte. Sie waren von einer ganzen Schar kleiner lautstarker Knirpse umgeben, meine Güte, es sah aus wie eine ganze Kita auf Wandertag! Ich zählte nach, es waren nur vier Kids, aber irgendwie schienen sie sich in alle Richtungen zu verdoppeln, wie ein Wurf Welpen. Eines von ihnen brüllte lauter als die anderen und faßte sich ans Ohr. Sie blockierten die gesamte Ausfahrt, und plötzlich fiel Tarzans Blick auf mich, dabei saß ich schon geduckt hinter dem Steuer.
»Ach wie gut, daß du es bist! Und ein Auto hast du auch!«
Sie riß die Beifahrertür auf und winkte der Blondine und dem kleinen Brüllaffen zu, sich in mein Auto zu setzen. »Fahr zur Ambulanz, sonntags ist nichts anderes geöffnet, beeil dich!«
»Er hat Kerne in den Ohren!« sagte ein verrotztes kleines Gör mit wichtiger Miene. Kerne?
Ich unternahm einen Versuch, meine Stimme zu erheben. Auf gar keinen Fall sollten die mit, verdammt noch mal, Kinderpipi auf den empfindlichen Lederbezügen! Und auf der Vorderseite seines T-Shirts befand sich ein halbes Eis.
»Tut mir leid. Wie du siehst, ist das ein Sportmodell, und es gibt nur zwei Sitzplätze. Und bedauerlicherweise muß ich in die andere Richtung. Sorry!«
Sie starrte mich an, und ich hörte ein leichtes Knacken, als sie ihren Kiefer zusammenbiß.
»Du kannst mich mal mit deinem Sorry! Dieser Junge hat eine unbekannte Anzahl von Orangenkernen in seinem Gehörgang, die sich vielleicht durch seine Hirnhaut fressen und ihn zum lebenslangen Epileptiker machen, was weiß ich – heul nicht, Bella, wir reden später darüber –, und ich glaube, du machst dich sehr unglücklich, wenn du nicht hilfst, das zu verhindern. Dein Karma geht für die nächsten fünf Leben zur Hölle. Er kann auf den Notsitz dahinten. Und fahr nicht zu schnell, sonst kotzt er dir auf die schicken Lederbezüge. Ich nehme die Kinder und das Gepäck mit zu mir, Jenny, kommst du später nach? Hast du Geld? Könnte sein, daß du in der Ambulanz ein paar Hunderter abdrücken mußt!«
Ich war perplex. Sie hörte kein bißchen von dem, was ich sagte, sondern kommandierte mich, als sei sie die Lady und ich der Butler in »Dinner for one«, und dazu war sie auch noch frech! Aber die Pastellfarbene saß schon schluchzend auf dem Vordersitz und wühlte aus einer kleinen Börse ein paar zerknitterte Zwanziger hervor. Tarzan suchte ebenfalls und fand einen Fünfziger, und dann begannen sie in den Taschen der Kinder nach Einkronenstücken zu fahnden!
Ich traute meinen Ohren nicht, als ich plötzlich eine Stimme sagen hörte: »Geht schon in Ordnung. Ich kann es auslegen«, und begriff, daß es aus meinem Mund gekommen war.
Drüben am Hotelfoyer entdeckte ich Chris. Er stand herum und rauchte, zwei protzige Taschen mit Markenlogo zu seinen Füßen. Er wartete auf mich, denn wir wollten in die Firma fahren und ein paar Manuals durchgehen.
Mit dem brüllenden Kind auf dem Notsitz fuhr ich vor und versuchte cool zu klingen: »Taxi. Nimm dir eins, meine Firma zahlt. This is an emergency.«
Im Rückspiegel sah ich seine Kinnlade langsam hinunterfallen, während ich mit quietschenden Reifen durch das weiße Tor hinausflitzte. Das Kind schluchzte und hickste auf dem Notsitz und versuchte in den Ohren herumzupulen, während die Pastellfrau es die ganze Zeit davon abzuhalten versuchte, denn dann könnten die Kerne noch weiter hineinrutschen. Jedesmal wenn sie das sagte, begann er noch schlimmer zu heulen, und mir wurde allmählich schlecht. Ich sah vor mir, wie die spitzen Orangenkerne sich durch schwammige Hirnsubstanz fraßen – die Tarzanfrau drückte sich schon verdammt bildhaft aus.
Wir kamen zur Ambulanz des Krankenhauses, ohne ein Wort miteinander gewechselt zu haben. Die Pastellfrau wackelte hinaus, legte den Arm um ihr Kind, ging zum Eingang und klingelte. Ich lief ihr hinterher und steckte ihr ein paar Hunderter zu. Sie sah mich kaum an.
»Du kriegst es zurück«, sagte sie vage. »Wo ... wer ...?«