Ela und Filou - Sabine Böhm - E-Book

Ela und Filou E-Book

Sabine Böhm

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Beschreibung

Ela hielt sich immer für ein ganz normales Mädchen, mit einem ganz normalen Leben. Wäre da nicht ihre wundersame Tante Yeni. Yeni hatte etwas magisches an sich und Besuche bei ihr verhießen immer neue Abenteuer. Doch was Ela an ihrem zehnten Geburtstag dort erlebte war magischer als sie es sich je hätte träumen lassen: Ein außergewöhnliches Abenteuer in der Wildnis, ein neuer Freund für's Leben und die Erkenntnis, dass sie viel mehr war als ein normales Mädchen.

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Ela und Filou

Kapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10

Kapitel 1

Es war ein herrlicher Morgen, mitten im Mai. Die Vögel zwitscherten munter und die Sonne strahlte vom wolkenlosen Himmel. Ein leichter Wind spielte mit den Vorhängen am Fenster und machte Platz für einen Sonnenstrahl direkt auf Ela, die noch tief und fest schlief. Die Sommersprossen auf ihrer Nasenspitze begannen lustig zu tanzen, als Ela mit ihre Stupsnase zuckte, um die kribbelnden Strahlen zu verscheuchen.

„Weg da!“ murmelte sie verschlafen und wedelte ziellos mit ihrer Hand. Mit einem Auge blinzelte sie vorsichtig auf ihren Wecker.

„7:17. Oh, gut. Noch 13 Minuten, bis ich aufstehen muss.“ Schnell kuschelte sie sich wieder in ihre Decke und vergrub ihr Gesicht im Kissen. Doch dann fiel ihr schlagartig wieder ein, welcher Tag heute war und sie schreckte blitzartig hoch. Heute war doch ein ganz besonderer Tag! Ihr zehnter Geburtstag! Wie hatte sie das nur vergessen können? Auf diesen Tag fieberte sie doch schon so lange hin.

Mit Schwung warf sie die Bettdecke von sich und sprang auf. Da stand sie nun in ihrem rot-blau karierten Schlafanzug und wusste vor lauter Aufregung gar nicht, war sie zuerst tun sollte. Ihr Herz pochte bis zum Anschlag. Aufgeregt lugte sie durch einen Spalte ihrer Zimmertür, ob sich schon etwas in der Wohnung bewegte. Auf ein ganz bestimmtes Geräusch hoffe sie besonders. Aber es war alles still. Kurz machte Ela sich Sorgen, dass ihre Mutter ihren Geburtstag verschlafen haben könnte. Sie atmete tief ein.

„Toastbrot. Es riecht nach frischem, heissem Toast. Ein gutes Zeichen.“ Erleichtert atmete sie wieder aus.

Ela stolperte fast über ihre eigenen Füße, als sie sich in Windeseile ihre Lieblingskuschelsocken über zog. Auf einem Bein hüpfend zupfte und zerrte sie an einem widerspenstigen Socken, bis er endlich halbwegs richtig saß. 

Auf leisen Sohlen schlich sie sich in Richtung der kleine Küche die mit uralten, überhaupt nicht zusammen passenden Holzmöbeln vollgestopft war. Ela und ihre Mutter hatten beschlossen, dass es so am gemütlichsten war. Auf dem kurzen Weg taumelte sie immer wieder, obwohl sie doch eigentlich Weltmeisterin im Anschleichen war. Trotzdem schaffte sie es irgendwie ungehört an der Küchentüre anzukommen. Gierig atmete sie den köstlichen Duft des frischen Toasts ein.

„Psst.“ flüsterte sie ihrem immer noch laut schlagen Herzen zu und legte den Finger auf ihre Lippen.

„Ich will Mama doch überraschen, dass ich es geschafft hab' vor dem Wecker aufzustehen. Nicht, dass du mich noch verrätst mit deinem Gepocher.“ Sie legte den Kopf schräg und lauschte nochmal genau ihrem Herzschlag.

