Einfach raus! - Vera Geier - E-Book

Einfach raus! E-Book

Vera Geier

4,9

Beschreibung

Einfach raus aus dem Alltag - wer möchte das nicht? Vera und Jan nutzen die Chance einer Auszeit und reisen mit ihren beiden Kindern (5 und 14 Jahre) einmal um die Südhalbkugel. Sie nehmen den Leser mit in fremde Kulturen und geben in ihrem Reisebericht wertvolle Tipps zur Nachahmung. Die Familie bereist in 6 Monaten Dubai, Thailand, Australien, Tonga, Neuseeland, Chile und Argentinien. Die Reise ans andere Ende der Welt führt durch tropische Klimazonen bis in eisige Gebiete Patagoniens. Immer mehr Familien entscheiden sich heute für eine gemeinsame Auszeit im Ausland. Das Buch zeigt, wie einfach es sein kann, diese Träume zu verwirklichen und mit wenig Ballast als Familie um die Welt zu reisen!

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Seitenzahl: 232

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Inhalt

Einfach raus!

Vor dem Abflug

Dubai & Thailand

Los!

3 Nights in Bangkok

Zurück in die 70er – Nachtzug nach Nirgendwo

Entspannung auf Koh Tao

Spinnen-Allerlei

Affentheater

Elefantenwäsche

Australien

Temperatursturz in Sydney

Don is Don, Don is good

Suchtrupp im Dschungel

Whitsunday Islands

Ein heißer Ritt nach Süden

Bindis Welt

Meer, Berge und Spaß in den Blue Mountains

Tonga

Alibaba und die 40 Sauger

Hideaway

Auge in Auge mit dem Walkalb

Inselleben

Tongatapu im Regen

Neuseeland

„Orkland“

Das Allgäu mit den Füßen im Wasser

Tanz auf dem Vulkan

Futterneid

Down on the West Coast

Halbzeit

Zwischenhoch

Awesome

Bart ab!

Bei Kiwis zu Hause

Südamerika – Chile und Argentinien

Santiago de Chile

Küsschen rechts

Gallopping Chicas

Ruta 40

Leise rieselt der Schnee

Touristenrummel

Grenzüberschreitung

Die blauen Türme

Schweizerland

Was gestern war ist auch noch heute

Die Insel der Wollmützen

Kuchen, Kuchen, Kuchen

Gutes Lüftchen Teil 1

Gutes Lüftchen Teil 2

Wieder zu Hause

Reisevorbereitung und Routenauswahl

Die Reiseroute

Was kostet eine Weltreise?

Schulfreistellung

Geld und wichtige Unterlagen

Elektronik Schnick-Schnack

Kleidung & Gepäck

Medikamente und Impfungen

Unterkünfte

Zum Schluss: Kurze Antworten auf schwierige Fragen

Einfach raus!

Für die meisten Menschen scheint eine Weltreise in der Mitte des Lebens unerreichbar. Schulpflichtige Kinder, die Angst vor der Ungewissheit, die eigene Sicherheit und nicht zuletzt das Geld. Es gibt viele gute Gründe seinen Wunsch, die Welt kennenzulernen und einfach mal auszu-steigen, auf die lange Bank zu schieben. Wir haben es gewagt, obwohl wir weder besonders mutig, noch besonders wohlhabend sind. Schuld war die Erkenntnis, gerade jetzt, zwischen 40 und 50, durch das Leben zu rennen wie „´ne Lok auf zwei Beinen“ und dabei die Zeit mit den gerade heranwachsenden Kindern nicht mehr richtig wahrzunehmen. Unsere Tochter Nele war 14 und sozusagen „auf dem Absprung“ in eine Zeit, in der andere Themen die Präsenz der Eltern verdrängen. Sie war trotzdem begeistert von der Idee, die Welt kennenzulernen und sich für eine Weile von den Freundinnen und vielen Bequemlichkeiten des Alltags zu verabschieden. Tatsächlich hat sie aber erst spät realisiert, dass wir wirklich Ernst machen. Mika, unser 5-jähriger Sohn, konnte sich unter einer Weltreise erst einmal wenig vorstellen, ihn reizte aber die Vorstellung, beide Eltern eine lange Zeit ganz für sich zu haben. Eine mehrmonatige Reise um die Welt lässt sich nicht bis ins Detail planen, im Gegenteil, man muss dazu bereit sein, vieles auf sich zukommen zu lassen. Wie kommen die Kinder ohne Schule/ Kindergarten klar? Was passiert mit dem eigenen Job? Wie wird es sein, nur einen Rucksack sein Eigen zu nennen? Wie lebt es sich mit den Kindern auf engstem Raum ohne Rückzugsmöglichkeit? Reicht das Geld? Wie reagiert die Umwelt auf das Vorhaben?

