Ein Leben für Merlin - Johanna Hirt - E-Book

Ein Leben für Merlin E-Book

Johanna Hirt

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Beschreibung

Ein Leben für Merlin – Der Weg eines Hundes in eine Welt ohne Angst Die wahre Lebensgeschichte eines Hundes, geboren im rauen Nirgendwo der Karpaten, ist eine ungewöhnliche und außergewöhnliche Erzählung. Da die Lebensreise dieses Hundes rückwirkend nahezu lückenlos dokumentiert wird, begleiten Sie ihn somit bereits während seiner ersten Jahre in Rumänien. Sie erleben mit, wie aus einem jungen lebenshungrigen Hund aufgrund von Missachtung, Krankheit und Vernachlässigung – was letztendlich zum Verlust beider Augen führte – ein sogenannter "Problemhund" wird, der – obwohl mittlerweile nach Deutschland gebracht – vergessen, verwahrlost und unverstanden ein tristes Leben fristete. Doch an dem Tag, an dem sich sein Lebensweg mit dem der Autorin dieses Buches kreuzte, und sie ihn bei sich aufnahm, sollte sich sein Leben für immer verändern. Ihr gelang es, ihm eine Stimme zu geben, die aus großer Liebe und immensem Einfühlungsvermögen resultierte. Sie schien die Gebrechen des Hundes am eigenen Körper, seine Gefühle in der eigenen Seele zu spüren und konnte somit für dieses gepeinigte Lebewesen ein tiefes Verständnis entwickeln, das es ihr ermöglichte, viele Schwierigkeiten zu meistern, mit denen sie konfrontiert wurde. Nicht nur durch wertvolle Tipps, bereits alleine durch die Schilderung der Vorkommnisse kann dieses Buch eine große Hilfe sein, für alle die Menschen, die einen Hund aufgenommen haben, der sie zu überfordern scheint. Das passiert leider nicht selten und in diesem Zusammenhang sind auch die Herdenschutzhunde zu erwähnen, die sich mittlerweile in großer Anzahl in Deutschland befinden. Viele von ihnen fristen – oft unverstanden aufgrund ihres besonderen Wesens – ihr Dasein dauerhaft in Tierheimen oder es kommt nach ihrer Vermittlung zu Problemen. Die Erzählung über Coco, der zu Merlin wurde, macht Mut, die Entscheidung zu treffen, bewusst einen solchen Hund aufzunehmen und ist gleichzeitig für diejenigen eine Unterstützung, die sich bereits in der Situation befinden und glauben, sie nicht bewältigen zu können. So ist aus der Geschichte über einen Hund, der nach langen entbehrungsreichen Jahren nun eine Familie hat und ein Leben in Frieden und Liebe führen darf, ein wundervoller Ratgeber geworden, der dabei helfen kann, unverstandenen Hunden, aber auch ihren überforderten Menschen eine lebenswerte gemeinsame Zukunft zu ermöglichen.

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Seitenzahl: 170

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ISBN 978-3-946723-47-9 (Printversion)

ISBN 978-3-946723-48-6 (Ebook)

Johanna Hirt

Ein Leben für Merlin

Der Weg eines Hundes in eine Welt ohne Angst

 

Bildquellen: Johanna Hirt, fotolia.com: schab, winyu, naiauss

Korrektorat: Gisela Polnik

Covercollage: Elke Mehler www.querwerker.de

Verlag: Begegnungen, Schmitten www.verlagbegegnungen.de

Copyright 2018

Alle Rechte vorbehalten

 

Ein Leben für Merlin

Der Weg eines Hundesin eine Welt ohne Angst

Johanna Hirt

Dieses Buch ist gewidmet allen misshandelten, missachteten, gequälten und traumatisierten Tieren dieser Welt – mögt ihr alle Liebe spüren, Hoffnung, Sicherheit und Vertrauen erleben.

Es ist auch gewidmet allen Menschen, die in irgendeiner Weise dazu beitragen, dass Tiere, die von Menschen misshandelt, gequält, ausgestoßen oder sonst in irgendeiner Weise traumatisiert wurden, wieder Hoffnung schöpfen dürfen, wieder lernen können zu vertrauen, zu genießen und Heilung und Liebe erfahren.