„Besser“, murmelte sie, breitete ihre Arme weit aus, ging ein wenig in die Hocke und sprang mit einem gewaltigen Satz mitten in die Türöffnung:

„Guten Morgen, Mama! Es ist mein Geburtstag. Wo ist denn mein neuer Hund?“ 

Ela wünschte sich so sehr einen Hund und ihre Mutter hatte die letzten Tage sehr geheimnisvoll getan. Außerdem hatte sie bestimmt wieder ein schlechtes Gewissen, weil sie sich letztens ein Wellness-Wochenende mit ihrer Freundin gegönnt hatte. Ela 'musste' deswegen bei ihrer besten Freundin übernachten. Obwohl Ela nicht müde wurde zu betonen, dass es ihr wirklich nichts ausgemacht hatte eine ausgiebige Pyjamaparty zu feiern, ihre Lieblingsfilme zu schauen und jede Menge Unsinn anzustellen, meinte ihre Mutter sich immer wieder dafür entschuldigen zu müssen. Also, kurz gesagt, es musste einfach geklappt haben mit Pepe, ihrem Hund. Es musste, musste, musste. Während sie im Türrahmen stand drückte sie sich so fest die Daumen, dass ihre Knöchel schon ganz weiß waren.

Erschrocken vom spontanen Auftritt ihrer Tochter ließ Charlotte das Glas fallen, das sie gerade erst mit Elas Lieblings-Orangensaft, dem mit Stückchen, bis zum Rand gefüllt hatte. Mit einem lauten 'Tock' kam das Glas auf den hellen Holzbohlen des Küchenbodens zum Liegen. Glücklicherweise blies es an einem Stück, aber die klebrige, orangefarbene Pfütze verteilte sich langsam und gemütlich über den gesamten Fußboden. Einen Moment lang schauten Ela und Charlotte fasziniert dem kleinen Flüsschen zu, wie es sich zwischen ihnen ganz gemächlich unter den kleinen, vermackten Tisch arbeitete. Dann rissen sich die beiden von dem Anblick los, schauten sich an und lachten herzlich. Charlotte schüttelte ungläubig den Kopf, dann breitete sie ihre Arme weit aus:

„Guten Morgen, mein Engel. Du bist aber überraschend früh auf.“

„Hah!“, dachte Ela, „Die Überraschung hat geklappt.“

„Na dann, Große,“ fuhr Charlotte fort, „hüpf' mal über den reißenden O-Saft-Bach zu mir rüber.“ Ela folgte der Aufforderung und schloss ihre Mutter in die Arme. Charlotte knuddelte und wuddelte ihre Tochter, bis diese völlig atemlos und zerzaust da stand.

„Meine Güte, wie du schon wieder gewachsten bist“ blickte Charlotte ihre Tochter erstaunt an. Ela verdrehte die Augen. Wie sie dieses Getue um ihr Wachstum nervte. Sie war ein Kind, da war es völlig normal, dass sie ab und an mal ein paar Zentimeter zulegte. Sie seufzte. Es gab jetzt weiß Gott Wichtigeres als ihre Größe.

„Mein Hund! Mein Hund!“ drängelte sie.

„Wo ist er? Im Wohnzimmer? Hast du ihn etwa eingepackt?“ Aufgeregt hopste Ela von einem Bein auf's andere und schaute neugierig in Richtung Wohnzimmer. Charlotte, die gerade mit der Beseitigung der O-Saft-Überschwemmung begonnen hatte, guckte erstaunt und versuchte ihre hibbelige Tochter zu bremsen.

„Nicht so stürmisch, Große. Ich dachte wir haben oft genug besprochen, dass wir keinen Hund halten können. Du bist allergisch gegen Hundehaare.“

„Ist doch egal, dann bin ich halt allergisch. Das ist Youri aus meiner Klasse auch und er hat einen Hund. Einen großen sogar.“ Charlotte musste laut lachen und fing sich prompt einen strafenden Blick ihrer Tochter ein.

„Nein, mein Engel. Youri ist algerisch. Du bist allergisch. Das hat nichts miteinander zu tun.“ Charlotte holte tief Luft, um Ela den Unterschied, zum gefühlt tausendsten Mal, zu erklären, bremste sich aber sofort wieder, als sie Elas enttäuschtes Gesicht sah. Schnell wechselte sie das Thema:

„Aber ich habe eine viel bessere Überraschung für dich.“ Ela wurde neugierig, ließ sich das aber nicht anmerken und setzte einen besonders trotziges Gesicht auf.

„Besser als ein Hund? Na, da bin ich aber gespannt.“ Herausfordernd verschränkte sie die Arme vor ihrer Brust. Dieser trotzige Tonfall ihrer Tochter trieb Charlotte gewöhnlich in der Wahnsinn, aber heute konnte sie es sehr gut verstehen und war auch viel zu gespannt auf Elas Gesichtsausdruck, wenn sie mit der Überraschung herausrücken würde.

