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Moritz ist fasziniert von dem Buch, das seine Oma ihm geschenkt hat. Auf den ersten Blick ist "Das große Buch des kleinen Riesen" einfach nur ein sehr großes Buch. Dann aber taucht ein Riese in Moritz' Badewanne auf. Kein normaler Riese, sondern ein kleiner Riese Namens Oki. Und schon wird die Geschichte aus dem "großen Buch des kleinen Riesen" auch zu Moritz' Geschichte. Und zu Mimis Geschichte natürlich, denn Mimi ist die beste Freundin von Moritz, und mit besten Freunden muss man Geheimnisse teilen - vor allem dann, wenn das Geheimnis so groß ist wie der kleine Riese Oki, der sich auch noch unsichtbar machen kann. Oki hat eine Aufgabe: Weil er viel zu klein ist, wird er bei den Riesen nicht ernstgenommen. In der Menschenwelt soll er deshalb richtige Freunde finden. So erleben Moritz, Mimi und Oki ein wunderbar warmherziges Abenteuer, das sich um eines der wichtigsten Themen des Lebens dreht: wahre Freundschaft.
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Seitenzahl: 85
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© 2021 Daniela Streitenberger
Lektorat: Anja-Nadine Mayer
Illustrationen: Daniela Streitenberger
Verlag und Druck:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-347-25467-1
Hardcover:
978-3-347-25468-8
e-Book:
978-3-347-25469-5
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Inhalt
Das große Buch des kleinen Riesen
Unsichtbarkeitszauberei
Waschen, schneiden und Spaghetti
Stadtbesuch
Ein Überraschungsgast im Klassenzimmer
Unsichtbarkeitsschwindelei
Abschied und Neubeginn
Das große Buch des kleinen Riesen
Die großen Sommerferien gingen dem Ende entgegen. Moritz verbrachte diese wie jedes Jahr bei seiner Großmutter in den Bergen. Am letzten Tag nahm ihn seine Oma mit auf den Speicher.
„Geh und such dir was aus!“, sagte sie. „Als kleines Andenken sozusagen.“ Sie zwinkerte ihm zu und wandte sich zu einer großen, verstaubten Eichentruhe. Der Deckel quietschte und ließ sich schwer öffnen. Staunend blickte Moritz hinein. Was dort alles drin lag!
„Nur zu!“, ermutigte ihn die Großmutter.
Zaghaft griff der Bub hinein. Das Erste, was er hervorholte, war ein blauer Seidenschal.
„Ach! Den hatte ich ganz vergessen. Ein Geschenk von deinem Großvater zu unserer Cabriofahrt in den Flitterwochen. Das war herrlich“, schwärmte die alte Dame.
„Und wer ist das?“, fragte der Enkel und hielt ein verblasstes Schwarzweißfoto in einem Holzrahmen empor.
„Das bin ich als kleines Mädchen. Ich war neun Jahre alt. Also genauso alt wie du jetzt. Ich erinnere mich noch gut an diese Zeit. Meine absolute Lieblingsbeschäftigung war es, in dem großen Buch des kleinen Riesen zu lesen. Das war vielleicht spannend, kann ich dir sagen.“ Sie sah Moritz vielsagend über ihre Lesebrille hinweg an.
„Das große Buch des kleinen Riesen?“, wiederholte Moritz.
„Ja“, bestätigte seine Oma. „Warte mal! Es muss hier noch irgendwo in der Kiste sein.“
Sie kramte in den Tiefen der Eichentruhe. Wenig später und mit einigen Spinnweben in den Haaren hielt sie ein großes, in Leder gebundenes Buch in Händen. Langsam legte sie es auf den Dielenboden.
„Das ist es!“ Die alte Dame pustete den Staub vom Buchrücken und Moritz konnte den Titel lesen:
Das große Buch des kleinen Riesen
Wie gebannt blickte Moritz darauf. Irgendwie hatte es etwas Magisches. Er konnte seinen Blick nicht mehr davon lösen und wollte nur noch eines: Dieses Buch lesen.
„Wie ich sehe“, sprach die Großmutter, „hast du dein Geschenk gefunden. Wenn du möchtest, nimm es mit nach Hause. Es gehört jetzt dir.“ Sie grinste ihren Enkel verschmitzt an.
„Und ob ich das möchte!“, entgegnete dieser. „Oma! Du bist die Beste. Danke.“
Er umarmte sie. Dann trug er das schwere Buch behutsam die Dachbodenstiege hinunter.
Dann wurde es auch schon Zeit, auf Wiedersehen zu sagen, denn der Schulbeginn stand am nächsten Tag bevor. Der Abschied war herzlich und Moritz freute sich schon darauf, seine Oma in den nächsten Ferien wieder zu besuchen.
Kaum zu Hause angekommen, klappte der Junge das Buch auf. Er konnte es nicht mehr erwarten, endlich darin zu lesen.