„So sehr mich das Problem des Elends in der Welt beschäftigte, so verlor ich mich doch nie im Grübeln darüber, sondern hielt mich an den Gedanken, dass es jedem von uns verliehen sei, etwas von diesem Elend zum Aufhören zu bringen!“

Albert Schweitzer

 

Inhalt

Teil1 Coco

Teil 2 Merlin

Nachwort

Nachtrag

Hörst du sie nicht?

Danke

Projekt Sternschnuppenlicht

Teil 1 Coco

 

Es war ein kalter Tag im Februar, als die zottelige cremefarbene Hirtenhündin spürte, dass es so weit war. Allein und nur auf sich gestellt suchte sie nach einem Plätzchen, das ein klein wenig Ruhe und Abgeschiedenheit versprach. In einer Ecke in einem alten Stallgebäude scharrte sie mit den Pfoten das Stroh zusammen und legte sich schließlich nieder in ihr kleines selbst gebautes Nest. Es war nicht das erste Mal, dass sie Nachwuchs erwartete, und so harrte sie geduldig der Dinge, die da kommen würden. Sie ertrug tapfer die Schmerzen und empfing dann jeden der kleinen nassen Winzlinge, die zwischen ihren Hinterbeinen ins Stroh fielen, mit aller Liebe, die sie hatte. Jeder Welpe wurde zärtlich trocken geleckt, bevor sie ihm sachte mit der Nase half, den Weg zu ihrem wärmenden und nährenden Bauch zu finden. In dem einfachen Stall fand die kleine Familie etwas Schutz vor der eisigen Kälte von weit unter null Grad und hier gab es etwas Stroh, sodass die nicht mehr ganz junge Mutter und ihre kleinen Welpen nicht gar so hart lagen. Das Leben war rau hier am Rande der Karpaten, das Land recht öde und der Alltag hart. Trotz der niedrigen Temperaturen war der Zeitpunkt nicht ganz ungünstig für die Geburt, denn im Winter mussten die Hunde die Schafe nicht durch die Berge treiben, die jetzt in der kalten Jahreszeit zugeschneit waren. Und sie bekamen etwas zu Essen, eben das, was von den Mahlzeiten der Menschen übrig blieb. Es war wenig, aber es hielt sie am Leben.

Die Mutter kümmerte sich weiter liebevoll um ihre Welpen. Wenn die kleinen Hundebabys an ihren Zitzen saugten, lag sie ganz still, leckte ihre Körper sanft und zart und stupste sie immer wieder mit ihrer Nase in die gewünschte Richtung, schob sie an ihren Bauch oder auch zwischen ihre Pfoten, damit sie es warm und gemütlich hatten. So wuchsen die Kleinen heran, öffneten die Augen und schon bald tobten sie durch den Stall und manchmal auch durch den angrenzenden Hof, an den das karge Land angrenzte. Es war ein schlichtes, hartes Leben dort, aber die junge Familie und die anderen Hunde, die dort lebten, bildeten eine Gemeinschaft, die zusammenhielt und die Kleinen beschützte. Nur ihren Menschen gegenüber waren sie loyal und ihnen mussten sie gehorchen.

Schon bald waren die kleinen Hunde mit den großen braunen Flecken und blauen Augen zu fröhlichen Wollknäulen herangewachsen und ähnelten Teddybären mit riesigen Tatzen und großen Köpfen. Ab und zu spielten die Kinder der Menschenfamilie mit ihnen, manchmal ging es dabei recht lustig zu, oft aber auch sehr grob.

Einer der Welpen hatte nur wenige braune Flecken, die später so hell werden würden, dass man sie kaum noch in seinem fast weißen Fell sehen würde. Er wurde auf den Namen Coco – Kokosflocke – getauft. Coco liebte es, bei seiner Mutter zu liegen und zu schmusen. Er genoss ihre sanfte Berührung und ihre Fürsorge. Aber er beobachtete auch sehr aufmerksam jede ihrer Bewegungen, ihre Blicke, ihr Verhalten und er registrierte, dass sie und die anderen Hunde immer auf der Hut waren. Auch wenn es so aussah, als schliefen die Erwachsenen, so bemerkten sie doch alles, was um sie herum geschah: die Tiere im Stall und die Menschen im Wohnhaus und vor allem Fremde, die sich dem Grundstück näherten. Jeder, der auf dem Grundstück der Bauern lebte, stand unter ihrem Schutz. Sie waren wachsame, mutige und dabei sehr ruhige und disziplinierte Hunde, die allen Fremden gegenüber äußerst misstrauisch waren. Und genauso wollte Coco auch sein, wenn er groß war. Er spielte gerne mit seinen Geschwistern und oft übten sie Aufpassen, Verjagen und maßen ihre Kräfte aneinander. Und wenn sie müde wurden, dann liefen sie zu ihrer Mutter und kuschelten sich alle zusammen. Ihr Leben schien weitgehend unbesorgt, nur das oft raue und unachtsame Spiel der Menschenkinder machte ihnen Angst. Und wenn die Tür zum Stall geöffnet wurde, verschwand ihre Unbeschwertheit sofort. Coco versteckte sich inzwischen jedes Mal, wenn die Kinder sich im Stall blicken ließen.