„Wir fahren heute nach der Schule für ein ganzes Wochenende zu Tante Yenene. Da wolltest du doch schon lange mal wieder hin.“

Noch bevor Ela wirklich verstanden hatte, was ihre Mutter gerade gesagt hatte, hakte sie empört nach:

„Kein Hund?“ und setzte ihre schärfste Waffe ein: Einen Schmollmund, wie es ihn kein zweites Mal auf der Welt gab. Wenn das nicht half, dann wüsste sie auch nicht weiter. Es half offensichtlich nicht. Charlotte wirkte völlig unbeeindruckt, während sie grinsend die O-Saft getränkten Küchentücher in den Müll stopfte.

„Nein, Ela, immer noch keinen Hund.“ sagte sie ganz ruhig und schaute ihrer Tochter, die gerade offensichtlich auf der Leitung stand, tief in die Augen. Ela stand wirklich auf der Leitung.

„Mist!“ dachte sie. Sie hatte so gehofft, Mama dieses Mal um den Finger gewickelt zu haben. Es ist ja nicht so, als hätte sie ihrer Mutter nicht das ein oder andere Mal bettelnd zu verstehen gegeben, dass sie gerne so einen flauschigen, kleinen Welpen haben wollte. Sie hatte unzählige Hundebilder gemalt, mit der Aufschrift 'Mein Hundi' und bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit an alle Verwandten und Bekannten verschenkt. Einmal hatte sie sogar angefangen diese Bilder in der Fußgängerzone an vorbeilaufende Passanten zu verteilen, bis Charlotte sie entdeckte und, peinlich berührt, den Rückzug befahl.

Jeden Morgen begann Ela mit einem herzzerreißenden Jaulen, direkt vor dem Frühstück. Dann erzählte sie ihrer Mutter in aller Ausführlichkeit wie toll ihr Hund sein würde:

Er würde immer Männchen machen und am liebsten mochte er Marmeladenbrote, aber nur mit Himbeermarmelade. Die mochte Ela nämlich nicht. So würde er ihr garantiert nichts wegfuttern. Er würde den ganzen Tag spielen wollen. Sie würde ihm beibringen, wie man Teeparty spielt und würde ihm eine Rastafrisur machen. Rastalocken waren nämlich gerade 'mega-cool'. Jeden zweiten Tag würde sie mit ihm baden gehen, dann könnten sie sich Seifenblasen zustupsen. Er würde ihr bei den Hausaufgaben helfen, indem er die Seiten umblätterte und er würde ihr die Matheergebnisse zubellen. Natürlich würde er nur dann bellen, ansonsten wäre er ganz lieb und kuschelig. Er wäre so schlau, dass er nie Gassi gehen müsste, sondern das Klo benutzen könnte. Und ja, Mama, wie man die Klobürste benutzt würde er auch lernen.

Seit Wochen ging das nun so. Und jeden Tag erklärte Mama Ela aufs Neue, dass sie gar keine Zeit hätte mit dem Hund zu spielen, oder zu kuscheln, weil sie mit allergischem Niesen und Kratzen beschäftigt wäre.

Diese Diskussion war mittlerweile schon ein morgendliches Ritual geworden und lief immer gleich ab. Ela erzählte von den tollen Eigenschaften des Hundes, ihre Mutter von den allergischen Reaktionen, die auf Ela warten würden. Wenn es Charlotte zu bunt wurde rief sie „Schluss jetzt!“ Dann zog Ela eine Fratze und tat beleidigt.

„Dann will ich jetzt ein Schokocreme-Brot.“ Damit beendete sie die Diskussion jedes Mal, so hatte sie nämlich das letzte Wort und das war wichtig, damit sie sich wieder besser fühlte.

„Das heißt 'Ich möchte'.“ korrigierte Charlotte sie dann.

„Ich möchte jetzt ein Schokocreme-Brot.“ antwortete Ela schnippisch und in Gedanken fügte sie „Sofort!“ hinzu und hatte damit wieder ihr letztes Wort. Hah!

Nach der ersten Woche Dauernölen war Charlotte es bereits leid und begann schon damit ein Schokocreme-Brot fertig zu machen, während Ela vor sich hin wetterte. Aber kaum war die Scheibe verputzt, hüpfte die gerade noch zu Tode beleidigte Leberwurst auch schon wieder fröhlich durch die Gegend. Der gemeinsame Morgen endete jedes Mal damit, dass Ela das Haus Richtung Schule mit den Worten „Tschüß Mama, bis später und nachher reden wir über meinen Hund.“ verließ.

