Ein Sommernachtstraum - William Shakespeare - E-Book

Ein Sommernachtstraum E-Book

William Shakespeare

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Beschreibung

Der "Sommernachtstraum" gehört zu den bekanntesten Titeln unter Shakespeares Dramen, und das Stück genießt wegen seiner vielfältigen Inszenierungsmöglichkeiten größte Popularität. Es geht um die Beziehungen zwischen den Geschlechtern auf unterschiedlichsten Ebenen der menschlichen Gesellschaft und einer zauberhaften Feenwelt. Beziehungen zeigen sich folgerichtig in mannigfaltigen Varianten von der ungestümen Liebeswut bis zur ständisch reglementierten Ehe. Die Vielzahl an Personal und Spielebenen schafft einen bunten Kosmos, der sich am Ende in komödiantisch-phantastischer Harmonie zeigt. Die sogenannte Schlegel-Tieck-Übersetzung, zu der August Wilhelm Schlegel und - unter Mitübersetzer- und Herausgeberschaft von Ludwig Tieck - auch Dorothea Tieck und Wolf Heinrich Graf Baudissin beigetragen haben, ist im 19. Jahrhundert zu einem eigenständigen deutschen Klassiker geworden. Indem sich die Übersetzer der Literatursprache der deutschen Klassik im Gefolge Goethes und Schillers bedienten, schufen sie ein poetisches Übersetzungswerk von großer sprachlicher Geschlossenheit und weitreichender Wirkung. – Text in neuer Rechtschreibung. Theseus, der Herrscher von Athen, soll Egeus' Tochter Hermia zwingen, den vom Vater als Ehemann bestimmten Demetrius zu heiraten. Sie ist aber in Lysander verliebt und flieht mit ihm. Demetrius verfolgt die beiden in den Wald, Helena folgt Demetrius. – Im Wald proben Handwerker aus Athen für ein Theaterstück, das zu Ehren von Theseus' geplanter Hochzeit mit Hippolyta aufgeführt werden soll. Dort sorgen der Elfenkönig Oberon und sein Elf Puck mit dem Saft einer Wunderblume für Turbulenzen: Oberons Frau Titania verliebt sich einen Esel, in den zuvor der Hauptdarsteller des Handwerkerspiels verwandelt worden war, Lysander und Demetrius verlieben sich beide in Helena. Am Ende muss Puck alle Verwirrungen wieder beseitigen, und es heiraten Theseus und Hippolyta, Lysander und Hermia sowie Demetrius und Helena.

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William Shakespeare

Ein Sommernachtstraum

Übersetzt von August Wilhelm Schlegel

Herausgegeben von Dietrich Klose

Reclam

Englischer Originaltitel: A Midsummer Night’s Dream

 

1972, 2012 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen

Made in Germany 2017

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961058-0

Inhalt

PersonenErster AktErste SzeneErster AktZweiter AktErste SzeneZweite SzeneDritter AktErste SzeneZweite SzeneVierter AktErste SzeneZweite SzeneFünfter AktErste SzeneZu dieser Ausgabe

[5]Personen

THESEUS, Herzog von Athen

EGEUS, Vater der Hermia

Liebhaber der Hermia

LYSANDER

DEMETRIUS

PHILOSTRAT, Aufseher der Lustbarkeiten am Hofe des Theseus

SQUENZ, der Zimmermann

SCHNOCK, der Schreiner

ZETTEL, der Weber

FLAUT, der Bälgenflicker

SCHNAUZ, der Kesselflicker

SCHLUCKER, der Schneider

HIPPOLYTA, Königin der Amazonen, mit Theseus ver-lobt

HERMIA, Tochter des Egeus, in Lysander verliebt

HELENA, in Demetrius verliebt

OBERON, König der Elfen

TITANIA, Königin der Elfen

DROLL, ein Elfe

Elfen

BOHNENBLÜTE

SPINNWEB

MOTTE

SENFSAMEN

Rollen in dem Zwischenspiele, das von den Rüpeln vorgestellt wird

PYRAMUS

THISBE

WAND

MONDSCHEIN

LÖWE

 

Andere Elfen, im Gefolge des Königs und der Königin. Gefolge des Theseus und der Hippolyta.

 

Szene: Athen und ein nahe gelegener Wald

[7]Erster Akt

Erste Szene

Ein Saal im Palaste des Theseus.