Schließlich näherte sich das Frühjahr. Die Welpen waren jetzt beinah acht Wochen alt. Ihre Mutter würde, wie alle Hunde, die hier lebten, bald wieder mit den Schafen in die Berge ziehen müssen. Die Hunde waren da, um die Schafe zu schützen, vor zweibeinigen Räubern, vor allem aber vor Bären, Luchsen, Wildkatzen, Wölfen und Adlern. Nur einer, der Stärkste der Geschwister, würde bleiben können, um später als Schutzhund mit in die Berge zu ziehen und dort sein Brot zu verdienen. Aber davon wussten die Kleinen natürlich noch nichts.

Immer öfter kamen jetzt fremde Menschen in den Stall. Coco hatte jedes Mal ein ganz mulmiges Gefühl. Er bemerkte auch, dass seine Mutter unendlich traurig wurde, wenn diese Fremden kamen. Sein Herz begann dann heftig zu schlagen, sein Mund wurde trocken und der Körper ganz starr. Er verstand nicht, was diese Menschen hier wollten, aber er wusste, dass es nichts Gutes war, und er hatte Angst.

Eines Tages kam wieder einmal jemand mit dem Bauern in den Stall: ein Mann in Arbeitshosen und dicker Jacke und einer Zigarette im Mundwinkel. Coco mochte diesen Geruch nicht. Die Männer nahmen einen Welpen nach dem anderen hoch, drehten sie, schoben ihnen ihre Finger in die kleinen Münder und zogen an ihren Ohren. Schließlich hob der Mann mit der stinkenden Zigarette Cocos Bruder Vadim hoch und drehte ihn herum, nahm ihn sogar an den Beinen, schaute in jeden Winkel seines kleinen Körpers. Coco konnte sehen und riechen, dass Vadim sich sehr fürchtete. Und auch ihm, Coco, machte das, was da geschah, schreckliche Angst. Irgendetwas würde passieren, das spürte er ganz genau. Schließlich nickte der Mann und der Bauer klemmte sich Vadim unter den Arm und ging mit ihm zur Tür. Der Zigarettenmann schaute noch einmal zurück, spukte auf den Boden und folgte dann dem Bauern. Coco schaute zu seiner Mutter und erkannte in ihren Augen eine verzweifelte Trauer, die er nie zuvor gesehen hatte. In diesem Moment wusste er, dass sie Vadim nie wieder sehen würden.

Auch am nächsten Tag kamen einige fremde Männer in den Stall, sprachen mit dem Bauern, nahmen die Welpen hoch. Manche gingen unverrichteter Dinge wieder fort, aber die meisten nahmen eines der Geschwister mit. Auch Coco wurde einmal hochgehoben. Vor lauter Angst machte er sich ganz nass. Auch der Mann, der ihn hochgehoben hatte, bekam ein wenig davon ab und laut fluchend ließ er ihn auf den Boden fallen. Coco konnte von Glück sagen, dass ein Ladung Stroh an diesem Flecken lag und er deshalb keine schlimmen Verletzungen davontrug, auch wenn ihn seine Schulter ein paar Tage schmerzte.

