Ein wenig mehr Wir - Leah Weigand - E-Book

Ein wenig mehr Wir E-Book

Leah Weigand

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Beschreibung

Die erste Gedicht-Sammlung der beliebten Poetry-Slammerin Leah Weigand (»Ungepflegt«), die uns ganz persönlich und unsere gesamte Gesellschaft nachdenklich wie hoffnungsvoll unter die Lupe nimmt. Ja, es wäre schön Ein Ort mit ein wenig mehr Wir Doch wenn wir uns so danach sehnen warum ist der Ort nicht schon hier? Nach diesem Wir - diesem Ort, an dem wir einander mit Respekt und Vertrauen begegnen - sucht die gefeierte Poetry-Slammerin Leah Weigand in ihren Gedichten. Sie wirft einen umfassenden Blick auf unsere Gesellschaft, auf schöne Alltagsmomente und große Missstände. Sei es die "Liebeserklärung an die Mütter", für die "die Dusche Urlaubsort ist", der Freund, der immer im falschen und doch im richtigen Moment kommt; oder auch der "heißgeliebte Kamin-Kakao", der "Spuren von Kinderhänden enthalten kann". Themen wie Freundschaft, Verbundenheit und Nächstenliebe spielen ebenso eine Rolle wie der Pflegenotstand, soziale Ungleichheit, Teilhabe und unfairer Handel.  Leah Weigands Video vom Auftritt ihres Poetry-Slam-Textes »Ungepflegt« über ihre Erfahrungen in der Pflege wurde in kürzester Zeit millionenfach geklickt. Die modernen Gedichte der Krankenpflegerin und Medizinstudentin berühren und regen zum Nachdenken an. Mit außergewöhnlicher Wortgewandtheit und Empathie nimmt sie uns mit auf eine Reise durch die Facetten der Menschlichkeit. Eine Reise, die letztendlich zu uns selbst führt und zu dem, was uns als Menschen ausmacht. »Ich habe noch nie in meinem ganzen Leben einen so schönen, berührenden und auf den Punkt gebrachten Text gehört.« Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer

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Leah Weigand

Ein wenig mehr Wir

Texte über Menschlichkeit

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Die erste Gedicht-Sammlung der beliebten Poetry-Slammerin Leah Weigand (»Ungepflegt«), die uns ganz persönlich und unsere gesamte Gesellschaft nachdenklich wie hoffnungsvoll unter die Lupe nimmt.

 

Ja, es wäre schön

Ein Ort mit ein wenig mehr Wir

Doch wenn wir uns so danach sehnen

warum ist der Ort nicht schon hier?

 

Nach diesem Wir - diesem Ort, an dem wir einander mit Respekt und Vertrauen begegnen - sucht die gefeierte Poetry-Slammerin Leah Weigand in ihren Gedichten. Sie wirft einen umfassenden Blick auf unsere Gesellschaft, auf schöne Alltagsmomente und große Missstände. Sei es die »Liebeserklärung an die Mütter«, für die »die Dusche Urlaubsort ist«, der Freund, der immer im falschen und doch im richtigen Moment kommt; oder auch der »heißgeliebte Kamin-Kakao«, der »Spuren von Kinderhänden enthalten kann«. Themen wie Freundschaft, Verbundenheit und Nächstenliebe spielen ebenso eine Rolle wie der Pflegenotstand, soziale Ungleichheit, Teilhabe und unfairer Handel.

Leah Weigands Video vom Auftritt ihres Poetry-Slam-Textes »Ungepflegt« über ihre Erfahrungen in der Pflege wurde in kürzester Zeit millionenfach geklickt. Die modernen Gedichte der Krankenpflegerin und Medizinstudentin berühren und regen zum Nachdenken an. Mit außergewöhnlicher Wortgewandtheit und Empathie nimmt sie uns mit auf eine Reise durch die Facetten der Menschlichkeit. Eine Reise, die letztendlich zu uns selbst führt und zu dem, was uns als Menschen ausmacht.

 

Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de

Inhaltsübersicht

Widmung

Ein wenig Vorwort

Wenn es gut wird

Ein Loblied auf die analoge Welt

Wie oft Wir

Ein Tausendfühler am Morgen danach

Handreichung (für Mediziner)