Besonders viele Menschen fragten uns vor und nach der Reise nach den Kosten, auf die wir stets gleich antworteten: alles eine Frage der Prioritäten, wenn man bedenkt, dass eine Weltreise zu viert nicht mehr kostet, als ein ordentlicher Mittelklassewagen – sofern man während der Reise nicht ständig im Luxus schwelgen möchte. Wir waren uns relativ sicher, dass wir zu viert gut miteinander auskommen und die gemeinsame Zeit genießen werden. Nach fast 20 Jahren Vollzeitbeschäftigung hatten wir uns ein bescheidenes finanzielles Polster angelegt, das wir nicht für materielle Dinge ausgeben wollten, sondern für echte Lebenszeit gemeinsam mit den Kindern und wenn wir noch körperlich fit für individuelles Reisen sind. Wir wussten, dass es sich in vielen Ländern dieser Welt einfacher und günstiger lebt, als in Deutschland. Glücklicherweise bietet mein Arbeitgeber schon seit vielen Jahren ein Arbeitszeitkonto an, in das ich in den letzten zehn Jahren immer fleißig einbezahlt habe. Auf diese Weise konnte ich acht Monate bezahlten Urlaub nehmen und mein Mann Jan ging für dieselbe Zeit nochmal in Elternzeit (bis zum 8. Lebensjahr eines Kindes ist das möglich). Dieses regelmäßige, monatliche Einkommen sicherte unseren Lebensunterhalt auf Reisen, so dass wir „nur noch“ Flugtickets und Mietwägen aus dem Ersparten finanzieren mussten. Geopfert habe ich eine verantwortungsvolle Position bei meinem Arbeitgeber, die ich mir im Laufe der Jahre hart erarbeitet hatte. Das war keine leichte Entscheidung, denn ich wusste, wie schwierig es gerade in großen Unternehmen ist, z.B. nach einer Elternzeit wieder Fuß zu fassen und in eine Führungsposition aufzusteigen. Trotzdem wollte ich unbedingt die Gelegenheit einer Auszeit nutzen und war guter Hoffnung, dass sich innerhalb der Firma etwas Neues ergeben wird, wenn wir wieder zurück sind. Später, auf der Reise, sind uns dann immer wieder Menschen begegnet, die ihre Arbeit gekündigt oder zwischendurch gejobbt haben, um ihren Wunsch nach einer längeren Reise zu erfüllen - wie Sven, der Radler, der alleine mit seinem Fahrrad von Buenos Aires durch die Pampa bis nach Patagonien gefahren ist. Wir haben ihn rein zufällig dreimal auf unserer Route getroffen. Andere sind irgendwo hängengeblieben und ausgewandert, insbesondere in Chile ist das sehr einfach. Die Geschichten der Auswanderer haben uns ganz besonders fasziniert und wir sind immer noch voller Bewunderung für so viel Pioniergeist und Abenteuerlust.

Viel Überwindung kostete uns die Fliegerei und damit sind wir bestimmt nicht allein. Immer wieder hören wir von Menschen, die die Angst vor dem Fliegen als Argument gegen eine Fernreise anbringen. Ich bin beruflich geflogen, aber privat haben wir Auto- oder Bahnfahrten immer vorgezogen. Unsere erste Fernreise sollte uns gleich einmal um den Globus herum führen und unsere bisher positive Ökobilanz mit einem Schlag verschlechtern. Einziger Trost: wir blieben immer lange und flogen erst einmal nicht wieder nach Hause. Innerhalb von 6 Monaten bereisten wir Dubai (hier lohnt ein kleiner Zwischenstopp!), Thailand, Australien, Tonga, Neuseeland, Chile und Argentinien. Seminare, die nicht teuer sind, halfen uns die Flugangst zu zügeln. Ein 2-stündiges „Schöner fliegen ohne Angst“ - Seminar von einem begeisterten Hobby-flieger und Psychologen hat unser Sicherheits-gefühl beträchtlich gesteigert. Er zeigte uns Fotos von völlig demolierten Maschinen, die trotzdem noch gelandet sind! Wir haben gelernt, dass die Flügel am Rumpf nicht angeschweißt, sondern durchgehend sind, dass ein Flugzeug wirklich viel aushalten kann und nicht nur das sicherste, sondern manchmal auch das bequemste Verkehrsmittel ist. Die Fliegerei war alles in allem eine gute Erfahrung - Turbulenzen traten, wenn überhaupt, nur dort auf, wo wir sie vermutet hatten: über Indien während der Regenzeit und beim Passieren des Äquators und der ITC (Innertropische Konvergenzzone). Wenn man mit Kindern reist, sollte man in diesen Regionen sicherstellen, mit den Kleinen zeitig die Toilette besucht zu haben, denn sobald das Anschnallzeichen leuchtet, verweigert das Bordpersonal die Nutzung!