Als das nächste Mal die Tür aufging, versteckte sich Coco noch besser als sonst ganz hinten im Stall in einer kleinen Nische. Und das tat er auch am darauffolgenden Tag und sah aus der Ferne, wie eins der Geschwister nach dem anderen fortgebracht wurde. Nun waren nur noch eine Schwester und er selbst da. Als ein weiteres Mal ein fremder Mann in den Stall kam und Coco wieder in der Nische Schutz gesucht hatte, nahm er im Stillen auch von ihr Abschied. Doch der Bauer und der Mann schauten seine Schwester nicht einmal an. Der Bauer ließ seinen Blick durch den Stall schweifen und schließlich sah Coco schwere Stiefel auf sich zukommen. Da packte auch schon eine grobe Hand nach ihm und riss ihn unsanft hoch. Coco war starr vor Angst, denn er sah in harte Augen. Und er ahnte, dass nun auch er seine Mutter und sein Zuhause verlassen musste. Was würde dann mit ihm geschehen? Warum konnte seine Mama ihm nicht helfen?

Am Abend dieses furchtbaren Tages lag Coco in einem fremden Hof. Um seinen zarten empfindlichen Hals lag eine schwere Kette, die an seinem kleinen Körper viel zu wuchtig wirkte. Und das war sie auch! Sie gab ihm zudem so wenig Raum, dass er keine vier Meter im Kreis laufen konnte. Es regnete und zu den dicken Tropfen hatten sich einige Schneeflocken gesellt. Es herrschte eine eisige und ungemütliche Kälte, die sogar ihm, der schon ein ansehnliches Fell hatte, unter die Haare zu kriechen schien. Der Boden bestand aus gestampfter Erde mit einigen zerbrochenen Steinplatten, zwischen denen sich Pfützen bildeten. Weiter hinten an einer Mauer lagen und standen verschiedene Dinge, die Coco nicht kannte, ein abgestandener gammeliger Geruch wehte zu ihm herüber. An den Hof grenzte kahles Land an. Coco konnte zu einem Wohnhaus schauen, in dem der Mann verschwunden war, nachdem er ihn angekettet hatte. In seiner Reichweite stand ein alter Topf, in dem sich Regen gesammelt hatte. Das Wasser roch unappetitlich, aber Coco hatte Durst und deshalb trank er etwas davon. Schließlich fand er ein wenig Schutz in dem baufälligen Schuppen, an dem seine Kette festgemacht war. Dort hatten sich ein paar Holzlatten gelockert, sodass er hineinkriechen konnte. Auch hier bestand der Boden aus Stein und festgestampfter Erde. Die dünnen Holzwände ließen den kalten Wind hindurch, es zog, aber wenigstens war es einigermaßen trocken. Der Schuppen erschien Coco recht groß und in der Nähe standen ein riesiges Fahrzeug, das nach Öl roch, und allerlei Gerümpel. Coco konnte all diese Dinge von Weitem sehen, aber seine Kette ließ ihm nicht genug Raum, um sie beschnuppern zu können. Es machte ihm Angst, dass er nicht wusste, was das alles war, und er nicht einschätzen konnte, ob vielleicht Gefahr davon ausging. Er fand eine kleine Ecke, in die er sich legen konnte, jedenfalls soweit die Kette ihn ließ, aber als er sich drehen wollte, wie es Hunde tun, bevor sie sich hinlegen, zog sie grob an seinem Hals. Seit der Mann ihn angekettet hatte, war er allein. Nur mittags war eine Frau gekommen, die ihm ein altes Stück Brot hingeworfen hatte, welches das Loch in seinem Magen ein wenig füllte. Sie hatte ihn kurz angesehen und war gleich wieder gegangen, ohne ein Wort an ihn zu richten. Bald darauf war ihm leicht übel geworden und schließlich hatte er Durchfall bekommen und sich erleichtern müssen. Er war so weit gegangen, wie die Kette es erlaubt hatte, aber dem Geruch konnte er auch jetzt nicht entkommen. Seine Hinterlassenschaft vermischte sich mit dem Regen und ein kleines unappetitliches Rinnsal breitete sich langsam zwischen den Steinplatten aus.

