Eiskalte AIDA. Kreuzfahrtkrimi Teil 4 (AIDA Krimi) - Krinke Rehberg - E-Book

Eiskalte AIDA. Kreuzfahrtkrimi Teil 4 (AIDA Krimi) E-Book

Krinke Rehberg

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Beschreibung

Ein eiskalter Mord mitten im Atlantik Krimispannung auf der AIDAmar Als Vincent van Gogh im Frühjahr 1887 sein berühmtes Gemälde "Blumen mit Vase" malt, ahnt er nicht, welche Kette von Ereignissen er damit in Gang setzt. Auf der Transatlantik-Kreuzfahrt von der Dominikanischen Republik nach Europa kommt es zu einem ungewöhnlichen Todesfall an Bord. Schnell lassen die Indizien Frieda Olsen einen eiskalten Auftragsmord vermuten. Zur gleichen Zeit stirbt unter mysteriösen Umständen ein Crewmitglied. Kapitän Petter führt sein Schiff in ein Sturmtief, um die Passagiere in den Kabinen zu halten. Frieda stößt bei ihren Ermittlungen auf einen ehemaligen Gerichtsmediziner, als ein weiteres Mordopfer entdeckt wird. Erst eine italienische Versicherungsdetektivin führt Frieda auf die richtige Spur. »Eiskalte AIDA« ist der vierte Kreuzfahrtkrimi rund um Frieda Olsen. Jeder Fall ist in sich abgeschlossen.

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Seitenzahl: 213

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ISBN: 978-3-98865-578-3

© 2023 Kampenwand Verlag

Raiffeisenstr. 4 · D-83377 Vachendorf

www.kampenwand-verlag.de

Text: Krinke Rehberg

Umschlagfotos: © Oleg_Yakovlev/shutterstock, © Busara/shutterstock, © andrejs polivanovs/shutterstock, © Gordan/shutterstock

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

AUCH WICHTIG!

Die Geschichte ist frei erfunden. Alle Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen und/oder realen Handlungen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Ausgenommen hiervon sind historische Personen und Ereignisse.

Dieses Buch steht in keinem Zusammenhang mit der AIDACruise und der Carnival Maritime GmbH.

Lediglich die Handlung spielt auf einem der AIDA Kreuzfahrtschiffe.

Für Sabine

Ohne sie wäre alles nix!

ACHJA: NIEMANDISTPERFEKT!

Daher bitte ich eventuelle Rechtschreibfehla zu entschuldigen ... ; )

Prolog

Die unberechenbarste Begegnung im Leben ist die mit dem Zufall.

Er kann sowohl Freund als auch Feind und sogar beides zugleich sein.

Nur gibt er sich vorher nicht zu erkennen.

Frieda Olsen

1

1887 — Paris Frühsommer

Mit dem ersten Tageslicht an diesem Maimorgen fand das euphorische Trillern und Zwitschern einer Amsel den Weg in das kleine Mansardenzimmer in der Rue de Richelieu.

Der Vogelgesang bewirkte bei Vincent eine ambivalente, melancholische Fröhlichkeit und der Wunsch nach Farbe und Liebe wuchs in seinen Gedanken wie eine Blume heran.

Agostina rekelte sich schläfrig neben ihm und noch bevor sie die Augen öffnete, beugte er sich über sie und flüsterte zärtlich:

»Schlaf weiter, mon chérie!«

Seine Hand fuhr ihre Schulter hinab über den nackten Rücken. Er hatte ihren wunderschönen Körper vor einigen Wochen in einem Akt aus Öl festgehalten. Trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer 46 Jahre verströmte sie eine laszive, erfahrene Erotik, die nach wie vor einen Sturm von Gefühlen in ihm auslöste.

Die Beziehung zu der extravaganten Italienerin war von einer ungezwungenen, fast beiläufigen Leichtigkeit geprägt und tief in seinem Inneren befürchtete er, dass auch dies nicht von Dauer sein würde.

Die Malerei war ein eifersüchtiges Weib, das nichts und niemanden neben sich duldete.

Agostina war ein Freigeist. Frauen wie sie würden das Paris des nächsten Jahrhunderts prägen, dessen war er sich sicher.

Versonnen blickte er auf die dunkle Haarpracht, die wie ein Kranz um ihren Kopf ausgebreitet lag und sich von der hellen Leinendecke absetzte. Er liebte ihre dunkle, melodische Stimme und ihr helles Lachen.

Zahlreiche Maler und Bildhauer besuchten ihr Café und ein jeder bat sie vergeblich, ihm Motiv zu stehen.