Wir sind heil und glücklich zurückgekehrt, mit Erlebnissen und Eindrücken im Herzen, die die Kinder und wir niemals vergessen werden. Dazu gehört vor allem die Erkenntnis, wie privilegiert wir sind, und wie komfortabel es sich in Deutschland leben lässt. Obwohl wir alles haben, fehlt es doch an einfachen, glücklichen Momenten, die oft in der Hektik des Alltags verloren gehen. Einer dieser Momente war für uns die Eröffnung der vermutlich ersten Eisbude auf Tongatapu, Hauptinsel und Königssitz des aus 176 Inseln bestehenden Tonga-Archipels: Bei unserer Ankunft fiel uns eine im Bau befindliche Bretterbude gleich neben der Markthalle auf. Allerdings konnten wir uns nicht erklären, was daraus einmal werden sollte. Als wir eine Woche später von einer anderen Insel wieder nach Tongatapu zurückkehrten, strahlte uns eine weiße Holzhütte mit bunt aufgemalten Bällen entgegen. Die vermutlich erste Eisbude in Tonga. Alt und Jung strömte neugierig herbei und stand geduldig Schlange. Natürlich reihten auch wir uns in das Spektakel ein. Zu gern hätte ich gesehen, wie der König aus dem gegenüber-liegenden Palast kommt, über die Straße schreitet und sich ein Schoko-Vanille-Softeis kauft!

In allen Ländern, die wir bereist haben, erlebten wir die Menschen entspannter und genügsamer als in den meisten Teilen Europas. Wieder zu Hause bemerken wir zwischen den allseits vorhandenen notorischen Meckereien über Nichtigkeiten auch zunehmend mehr Herzlichkeit. Letztendlich verändert die Reiseerfahrung doch auch die eigene Wahrnehmung! So viele Freunde und Bekannte haben unseren Reiseblog gelesen und mit den Worten „Das würde ich auch gerne mal machen“ begleitet. „Tu es doch einfach“, dachte ich, oder „Fang zumindest an, darüber nachzudenken, so kommt dann schon eines zum anderen – es ist so einfach!“. Wenn uns vor einem Jahr jemand gefragt hätte, ob wir mit den Kindern eine Weltreise machen würden, hätten wir das Thema vermutlich mit vielen Argumenten sofort ad acta gelegt. Aber irgendwann fing alles an…

Vor dem Abflug

Wie bei einer Schwangerschaft warten wir mit gemischten Gefühlen auf den Tag der Abreise und fragen uns, wie es wohl sein wird, sechs Monate mit Sack und Pack umher zu tingeln?

Das Schicksal stellt uns auf eine harte Probe: drei Flugzeugunglücke in einer Woche, drei Wochen vor dem Abflug. Noch zwei Wochen vor dem Abflug herrscht bei Jan gespannte Aufregung ohne Schlafstörungen. Allerdings bin ich nicht sicher, ob die eine oder andere Schlafstörung meinerseits verschlafen wird. Ich bin vollkommen befreit vom beruflichen Stress und nachts in einer Art Winterschlaf. Besonders schön sind diese letzten Wochen, weil wir Freunde treffen, die sich wirklich für uns freuen. Außerdem gibt es eine tolle Abschiedsparty mit den Nachbarn. Eine Woche vor dem Abflug sind fast alle Zahnarzttermine erledigt. Diverse Füllungen bei Mika, Top-Zahnreinigungen bei mir und sehr anspruchsvolle Dentaltechnik bei Jan. Wahrscheinlich hätten wir uns noch sehr lange um diese Aktivitäten gedrückt, wenn da nicht die Angst vor barbarischen Zahnklempnern unterwegs gewesen wäre. Allerdings frisst die zu begleichende Rechnung unseren letzten Notgroschen und so können wir nur hoffen, dass die Krankenversicherungen keine Probleme machen und wir zumindest einen Teil des Geldes in den nächsten Wochen zurückerstattet bekommen.

Dubai & Thailand

Los!

Dubai, 12.-14. August

Wir sind gewohnt uns mit 80 km/h Reisegeschwindigkeit einem Ziel zu nähern, nun werden wir in sieben Stunden 5500 km weit durch die Luft katapultiert. Über die Türkei, Bagdad, Basra und den Iran geht es bis nach Dubai. Es stellt sich ein trauriges Gefühl ein, als wir über so viel Leid hinweg fliegen.