(Theseus, Hippolyta, Philostrat und Gefolge treten auf.)

THESEUS.

Nun rückt, Hippolyta, die Hochzeitstunde

Mit Eil’ heran; vier frohe Tage bringen

Den neuen Mond: doch, o wie langsam nimmt

Der alte ab! Er hält mein Sehnen hin,

Gleich einer Witwe, deren dürres Alter

Von ihres Stiefsohns Renten lange zehrt.

HIPPOLYTA.

Vier Tage tauchen sich ja schnell in Nächte:

Vier Nächte träumen schnell die Zeit hinweg:

Dann soll der Mond, gleich einem Silberbogen

Am Himmel neu gespannt, die Nacht beschaun

Von unserm Fest.

THESEUS.

    Geh, Philostrat, berufe

Die junge Welt Athens zu Lustbarkeiten!

Erweck den raschen leichten Geist der Lust.

Den Gram verweise hin zu Leichenzügen:

Der bleiche Gast geziemt nicht unserm Pomp.

(Philostrat ab.)

Hippolyta! ich habe mit dem Schwert

Um dich gebuhlt, durch angetanes Leid

Dein Herz gewonnen; doch ich stimme nun

Aus einem andern Ton, mit Pomp, Triumph,

Bankett und Spielen die Vermählung an.

(Egeus, Hermia, Lysander und Demetrius treten auf.)

EGEUS.

Dem großen Theseus, unserm Herzog, Heil!

[8]THESEUS.

Mein guter Egeus, Dank! Was bringst du Neues?

EGEUS.

Verdrusses voll erschein ich, und verklage

Mein Kind hier, meine Tochter Hermia. –

Tritt her, Demetrius. – Erlauchter Herr,

Dem da verhieß mein Wort zum Weibe sie.

Tritt her, Lysander. – Und, mein gnäd’ger Fürst,

Der da betörte meines Kindes Herz.

Ja! Du, Lysander, du hast Liebespfänder

Mit ihr getauscht: du stecktest Reim’ ihr zu;

Du sangst im Mondlicht unter ihrem Fenster

Mit falscher Stimme Lieder falscher Liebe!

Du stahlst den Abdruck ihrer Phantasie

Mit Flechten deines Haares, buntem Tand,

Mit Ringen, Sträußen, Näschereien (Boten

Von viel Gewicht bei unbefangner Jugend);

Entwandtest meiner Tochter Herz mit List,

Verkehrtest ihren kindlichen Gehorsam

In eigensinn’gen Trotz. – Und nun, mein Fürst,

Verspricht sie hier vor Eurer Hoheit nicht

Sich dem Demetrius zur Eh’, so fordr’ ich

Das alte Bürgervorrecht von Athen,

Mit ihr, wie sie mein eigen ist, zu schalten.

Dann übergeb ich diesem Manne sie,

Wo nicht, dem Tode, welchen unverzüglich

In diesem Falle das Gesetz verhängt.

[9]THESEUS.

Was sagt Ihr, Hermia? Lasst Euch raten, Kind.

Der Vater sollte wie ein Gott Euch sein,

Der Euren Reiz gebildet; ja, wie einer,

Dem Ihr nur seid wie ein Gepräg’, in Wachs

Von seiner Hand gedrückt, wie’s ihm gefällt,

Es stehnzulassen oder auszulöschen.

Demetrius ist ja ein wackrer Mann.

HERMIA.

Lysander auch.

THESEUS.

    An sich betrachtet wohl.

So aber, da des Vaters Stimm’ ihm fehlt,

Müsst Ihr für wackrer doch den andern achten.

HERMIA.

Oh, säh’ mein Vater nur mit meinen Augen!

THESEUS.

Eu’r Auge muss nach seinem Urteil sehn.

HERMIA.

Ich bitt Euch, gnäd’ger Fürst, mir zu verzeihn.

Ich weiß nicht, welche Macht mir Kühnheit gibt,

Noch wie es meiner Sittsamkeit geziemt,

In solcher Gegenwart das Wort zu führen;

Doch dürft’ ich mich zu fragen unterstehn:

Was ist das härtste, das mich treffen kann,

Verweigr’ ich dem Demetrius die Hand?

THESEUS.

Den Tod zu sterben, oder immerdar

Den Umgang aller Männer abzuschwören.