Vincents Blick fiel auf die Staffelei in der Ecke des kleinen Zimmers, die von dem einfallenden Morgenlicht angestrahlt wurde. Erst vorgestern hatte er ein kleines Stück Leinwand auf den Holzrahmen gespannt und plötzlich wusste er, welches Motiv er malen würde.

Der spärliche, fast traurig wirkende Strauß von gelben Nelken und Mohnblumen, den er von seinen letzten Münzen bei einem Blumenmädchen auf der Rue Colbert erstanden hatte, war von Agostina in eine irdene Vase gestellt worden und stand nun auf dem Nachttisch neben dem Bett. Es schien, als färbe ihre Freude über seine Aufmerksamkeit auf die Blumen ab. Für ihn bestand die Herausforderung darin, diesen unerklärlichen Glanz auf die Leinwand zu bannen und den Strauß so prächtig darzustellen, wie Agostina ihn sah.

Dieses Bild sollte ihr Andenken an ihn sein! Er sah Agostina vor sich, wie sie in ihrem kleinen Café am Boulevard de Clichy in Montmartre wehmütig, aber auch voller Stolz, das Gemälde ausstellte.

Vincent rührte auf seiner Palette einige Gelbtöne an, während er abwechselnd auf die Vase mit den Blumen und seine schlafende Geliebte blickte.

Als er den ersten Pinselstrich auf die Leinwand auftrug, hörte er aus der Kammer nebenan Agostinas 15-jährigen Sohn bei der Morgentoilette. Seine Gedanken schweiften zu seinem eigenen, mittlerweile fünfjährigen Sohn Willem, dem er kein Vater war und sein würde, da die Malerei ihn mit Haut und Haaren verschlang.

Diese wahnsinnig geliebte Malerei würde ihn eines Tages umbringen!

2

Heute — Atlantischer Ozean

Noch hielt sich der Wind zurück, aber die Möwe, die sich viel zu weit vom Land entfernt hatte, spürte den heraufziehenden Sturm.

Mit ihren ausgebreiteten Schwingen nutzte sie die Windströmungen, um möglichst kraftsparend das Schiff zu erreichen. Sie kreiste zweimal über dem Wellenkamm des Kielwassers und flog schließlich kreischend empor zu Deck 14.

Auf der Saunabank aus Espenholz saß ein Mann und starrte durch die getönte Glasfront hinaus auf den weiten Ozean.

An seiner Schläfe klaffte ein Loch. Ein Rinnsal Blut hatte sich den Weg über die Wange hinab bis zur Schulter gebahnt.

Auf der anderen Seite des Kopfes, wo die Kugel aus dem Kopf ausgetreten war, befand sich ein Gemisch aus Blut und Gehirn an der Wand aus nordischer Fichte.

Zu seinen Füßen lag eine Pistole.

Die philippinische Reinigungskraft wunderte sich um kurz nach 23 Uhr über das Außer Betrieb-Schild an der Eingangstür und betrat entschlossen den Spa-Bereich.

Beim Anblick des Toten fiel ihr Putzeimer scheppernd zu Boden. Der darauffolgende Schrei rief zwei Securitymitarbeiter auf den Plan und drei Minuten später ertönte auf der AIDAmar der Notfallcode Operation Bright Star über die Bordlautsprecher.

Frieda Olsen freute sich auf einen Abend mit einem Glas gekühlten Cabernet Sauvignon auf ihrer Terrasse. Sie hielt die Bordkarte vor das Magnetschloss ihrer Bugsuite auf Deck 9, als der Code über die Lautsprecher im Flur zu hören war.

Sie wusste sofort, dass es sich um einen Todesfall an Bord handelte.

Nicht schon wieder!

3

Seit die AIDAmar vor 2 Tagen in Basseterre von der Inselgruppe St. Kitts & Nevis aus in See gestochen war, hatte das Hospitalteam unter der Leitung des französischen Schiffsarztes Dr. Dreyfus viel zu tun.

Seine Mutter stammte aus Französisch-Guyana und sein Vater war stolzer Lyoneser. Dreyfus’ hünenhafte Gestalt, die dunkle Haut und die hellblauen Augen verliehen ihm eine respekteinflößende Autorität.

Gleich in der ersten Nacht mussten er und sein Team sich um zwei Gäste mit Alkoholvergiftung kümmern, die flaschenweise Wodka in der AIDABar konsumiert hatten.