In Dubai erwartet uns ein wahrer Kulturmix nach dem Motto „East meets West“. Nur schade, dass wir außerhalb der Saison und bei 45 Grad in der Wüstenstadt ankommen. Die Gegensätze der Stadt, die wir nach einer Schlafpause im gut klimatisierten Hotel besuchen, faszinieren uns. Die Frauen schwarz verhüllt, deren Männer lässig in Nike gekleidet - wenn man genauer hinsieht, erkennt man viel Rüschen und Spitze unter der eigentlich so einheitlich wirkenden Kleidung der Frauen. Die Menschen sind sehr aufgeschlossen und freundlich. Besonders Mika ist heiß begehrt, ein arabischer Polizist, den wir mehrfach in der U-Bahn-Station treffen, schließt mit ihm sofort Freundschaft. Am ersten Tag fahren wir mit der blitzblanken S-Bahn am Burj al Kalifa vorbei zur Dubai Marina, einem modernen, neuen Stadtviertel mit schön beleuchteten Hochhäusern am Abend, illuminierten Wasserspielen und schicker Hafen-promenade.

Bei unserer Rückkehr geht dann die viel gerühmte neue S-Bahn kaputt, ein Totalausfall, so dass hunderte Menschen zu ebenfalls nicht bedienten Bushaltestellen drängen. Wir arbeiten uns durch die Menge und laufen durch die Stadt, bis wir nach einer Stunde endlich ein Taxi ergattern können. Videos vom Ausfall der Verkehrsbetriebe werden von der arabischen Polizei schwer geahndet, Fotoaufnahmen von Menschenmassen, die sich aus der Bahn drängen, werden konfisziert und kurzerhand gelöscht. Dubai ist sehr auf sein Image bedacht!

Am nächsten Tag ist die Metro wieder im Betrieb und nichts ist mehr zu spüren vom Chaos des Vortags. Bei fast 50 Grad Celsius laufen wir zur Metro Station. „Warum nehmt ihr nicht ein Taxi bis zum Museum?“ fragt uns ein Hotelangestellter verständnislos. Doch in der Metro ist es viel interessanter. An manchen Türen dürfen nur Frauen und Kinder einsteigen und man kann in der Bahn einen diskreten Blick auf uns ganz unbekannte Kulturen werfen. Im Museum zeigt sich der ganze Stolz Dubais und wie rasant sich die Region entwickelt hat. Mika ist besonders beeindruckt von den Perlenfischern. Heute schaffen wir es noch bis zum Goldmarkt der Altstadt, aber es ist richtig heiß und bei so wenig Touristen werden wir schnell Opfer eines jeden Händlers. Mika wird mehrfach mit Araber-Tüchern geschmückt und unsere Verhandlungen zum Kauf einer schönen Goldkette enden bei 1095 Euro. Das wäre durchaus eine gute Geldanlage angesichts der aktuellen Zins-entwicklung. Aber keiner von uns hat Lust mit so viel Wert durch Südamerika zu reisen. Der schönste Blick in Dubai ist der auf den sogenannten Creek, die Wasserader der Altstadt, und die beste Abkühlung finden wir am letzten Abend auf dem Dach des Hotels. Das Wasser des Pools ist mit ca. 35 Grad immer noch kühler als die Luft!

3 Nights in Bangkok

Bangkok, 14.-17. August

Es rumpelt gewaltig, als wir am nächsten Tag über Indien fliegen – Regenzeit! Endlich angekommen geht es per Taxi ins Gästehaus, welches unter zwei Autobahnen gelegen einen abenteuerlichen Geräuschpegel aufweist. Nirgendwo in Bangkok ist es leiser und die Gerüche, eine Mischung aus Smog, Abwasser und Garküche, sind überwältigend. Das wunder-schöne Gästehaus Baan Pra Nond, in dem wir uns für drei Tage einmieten, ist trotz allem eine Oase der Ruhe. Neugierig wagen wir die ersten Schritte auf die Straße und stellen fest, das Thailand in vielen Bereichen ein Entwicklungs-land ist. Gerade wenn man sich nicht nur auf den üblichen Touristenpfaden bewegt, sind die Erfahrungen teilweise beunruhigend. Schock-ierende Armut und grenzenloser Reichtum reichen sich die Hand.