Drum fraget Eure Wünsche, schönes Kind,

Bedenkt die Jugend, prüfet Euer Blut,

Ob Ihr die Nonnentracht ertragen könnt,

Wenn Ihr der Wahl des Vaters widerstrebt;

Im dumpfen Kloster ewig eingesperrt,

Als unfruchtbare Schwester zu verharren,

Den keuschen Mond mit matten Hymnen feiernd.

O dreimal selig, die, des Bluts Beherrscher,

[10]So jungfräuliche Pilgerschaft bestehn!

Doch die gepflückte Ros’ ist irdischer beglückt,

Als die, am unberührten Dorne welkend,

Wächst, lebt und stirbt in heil’ger Einsamkeit.

HERMIA.

So will ich leben, gnäd’ger Herr, so sterben,

Eh’ ich den Freiheitsbrief des Mädchentums

Der Herrschaft dessen überliefern will,

Des unwillkommnem Joche mein Gemüt

Die Huldigung versagt.

THESEUS.

Nehmt Euch Bedenkzeit; auf den nächsten NeuMond,

Den Tag, der zwischen mir und meiner Lieben

Den ew’gen Bund der Treu’ besiegeln wird,

Auf diesen Tag bereitet Euch zu sterben

Für Euren Ungehorsam, oder nehmt

Demetrius zum Gatten, oder schwört

Auf ewig an Dianens Weihaltar

Eh’losen Stand und Abgeschiedenheit.

DEMETRIUS.

Gebt, Holde, nach; gib gegen meine Rechte,

Lysander, deinen kahlen Anspruch auf.

LYSANDER.

Demetrius, Ihr habt des Vaters Liebe:

Nehmt ihn zum Weibe; lasst mir Hermia.

EGEUS.

Ganz recht, du Spötter! Meine Liebe hat er;

Was mein ist, wird ihm meine Liebe geben;

Und sie ist mein; und alle meine Rechte

An sie verschreib ich dem Demetrius.

LYSANDER.

Ich bin, mein Fürst, so edlen Stamms wie er;

So reich an Gut; ich bin an Liebe reicher;

[11]Mein Glücksstand hält die Waag’ auf alle Weise

Dem seinigen, wo er nicht überwiegt;

Und (dies gilt mehr als jeder andre Ruhm)

Ich bin es, den die schöne Hermia liebt.

Wie sollt’ ich nicht bestehn auf meinem Recht?

Demetrius (ich will’s auf seinen Kopf

Beteuern) buhlte sonst um Helena,

Die Tochter Nedars, und gewann ihr Herz;

Und sie, das holde Kind, schwärmt nun für ihn,

Schwärmt andachtsvoll, ja mit Abgötterei,

Für diesen schuld’gen, flatterhaften Mann.

THESEUS.

Ich muss gestehn, dass ich dies auch gehört

Und mit Demetrius davon zu sprechen

Mir vorgesetzt; nur, da ich überhäuft

Mit eignen Sorgen bin, entfiel es mir.

Doch Ihr, Demetrius und Egeus, kommt!

Ihr müsst jetzt mit mir gehn, weil ich mit euch

Verschiednes insgeheim verhandeln will.

Ihr, schöne Hermia, rüstet Euch, dem Sinn

Des Vaters Eure Grillen anzupassen:

Denn sonst bescheidet Euch Athens Gesetz,

Das wir auf keine Weise schmälern können,

Tod oder ein Gelübd’ des led’gen Standes.

Wie geht’s, Hippolyta? Kommt, meine Traute!

Ihr, Egeus und Demetrius, geht mit!

Ich hab euch noch Geschäfte aufzutragen

Für unser Fest; auch muss ich noch mit euch

Von etwas reden, das euch nah betrifft.

EGEUS.

Dienstwillig und mit Freuden folgen wir.

(Theseus, Hippolyta, Egeus, Demetrius und Gefolge ab.)

[12]LYSANDER.

Nun, liebes Herz? Warum so blass die Wange?

Wie sind die Rosen dort so schnell verwelkt?

HERMIA.

Vielleicht, weil Regen fehlt, womit gar wohl

Sie mein umwölktes Auge netzen könnte.

LYSANDER.

Weh mir! Nach allem, was ich jemals las

Und jemals hört’ in Sagen und Geschichten,

Rann nie der Strom der treuen Liebe sanft;

Denn bald war sie verschieden an Geburt –

HERMIA.