Sie gehörten einer russischen Reisegruppe an, die alle fünf Panorama-deluxe-Suiten auf Deck 12, direkt über der Brücke, bewohnten. In Anbetracht der zur Schau gestellten Statussymbole wie Uhren, Schmuck und Designergarderobe würde der Preis für die Suiten, der dem Wert einer Luxuslimousine entsprach, nicht ins Gewicht fallen.

Der Umstand, dass diese fünf Oligarchen mit zehn der schönsten, jungen Frauen von allen fünf Kontinenten reisten, sorgte bei den Gästen für Aufsehen. Während die Männer wohlwollend den Anblick genossen, verdarb dieser den meisten Frauen den Appetit.

Außerdem waren bei zwei Familien Symptome aufgetreten, die auf eine Infektion mit dem Norovirus hinwiesen. Allein dieser Verdacht versetzte Dreyfus und den Kapitän in Alarmbereitschaft.

Der Doktor fand durch eine Befragung der Familien heraus, dass dieser Kreuzfahrt ein längerer Aufenthalt in der Dominikanischen Republik vorausgegangen war. Um keinerlei Risiko einzugehen und eine eventuelle Verbreitung des Virus im Keim zu ersticken, hatte er mit dem Kapitän besprochen, die beiden Familien ohne Zusatzkosten auf die unbelegten Juniorsuiten auf Deck 8 umzubuchen und ihnen für 24 Stunden Hausarrest zu verordnen.

Auf Kreuzfahrtschiffen wurde das Norovirus sehr ernst genommen. Ein unkontrollierter Ausbruch dieses Magen-Darm-Infekts war der Albtraum der Kreuzfahrtindustrie und jedes Schiffsarztes. Insbesondere bei älteren und chronisch kranken Gästen drohte ein schwerer Krankheitsverlauf.

Kapitän Arne Petter hatte den Verdacht auf das Virus den Behörden an Land mitgeteilt. Die Laborergebnisse der Stuhlproben standen noch aus.

Zu allem Überfluss hatte sich die neu an Bord gekommene Krankenschwester kurz nach Ablegen dienstunfähig gemeldet. Laut ihrer eigenen Angabe sei sie erstmalig seekrank und Dreyfus ließ auch sie eine Stuhlprobe abgeben und befahl ihr, die Kabine nicht zu verlassen, bis das Laborergebnis vorlag.

Kapitän Petter traf zeitgleich mit dem Doktor in der Sauna auf Deck 14 ein, dem beim Anblick des Opfers ein entsetztes:

»Merde!«, entfuhr.

Juan Sanchez Gomez, der Sicherheitschef an Bord der AIDAmar, trug Einweghandschuhe und beförderte mit spitzen Fingern die Waffe in einen Plastikbeutel.

»Das war auch meine erste Reaktion!«, wandte er sich an Dreyfus.

»Sieht nach Selbstmord aus!«

»Wie kommt diese Pistole durch die Sicherheitsschleusen an Bord meines Schiffes?«, rief Kapitän Petter verärgert. Das Prozedere des Eincheckens glich dem an internationalen Flughäfen und sollte das Mitführen einer Schusswaffe unmöglich machen!

Als Dreyfus einen Fuß in die Sauna setzte, wies Gomez ihn scharf zurück.

»Stopp!«

Dreyfus verharrte und sah fragend den Kapitän an, der mit den Achseln zuckte.

»Neue Vorschrift!«

»Wir haben eine Minimalausrüstung an Bord, um Spuren und Fingerabdrücke zu sichern. Das hat Vorrang!«, erklärte Gomez ernst.

»Meinetwegen! Ich kann warten! Den Tod kann ich selbst aus dieser Entfernung zweifelsfrei feststellen!«, winkte Dreyfus ab.

»Wir haben aus den Vorgängen der letzten Monate gelernt. Eine Spurensicherung an Bord ist unerlässlich geworden, zumindest im Rahmen unserer Möglichkeiten.«

Arne Petter hatte als Kapitän natürlich aufmerksam verfolgt, was im letzten Jahr vorgefallen war und wie jeder andere Offizier der AIDA-Flotte kannte er Frau Olsen, die Mutter seines Kollegen Klaas.

Um für solche Vorfälle auf den Schiffen besser ausgerüstet zu sein, hatte man die Ausrüstung des Sicherheitsdienstes aufgestockt und entsprechende Schulungen durchgeführt.

»Heißt das, wir benötigen bald eine eigene pathologische Abteilung an Bord, eine CSI AIDA?«

»Nun übertreiben Sie nicht, Doktor! Todesfälle an Bord von Kreuzfahrtschiffen sind und bleiben eine absolute Ausnahme!«

Petter war wenig erbaut über diesen Selbstmord auf seinem Schiff, dennoch überwog die Erleichterung, nicht auf Mördersuche gehen zu müssen.