Eigentlich wollen wir den ersten Tag ruhig angehen, dann kommt es doch anders. Kaum gehen wir aus dem Hotel heraus, werden wir von einem netten „Bankangestellten” angesprochen, der uns in ein TUK-TUK verfrachtet und dann zu einer exklusiven Longtail-Bootsfahrt überredet. Das wird teuer, nur merken wir es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Wir tappen prompt in eine klassische Touristenfalle, die uns aber trotzdem eine wunderbare Gelegenheit bietet, Bangkok vom Fluss aus zu entdecken. Wir werden über eine Stunde durch unbekannte Gewässer geschippert. Dabei geht es nicht nur an schönen Tempeln, sondern auch an schockierenden Slums vorbei. Zum ersten Mal realisieren die Kinder, wie viel schlechter es anderen Menschen in der Welt geht. Mehrfach tauchen Leguane aus dem braunen Wasser vor uns auf, auch damit haben wir nicht gerechnet. Das Wasser in Bangkok ist extrem dreckig, denn der Müll landet direkt im Fluss. Hier ist so viel Armut, dass wir uns schämen, als reiche Ausländer das Land leer zu kaufen. Andererseits leben viele Thais vom Tourismus und die Auswirkungen der aktuellen politischen Auseinandersetzungen schwächen das Land. Wir werden dann schließlich am Königspalast abgesetzt, ein über 200.000 Quadratmeter großes Tempelareal, auf dem sich auch der Regierungssitz befindet. Mika wird im Vorbeigehen von einem buddhistischen Mönch gesegnet, um uns Frauen machen die Mönche allerdings einen großen Bogen.

Der Königspalast und die Tempel in Bangkok sind sehr beeindruckend und mehr als nur einen Besuch wert. Gegen Abend leert sich die Anlage und wir haben den Tempel des übergroßen, liegenden Buddhas fast für uns allein. Zurück fahren wir mit den traditionellen Taxibooten, die natürlich gestopft voll sind. Aber es ist spannend, das bunte Treiben zu beobachten. Zwei buddhistische Jungs kommen gerade aus der Klosterschule und schauen gedanken-versunken auf das Wasser.

Die Experimentierfreude nimmt langsam zu und so besuchen wir eine so genannte Garküche, wohl wissend, dass das Infektionsrisiko für Magen-Darm-Erkrankungen hoch ist. Mitten unter Thais, die hier ihr Abendessen einnehmen, speist es sich gut. Wir versuchen gebratenen Reis, Fisch und Huhn und hoffen, dass wir alles vertragen. Servietten bestehen aus einer Rolle Klopapier in einer pinkfarbenen Plastikhülle. Der Abfall wird einfach vom Tisch direkt in einen Eimer gewischt, und Uri Geller hat hier offensichtlich schon seinen Spaß mit den Gabeln gehabt!

Am nächsten Tag probieren wir es mit dem öffentlichen Nahverkehr, der uns in den Norden von Bangkok zum berühmt-berüchtigten Chatuchak Weekend Market bringen soll. Hier verfallen Touristen und Einheimische einem regelrechten Kaufrausch! Eigentlich nur kurz ein bisschen shoppen ist die Devise, aber es gibt so viel zu sehen (und zu kaufen) und so sind auch wir sofort infiziert. Tolles asiatisches Porzellan, Souvenirs aller Art, gegrillte Heuschrecken, allerlei Getier und natürlich perfekt imitierte Markenklamotten. Mika sagt vor allem der Tintenfisch am Spieß zu, der nur warm wirklich lecker schmeckt. Gegen Abend sind unsere Taschen voll mit kleinen Souvenirs, die wir, den Anweisungen unseres Reiseführers folgend, direkt auf dem Markt verpacken und per Schiff nach Deutschland schicken möchten. Leider übersteigen die Frachtkosten den Wert unserer Sachen um das Zehnfache. Also fragen wir uns durch, bis ein netter Mann uns zum offiziellen Postschalter geleitet. Per Schiff geht es dann also doch und wir freuen uns schon auf ein Päckchen, wenn wir in sechs Monaten zurück sind.

Am vorerst letzten Tag in Bangkok geht es nach Ayutthaya, der alten Hauptstadt Thailands. Hier sind die Überreste uralter Tempelanlagen zu sehen. 417 Jahre lang war Ayutthaya Königsstadt des siamesischen Reiches, bis sie 1767 von birmanischen Truppen zerstört wurde. Da der Ort ungefähr eine Stunde von Bangkok entfernt liegt, mieten wir unser eigenes Taxi, damit wir eine Tempelanlage nach der anderen bequem abklappern können. Es ist Sonntag, viele Thais bringen dem Buddha Opfergaben oder bekleben ihn mit kleinen Blattgoldtäfelchen. Wir sind mittendrin und für Einheimische eher eine exotische Erscheinung. Unsere Kinder bekommen einen prägenden Eindruck vom Buddhismus (auch wir kleben Blattgold, rutschen dem Buddha auf Knien entgegen – er darf die Füße nicht sehen – und zünden Räucherkerzen an). Mika gefällt besonders die Vorstellung, als Tier wiedergeboren zu werden. Unser rosarotes Taxi samt Fahrer scheint, ausgestattet mit Blumenketten, Fotos von den Lieben, Buddha-Aufklebern, Kettchen, usw., ebenfalls auf den Schutz der Gottheiten zu zählen. Nach einem weiteren Markt-Besuch, bei dem wir mal wieder so allerhand probieren, was sich später rächen wird, bringt er uns sicher zum Nachtzug von Bangkok nach Koh Tao. Die Trauminsel im Golf von Thailand ist unsere nächste Station.