Ankommen

An die Mütter

Die Stadt an der Lahn

Zwei Paar Schuhe

Ein Freund

Eine Geschichte zum Umschreiben

Verschenkt

Wenn es anders ist

Vorher-Bild

Ein großer Haufen Grau

Ich bin keine Jukebox

Brücken über Gräben

Rosmarinkartoffeln

Ein Haus

Bartleby

Wenn was verloren geht

Verlieren

Lost

Vergessenslücken

Zeilen der Zeitund Reime auf Fall

Zum Umzug

Eine Tragödie in drei Sätzen

Im Fahrstuhl

Schwarmintelligenz

Weißt du

Wochenendbeziehung

Fuck-up-Gedicht Ein Text für Versager

Ewig und vergänglich

Ich packe meinen Koffer

Schritte

Wenn es laut sein muss

Freiheit

All inclusive

Farben

Ungepflegt

Ein Gelübde Oder Florence Nightingale 2.0

Zart/bitter

So wirklich hell ist es nicht

Wenn es still wird

Stille Nacht

Die Leisen

Land in Sicht

Mucksmäuschenstill

Blaupause

Mal angenommen. Ein Naturschauspiel

Sterbebett

Eine Bilanz

TrotzdemEin Adventsgedicht

Sonntagsgedichte

Ein erstes Sonntagsgedicht

Ein zweites Sonntagsgedicht

Ein drittes Sonntagsgedicht

Ein viertes Sonntagsgedicht

Ein fünftes Sonntagsgedicht

Ein sechstes Sonntagsgedicht

Ein siebtes Sonntagsgedicht

Ein achtes Sonntagsgedicht Jeden Tag neu

Ein neuntes Sonntagsgedicht und eine freundliche Bitte

Ein zehntes Sonntagsgedicht

Dank

Quellen

Für uns.

Ein wenig Vorwort

Was soll ich sagen,

was man nicht schon gehört hätte?

Was soll ich schreiben,

was es nicht schon zu lesen gäbe?

Was soll ich noch dichten

beim Anblick meiner verdichteten Bücherregale?

 

Jemand schrieb einmal

(und dieser jemand war Erich Kästner):

»Formulierung ist heilsam.«

Von der Seele schreiben kann man sich nur das,

was auf der Seele liegt, brennt und sie piesackt.

Meistens ist das schwer und erdrückend,

manchmal verletzend und kränkend

und in wenigen Fällen auch erheiternd und wohlig.

 

Oft liegt es schon so lange anonymisiert da

– ohne Titel, ohne Namen –,

sodass man fast vergisst,

dass es da ist.

Ähnlich all dem Zeugs,

das sich unten in einem Rucksack ansammelt,

mit dem man viel auf Reisen geht,

ohne ihn je ganz auszuräumen.

 

Die meiste Zeit über scheinen

die halb leeren Handcremetuben, Kugelschreiberminen,

Kassenzettel, Bustickets,

Tampons und Tablettenblister nicht zu stören.

Aber irgendwie liegen sie doch

zwischen den wichtigen Dingen herum,

nehmen Platz weg

und machen das Gepäck unnötig schwer.

 

Das Formulieren holt all diese Dinge

aus den Rucksacktiefen hervor,

faltet sie auseinander,

stellt sie ins Licht.

Von allen Seiten werden sie beachtet,

beäugt und schließlich benannt.

Dieser Vorgang kann erleichtern,

erleuchten

und vielleicht sogar heilen.

 

Jemand schrieb einmal

(und dieser jemand war Hermann Hesse):

»Schön war die Welt, bunt war die Welt, seltsam und rätselhaft war die Welt.«

Formulieren bedeutet auch zu verstehen

und Rätsel zu lösen.

In Form von Worten und Sätzen erkenne ich mich selbst,

entwirre meine nebulösen Gedanken

und gebe meinen heimatlosen Gefühlen ein Zuhause.

Es ist ein bruchstückhaftes Verstehen der Welt

und seiner Bewohner

und dann auch gleichsam das genügsame Verständnis

für das Nichtverstehen dieser.

Es ist Faszination für das Verborgene

und Ehrfurcht vor dem Unformulierbaren.

 

Jemand schreibt in diesem Moment

(und dieser jemand bin ich):

»Schreiben ist Verbinden.«

Es verbindet mich mit mir selbst,

weil mein Innenleben plötzlich

ein Tor zur Außenwelt hat.

Es verbindet mich

mit den schreibenden Helden und Heldinnen

der Vergangenheit, die ich hier ungefragt zitieren darf,

und mit all den mutigen Schreiberlingen,

Dichtern und Dichterinnen,

die noch heute Wörter auf Papiere werfen,

dann in Bücher drucken oder von Bühnen rufen.

 

Es verbindet Menschen miteinander,

die sich in den Texten des anderen wiedererkennen

und sich durch seine Worte verstanden fühlen.

Einer der kostbarsten Augenblicke entsteht dort,

wo einer für die andere spricht,

seine Stimme für sie erhebt

und Worte dort findet,

wo die andere nur schweigen kann.

Geschichten und Gedichte verbinden Generationen;

sehen über Grenzen hinweg.

Schreiben errichtet Buchstaben-Brücken,

und vielleicht liegt im Schreiben

ein wenig mehr Wir.

Wenn es gut wird

 

 

 

»Das Leben ist ein guter Tag«,

 

murmelt der Mann am Tresen in sein Weizenbierglas und weiß nicht, wie poetisch er für mich klingt.