»Die Sauna wird vorest geschlossen!«, wies Gomez an.

»Warum erschießt sich jemand in der Sauna, noch dazu auf einem Schiff?«

Dreyfus schüttelte fassungslos den Kopf.

Gomez zuckte mit den Schultern.

»Keine Ahnung, ich bin weder ein Freund von Sauna noch von Selbstmord! Da fragen sie den Falschen!«

Konzentriert protokollierte er die einzelnen Schritte. Ihm war bewusst, dass seitens der Reederei ein besonderes Augenmerk auf die richtige Vorgehensweise gelegt würde.

»Ich werde diesen Bereich abriegeln und sämtliche Videoaufnahmen sichern. Wer hätte gedacht, dass wir das Wissen aus der Schulung so bald anwenden müssten!«

Kapitän Petter beobachtete den Doktor, der sich jetzt über den Toten beugte.

»Wissen wir, um wen es sich handelt?«, wandte er sich an Gomez.

»In der Tasche des einzigen im Saunabereich befindlichen Bademantels haben wir die Bordkarte eines Gastes mit Namen Milan Kovacz gefunden. Das im System hinterlegte Foto stimmt mit dem Toten überein. Er war ungarischer Staatsbürger und bewohnte eine der beiden Deluxe-Suiten auf Deck 6.«

Gomez schoss, während er sprach, mehr Fotos vom Tatort als eine japanische Reisegruppe vom Schloss Neuschwanstein.

»Glücklicherweise hat das Außer Betrieb-Schild andere Gäste am Betreten der Sauna gehindert! Dieser Anblick ist wahrlich verstörend!«, stöhnte Petter und warf einen mitfühlenden Blick auf die Krankenschwester, die sich in den Aufgusseimer erbrach.

»Entschuldigung, Kapitän, aber in den meisten Fällen geht dem Selbstmord eine langjährige psychische Erkrankung voraus. Es gehört sehr viel Verzweiflung dazu, sich das Leben zu nehmen!«

Dreyfus war kein Gerichtsmediziner. Den Tod hatte er offiziell festgestellt, die Todesursache schien eindeutig und der Todeszeitpunkt ließ sich eingrenzen. Das war aber auch alles.

»Wir werden Fotos von dem Leichnam machen und ihn dann einkühlen!«

»Lautet die Diagnose eindeutig Selbstmord, Doktor?«

Petter benötigte die Aussage von Dreyfus für seinen Bericht nach Rostock, wo sich das Büro der AIDA Cruises befand.

»Das bezweifle ich stark!«

Petter kannte diese Stimme und fuhr erschrocken herum.

Frieda Olsen trug, anders als auf den ihm bekannten Fotos und TV-Ausschnitten, einen modernen Kurzhaarschnitt und hatte sich die Haare dunkelbraun färben lassen.

Nach der letzten Reise hatte Frieda das Bedürfnis nach Rückzug aus der Öffentlichkeit verspürt. Innerhalb des letzten Jahres war sie so häufig in Talkshows und Print-Medien präsent gewesen, dass sogar der donnerstägliche Besuch des Wochenmarkts auf dem Blücherplatz in Kiel zum Spießrutenlaufen geworden war. Deshalb hatte Frieda sich mit Unterstützung ihrer langjährigen Freundin und Nachbarin Ruth ein neues Erscheinungsbild zugelegt. Es dauerte genau zwei morgendliche Aufschreie im Bad, bis sie sich an ihr neues Aussehen gewöhnt hatte. Mittlerweile erinnerte sie sich kaum noch an den blonden Pagenkopf, den sie zeit ihres Lebens getragen hatte. Der kastanienbraun gefärbte Kurzhaarschnitt ließ sie ein Jahrzehnt jünger aussehen, zumindest behaupteten Ruth und die Friseurin heimisch in Kiel das. Als ihr Sohn Klaas sie auf die AIDAbella eingeladen hatte, lehnte sie mit der Begründung, die griechische Ägäis schon mehrfach erkundet zu haben, ab. Tatsächlich verspürte sie keine Lust, sich seinen besorgten Vorsichtsmaßnahmen unterzuordnen. So stolz Klaas auf die Beteiligung seiner Mutter an der Auflösung der Verbrechen war, so groß war seine Missbilligung, dass sie sich in Gefahr begeben hatte.

Letzten Endes, so musste Frieda sich eingestehen, störte sie die Besorgnis ihres Sohnes, weil sie sich dadurch alt fühlte. Sie konnte sehr gut auf sich selbst aufpassen!

»Frau Olsen?«

»Zu Diensten, Kapitän!«, salutierte sie und versuchte, einen Blick in die Sauna zu werfen.

Sofort versperrte Petter ihr die Sicht.

»Was tun Sie hier? Warum bin ich nicht informiert, dass Sie an Bord sind?«

»Ich hatte die Reederei gebeten, so wenig Aufhebens wie möglich um meine Person zu machen!«

Tatsächlich hatte Frieda bei einem persönlichen Treffen mit der Geschäftsleitung um absolute Anonymität auf zukünftigen Reisen gebeten. Was half ein verändertes Äußeres, wenn sie als Ehrengast an Bord willkommen geheißen wurde!

Ihre Leidenschaft für Kreuzfahrten war zwar getrübt durch die letzten drei Reisen, dennoch fiel ihr keine Alternative ein. Sie wollte genau diese Kombination aus Seefahrt und Erkundungstouren, die ihr die AIDA-Routen garantierten. Außerdem fühlte sie sich in der obligatorisch gebuchten Junior-Suite fast zu Hause. Ja, sie würde diese liebgewonnenen Urlaube nicht missen wollen und gewissermaßen inkognito ihren Urlaub genießen! Bisher war ihr Plan aufgegangen und die vergangenen 5 Reisetage hatte sie unbehelligt verbracht.

Nachdem Sie aber den Notfall-Code gehört hatte, wollte sie sich ein eigenes Bild des Vorfalles machen. Und nach allem, was sie in den letzten Minuten mitangehört hatte, war das auch gut so, denn ihr war sofort klar, dass hier etwas nicht stimmte.

»Wer hat Sie durchgelassen? Der Zutritt ist Gästen definitiv untersagt!«

Petters Augen suchten den Eingangsbereich nach einem Mitarbeiter ab, den er verantwortlich machen konnte.

»Sie sind Frau Olsen?«, fragte Gomez interessiert.

Frieda nickte.

Kapitän Petter versperrte ihr immer noch den Weg und die Sicht.

»Es tut mir leid, Frau Olsen. Ich weiß um Ihre Verdienste und die Reederei ist Ihnen zu Dank verpflichtet, aber ich muss Sie bitten, den abgesperrten Bereich umgehend zu verlassen!«

Er winkte den am Eingang stehenden Sicherheitsoffizier heran.

Frieda sah dem Kapitän in die Augen. Sie wollte seine Autorität nicht infrage stellen.

»Darf ich Sie kurz unter vier Augen sprechen? Es ist wichtig!«, bat sie.

Petter runzelte für einen Moment die Stirn und ließ ihr mit einer Handbewegung den Vortritt.

Er führte sie hinunter in das kleine Büro hinter dem Rezeptionstresen des Body & Soul und öffnete mit seiner Generalkarte die Tür.

Unwillkürlich erinnerte Frieda sich an die Panikattacken, die sie während der letzten Reise heimgesucht hatten. Kurz zuvor war in ihre Wohnung in Kiel eingebrochen worden und die ersten Tage an Bord hatte sie sich verfolgt gefühlt und ernsthaft an ihrem Verstand gezweifelt.

Gerade weil sie im Nachhinein festgestellt hatte, dass sie die ganze Zeit auf ihr Gefühl hätte vertrauen können, war sie umso selbstbewusster aus dieser Krise hervorgegangen. Es sind die Krisen, die uns wachsen lassen!, hatte ihr verstorbener Mann Jörg immer gesagt. Wie Recht er damit hatte!

Jetzt und hier auf der AIDAmar vertraute sie ihrem Instinkt!

»Ich weiß, Sie wollen es nicht hören …«, begann sie.

»Wovon sprechen Sie?«

»Ich bin mir sicher, dass es sich nicht um einen Selbstmord handelt!«

»Sondern?«

»Um Mord, um vorsätzlichen Mord!«

4

Heute — Moskau

Boris Sewchenko wartete in seinem holzgetäfelten Büro auf den Anruf seines Mittelsmannes. Sein Blick schweifte über den Lubjanka und den nicht enden wollenden Strom aus Fahrzeugen, Bussen und Menschen.

Moskau glich einem psychotischen Ameisenhaufen!

Die dreifach verglasten Fenster hielten den Lärm der russischen Hauptstadt draußen.

Sewchenko genoss die Stille seines Büros. Seit Monaten hatte er an dem Plan gearbeitet und jetzt hieß es, die Großmächte stünden vor einem neuen Kalten Krieg. Aber eigentlich hatte der Kalte Krieg nie aufgehört, er war lediglich verlegt, umbenannt und im Geheimen fortgeführt worden. Die viel- und hochgelobte Entspannung zwischen Ost und West war mit einer Zeitungsente zu vergleichen. Die Geheimdienste und Militärs aller involvierten Länder führten ihre Arbeit unbeirrt fort. Der KGB wurde von Boris Jelzin abgeschafft, nur um durch den FSB ersetzt zu werden.

Putin höchstpersönlich hatte den FSB eindringlich aufgefordert, nach alternativen Ideen und neuen Möglichkeiten zu suchen.

Jetzt war es an der Zeit!

Die Aussicht darauf, direkt gegenüber der Saudis und den Amerikanern im Roten Meer mit der russischen Marine präsent zu sein, stellte eine unerhörte Provokation dar. Das war genau nach Putins Geschmack. Von dem strategischen Vorteil ganz zu schweigen!

5

27. Juli 1890 — Auvers-sur-Oise, nahe Paris

An diesem Sonntag wollte es gar nicht hell werden, die dunkle Wolkendecke drückte auf das Gemüt und es schien, als hätte sich der Juli mit all seinen Regentagen in der Jahreszeit geirrt.

Unten im Gasthof, in dem er ein spärliches Zimmer bewohnte, begann der Morgen mit Klappern, Hämmern und dem Geschrei einer Gans, die geschlachtet werden sollte. Kurz überlegte er, diese Szene mit viel Rot auf die Leinwand zu bringen, verwarf den Gedanken jedoch sofort. Heute hatte er einen anderen Plan.

Er presste die Hände an seine pochenden Schläfen und versuchte, den Lärm auszublenden. Seit wann war es so laut um ihn herum? Weshalb schrie die ganze Welt nur noch?

Vor zwei Jahren war er in einem der vielen Streits mit Paul Gaugin derart in Rage geraten, dass er sich das linke Ohr abgeschnitten hatte, um diesem Kretin nie wieder zuhören zu müssen. Gaugin war grobschlächtig, laut und zudem als Maler vollkommen unfähig! Die Fassungslosigkeit seines Erzfeindes war das Opfer wert gewesen und die Erinnerung an die erschrockene Fratze lockte ihm ein Lächeln auf die Lippen.

Sosehr die Flut aus Geräuschen ihn in den letzten Monaten auch geschmerzt hatte, beim Malen hatte er stets die Ruhe gefunden, die seinen Geist besänftigte. Über 80 Bilder waren in den vergangenen zwei Monaten entstanden. Konnte das ein Muster sein? War er ein Getriebener, der sein Heil in den Farben und Motiven auf der Leinwand suchte? Aber weshalb erfüllte ihn die Malerei nicht mehr? Hatte sie es je getan?

Er dachte an den lieblichen Gesang der Vögel in der Rue de Richelieu, an den warmen Geruch des lustvollen Körpers von Agostina und an die kleine Vase mit den Mohnblumen. Niemals zuvor und niemals danach hatte er diese innere Zufriedenheit erlebt. Diese zwanglose Freiheit der Gedanken, sich losgelöst von der Welt zu entfalten. Er hatte einem kleinen Boot geglichen, das sich ganz dem Meer überließ und darauf vertraute, an das richtige Ufer gespült zu werden. Mit diesem Gefühl hatte er die Blumen in der Vase gemalt, frei von jeglichen Selbstzweifeln und vollkommen zufrieden mit seinem Handwerk.

Sosehr er sich auch bemüht hatte, war es ihm seitdem nicht gelungen, dieses Gefühl erneut heraufzubeschwören.

Er ließ den Lärm der Stadt hinter sich und ging hinaus auf die Felder. Seine Malutensilien ließ er in der Kammer zurück. In einem kleinen Pfandhaus in der Rue de la Fontaine hatte er eine Pistole erstanden und trug diese, eingehüllt in ein Tuch, mit sich.

Zielstrebig wanderte er entlang der Felder und als kein Gehöft mehr zu sehen war, blieb er stehen und breitete das Tuch wie eine Tischdecke auf dem Boden aus. Dann nahm er die Pistole und schoss sich in den Bauch.

Endlich konnte er wieder etwas fühlen! Erleichtert nahm er wahr, dass seine Eingeweide brannten, als würde eine Schlange ihre Giftzähne in seine Bauchwand schlagen.

Zwei schmerzgepeinigte Tage rang er mit dem Leben und bei seinem letzten Atemzug blickte er in die traurigen Augen seines Bruders Theo van Gogh.

6

Vor 3 Wochen — Genua Italien

Was meinst du damit, es ist ein Familienerbstück?«, rief ihre Mutter aufgeregt. Carla Simonetta hörte den Ärger in der Stimme ihrer Mutter, aber sie ließ sich nicht täuschen. Ein Blick in ihre Augen verriet die Gier nach unverhofftem Geldsegen.

»So hat er es geschrieben, ein Erbstück!«

Carla sprach laut und langsam, wie es die Schwerhörigkeit ihrer Mutter verlangte.

»Es ist Diebesgut, Carla! Die-bes-gut! Du kommst wieder ins Gefängnis, Carla!«

Nach diesen Worten streckte ihre Mutter die Arme gen Himmel und betete ein Vaterunser.

»Ach Mama, du verstehst das nicht, hier geht es um wahrhaftige Liebe, nicht um Recht und Gesetz!« Damit drehte Carla sich um, knallte die Tür ihrer Kammer hinter sich zu und klappte den Laptop auf.

Obwohl sie den Text auswendig kannte, öffnete sie die E-Mail und rief sich mit geschlossenen Augen jedes einzelne Wort in Erinnerung.

Konnte das wahr sein oder erlaubte sich jemand einen schlechten Scherz mit ihr? Andererseits hatte er ihr eindeutig die Wahl gelassen, die Polizei zu benachrichtigen, sollte sie es für angebracht halten.

Die anfängliche Versuchung, sich für das viele Geld zu entscheiden, war einer Sehnsucht nach dem Bewahren dieses Geheimnisses gewichen.

Natürlich konnte sie das Geld gebrauchen, aber die Romantik der alles überdauernden Liebe hatte von ihr Besitz ergriffen. Auch von dem ausdrücklichen Hinweis, dass sie sich mit ihrer Zustimmung strafbar machen würde, ließ sie sich nicht einschüchtern. Sie war Italienerin und somit in der Wiege des organisierten Verbrechens aufgewachsen!

Draußen vor der Tür hörte sie ihre Mutter.

»Carla, du musst zur Polizei gehen! Wenn du es nicht tust, dann tu ich es!«

Im nächsten Moment riss Carla die Tür auf und sah ihre Mutter mit eiskalten Augen an.

»Wage es ja nicht, Mama Simonetta! Du wirst keine Schande über die Familie bringen!«

Sie sah den Schrecken in ihrem Gesicht und wusste, dass sie an das Gleiche dachten. Carla hatte zwei Menschen getötet und die Familienehre bewahrt.

Sie hatte in einer Bar gejobbt und die beiden angetrunkenen Männer ignoriert, die ihr im Vorbeigehen an den Po gegriffen und gelacht hatten.

Seelenruhig war sie in die Küche gegangen und hatte zu zwei kleinen Gemüsemessern gegriffen. Dann war sie zu den Männern zurückgekehrt und hatte ihnen mehrfach in den Hals gestochen. Als die Polizei und Rettungssanitäter eingetroffen waren, hatten sie zwei Leichen und eine blutüberströmte, junge Frau vorgefunden. Sie hatte sich wortlos abführen lassen und weder bei den Vernehmungen noch bei der Gerichtsverhandlung ihr Schweigen gebrochen.

Eine polizeilich angeordnete, ärztliche Untersuchung hatte ergeben, dass Carlas Körper mit Hämatomen übersät war und die DNA beider Opfer an ihrem Körper klebte. Daraufhin hatte ein Pflichtverteidiger die Theorie aufgestellt, dass Carla in der Nacht vor der Tat von den beiden Männer vergewaltigt worden sei.

Da Carla jegliche Aussage verweigert hatte, war sie schließlich zu zwölf Jahren Haft im berüchtigten Frauengefängnis Giudecca vor Venedig verurteilt worden.

Mama Simonetta blickte in die steingrauen Augen ihrer Tochter und ahnte, dass sie sie noch einmal verlieren würde.

»Bambina!«, flehte sie leise.

»Nichts Bambina, Mama! Das ist mein Erbstück! Es kommt über Papa in die Familie. Du hast damit nichts zu tun!«

Damit warf sie ihrer Mutter die Tür vor der Nase zu.

Die E-Mail enthielt zwei angehängte Dateien. Bei der ersten handelte es sich um ein Flugticket von Rom über Paris nach Puerto Plata. Die zweite Datei enthielt einen Voucher für eine Schiffspassage auf der AIDAmar von der Dominikanischen Republik nach Warnemünde in Deutschland. Beide Dokumente waren auf ihren Namen ausgestellt und offenbar bereits bezahlt!

Carla entschied sich, das Abenteuer einzugehen. Was konnte sie schon verlieren? Sie würde den unbekannten Verfasser auf dem Kreuzfahrtschiff treffen und sich seine Geschichte anhören. Dann erst würde sie eine Entscheidung treffen.

7

Heute — Atlantischer Ozean

Bitte, Frau Olsen, wiederholen Sie Ihre Beobachtungen!«

Als Petter mit Frieda in das Kapitänsbüro hinter der Brücke auf Deck 11 kam, stellte er ihr die dort versammelten Offiziere Doktor Dreyfus, Sicherheitschef Gomez und Staffkapitän Hahn vor.

Arne Petter hatte Frieda im Spabüro aufmerksam zugehört und sofort erkannt, dass er und sein Schiff von ihren Erfahrungen nur profitieren konnten.

Nach Absprache mit der Reederei wurde Frieda Olsen kurzerhand als Beraterin in Sicherheitsfragen angeheuert. Als Frieda den Arbeitsvertrag unterschrieb, der insbesondere für die Versicherung vonnöten war, durchfuhr sie ein wohliger Schauer. Dieses in sie gesetzte Vertrauen, verbunden mit der Wertschätzung ihrer bisherigen Ermittlungserfolge, zeigte ihr den Respekt des Kapitäns und der Reederei und sie würde Zugang zu allen Informationen haben. Stolz und voller Tatendrang signierte sie das Dokument und wurde zu einem offiziellen Crewmitglied.

»Frau Olsen ist der Meinung, wir haben es hier mit Mord zu tun!«, verkündete Petter und sah Frieda auffordernd an.

»Meine Herren! Die Theorie, es handle sich um Selbstmord, ist bei näherer Betrachtung nicht haltbar«, begann Frieda selbstsicher.

Alle blickten sie fragend an.

»Sich in die Sauna zu setzen, vorher ein Außer Betrieb-Schild zu entwenden und es von außen an die Tür zu hängen, um sich ungestört erschießen zu können, entbehrt jeglicher Logik!«

»Niemand weiß, wie die Psyche eines Selbstmörders aussieht, Frau Olsen!«, gab Dreyfus zu bedenken.

»Da stimme ich Ihnen zu, Dr. Dreyfus, allerdings lassen die Indizien mich einen Selbstmord ausschließen.«

»Was dann, Mord?«, fragte Staffkapitän Hahn.

»Nicht nur Mord, sondern vorsätzlicher Mord!«

Frieda gab den Anwesenden Zeit, diese Worte auf sich wirken zu lassen.

»Ist nicht beides für sich schon schlimm genug?«, ergriff Hahn wieder das Wort.

Frieda nickte.

»Ja, aber Mord mit Vorsatz bedeutet, dass sich jemand an Bord befindet, der gezielt vorgeht. Im Gegensatz zu einem Mord im Affekt wurde diese Tat akribisch geplant und fehlerfrei durchgeführt. So etwas bedarf einiger Vorbereitung.«

»Irgendeinen Fehler macht jeder Mörder!«, warf Gomez ein.

»Bei allem Respekt, Herr Gomez!«

Frieda versuchte, sich diplomatisch auszudrücken.

»Wenn wir nach Fehlern suchen, sollten wir mit den eigenen beginnen. Der Täter hat es geschafft, eine Waffe an Bord zu schmuggeln. Der Fehler liegt eindeutig bei der Bordsicherheit und beim Check-in.«

Gomez zuckte zusammen und seine Hände umklammerten die Stuhllehnen.

Petter beobachtete seinen Sicherheitschef aufmerksam. Gomez hatte spanisches Temperament, aber er wusste, dass er sich auf ihn verlassen konnte.

»Versetzen Sie sich bitte alle in die Lage eines Selbstmörders«, wandte Frieda sich an die Gruppe. Sie stand auf, nahm einen der Marker, die auf der kleinen Leiste des Flipcharts lagen, malte einen Kreis auf das große Blatt und schrieb eine Eins hinein.

»Erstens: Weshalb sollte eine Person mit Suizidabsichten das Risiko eingehen, eine Waffe an Bord zu schmuggeln? Die Gefahr, verhaftet zu werden, ist immens groß und damit wäre der Suizid unmöglich!«