Zurück in die 70er – Nachtzug nach Nirgendwo

Golf von Thailand, 17.-18. August

Punkt 18 Uhr erheben sich alle Reisenden im Hauptbahnhof von Bangkok und schmettern lauthals die Nationalhymne, die aus diversen Lautsprechern erschallt. Wir warten auf den Nachtzug, der uns 500 km in den Süden bis nach Chumphon bringen soll. Schon im Bahnhof fühlen wir uns 30 Jahren zurückversetzt: die Anzahl der Züge ist überschaubar, der Zug wartet bereits eine Stunde vor Abfahrt auf dem Gleis und wir werden etwa zehn Stunden unterwegs sein. Unsere Fahrkarte in der klimatisierten zweiten Klasse kostet umgerechnet nur 15 Euro. Dafür bekommen wir einen Liegewagenplatz, der sehr den früheren D-Zug-Liegewagen in Deutschland ähnelt. Zwei Stunden nach Abfahrt wird die Liege heruntergeklappt und unser Schaffner bereitet uns ein anständiges Nachtlager. Ständig wird Essen angeboten und auch sonst ist der Service bemerkenswert. Bei der Fahrkartenkontrolle wird es dann richtig ernst: Vier Uniformierte wollen erst unsere Fahrkarten sehen (Militär, Schaffner, Polizei, Hilfspolizei), dann protokollieren sie akribisch unser Fahrtziel in einer handgeschriebenen Liste. Genutzt hat uns das wenig, denn durch ein Missverständnis vergisst der Schaffner uns zu wecken und wir finden uns am Morgen an einem Bahnhof wieder, der 70 km südlich von unserem Ziel liegt. Wir fahren etwas beunruhigt in den Sonnenaufgang hinein und sehen zum ersten Mal, wie schön Thailands Natur ist. Die Palmen und das satte Grün der Felder sind eine Wohltat nach dem städtischen Wirrwarr in Bangkok. Wir sollten den Zug verlassen, aber der Schaffner will uns nicht aussteigen lassen, nachdem er seinen Fehler bemerkt hat: „Kein Tourist steigt hier normalerweise aus“, sind seine Worte, während er uns kopfschüttelnd aus dem Zug klettern sieht. Viele Menschen an der Haltestelle beäugen uns interessiert, jedoch spricht keiner von ihnen Englisch und wir wissen zum ersten Mal wirklich nicht, wie wir uns aus dieser misslichen Lage befreien sollen. Da schickt uns der Himmel einen Piloten von Air Asia auf Heimaturlaub, er eilt sofort zum Schalter und kauft uns Rückfahrkarten für den Bummelzug nach Chumphon. Es wird ein einmaliges Erlebnis, die Sonne geht gerade auf, die Fenster sind heruntergeschoben und wir passieren Bahnhöfe, die nur aus einer Bambushütte bestehen. Hier und da steigt ein Schulkind aus oder eine Marktfrau ein (die ortsüblichen Wangenkniffe für Mika inklusive). So sind Jan und ich als Kinder im Deutschland der 70er Jahre Zug gefahren, für Nele und Mika eine ganz neue Erfahrung.