O Qual! zu hoch, vor Niedrigem zu knien!

LYSANDER.

Bald war sie in den Jahren missgepaart –

HERMIA.

O Schmach! zu alt, mit jung vereint zu sein!

LYSANDER.

Bald hing sie ab von der Verwandten Wahl –

HERMIA.

O Tod! mit fremdem Aug’ den Liebsten wählen!

LYSANDER.

Und war auch Sympathie in ihrer Wahl,

So stürmte Krieg, Tod, Krankheit auf sie ein,

Und macht’ ihr Glück gleich einem Schalle flüchtig,

Wie Schatten wandelbar, wie Träume kurz,

Schnell, wie der Blitz, der in geschwärzter Nacht

In einem Winke Himmel und Erd’ entfaltet;

Doch eh’ ein Mensch vermag zu sagen: schaut!

Schlingt gierig ihn die Finsternis hinab:

So schnell verdunkelt sich des Glückes Schein.

HERMIA.

Wenn Leid denn immer treue Liebe traf,

So steht es fest im Rate des Geschicks.

Drum lass Geduld uns durch die Prüfung lernen,

[13]Weil Leid der Liebe so geeignet ist

Wie Träume, Seufzer, stille Wünsche, Tränen,

Der armen kranken Leidenschaft Gefolge.

LYSANDER.

Ein guter Glaube! Hör denn, Hermia!

Es liegt nur sieben Meilen von Athen

Das Haus ’ner alten Witwe, meiner Muhme;

Sie lebt von großen Renten, hat kein Kind

Und achtet mich wie ihren einz’gen Sohn.

Dort, Holde, darf ich mich mit dir vermählen,

Dorthin verfolgt das grausame Gesetz

Athens uns nicht: liebst du mich denn, so schleiche

Aus deines Vaters Hause morgen nacht,

Und in dem Wald ’ne Meile von der Stadt,

Wo ich einmal mit Helena dich traf,

Um einen Maienmorgen zu begehn;

Da will ich deiner warten.

HERMIA.

    Mein Lysander!

Ich schwör es dir bei Amors stärkstem Bogen,

Bei seinem besten goldgespitzten Pfeil

Und bei der Unschuld von Cytherens Tauben;

Bei dem, was Seelen knüpft, in Lieb’ und Glauben;

Bei jenem Feu’r, wo Dido einst verbrannt,

Als der Trojaner falsch sich ihr entwandt;

Bei jedem Schwur, den Männer je gebrochen,

Mehr an der Zahl, als Frauen je gesprochen:

Du findest sicher morgen mitternacht

Mich an dem Platz, wo wir es ausgemacht.

LYSANDER.

Halt, Liebe, Wort! Sieh, da kommt Helena.

(Helena tritt auf.)

HERMIA.

Gott grüß’ Euch, schönes Kind! wohin soll’s gehn?

[14]HELENA.

Schön nennt Ihr mich? – Nein, widerruft dies ›schön‹!

Euch liebt Demetrius, beglückte Schöne! –

Ein Angelstern ist Euer Aug’; die Töne

Der Lippe süßer als der Lerche Lied

Dem Hirten scheint, wenn alles grünt und blüht.

Krankheit steckt an; o tät’s Gestalt und Wesen!

Nie wollt’ ich, angesteckt von Euch, genesen.

Mein Aug’ lieh’ Euren Blick, die Zunge lieh’

Von Eurer Zunge Wort und Melodie.

Wär’ mein die Welt, ich ließ damit Euch schalten,

Nur diesen Mann wollt’ ich mir vorbehalten.

O lehrt mich, wie Ihr blickt! Durch welche Kunst

Hängt so Demetrius an Eurer Gunst?

HERMIA.

Er liebt mich stets, trotz meinen finstern Mienen.

HELENA.

O lernte das mein Lächeln doch von ihnen!

HERMIA.

Ich fluch ihm, doch das nährt sein Feuer nur.

HELENA.

Ach, hegte solche Kraft mein Liebesschwur!

HERMIA.

Je mehr gehasst, je mehr verfolgt er mich.

HELENA.

Je mehr geliebt, je ärger hasst er mich.

HERMIA.

Soll ich denn Schuld an seiner Torheit sein?

HELENA.

Nur Eure Schönheit: wär’ die Schuld doch mein!

[15]HERMIA.

Getrost! ich werd ihm mein Gesicht entziehen.