„Einst lebten die Riesen. Fernab von den Menschen, hoch oben in den Bergen. Überlieferungen zufolge waren es meterhohe Wesen mit enormer Kraft. Mühelos konnten sie Bäume entwurzeln und diese mehrere Kilometer weit werfen. Ihr menschenähnliches Aussehen war wüst und ungepflegt. Die Männer hatten lange, zottelige Bärte. Die Frauen trugen verfilzte Haare und zerrissene Kleider. Und sogar die Kinder
„Moritz! Schlafenszeit. Mach das Licht aus. Morgen früh beginnt die Schule wieder.“ Moritz’ Mutter streckte ihren Kopf ins Kinderzimmer.
Ganz in Gedanken hob der Junge den Kopf.
„Schlaf gut, mein Schatz“, sagte sie liebevoll. Dann schloss sie die Tür hinter sich.
„Gute Nacht, Mama“, erwiderte Moritz und knipste die Nachttischlampe aus.
Doch ans Schlafen war überhaupt nicht zu denken. Nachdem die Mutter außer Hörweite war, warf er sich die Bettdecke über den Kopf, schaltete seine Taschenlampe an und las weiter.
„ Und sogar die Kinder waren so groß wie Babyelefanten. Dementsprechend aßen sie Unmengen an Nahrungsmitteln. Alles Essbare, das sie zwischen die Finger bekamen, wurde gefuttert, damit sie groß und stark wurden. Die Menschen in den Tälern fürchteten die Riesen, obwohl diese meist in ihren Berghöhlen blieben. Bei Gewitter aber ließen sie ihrer Stärke freien Lauf.Sie liebten es, mit haushohen Felsbrocken gegeneinanderzutrommeln und die Funken ihrer Lagerfeuer sprühen zu lassen. Es donnerte und blitzte. Je lauter, desto besser, fanden die Riesen. Die Menschen hingegen bekamen Angst. Sie versteckten sich in ihren Häusern und hofften inständig, nie einem solchen Wesen zu begegnen …“
„Moritz? Moritz! Aufstehen! Die Schule fängt an.“ Die Mutter rüttelte ihren Sohn sanft am Arm.
„Was?“ Verschlafen blickte dieser auf. Er war über dem Riesenbuch eingeschlafen.
„Ach, Schatz! Ich habe doch gesagt, du sollst nicht mehr lesen.“
„Du hast nur gesagt, ich soll das Licht ausmachen“, entgegnete Moritz.
Die Mutter seufzte. „Na, komm! Aufstehen, Zähne putzen, frühstücken.“
Widerwillig folgte der Junge und ließ das Buch zurück.
Der erste Schultag war wie jedes Jahr aufregend. Nach den Ferien hatten alle viel zu erzählen. Moritz freute sich, seine Freunde wiederzusehen. Besonders Mimi. Also eigentlich Miriam, aber alle nannten sie Mimi. Seit der ersten Klasse waren die beiden unzertrennlich. Sie saßen nebeneinander und verbrachten jede freie Minute gemeinsam.
Mimi war schon auf ihrem Platz, als Moritz mit dem letzten Glockenschlag das Klassenzimmer betrat. Sie winkte ihm zu.
„Moritz. Hey, Moritz! Hier!“ Sie grinste übers ganze Gesicht, als er sich neben sie setzte.
„Du bist ja mal wieder überpünktlich“, stichelte sie.
Moritz ging nicht darauf ein, sondern entgegnete: „Mimi, ich muss dir unbedingt was erzählen …“
Doch gerade als er anfangen wollte, eröffnete die Lehrerin den Unterricht. Das hieß für die Kinder warten bis zur Pause.
„Was willst du mir denn erzählen?“, fragte Mimi neugierig, nachdem die Pausenglocke geläutet hatte.
„Ich war in den Ferien bei meiner Oma und sie hat mir was geschenkt“, begann Moritz.
„Cool! Und was?“, wollte die Freundin wissen.
„Ein altes Buch mit einem dicken Ledereinband.“
„Und was ist daran so toll?“ Mimi war skeptisch.
„Es ist ein großes Buch über einen kleinen Riesen.“
„Einen Riesen?“
„Ja. Und es ist so faszinierend, dass ich überhaupt nicht mehr aufhören kann zu lesen.“
„Aha“, sagte das Mädchen wenig begeistert.
Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein Buch derart beeindruckend sein konnte. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie lieber mit ihrem Skateboard herumfuhr, anstatt zu lesen.
Moritz bemerkte ihr fehlendes Interesse und wandte sich enttäuscht ab.
„Moritz, komm schon. Ich hab’s halt nicht so mit Büchern“, versuchte Mimi die Situation zu retten.
Aber der Junge schmollte den restlichen Schultag.
Als er am Nachmittag wieder in sein Zimmer kam, stürzte er sich sofort auf das Riesenbuch. Sollte Mimi doch denken, was sie wollte.
„ Unter den Riesen aber gab es einen, der war anders als die anderen. Er war für seine Art ein eher kleiner Zeitgenosse. Mit gerade mal zweieinhalb Metern hatte er aufgehört zu wachsen. Zwar hatte er äußerlich alles, was ein Riese brauchte. Einen zotteligen Bart, große Händeund Füße, kräftige Muskeln, aber er war eben klein. Dies ist eine Schande in der Riesenwelt, deren Hauptmerkmal die Größe ist. Niemand wollte etwas mit dem kleinen Riesen zu tun haben und er war ganz alleine. Doch ist es nun so, dass niemand für das Alleinsein geschaffen ist. Somitbeschloss er, sich neue Freunde zu suchen, und machte sich auf den Weg zu den Menschen.“
„Moritz! Essen ist fertig“, rief die Mutter.
„Hast du deine Hausaufgaben schon gemacht?“, fragte sie, als die Familie am Esstisch saß.
„Wir haben heute noch keine aufbekommen“, antwortete der Junge wahrheitsgemäß.
„Wie war’s denn in der Schule?“, wollte sein Vater wissen und nahm sich einen Teller Suppe.
„Ganz gut“, sagte Moritz knapp und versuchte die ärgerliche Situation mit Mimi zu verdrängen.
Hastig schlang er den Inhalt seines Tellers hinunter. „Fertig! Darf ich aufstehen?“ Er wollte unbedingt weiterlesen.
„Hoppla!“, entgegnete die Mutter. „So schnell?“ Sie fütterte gerade Moritz’ einjährige Schwester Klara.
Der Junge sah sie unschuldig an.
„Na, meinetwegen. Aber heute wird nicht mehr bis in die Puppen gelesen. Verstanden?“
„Hm“, machte Moritz und verschwand Richtung Kinderzimmer.
„Und putz dir bitte die Zähne“, hallte es aus dem Esszimmer nach.
Widerstrebend bog der Bub ins Bad ab, steckte sich seine Zahnbürste in den Mund und schrubbte.
Plötzlich raschelte es hinter ihm.
„Was war das?“ Erschrocken fuhr der Junge herum.
Das Geräusch kam eindeutig aus der Badewanne. Der Duschvorhang war zugezogen. Moritz hielt einen Moment inne und lauschte. Nichts.
„Ich habe mich wohl verhört“, beruhigte er sich und putzte weiter.
Doch kurz darauf raschelte es erneut.
Blitzschnell drehte er sich um. Wieder nichts.
Leise schlich er zur Badewanne, griff nach dem Duschvorhang und riss ihn ruckartig zur Seite. Was er dort sah, war einfach unglaublich. Moritz rieb sich die Augen.
Vor im saß ein Riese in der Badewanne. Ein kleiner zwar, aber unverkennbar ein Riese. Mit zotteligem Bart, großen Händen und Füßen sowie kräftigen Muskeln. Er füllte die komplette Wanne aus.
Ebenso entsetzt starrte der Riese den Jungen an. Es herrschte minutenlanges Schweigen.
Moritz fand als Erster seine Sprache wieder: „Wer bist du?“
„Oki“, kam die Antwort.
„Oki?“, fragte der Bub.
Der kleine Riese nickte.
„Ich bin Moritz.“
Oki grinste und tätschelte Moritz an der Schulter. Dieser ging dabei in die Knie.
„Wow. Du bist aber kräftig. Wie um alles in der Welt bist du hierhergekommen?“
„Buch“, sagte Oki.
„Das große Buch?“, entgegnete Moritz.
Wieder nickte der kleine Riese.
„Aber wie …?“, wollte der Junge weiterfragen, als er Schritte hörte.
Eilig zog er vor dem verdutzten Oki den Duschvorhang zu.
„Du musst ganz leise sein! Hörst du?“
Mit angehaltenem Atem horchte Moritz an der Tür. Die Schritte gingen vorbei.
„Puh. Das war knapp.“ Er zog den Vorhang erneut zurück. „Hier kannst du nicht bleiben.“
Oki blickte fragend drein.
„Aber wo bringe ich dich hin? Dich sieht doch jeder sofort.“
Moritz dachte fieberhaft nach, als plötzlich ein Fingerschnippen ertönte – und im nächsten Moment war der kleine Riese verschwunden. Moritz starrte auf die leere Wanne.
„Oki?“
Jener war wie vom Erdboden verschluckt.
Die Badtür ging auf und Moritz’ Vater kam herein. „Na? Zähne fertig geputzt?“
Der Junge nickte langsam und trottete verwirrt in sein Zimmer.
„Was um alles in der Welt war das?“ Moritz hockte sich auf sein Bett und grübelte. „Ist das gerade wirklich passiert?“