Entspannung auf Koh Tao

Koh Tao, 18.-26. August

In Chumphon angekommen bleiben uns nun viele zusätzliche Stunden, bis der nächste Bus uns zum Hafen bringt und ein Boot weiter nach Koh Tao fährt. Chumphon ist keine schöne Stadt, aber heute wird eine große Parade zu Ehren der Königsfamilie abgehalten. Wunderschöne Frauen in traditioneller Kleidung und viele Musikkapellen ziehen an uns vorüber. Am Abend bringt das Schnellboot uns dann sicher und problemlos nach Koh Tao, wo wir acht Tage verbringen und im Montalay Resort erst einmal entspannen möchten. Auch wenn wir die anderen Inseln noch nicht gesehen haben, ist Koh Tao für uns die Trauminsel schlechthin. Die herrliche Unterwasserwelt lässt unsere Biologenherzen höher schlagen. Wir haben bereits von Deutschland aus einen kleinen Bungalow gemietet, gelegen in einer der ruhigen Buchten an der Ostseite der Insel. Korallen reichen bis ans Ufer. Wir sehen schon beim ersten Eintauchen die unglaublich farbenfrohen Fische. Nele und ich belegen gleich am zweiten Tag einen Schnuppertauchkurs und nach einer kurzen Einführung geht es mit dem Tauchlehrer zu einer einstündigen Exkursion bis zehn Meter tief hinab. Nele nutzt die Chance und macht in vier Tagen auch gleich den Tauchschein – damit ist ihr Sportlehrplan vom ersten Halbjahr der neunten Klasse für uns erfüllt! Wir sehen Barracudas, Stachelrochen, Anemonenfische und sogar „Black Tip“-Haie, die den Meeresboden entlang schwimmen. Später erfahren wir von anderen Gästen, dass Koh Tao einer der besten Orte weltweit ist, um Tauchen zu lernen. Die kleinen Riff-Haie sind harmlos, sie haben mehr Angst vor uns, als wir vor ihnen. Mika entdeckt die Tiere beim Schnorcheln zuerst: „Schau mal, Papa, der Fisch sieht aus wie ein Hai“. Kurze Zeit später ist der ganze Strand auf den Beinen, auf der Suche nach weiteren Exemplaren. Wir werden immer gelassener, obwohl es in diesen Gewässern in Strandnähe sehr wohl ein paar unangenehme Kreaturen gibt, Seeschlangen z.B., oder Stachelrochen (einen davon entdecke ich beim Schnorcheln zum Glück gerade noch rechtzeitig).

Leider geht es Jan von Tag zu Tag schlechter. Die Sorglosigkeit beim Essen in Bangkok scheint sich zu rächen. Das freundliche Personal unseres Resorts päppelt ihn in wenigen Tagen mit einer anständigen Portion „White Rabbit“ (thailändisches Mittel bei Darminfekten) wieder auf. So verbringen wir die vermutlich geruhsamsten Tage unserer Reise auf der Insel, aufmerksam umsorgt und mit Vollverpflegung. Thailands Insel-Tourismus ist beeindruckend perfekt organisiert und auf Gäste aus aller Welt eingestellt. Aber wir erfahren auch, wie viele Opfer die Mitarbeiter der Herbergsbetriebe erbringen müssen. Die meisten sind Saisonarbeiter, die ihre Familien und eigenen Kinder oft monatelang nicht sehen. Trotzdem ist ihre Großherzigkeit überwältigend. Als wir Kiat, der uns die ganze Zeit umsorgt hat, ein extra Trinkgeld zustecken möchten, antwortet er mit den Worten: „Wir sind Freunde! Ihr braucht euer Geld noch für die Weiterreise.“

Spinnen-Allerlei

Khanom, Golf von Thailand, 26.-29. August

Das Verwöhn-Programm setzt sich nach 8 Tagen auf Koh Tao an der Festlandküste vor Koh Samui fort. Spontan finden wir ein wunderbares Thai-Haus, gelegen in einer gepflegten Gartenanlage, leckeres Essen, Ruhe am Strand – dort treffen wir zum ersten Mal erbarmungslos auf die Überlegenheit der Natur. Während wir uns noch mit professionellem Insektenschutz beschäftigen – 15% DEET, 55% DEET, 95% DEET und was für einen 5-jährigen über welchen Zeitraum zumutbar ist – überrascht uns eine handtellergroße Spezies der Gattung Arachnida (Spinnentiere) bei der Heimkehr. Nele betritt als erste den Raum und bricht in hysterisches Kreischen aus, was uns durchaus verständlich scheint. Das im Zimmer deponierte Insektenspray hilft zwar gegen Kakerlaken, Moskitos, Bettwanzen und Ameisen, Spinnen aber werden in Thailand nicht als Schädlinge betrachtet. Erschwerend kommt hinzu, dass sich das Individuum in drei Metern Höhe an der Decke befindet und wir erst einmal alle möglichen Optionen durchdenken müssen. Der Einsatz des Sprays erscheint uns zu risikoreich, schließlich ist es nicht für Tiere dieser Größe konzipiert. Mika verweigert verständlicherweise die Nachtruhe mit Spinne und wir wenden uns hoffnungsvoll an das Personal. Dieses zeigt gespieltes Verständnis und zwei Mann erlegen das Monster mit Hilfe eines überlangen Mops (der bestimmt immer genau zu diesem Zweck eingesetzt wird) und einer Taschenlampe, wegen der Fluchtgefahr. Ich habe ein bisschen ein schlechtes Gewissen, denn schließlich wird man hier ja davon ausgehen können, als Spinne wiedergeboren zu werden. Als wir noch ein zweites, kleineres Exemplar finden, wird trotzdem nicht lange gefackelt.