Ein Loblied auf die analoge Welt

Ich sing heut ein Loblied auf die analoge Welt.

Weil ich Herzchen hier hören kann.

Weil mein Tag nicht mit Ringlicht,

doch mit zwei leuchtenden Augen begann.

Weil mein Glück nicht von Likes abhängt

und ich es hab, weil du mich magst.

Weil ich nicht immer meine Meinung sage,

aber doch, wenn du mich fragst.

 

Ein Loblied auf die analoge Welt.

Weil’s hier noch creepy ist,

wenn Fremde mir folgen.

Und ich niemals einfach schreibe,

was sie gerade lesen wollen.

Weil wir zum Posten

zum Briefkasten laufen,

zum Lächeln keine Emojis brauchen,

und wenn wir in DMs sliden,

dann, um dort auch einzukaufen.

 

Ein Loblied auf die analoge Welt.

Weil ich Alben hier höre – in voller Länge:

vom Intro bis zum letzten Track

und dabei fein bedachte Übergänge

und auch ein Konzept entdeck.

Weil ich hier für ein Produkt bezahle,

das ich konsumieren will.

Weil hier jeder weiß:

Stehlen, das ist nicht legal,

auch dann nicht, wenn es Streaming heißt.

Weil ich Songs hier nicht nur höre,

sondern sehe, wie sie sich drehend bewegen

und sich irgendwann still

in meine behutsamen Finger legen.

 

 

Ein Loblied auf die analoge Welt.

Weil hier das Normale zählt.

Ganz unaufgepimpt und ungeschminkt.

Weil ich hier nur für mich tanze

und es in dem Augenblick nichts Schöneres gibt,

als dass mich dabei niemand sieht.

Weil du mich hier anschaust, bevor du mich anschreist.

Weil du mich hier anschreien kannst.

Und ich dich zurück.

Weil man hier ein Stück gibt, wenn man was teilt.

Weil man healthy food hier schmecken kann.

Ganz ohne dass man es wem zeigt.

Weil gut nicht immer schön sein muss

und Oma unser Chefkoch bleibt.

Weil ich hier bin, wo ich bin, und nicht längst schon woanders.

Weil ich hier bin, wer ich bin, und nicht kurz mal wer anders.

Weil ich für nofilter kein Hashtag brauch

und für happy und nature und freedom auch.

Weil ich meine echte Intelligenz hier zeige

und die manchmal sogar hilft.

Weil ich hier gedankenlange Briefe schreibe

auf Blattpapier, mit einem Stift.

Weil ich hier nicht auf Löschen klicken

und meine Worte revidieren kann,

siehst du mich ganz ungefiltert

mit einem liebevollen Trotzdem an.

 

Ein Loblied auf die analoge Welt.

Schön, dass du noch da bist.

Unverletzlich unersetzlich.

Ich hab dich heute #vermisst.

Wie oft Wir

Das erste Mal Club, das war mit dir,

und deinen Ausweis, den teilten wir.

Wie oft haben wir zu tanzen angefangen

und wie oft sind wir schon als Letzte gegangen?

 

Wie viele Kakaos nachts angerührt

und ein Morgen-Nachgespräch geführt?

Wie oft gemeinsam die Zeit verschätzt,

dann verschwitzt und abgehetzt,

in letzter Sekunde – zwar unehrenhaft –,

doch trotzdem geschafft?

 

Wie viele deiner Voicemails gehört

und wie viele deiner Treffen durch meinen Anruf gestört?

Wie viele Stunden haben wir auf Balkonien verbracht?

Gedankengärtnern im Sonnenschein.

Und wie viele Male hab ich schon gelacht

und wollte doch eigentlich wütend sein?

 

Wie viele Outfit-Bilder gesendet?

Und wie viele meiner Sätze hast du schon beendet?

Wie viele Geheimnisse haben wir

füreinander bewahrt?

Wie oft hast du mich verstanden,

als es sonst niemand tat?

Du bist mein Hafen,

wenn die Wellen mich umschäumen

und Salzkristalle meine Lider säumen.

Und wenn ich vor lauter Reise nicht mehr weiß,

wo ich zuletzt war,

woher ich komm und wohin ich fahr,

hilfst du mir, die Lust am Atmen zu wecken,

sagst du mir, wie gut kleine Brötchen schmecken.

Ein Tausendfühler am Morgen danach

Die Äste einer langen Nacht

ranken in den Tag hinein.

Die Reste liegen noch herum

und werden zu verräumen sein.

Sie können wohlriechend rosig,

auch erregend errötend,

sie können stachlig sein.

Und dornenbesetzt,

sodass mir jeder einzelne

einen platzierten Stich versetzt.

Die Triebe eines Nachschattengewächses