Er war nun also in den Schuppen gekrochen, und während er dalag, gesellte sich ein weiterer Geruch zu dem Häufchen, dem Öl und dem seiner eigenen Angst: der Geruch des Todes. Hier war kürzlich ein anderer Hund gestorben. Coco wurde es ganz bang. Würde auch er hier sterben? Er legte sich auf den harten Boden und dachte an seine Mutter, an seine Geschwister, an das Stroh und den trockenen Stall. Er sehnte sich nach der tröstlichen Wärme eines Körpers, nach der Zärtlichkeit der Mutter, ihren weichen Lippen und der Gesellschaft seiner Geschwister. Sein Magen knurrte, als er sich zusammenrollte, so eng er konnte, um sich selbst zu wärmen, und in seinem Bauch blubberte es ganz komisch von dem alten Wasser. Trotz großer Müdigkeit konnte er nicht schlafen. Er dachte daran, wie der Mann ihn in ein Auto gesetzt hatte, hinten in den dunklen Kofferraum. Wie er geglaubt hatte, dass er jetzt sterben müsste, da die Luft immer dünner wurde, nachdem die große Klappe über ihm laut und scheppernd zugefallen war. Einen Moment lang hatte er gedacht, sie falle auf ihn und zerquetsche seinen kleinen zitternden Körper. Dann hatte es laut gebrummt und er war hin- und hergeworfen worden, weil es furchtbar geschaukelt hatte. Ein paar Mal hatte er sich auch hart den Kopf angestoßen. Dann plötzlich wurde wieder alles ruhig und über ihm sprang die Klappe auf. Er war so froh gewesen, wieder richtige Luft atmen zu können, dass er es gar nicht so schlimm gefunden hatte, dass der Mann ihn so grob behandelte. Und als er auf den Boden gesetzt wurde, fühlte er sich erleichtert. Aber nur für einen kurzen Augenblick, denn im nächsten Moment hatte er die harte Kette um seinen Hals gespürt und der Mann war gegangen und hatte ihn allein gelassen.

Irgendwann in dieser Nacht war Coco vor Erschöpfung doch eingeschlafen. Als er erwachte, graute der Morgen und der Regen hatte aufgehört. Er krabbelte aus dem Schuppen und sah sich um. Obwohl die Luft etwas klarer war, war der Ausblick trostlos. Er beobachtete, wie der Mann und auch ein paar andere Menschen das Haus auf der anderen Seite des Hofs verließen und später wieder zurückkamen. Irgendwann kam ein anderer Mann auf den Schuppen zu. Coco sah ihn flehend an und wedelte mit der Rute. Wenn er doch nur ein liebes Wort an ihn richten würde! Aber der Mann beachtete den kleinen Hund nicht, sondern lief vorbei und ging irgendwo weiter hinten durch eine Tür. Plötzlich ertönte ohrenbetäubender Lärm, der so furchterregend war, dass Coco erneut etwas ganz Schreckliches erwartete. Zu Tode erschrocken lief er davon, bis ihn ein gewaltiger Ruck an seinem Hals stoppte und zu Boden riss. Für einen Moment bekam er keine Luft mehr. Würgend und zitternd lag er auf dem harten Untergrund und sah, wie ein großes Fahrzeug aus dem Schuppen laut tosend davonfuhr. Wieder musste er sich erleichtern und wieder tat er es am äußersten Rand des kleinen Radius, den die Kette ihm zugestand. Immer mehr stank es nach seinen eigenen Exkrementen. Erneut begann es zu regnen. Lange saß der kleine Welpe vor dem Schuppen und spürte die großen Tropfen auf seinen Kopf und in sein Fell fallen. Was, wenn ihn dort drin wieder das laute Geräusch erschreckte? Was, wenn die große Maschine zurückkäme und ihn verschluckte? Um seine Füße begann sich bereits eine Pfütze zu bilden, die immer größer wurde. Von allen Seiten wurde er nass. Coco zitterte vor Kälte und Angst und schließlich schaute er vorsichtig in den Schuppen und legte sich zögernd und voller Angst dort auf den harten Boden. Er war so müde! Aber er wollte aufpassen. Nur ein wenig ruhen, nur nicht richtig einschlafen!

Irgendetwas ließ ihn aufhorchen. Ein bisschen hatte er wohl doch geschlafen. Inzwischen schien die Sonne und draußen klapperte es. Die Frau brachte ihm etwas zu essen, gekochte Kartoffelschalen und ein paar Reste vom Mittagessen, die der kleine Hund gierig fraß. Wieder schlief er ein wenig vor Erschöpfung, bis ihn das laute Geräusch weckte. Die große Höllenmaschine kam zurück und fuhr mit ohrenbetäubendem Lärm an ihm vorbei in den Schuppen. Nun aber war er vorsichtig mit der Kette und stand zitternd vor dem Gebäude, bis das Geräusch verstummte. Der Mann kam durch die hintere Tür und lief zum Haus, wieder schien er Coco gar nicht wahrzunehmen. Der kleine Hund war diesmal sogar froh darüber. Der Mann wirkte grob und er hatte Angst vor ihm. Er wollte so wenig wie möglich mit ihm zu tun haben.

Es wurde Abend und erneut sehr kalt, sodass Coco sich wieder in den Schuppen auf die kalten Steine legte, die immer noch wärmer waren als der Boden draußen. Von Weitem hörte er andere Hunde bellen. Sein Herz war schwer. Er hatte immer noch furchtbare Angst und fühlte sich ganz schrecklich einsam. Er sehnte sich so sehr nach seiner Mutter und den Geschwistern. Er war ein Kind, er brauchte doch noch seine Mama. Er brauchte Trost und Wärme. Er wollte spielen. Herumlaufen. Wofür hatte er Beine? Aber er ahnte, dass das nicht mehr möglich sein würde. Sein Leben hatte sich geändert. Traurig fiel er erneut in einen erschöpften Schlaf.

Und so vergingen die Tage. Ein Tag war wie der vorherige. Wenn Fremde an dem Grundstück vorbeigingen, begann Coco zu bellen. Sonst lag er vor dem Schuppen oder darin. Immer noch hatte er Angst vor dem lauten Geräusch der komischen Maschine. Und seine Kette wurde immer enger, denn er wuchs, trotz der kargen Kost. Irgendwann kam die Frau und lockerte sie ein wenig. Es war die einzige Berührung, die Coco spüren durfte. Nein, das stimmt nicht. Denn eines Tages kam einer der Männer, die im Wohnhaus lebten, vorbei. Bisher hatte auch er den jungen Hund nie beachtet. Diesmal hatte er ein Spielzeug dabei. Coco freute sich und wedelte begeistert mit der Rute, als er sah, wie der junge Mann lachte, während er eine langen Schnur durch die Luft schwang. Jedes Mal knallte es laut, wenn er die Schnur durch die Luft wirbelte, und jedes Mal freute sich der Mann. Coco gefiel das Geräusch nicht, es erschreckte ihn. Aber der Mann schien Freude daran zu haben und so wedelte Coco ihm weiter freundlich zu, um ihm zu zeigen, dass er sich mit ihm freute. Da kam der Mann auf ihn zu. Er lachte jetzt noch mehr, doch Coco sah sofort, dass dieses Lachen seine Augen nicht erreichte. Die Augen des Mannes blitzten, als er nach dem Hund rief. Coco freute sich so sehr, dass jemand ihn ansprach, dass er sein Gefühl nicht beachtete, das ihn zur Vorsicht mahnte. Mit wedelnder Rute ging er auf den Mann zu, soweit die Kette es ihm erlaubte. Der Mann hatte seine Hand ausgetreckt und Coco wollte vorsichtig daran schnüffeln. In dem Moment, in dem er den Mann erreichte und vorsichtig seine Hand berühren wollte, schnalzte der wieder mit der merkwürdigen Schnur und ein scharfer Schmerz fuhr auf Cocos Rücken nieder. Der Hund zuckte winselnd zusammen und duckte sich. Warum tat der Mann das? Er wollte ihm doch so gern die Hand lecken und seine Freude an diesem Spielzeug teilen. Der Mann lachte laut, ging fröhlich pfeifend seines Weges und ließ den Hund zurück. Coco versteckte sich schnell in seinem Bretterverschlag und legte sich dort auf den Boden. Erst jetzt merkte er, dass er furchtbar zitterte. Er lugte zwischen den Stäben hindurch. Der Mann war fort. Coco versuchte, mit der Schnauze seinen Rücken zu erreichen. Es fühlte sich an, als sei die Haut dort gerissen, ein ziehender durchdringender brennender Schmerz. Er leckte sich die Wunde, so gut es ging, und lag dann still und traurig an seinem Platz. Sein Rücken brannte und er spürte das warme Blut. Aber schlimmer noch brannte seine Seele. Er war so unendlich traurig! Wie gern würde er den Menschen zeigen, dass er ein guter Kamerad war. Aber er war wohl nicht gut genug für sie. Was er auch machte, es genügte nicht. Konnte er überhaupt etwas tun? Er beschloss traurig, den Menschen in Zukunft, so gut es ging, aus dem Weg zu gehen.