Mittwoch ist Markttag und wir dürfen mit der Chefin der Unterkunft für das Frühstück einkaufen und dieses gleich vor Ort verzehren. Der Markt ist beeindruckend: Fisch, Fleisch, Frosch, Gemüse, Obst… alles frisch und direkt vom Boden unter interessanten hygienischen Bedingungen verkauft. Vieles kennen wir nicht, dürfen aber gleich kosten: morgens um sieben ein Tütchen Reis, das ist hier ganz normal. Hier sieht man Fisch und Fleisch noch im Ganzen, bevor er zu leckeren Satay-Spießen mutiert. Es ist wenig verwunderlich, dass wir bei Mika eine zunehmende Zurückhaltung beim Essen feststellen. Davon abgesehen geht es ihm prächtig, er genießt die Zeit mit der Familie und stellt fest, dass diese Weltreise so viel Abenteuer ist, dass er seine Freunde manchmal vergisst.

Regenzeit! Zum ersten Mal regnet es auch richtig, und wir igeln uns in unserem Thaihäuschen mit Meerblick ein. Das Nichtstun geht plötzlich ganz gut, obwohl Jan und ich schon wieder an einen Strandspaziergang im Regen denken. Wir müssen uns erst einmal daran gewöhnen, viel Zeit zu haben und einfach in den Tag hineinzuleben.

In der Nähe von Khanom soll es seltene rosa Delfine geben, also schließen wir uns zwei netten Familien aus Stuttgart an, um den Tieren einen Besuch abzustatten. Ein alter Pick-Up-Geländewagen bringt uns an den Hafen. Da nicht alle darin Platz haben, müssen die Männer die 30-minütige Fahrt auf der schon etwas angerosteten Laderampe stehend zurücklegen. Zum ersten Mal habe ich richtig Angst um Jan. Das Steh-Trio wird andererseits äußerst wohlwollend von den Thais begrüßt. Es ist wohl eher ungewöhnlich, westliche Touristen als Trittbrettfahrer anzutreffen. Endlich auf dem Wasser finden wir eine Gruppe gewöhnlicher Delfine, deren Geräusch beim Ausblasen der Atemluft bereits jetzt zu den akustischen Highlights dieser Reise gehört – dann erahnen wir auch, warum die rosa Delfine nur als Einzelgänger unterwegs sein können: Wenn Delfine auch nur einen Funken Sinn für Ästhetik besitzen, würden sie diese rosa Exemplare als weniger interessante Artgenossen ansehen. Die Tiere sind Albinos und wirklich nicht gerade attraktiv. Unser einsamer Delfin kommt sehr nahe an die heraneilenden Boote und lässt sich mit Fischen füttern (nicht von uns, aber vom Nachbarboot). Er ist sehr vernarbt und vermutlich schon ein Rentner, der sich das morgendliche Frühstück gerne gefallen lässt. Die Küste in dieser Gegend ist beeindruckend schön und im Gegensatz zu den Inseln kaum touristisch erschlossen. Vom Boot aus schauen wir auf unberührte Strände und satte Natur.

Zwei Tage später geht es weiter in den Khao Sok Nationalpark. Hier erwarten uns endlich richtiger Dschungel und viele Tiere in freier Wildbahn. Auf dem Weg ist ein Zwischenstopp in der First Monkey School eingeplant. Wir sind die einzigen Besucher, als unser Taxi vor einem verschlossenen Tor vorfährt. „Guten Morgen“ ist die überraschende Begrüßung eines Holländers, der hier zusammen mit einer Thailänderin eine Schule für Affen betreibt. Das Ganze funktioniert so: Die Affen gehören Bauern, die sie als Kokosnusserntehelfer einsetzen, denn Affen ernten die Nüsse viel schneller als Menschen (200 Nüsse am Tag ist das Soll eines Affen). Zudem ist es für Menschen sehr gefährlich, die Kokosnüsse selbst von den Bäumen zu holen. Die „Internatsschüler“ werden in dieser Schule ausgebildet und nach sechs bis acht Monaten von ihren Besitzern wieder abgeholt. Nur 8000 Baht, umgerechnet keine 200 Euro, kostet diese lohnenswerte Investition. Wir dürfen der Ausbildung zwei Schulstunden lang beiwohnen und werden dabei sogar selbst als Trainer eingesetzt! Es ist ein bewegendes Erlebnis zu sehen, wie lernfähig Affen sind. Wir verknoten Seile um unsere Beine, werden von Affen wieder befreit, füttern Erdbeermilch im Kokosnussschälchen (wobei Mika eindeutig als Konkurrent betrachtet wird) und fahren sogar Motorrad und Fahrrad mit Affen-Sozius. Der krönende Abschluss des Programms ist das Ernten einer Kokosnuss von einer ca. 20m hohen Kokosnusspalme.

Affentheater