Diesen Vorsatz wiederholte sie abends vorsichtshalber noch etwas eindrücklicher:

„Gute Nacht Lieblingsmama. Du bist die tollste Mutter der Welt und das bleibst du auch dann, wenn ich einen Hund habe. Aber da können wir ja morgen drüber reden.“

Dann gähnte Ela immer herzhaft und kuschelte sich in ihre Decke. Charlotte setzte sich auf die Bettkante und gab ihrer kleinen Nervensäge seufzend einen Gute-Nacht-Kuss. 

Heute Morgen allerdings fiel das Nölen viel kürzer aus als gewöhnlich. Gerade als Ela Luft holte, um ihr übliches Gejammer vorzutragen, stutzte sie. Ihre Augen begannen zu glänzen und ihr Herz pochte wieder ganz aufgeregt, als sie endlich begriff was Mama gerade gesagt hatte.

„Hast du gesagt wir fahren zu Tante Yeni?“ Elas zog erstaunt ihre Augenbrauen hoch und ihr Mund stand vor Erstaunen sperrangelweit offen. Besuche bei Tante Yenene waren immer etwas Besonderes, dort warteten die verrücktesten Abenteuer, Freiheit und jede Menge Spaß.

Kapitel 2

Nach einer anstrengenden Fahrt von fast drei Stunden und hunderten von 'Sind wir bald dahaaaa?' bogen sie endlich auf den kleinen Waldweg ab. Ela hielt ihren Finger schon auf den Abschnallknopf und wartete ungeduldig auf den Moment, in dem Mama den Motor abstellen würde.

Die Tür der Hütte flog schon schwungvoll auf, als sie noch die letzten Meter des hubbeligen Weges entlang rollten. Das Scheppern des alten Kombis war offensichtlich so schlimm geworden, dass es sie schon von Weitem angekündigt hatte. Eine imposante, grauhaarige Frau mit hektisch zusammen getüdeltem Dutt erschien in der Tür. Ihre weisen Augen leuchteten, als sie mit großen Schritten auf das Auto zu lief. Heute trug sie ihre grasgrünen Filzpantoffeln und hatte extra das lange, knallbunte Karogewand angezogen, das Ela so gerne mochte.

„Wenn ich mal so groß bin wie du, dann möchte ich auch so eins haben.“ sagte Ela immer wieder, wenn sie es sah. Yenene strahlte dann immer und ihre unzähligen Lachfältchen zeigten sich. Die Falten in Yenis Gesicht wurden von Besuch zu Besuch mehr, stellte Ela fest, als sie von Yenis starken Armen umschlungen wurde. Doch das störte sie nicht. Zu Yenene gehörten die Fältchen einfach dazu und unterstrichen ihre große Lebenslust.

Yeni umarmte und drückte Ela überglücklich. Ihre zauberhafte kleine Ela war wieder ein Stück gewachsen, stellte sie stolz fest, und sie hatte dasselbe Glitzern in den Augen, das sie sah, wenn sie selbst in den Spiegel schaute.

„Hallo, meine kleine Kachina.“ wiederholte Yenene immer wieder, ohne auch nur daran zu denken Ela wieder loszulassen. Ela mochte den Spitznamen, den ihre Tante ihr verpasst hatte. Er bedeutete übersetzt 'Heilige Tänzerin'. Was das bedeuten sollte wusste sie bis heute nicht, aber es klang einfach schön und wenn Yeni es sagte schlich sich ein wohliges Gefühl durch Elas Körper.

Das gequetschte Mädchen versuchte sich umständlich aus der Umarmung zu winden, bevor sie überhaupt keine Luft mehr bekam. Yenene lachte.

„Oje. Ich wollte dich nicht erdrücken, meine Kleine. Kommt doch erst einmal herein und trinkt eine schöne, heiße Tasse Kakao mit mir.“ Yenene ließ Ela los und begrüßte nun auch Charlotte mit einer etwas kürzeren, aber nicht weniger herzlichen, Umarmung.

Auf dem kurzen Weg in die Hütte nahm Yenene Ela an die Hand, beugte sich, so unauffällig es ging, zu ihr herunter und flüsterte ihr ins Ohr: