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Die neue, sinnliche Fantasy-Serie
Nach der düster-erotischen Kushiel-Saga um die junge Kurtisane Phèdre hat Jacqueline Carey eine neue, atemberaubende Fantasy-Welt erschaffen, die den ewigen Kampf um Licht und Finsternis neu erzählt: Im Land der Götter brechen düstere Zeiten an. Wo sind die Helden, die es wagen, den Fluchbringer Satoris zu vernichten? Denn Satoris ist mächtig, und er ist ein Meister des Bösen ...
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Seitenzahl: 861
Als der Weltengott Uru-Alat starb, setzte er Sieben Schöpfer ein, die mit gottgleicher Macht ausgestattet sind und fortan über die Welt Urulat regieren sollen. Sie erschufen die Geschlechter der Menschen, denen sie unterschiedliche Kräfte und Fähigkeiten zuwiesen: Ellylon, Fjeltrolle, Wehre und Zwerge. Eines Tages geraten die Schöpfer jedoch in Streit. Die Welt Urulat wird gespalten, und der Drittgeborene der Schöpfer, Satoris Fluchbringer, in die Verbannung geschickt. Schwer verwundet und von Rachegedanken beseelt, zieht er sich auf die Festung Finsterflucht über der Quelle des Feuermarks zurück. Mit Hilfe des Heerführers Tanaros stellt der gestürzte Gott eine gewaltige Armee auf, um Urulat zu erobern. Da geht ein roter Stern über der Welt Urulat auf und die Zeit der Prophezeiung bricht an. Urulat kann nur durch Satoris’ endgültige Vernichtung wieder vereint werden. Eine Gruppe von tapferen Kämpfern macht sich auf, um den magischen Dolch zu suchen – die einzige Waffe, die das Böse aufhalten kann ...
Die ELEGIE-SagaErstes Buch: ELEGIE – Herr der DunkelheitZweites Buch: ELEGIE – Fluch der Götter
Die KUSHIEL-SagaErstes Buch: Kushiel – Das ZeichenZweites Buch: Kushiel – Der VerratDrittes Buch: Kushiel – Die Erlösung
Die Autorin
Jacqueline Carey, 1964 geboren, hat Englische Literatur und Psychologie studiert. Mit »Kushiel – Das Zeichen«, ihrem Debütroman, sorgte sie sofort nach Erscheinen international für Furore und wurde mehrfach preisgekrönt. Die Autorin lebt in West Michigan und schreibt an der Fortsetzung ihrer großen Fantasy-Saga.
Mehr zu Jaqueline Carey und Kushiel unter: www.jaquelinecarey.com
So lebe wohl, die Hoffnung, und mit ihr Fahr hin die Furcht und fahre hin die Reue: Denn alles Gute ist für mich dahin. Böses, sei du mein Gutes!
John Milton, Das verlorene Paradies
Der Ort wurde Gorgantum genannt.
Erneut verwundet floh er dorthin, und nach seiner Flucht erging er sich in finsteren Gedanken. Es war keine Niederlage, jedenfalls nicht ganz. Niemand konnte das behaupten, solange er noch lebte und den Gottestöter in seinem Besitz hatte. Er war Satoris der Drittgeborene, und ab hier, von diesem Tal bis zum Trennenden Meer, gehörte der Westen ihm. Zwei der drei Gesandten seines Älteren Bruders waren nun erschlagen, ihre Waffen zerstört oder verloren. Der Hochfürst der Riverlorn war getötet worden, ebenso sein Sohn und viele andere. Die verbliebenen Ellylon waren so wenige, dass sie kaum noch eine Stadt bevölkert hätten. Menschen gab es noch, natürlich, in stets wachsender Zahl, aber auf dem Schlachtfeld war so große Zwietracht gesät worden, dass nun bitteres Blut zwischen beiden Geschlechtern entstanden war.
Lange Zeitalter würden vergehen, bevor er es wieder versuchen würde.
Aber eines Tages würde es so weit sein.
Er kannte seinen Älteren Bruder.
Nicht immer hatte Feindschaft zwischen ihnen geherrscht. Einst hatten die Sieben Schöpfer in Eintracht gelebt, ganz zu Beginn, als Uru-Alat, den die Menschen den Weltengott nennen, starb, um die Welt zu gebären, und er die Schöpfer aus den tiefsten Stätten der Erde holte und ihnen Macht verlieh.
Der Erstgeborene war Haomane, der Gedankenfürst, denn er trat hervor bei der Souma, jenem leuchtenden Juwel, dem Auge in der Stirn des Uru-Alat.
Die Zweite war Arahila die Schöne, die Herzenswarme, und alles an ihr sprach von Anmut und Huld. Mitgefühl lag in ihren Fingerspitzen, als sie die entstehende Welt formte.
Satoris, einst der Säende genannt, wurde als Dritter am Zusammenfluss der Lenden geboren, und seine Gabe war die Begierde des Fleisches.
Neheris war die Viertgeborene, entsprungen dem nördlichen Vorderglied, Neheris von den fallenden Wassern, und die hohen, kalten Berge mit ihren schimmernden Bächen waren ihr Aufenthaltsort.
Aus der Tiefe des Meeres kam Meronin, dort, wo das südliche Vorderglied eine Bucht formte; der Fünftgeborene war tiefgründig und behielt seinen Rat für sich.
Als Sechste kam Yrinna von den Früchten, die Herrin des südlichen Hinterglieds, und ihre Hand verhieß Fülle.
Der Letztgeborene und Siebte war Oronin, der Frohe Jäger des nördlichen Hinterglieds, und er war nicht der Geringste unter ihnen, denn in seinem Gefolge ritt der Tod.
Auch gab es noch die Drachen.
In jenen Tagen wandten die Sieben ihre Gedanken der entstehenden Welt zu. Oronin, der Jüngste, formte die wilden Wälder, während Yrinna, seine Schwester, Obstgärten und Felder entstehen ließ, und Meronin gestaltete sanfte Buchten und tiefe Meere, während Neheris Berge und Flüsse hervorbrachte. Ihre Macht lag in der Souma, und sie alle schöpften daraus ihre Kraft, je nach den Gaben, die ihnen verliehen worden waren. Haomane der Erstgeborene nahm den leuchtenden Schein der Souma, des Auges von Uru-Alat, und erschuf das Licht. Nun schien die Sonne hell und strahlend, wenn sie am Himmel vorüberzog, aber die Nacht war schwarz, und Arahila erbarmte sich ihrer und schuf ein zweites Licht, Mond genannt, blass und wunderschön, und Tausende und Abertausende von Sternen.
Diese Welt nannten sie Urulat, nach dem Weltengott, dessen Tod sie hervorgebracht hatte.
Und noch immer entstand Leben aus dem Tod von Uru-Alat, jene Geschlechter, die man die Geringeren Schöpfer nannte, und jeder der Sieben erwählte sich ein Geschlecht und formte seine Kinder entsprechend den eigenen Stärken und Wünschen.
Alle außer Satoris, der die Zeit damit verbrachte, in die Erde hinabzusteigen und mit den Drachen zu sprechen, denn sie kamen aus den tiefen Knochen des Uru-Alat und waren weise, aber auch listig. Als Einziger der Sieben gierte Satoris nach ihrem Wissen. Doch seine Gabe lag in der Begierde des Fleisches, und er teilte sie gern mit jedem, der ihn darum bat. Neheris bat ihn, und Meronin und Yrinna und Oronin, und so wurden die Kinder ihrer Schöpfung stark, und die geringeren Geschlechter vermehrten sich, Fjeltroll und Fisch, Wehr und Hirsch, Zwerg und Kaninchen desgleichen. Wo der Tod an Oronins Seite durch die Welt ritt, traf er auf Satoris’ Gabe, und die Geschlechter überdauerten.
Für die Ellylon bat Haomane nicht darum, denn er hatte ihre Schöpfung vor den letzten Regungen Uru-Alats vollendet, und die Zeit konnte ihnen nichts anhaben. Er war der Erstgeborene und schöpfte aus der reinen Kraft der Souma, seine Kinder waren die Frucht seiner Gedanken allein. Er ließ nur Arahila Hand an seine Schöpfung legen, die Zweitgeborene, die ihm von all seinen Brüdern und Schwestern die nächste war. Keinen Geringeren ließ er teilhaben. So webte Arahila die Liebe in das Wesen der Ellylon.
Im Gegenzug legte der Gedankenfürst Haomane seine Hand an ihre Kinder, die Menschen waren, an zweiter Stelle unter den Geringeren Schöpfern. Sie übertrafen alle anderen an Macht, nur nicht die Ellylon, denn sie formten die entstehende Welt nach ihren Wünschen, aber sie waren der Zeit unterworfen und fühlten die Berührung des Todes. Daher bat Arahila die Schöne um Satoris’ Gabe für ihre Kinder, und Satoris gewährte sie ihr, denn er liebte sie sehr.
Doch Haomane missfiel dies.
Denn die Menschen waren unzufrieden und führten immer häufiger Krieg gegen die Ellylon. Und so begab es sich im Vierten Zeitalter von Urulat, dass Haomane der Erstgeborene Satoris bat, dem Menschengeschlecht seine Gabe zu entziehen.
Dreimal bat er ihn darum.
Dreimal wies Satoris ihn ab. Er wies ihn ab aus Liebe zu Arahila, aber auch aus dem Wissen, jenem tiefen und düsteren Wissen, das er in seinen Gesprächen mit den Drachen gewonnen hatte. Und in jenem Streit, den seine Weigerung heraufbeschwor, wurde die Souma, das Auge in der Stirn des Uru-Alat, zerschmettert. Als dies geschah, löste sich ein einzelner Splitter aus dem Ganzen, eine Scherbe in der Form eines Dolches.
Der Gottestöter.
Es war Oronin der Letztgeborene, der jenen Splitter ergriff, ihn Satoris in den Schenkel stieß und ihm eine Wunde beibrachte, aus der schließlich der Ichor wie Blut herausströmte. Erst da rief Satoris die Drachen zu Hilfe.
So begann der Krieg der Schöpfer.
Obwohl viele Drachen den Tod fanden und Satoris in Schach gehalten wurde, hätte er am Ende vielleicht doch obsiegt, wäre Haomane der Erstgeborene nicht gewesen. Der Gedankenfürst versetzte der Erde einen schweren Schlag und trennte damit den Kopf vom Körper Urulats. Und nach dem Willen Meronins des Tiefgründigen strömte das Trennende Meer herbei, um den Graben zu überfluten.
Die Sechs Schöpfer fanden sich auf einer Insel wieder, die später den Namen Torath erhielt, und die Macht der Souma war gebrochen, aber Satoris war auf die andere Seite des Trennenden Meeres verbannt, beraubt und verwundet. Die Drachen wandten sich von ihm ab, denn sie hatten einen zu hohen Blutzoll für seine Freundschaft gezahlt. Haomane sah das, und der Gedankenfürst bemühte nun noch einmal die Kraft der zerschmetterten Souma. Zwar konnte er das Land nicht verändern, aber er brachte die Sonne am Himmel dazu, wie ein schreckliches Auge zu glühen, und Satoris wurde von ihrer Hitze versengt, seine Haut wurde dunkel und rissig, und auch der Erde widerfuhr dieses Schicksal, bis Arahila Haomane anflehte, Gnade walten zu lassen.
Satoris floh nun nach Norden, wo die Berge Schatten über das Land warfen, und suchte Zuflucht vor Haomanes Zorn in den tiefen Höhlen der Fjeltrolle, Neheris’ Kindern, ungeschlacht und stark wie die Berge und ebenso unerschütterlich. Ihnen gegenüber fand er schöne Worte, und die Fjeltrolle schworen einen Eid, ihm zu helfen, denn sie wussten nichts vom Krieg der Schöpfer. Sie wussten nur, dass er es ihnen mit Freundlichkeit dankte, die Haomane ihnen in seinem Stolz nie erwiesen hatte. Satoris versuchte sich zu heilen, aber seine Haut trug auch später noch die Spuren von Haomanes Zorn, und die Wunde, die Oronin ihm beigebracht hatte, schloss sich ebenfalls nicht, sondern weinte ewiglich Ichortropfen.
Auch war seine Gabe dahin.
Dennoch ließ Haomane nicht davon ab, ihn zu verfolgen. Er lauerte auf der Insel Torath und träufelte Gerüchte in die Ohren all jener in Urulat, die sie hören wollten. Ellyl und Mensch, beide schlossen sich in ihrem Hass auf Satoris zusammen und gaben ihm neue Namen: Fluchbringer, Weltenspalter, Lügenfürst. Und durch Haomanes Einflüsterungen glaubten sie, dass Urulat wieder vereint werden könne, wenn Satoris besiegt sei; sie alle würden sich dann wieder im Lichte der Souma sonnen.
Sie bekriegten ihn, und als die treuen Fjeltrolle ihren Eid hielten und ihn verteidigten, zogen sie wider die Fjeltrolle.
Sie führten Kriege, bis Satoris müde und bitter und zornig wurde und ein eigenes Heer aufstellte, ein Heer aus Fjeltrollen mit ihrer ungeschlachten Stärke und aus den grauen Wehren, den Jägern Oronins. All jene, die sich von den Sechs Schöpfern im Stich gelassen fühlten, hörten seine Worte, und er formte ihren Willen gemäß dem seinen und marschierte gegen seine Feinde. Und so wurde er der, als den Haomane ihn bezeichnet hatte: Fluchbringer, Schicksalsbringer.
Eine Zeit lang überzogen sie Urulat mit Elend und Verderben und drangen immer weiter nach Westen vor.
Aber sein Älterer Bruder war listig.
Haomane der Erstgeborene nahm drei rubinrote Splitter der Souma und schliff aus ihnen Edelsteine der Macht: die Soumanië. Drei Gesandte formte er, sie zu tragen: Ardrath, Dergail und Malthus. Drei Waffen gab er ihnen: den Helm der Schatten, den Speer des Lichts und den Pfeil des Feuers. Und er schickte sie über das Trennende Meer, um ein Heer aus Ellylon und Menschen aufzustellen, das treu ergeben für die Sechs Schöpfer gegen Satoris ziehen würde.
Fast wäre es gelungen.
Keine Niederlage, nein. Aber auch kein Sieg.
Er lebte noch, und der Gottestöter war sein. Dennoch war er erneut verwundet worden, zweimal, und gezwungen, das Feld zu räumen. Aber seine Feinde, die Verbündeten Haomanes, hatten harte Schläge hinnehmen müssen. Zwei Gesandte waren erschlagen, der Pfeil des Feuers verloren, der Helm der Schatten in Satoris’ Hand. Der Krieg war noch nicht vorbei, aber es gab einen Aufschub, während die Zeitalter verstrichen und Haomane seinen nächsten Schlag erwog.
Satoris konnte nur versuchen, sich zu wappnen.
Zuerst heilte er die sterbliche Wunde. Das Ellylschwert, das ihn von hinten getroffen hatte, hatte die Sehnen seines Knies durchtrennt. Es hatte ihn überrascht, so sehr, dass er den Dolch fallen ließ. Und was war er ohne den Gottestöter? Ein Schöpfer, aber ohne Macht.
Getrennt von allen anderen.
Auch er hatte einmal eine Gabe besessen. Er lächelte bitter, als er sich selbst heilte und die Kraft des Gottestöters nutzte, um seine Sehnen zu spleißen und sein Fleisch zu verdichten. Selbst wenn man ihm diese Gabe gelassen hätte, sie hätte ihm in diesem Kampf nichts genützt. Das war seit langen Zeitaltern schon vorbei, so schnell vergangen wie ein Augenaufschlag.
Er hatte Haomanes Kindern seine Gabe angeboten.
Haomane hatte sie abgelehnt.
Die zweite Wunde war schwerwiegender, denn sie stammte von einer Waffe, die sein Bruder erdacht hatte. Die erste Wunde mochte ihn überrascht haben, die zweite hatte ihn erschreckt. Er sah sie noch vor sich: den Speer des Lichts, dessen Schaft unter dem verhangenen Himmel glänzte. Der Speer führte in einer geraden Linie von der Stelle, an dem der Schmerz in ihm wühlte, von dort, wo die leuchtende, blattförmige Klinge in seiner Seite steckte, zu ihrem anderen Ende. Und dort, beide Hände fest um den Schaft geschlossen, war Malthus, der letzte Gesandte seines Bruders.
Der Schmerz wurde nur noch von der Pein übertroffen, die er spürte, als er sich die Waffe aus dem Fleisch riss, wie ein Fisch, der sich vom Haken losmacht. Welche Demütigung! Das verblüffte Gesicht des Gesandten war die ganze Sache beinahe wert. Es gab nur eine Waffe, die Satoris töten konnte.
Den Gottestöter.
Beide hatten sie danach gegriffen, gleichzeitig. Nach dem Dolch, jenem Splitter der zersprungenen Souma. Bei der Erinnerung daran verzog er das Gesicht, dann drückte er die rot leuchtende Klinge auf die furchigen Ränder der Wunde an seiner Seite. Dort pulsierte sie, und ein Licht glomm in ihren rubinroten Tiefen. So hatte sie auch pulsiert, als ihrer beider Hände sie packten. Er schloss die Augen und rief ihre Macht. Weit entfernt, auf der anderen Seite des Trennenden Meeres flackerte das Licht der Souma ebenfalls auf. Seine Sippe würde sich nun fragen, was er damit tat.
Sollten sie es sich doch fragen, sollten sie ihn fürchten. Er nutzte die Kraft, um sich ein zweites Mal zu heilen, doch es war viel schwerer als bei der ersten Wunde. Langsam, Zoll für Zoll, versiegelte er den Stich. Eine Narbe blieb zurück, die blass leuchtete, eine weitere Erinnerung an den Zorn seines Bruders.
Als es getan war, fühlte er sich erschöpft.
Nicht alle Wunden konnten geheilt werden.
Es blieb immer noch die dritte, die unsterbliche Wunde, die an der Seite seines Schenkels, die Oronin ihm mit dem Gottestöter versetzt hatte. Sie schwärte vor Gift und weinte ewiglich Ichortropfen, und wohin diese Tropfen fielen, ward das Land selbst versengt und verändert.
Dann soll es so sein, dachte er. Ich floh vor dem Zorn meines Bruders, und er entdeckte mich. Ich forderte seine Macht heraus, und er stellte sich mir entgegen. Meine Brüder und Schwestern haben sich von mir abgewandt, selbst Arahila, obwohl die Erinnerung an sie mir die Tränen aufsteigen lässt. Dennoch bereue ich meine Wahl nicht. Hätte mich Haomane ein viertes Mal gebeten, ich hätte mich erneut geweigert. In seinem Stolz erkennt der Gedankenfürst nicht das Wesen dessen, was geschähe, wenn meine Gabe auf ewig von der seinen getrennt würde. Ich dagegen sehe es, und das nur zu deutlich. In meinem Stolz nenne ich mich daher Feind meines Bruders, nicht sein Opfer. Diese Rolle habe ich nicht gewählt, sie wurde mir aufgezwungen. Ich mag sie noch so sehr verabscheuen, sie ist nun einmal mein Schicksal. Ich bin der, der ich bin. Ich hänge an dem letzten bisschen Ehre, das mir gelassen wurde. Hier werde ich mich niederlassen und aus diesem Ort eine Zufluchtsstätte machen, eine Festung. Und wenn ich fertig bin, werde ich den Gottestöter in seiner Mitte aufbewahren, wo keine andere Hand ihn berühren kann.
Sobald er so weit wie überhaupt möglich genesen war, rief er die Fjeltrolle zu sich.
Im Tal von Gorgantum türmte er zerklüftete Berge auf, um sein Versteck zu sichern. Er schnitt große Marmorblöcke aus der Erde und gab ihnen Form und Gestalt, schwarz und glänzend. Und er zeigte den Fjel die Pläne seiner riesenhaften Zitadelle mit ihren hohen Türmen, umgeben von einer Burgmauer und mit einem geheimen Gelass im Herzen wie eine Meeresschnecke mit zwei Kammern. Und die Fjel arbeiteten und blieben ihrem uralten Eid treu. Stark und hoch bauten sie die Mauern – und sie gruben tief, sehr tief ins Tal von Gorgantum, in jener Höhle, in der die starken Knochen der Erde sich trafen.
Als sie die Quelle erreichten, sah er es mit Erleichterung – das Feuermark.
Der Gottestöter würde hier sicher sein.
Es war eine Essenz, die sich im lodernden Götterkopf von Uru-Alat gehalten hatte, ein blauweißes Feuer, das wie Mark durch die Knochen der Erde lief, und ihre Funken nährten das innere Feuer der Drachen, als sie hervorkamen. Hier, an der Quelle, sammelte es sich. Nichts Sterbliches überlebte seine Berührung. Doch er hatte noch genug von der Macht der Schöpfer in sich, um das Feuermark zu formen. Große Vorsicht war vonnöten, um gerade genug davon abzuzapfen, damit es den geäderten Marmor seiner Zitadelle durchdrang und die ewigen Fackeln entzündete. Zum ersten Mal konnte er das Entzücken seiner Brüder und Schwestern nachvollziehen, als jene die junge Welt geformt hatten, und er fragte sich, wie es wohl gewesen wäre, das im Vollbesitz seiner Kräfte zu tun, bevor die Souma zerschmettert wurde.
Doch das spielte keine Rolle. Dies musste genügen.
Aus dem Rauch erschuf er einen Schleier der Dunkelheit und warf ihn wie einen Mantel über das Tal von Gorgantum, bis selbst die Himmel verhangen blieben. Auch darüber lächelte er, denn so suchten die neugierigen Augen seines Bruders umsonst, und der Schleier schützte ihn vor dem Zorn der Sonne, die seine Gestalt schwarz verbrannt hatte.
Die Quelle selbst getraute er sich nicht zu verändern, aber er zweigte einen stetigen Fluss von ihr ab, einen Springbrunnen, in dem das Feuermark mit dem ewigen Zucken einer blauweißen Flamme tanzte. In diesen Brunnen, in den sterbliche Hände nicht zu greifen wagen würden, legte er den Dolch, den Gottestöter. Und dort brannte er, pulsierend wie ein zorniges Herz, brannte und ward doch nicht verzehrt.
Die Zitadelle war erbaut, und sie gefiel ihm wohl.
Und dennoch war er allein und einsam.
Natürlich waren die Fjeltrolle bei ihm, stets treu ihrem Eid gehorchend. Er hatte sie niemals belogen. Es stimmte, er schätzte sie gerade für ihr einfaches Gemüt. Aber wie schnell glitt ihre Lebensspanne vorüber, verglichen mit seiner eigenen! Generationen wuchsen in seiner Zufluchtsstätte auf und vergingen. Und gerade in der schlichten Einfachheit ihrer Treue riefen sie ihm stets in Erinnerung, wie kompliziert und einsam sein eigenes Dasein war. An wen konnte er sich wenden, als ihm die Gerüchte über die neue Prophezeiung seines Bruders zum ersten Mal zugetragen wurden? Es war ein listiger Plan.
An niemanden.
Stattdessen befasste er sich mit der Beute, die seine Fjeltrolle vom Schlachtfeld aufgelesen und ihm wie eine Trophäe zu Füßen gelegt hatten. Den Helm der Schatten, so hatten die Menschen ihn genannt.
Sein bloßer Anblick schmerzte, selbst seine Augen. Dieses Ding hatte sein Älterer Bruder, der die Sonne aus dem Licht der Souma geformt hatte, aus ebendem Fehlen von Licht erschaffen, aus den lichtlosen Rissen der zerstörten Kraftquelle. Auf dem Schlachtfeld wandten die Menschen ihre Augen ab, und selbst die Ellylon weinten, wenn sie seiner ansichtig wurden. Er verkörperte die Dunkelheit aller verlorenen und auf ewig zerstörten Dinge – der Souma, der Einheit der Schöpfer, der Gespaltenen Welt an sich.
Ich gehöre dazu, dachte er, als er den Helm in den Händen drehte. Auf ewig zerstört. Im Stich gelassen und beraubt, ausgestoßen von jenen, die mich dereinst liebten.
Und während er so dachte, begann er, die Dunkelheit des Helms mit seiner eigenen Verzweiflung anzureichern.
Er legte seine immerwährende Enttäuschung über den trotzigen Stolz seines Älteren Bruders mit hinein und seinen Hass gegenüber jener Rolle, die zu spielen er verdammt war. Auch den Schmerz über den Betrug seiner Brüder und Schwestern fügte er hinzu, vermischt mit wahrem Bedauern und geschärft mit wildem Zorn – denn sie alle hatten ihn hintergangen, sie alle. Seinem Selbsthass verlieh er Gestalt, der Erinnerung an sinnlosen Widerstand, an jenen schrecklichen Augenblick, da die Welt barst und das Meer in den gähnenden Abgrund strömte und er wusste, dass er besiegt und allein war.
Er gab die hilflose Qual mit hinein, die in jener Erinnerung lag, wie er über die bebende Erde kroch und seine Finger vor Schmerz hineinkrallte, während sein Bruder ihn mit langem Arm verfolgte und sogar die Sonne bewegte, bis seine Haut geschwärzt und gesprungen war und er sich brüllend gezwungen sah, erneut zu flüchten. Zahllose Tage und Nächte bitterer Genesung flocht er hinein, das Bewusstsein über den Verlust seiner Gabe und die Tatsache, dass man ihn auf ewig verstümmelt hatte und dass sein Name zum Fluch auf den Lippen der Kinder seines Bruders geworden war. Und er gab auch seinen Abscheu gegenüber der Feigheit seines Älteren Bruders mit hinzu, der sich nicht getraute, das Trennende Meer zu überqueren, sondern stets aus der Entfernung handelte.
Er formte ihn aus der Trauer um alle schönen Dinge, die ihm verloren waren, und aus den bittersüßen Freuden, die an ihre Stelle getreten waren – Rache und galliger Triumph, die Erkenntnis, die allmählich in ihm wuchs, dass er wirklich verstoßen worden war, ein aufbegehrender Schöpfer, der einen bedrohlichen Schatten auf die liebsten Werke seiner Brüder und Schwestern warf. Auch einen verzweifelten Faden der Hoffnung knüpfte er mit hinein – aber ebenso das sichere Bewusstsein, dass alle Hoffnung vergehen musste.
Er versah ihn mit dem brennenden Schmerz, der machtlosen Wut, der gnadenlosen Pein seines versehrten Fleisches, dem langsam tropfenden Ichor, der aus seiner Wunde rann, und der langsam tropfenden Bosheit, die sein Herz vergiftete, genährt von unendlich lange ertragenem Hass.
Auch unerschrockene Wahrheit wand er hinein.
Als es vollbracht war, setzte er den Helm der Schatten auf und spähte durch den Augenschlitz seiner eigenen dunklen Vision über das Land. Er hortete seine schwindende Kraft, um in die Herzen und Köpfe aller lebenden Wesen zu blicken, die mit der Gabe seines Älteren Bruders, dem Denken, gesegnet worden waren, denn genau das war dessen Gabe gewesen, mit all dem Fluch und Segen, den sie mit sich brachte.
Irgendwo in den Weiten der Gespaltenen Welt musste es andere geben, die sich ebenso betrogen fühlten wie er und die wussten, wie es war, gegen ein ungerechtes Schicksal anzukämpfen. Sterbliche, sicherlich, mit kurz aufflackernden Leben – aber dank des Gottestöters musste das nicht so bleiben.
Drei Gesandte hatte sein Älterer Bruder geschickt, um ihn zu vernichten. Er würde drei eigene zu sich rufen: Kameraden, Anführer, Hüter seiner Zitadelle.
Er würde sie finden.
Er würde sie sich zu eigen machen.
Dank ihm würden sie unsterblich sein.
Tanaros schritt den Korridor hinunter, und die Absätze seiner Stiefel trafen hallend auf den schwarzen Marmor.
Er war wie ein dunkler Spiegel, dieser Boden, auf Hochglanz poliert. Die Torbögen waren riesenhaft, nicht nach menschlichem Maß gebaut. Überall an den Wänden brannte das Feuermark, zarte Äderchen aus Blau und Weiß hoben sich von der schimmernden Schwärze ab. In beidem war sein Spiegelbild, verschwommen und verzerrt.
Eine bleiche, gefurchte Stirn. Eine Locke dunklen Haars, die darüberfiel.
Geschickte Hände.
Und ein strenger Mund, dessen sanfte Liebesworte schon vor langer Zeit betrogen worden waren.
Es war lange her, sehr lange, seit Tanaros über diese Dinge nachgedacht hatte, über all die kleinen Dinge, die insgesamt sein Wesen ausmachten, und er dachte auch jetzt nicht an sie, denn der Ruf seines Herrn brannte wie ein Leuchtfeuer in seinem Geist. Und unter seiner Kleidung, unter der glänzenden Rüstung, die ihn umgab, glühte sein Brandmal wie Lebensfeuer auf seinem Fleisch, brennend heiß und kalt wie Eis, pulsierend wie sein Herzschlag, aber durchdringender.
So war es für die Drei.
»Wächter«, sagte er grüßend.
»Heerführer Tanaros, Herr.«Der diensthabende Fjeltroll der Finsterfluchter Wacht grinste und zeigte dabei seine Augenzähne. Seine Waffen hingen an ihm wie Felsblöcke kurz vor dem Abgang einer Lawine, und er hob einen scharfzackigen Streitkolben zum Gruß, als er zur Seite trat. Hinter ihm gähnte der Aufgang zur Turmtreppe wie ein offener Schlund. »Der Fürst erwartet Euch in der Sternwarte.«
»Krognar«, sagte Tanaros, der sich an den Namen des Trolls erinnerte. »Ich danke Euch.«
»Gern geschehen, Heerführer.« Der Fjeltroll salutierte erneut.
Es war ein langer Aufstieg zur Sternwarte, zur höchsten Spitze des höchsten Turms von Finsterflucht. Tanaros mühte sich Schritt für Schritt hinauf und spürte, wie die Anstrengung sein Herz immer schneller schlagen ließ. Ein sterbliches Herz, eingefasst von der silbrigen Narbe seines Brandzeichens. Letzten Endes war er ein Mensch, mehr nicht. Es war der Fürst gewesen, der ihn zu einem der Drei gemacht hatte, dem Tod entzogen. Er hörte seinen Atem stoßweise gehen. Sterbliche Lungen, von Blut durchströmt. Wie lange hatten sie diese Aufgabe schon versehen? Es war tausend Jahre her, länger noch, dass Tanaros dem ersten Ruf seines Herrn gefolgt war, die Hände rot vom Blut derjenigen, die er einmal geliebt hatte, das Herz erfüllt von Wut und Pein. Es kam ihm länger vor.
Kurz fragte er sich, wie Vorax den langen Aufstieg wohl bewältigen mochte.
Dunkelheit führte in Spiralen von Dunkelheit hinauf. Breite Stufen, von Fjeltrollen aus dem Stein geschlagen und dazu geschaffen, ihren großen, hornigen Füßen Halt zu geben. Tanaros streckte die Hand aus und berührte die gewölbte Wand des Turms, ließ die Finger darüberstreifen. Es hätte brennen sollen, das Feuermark, und es brannte auch, aber nur ein wenig. Hier oben verzweigten sich die Adern wieder und wieder und wurden dünner und dünner, je weiter sich der Turm in die Dunkelheit erhob.
Hier oben war es immer dunkel.
Tanaros hielt am Eingang der Sternwarte inne und wartete, bis sich seine Augen an das schummrige Licht gewöhnt hatten. So dunkel. Es war immer dunkel. Selbst die Fenster gingen ins Dunkel hinaus, in den Nachthimmel. Dort waren die Sterne, die am wolkenverhangenen Tag niemals zu sehen waren.
»Herr.« Er verbeugte sich schwungvoll und korrekt, wie er das schon seit endlosen Jahrhunderten getan hatte.
»Tanaros.« Die Stimme grollte; sie beruhigte, lockerte seine Gelenke, ließ ihn die Steifheit von Jahrhunderten verlieren, von betrogener Ehre, nie vergessen. So war es immer. In der Dunkelheit hob sich der Schöpfer vor den nachtschwarzen Fenstern ab, breite Schultern verdeckten die Sterne. Ein Augenpaar leuchtete wie rote Glut. »Du bist gekommen.«
Tanaros holte tief Luft und fühlte, wie sich seine Lungen entspannten. »Jederzeit, Fürst Satoris.«
»So ist es gut.«
In einem geschnitzten Stuhl in einer Ecke saß Vorax, die stämmigen Beine übereinandergeschlagen, fächelte sich Kühlung zu und atmete schwer. Vor langer Zeit war er ein Fürst des Menschengeschlechts gewesen, der in den kühlen Landen von Stakkia lebte, weit im Norden. Völlerei, Gier und die rücksichtslose Suche nach dem eigenen Vorteil hatten ihn dazu bewogen, dem Ruf des Schöpfers zu folgen und einer der unsterblichen Drei zu werden. Er grinste Tanaros von dem Platz, auf dem er es sich bequem gemacht hatte, entgegen und sein Bart floss ihm über die fassbreite Brust. »Große Ereignisse werfen dunkle Schatten voraus, Vetter! Nicht wahr?«
»Wenn du meinst, Vetter.« Tanaros setzte sich nicht in Gegenwart seines Herrn. Vor langer Zeit hatte er in Gegenwart seines Königs in Habachtstellung gestanden, und so hielt er es auch jetzt, da ein noch Größerer zugegen war. Seine Treue mochte nun einem anderen gelten, doch das Protokoll blieb das gleiche. Er neigte ehrerbietig den Kopf. »Wir warten noch auf den Traumspinner, Herr?«
»Ja.« Der Fürst wandte sich zum westlichen Fenster und sah hinaus in die Nacht. »Sag mir, Tanaros, was kannst du dort drüben erkennen?«
Er begab sich an die Seite seines Herrn. Es war, als stünde man neben einer befeuerten Schmiede, und die Kraft des Schöpfers brandete in Wellen gegen seine Haut. Ein eigenwilliger Geruch hing in der Luft, kupferartig und süß, wie frisch vergossenes Blut, nur stärker. »Wo, Herr?«
»Dort.« Satoris deutete nach Westen mit unfehlbar gerade ausgestrecktem Arm.
Wie auch anders. Natürlich. Im Westen lag Torath und die Souma, das Auge in der Stirn des Uru-Alat – und Fürst Satoris war ein Schöpfer. Seine Brüder und Schwestern mochten ihn verstoßen haben, und ihre Verbündeten mochten ihn beschimpfen und ihn Weltenspalter, Fluchbringer und Lügenfürst nennen, aber er war ein Schöpfer. Tag oder Nacht, ob über oder unter der Erde, er wusste stets, wo die Souma lag.
Jenseits des Trennenden Meeres.
Tanaros schloss die Finger um die Kante des Fensterflügels und blickte westwärts in die Nacht. Die Kämme der niedrigen Berge, die Finsterflucht umgaben, ragten im silbrigen Licht des abnehmenden Mondes auf. Weit, weit dahinter konnte er einen ganz schwachen Schimmer am entfernten Horizont ausmachen, dort, wo das Meer begann. Unter ihnen war es ruhig, nur gelegentlich drangen Rasseln und Klappern aus den Lagern der Fjeltrolle, oder ein Ruf brach die Stille.
Über ihnen hing der Nachthimmel, über den dünne Wolken jagten, und zwischen ihnen leuchteten die winzigen Lichter der Sterne und der abnehmende Mond. Wie es seit Anbeginn der Zeiten gewesen war, seit Arahila die Schöne die Himmelslichter geschaffen hatte, damit das Menschengeschlecht die Dunkelheit nicht fürchten musste.
Nein.
Dort … dort. Tief über dem Horizont, ein Stern.
Ein roter Stern.
Er war kaum zu erkennen, aber er war dort. Sein Licht pulsierte schwach und unstet, rot.
Leder und Stahl ächzten, als Vorax seinen massigen Körper in Bewegung setzte, und sein Atmen drang deutlich hörbar durch das Turmzimmer; es wurde lauter, als nun auch er den Stern entdeckte und zischend die Luft einzog. »Ein roter Stern«, sagte er. »Der war vorher noch nicht da.«
Tanaros, der seit vielen Jahren keine Angst mehr verspürt hatte, fühlte sie jetzt. Er ließ den Fensterflügel los und streckte die Hände, schmeckte die Furcht und wünschte sich sein schwarzes Schwert an seine Seite. »Was ist das, Herr?«
Der Schöpfer sah den roten Stern an, wie er weit entfernt schimmerte. »Eine Warnung.«
»Wovor, Herr?« Der Geschmack von Angst in seinem Mund. »Von wem?«
»Von meiner Älteren Schwester.« Die Stimme war so sanft, wie der Schöpfer es vermochte, durchdrungen von langen Zeitaltern voller Leid. »Oh Arahila!«
Tanaros schloss die Augen. »Wie kann das sein, Herr? Die Souma ist zerschmettert, Urulat gespalten … wie kann Arahila ein solches Ding erschaffen?«
»Dergail«, sagte Vorax. »Dergails Soumanië.«
Ein Splitter der Souma, lang schon abgespalten, ein Splitter, aus dem Haomane der Erstgeborene, der Oberste der Schöpfer, ein Juwel geschaffen hatte, eines von dreien. Er war verloren gegangen, noch bevor Tanaros geboren wurde, als Haomane seine drei weisen Gesandten ausgeschickt hatte, um gegen seinen Herrn Krieg zu führen. Der Gesandte Dergail, der den Pfeil des Feuers getragen hatte, war besiegt worden und hatte sich ins Meer gestürzt, um zu verhindern, dass das Juwel oder die Waffe in die Hände des Feindes fiel. Seit mehr als tausend Jahren galten beide als verloren.
»Ja«, sagte Satoris und blickte hinaus. »Dergails Soumanië.«
Tanaros’ Mund war trocken. »Was bedeutet das, Herr?«
Satoris der Drittgeborene sah zum roten Stern hinauf, und das blasse Licht des Mondes spiegelte sich silbern auf seinem dunklen Antlitz. Ruhig, so ruhig war er! Bewegungslos stand er da und sah hinaus, während aus der nicht heilenden Wunde endlos der Ichor rann und eine schimmernde Spur die Innenseite seines Schenkels benetzte.
»Krieg«, sagte er. »Es bedeutet Krieg.«
Von der Treppe waren Schritte zu hören, schnell und leicht, die Uschahins Ankunft ankündigten. Das Halbblut betrat das Zimmer und verbeugte sich. »Fürst Satoris.«
»Traumspinner«, begrüßte ihn der Schöpfer. »Bringst du Neuigkeiten?«
Im dämmrigen Licht lag eine gewisse Schönheit in den zerstörten Zügen. Das Lächeln des Halbbluts war wie eines Messers Schneide, tödlich und bitter. »Ich habe die Ebene von Curonan schnell wie der Wind überquert, Herr, und bin durch die Träume der Menschen geschritten, als sie schliefen. Ich bringe Neuigkeiten. Cerelinde von den Ellylon, Elterrions Enkeltochter, hat eingewilligt, Aracus Altorus aus dem Menschengeschlecht zu heiraten.«
Wenn eine Tochter des Elterrion einen Sohn des Altorus ehelicht …
Es war ein Teil der Prophezeiung Haomanes, eines jener Geschehnisse, nach deren Eintreffen – so hatte es der Gedankenfürst gesagt – Satoris überwältigt und besiegt und Urulat schließlich von den sechs verbliebenen Schöpfern beherrscht werden würde.
Vorax fluchte mit dem typischen Einfallsreichtum eines Stakkianers.
Tanaros schwieg. Er erinnerte sich.
Aracus Altorus.
Einst hatte es einen anderen aus diesem Geschlecht gegeben. Nicht nur einen, viele andere. Altorus der Weitsichtige war der Erste gewesen, im Ersten Zeitalter der Gespaltenen Welt. Für Tanaros, der in den Jahren schwindenden Ruhms geboren worden war, gab es nur einen: Roscus Altorus, den er einst »König« und »Herr« genannt hatte. Roscus, den er mehr geliebt hatte als einen Bruder. Rotgoldenes Haar, lächelnder Mund und eine starke Hand, die die seine voller Freundschaft drückte.
Oder voller Liebe, als er die Hand von Tanaros’ Weib ergriffen hatte. Als er sie sein Eigen genannt, sie genommen hatte. Als er sie in sein Bett geführt und ihr ein Kind gemacht hatte.
Tanaros bebte vor Hass.
»Ruhig Blut, Vetter.« Vorax’ Hand lag schwer auf seiner Schulter, und Mitgefühl erklang in der Stimme des Stakkianers. Sie kannten sich gut, die Drei, nach all den langen Jahren. »Das geht uns alle an.«
Uschahin Traumspinner sagte nichts, aber seine Augen leuchteten in der dunklen Kammer. Beinahe schwarz das eine, die Pupille rund und groß, die andere nahm ab und zu wie der Mond und war von einer bleichen, starren Iris umgeben. So war es, seit man ihn einst aufs Übelste zugerichtet und liegen gelassen hatte, in der Annahme, er sei tot. Die Menschen sagten, es bringe Wahnsinn, ihm in die Augen zu sehen. Was die Ellylon dachten, wusste niemand.
»Satoris, Herr.« Tanaros hatte seine Sprache wiedergefunden. »Was verlangt Ihr von uns?«
»Seid bereit.« Ruhig, immer noch so ruhig, obwohl es schien, als ob der Ichor schneller aus der Wunde rann und die feuchte Spur sich verbreiterte. »Tanaros, dir obliegt der Befehl über die Heere. Jene Mannen, denen Urlaub gewährt wurde, müssen wieder zum Dienst gerufen werden, und jede Schwadron muss in voller Stärke antreten. Auch müssen neue Krieger angeworben werden. Vorax, überprüfe unsere Versorgungslinien und jene Verbündeten, die man bestechen oder kaufen kann. Uschahin …« Der Schöpfer lächelte. »Tue das, was du immer tust.«
Sie verbeugten sich alle drei und führten die geballte Faust zum Herzen.
»Wir werden Euch nicht enttäuschen, Herr«, sagte Tanaros für sie alle.
»Meine tapferen Krieger.« Satoris’ Worte hingen sanft in der Luft. »Mein Bruder Haomane will mir ans Leben, um den langen Streit zwischen uns zu beenden. Das ist euch bekannt. Aber alle Waffen und Prophezeiungen der Gespaltenen Welt werden ihm nichts nützen, solange der Dolch Gottestöter in unserem Besitz bleibt, und dort, wo er liegt, können ihn keine anderen Hände berühren als die meinen. Dies verspreche ich euch: Solange das Feuermark brennt, werde ich in Finsterflucht herrschen, und ihr drei werdet an meiner Seite sein. Dieser Pakt wurde mit eurem Brandzeichen besiegelt, und ich werde ihn nicht brechen. Nun geht und sorgt dafür, dass wir bereit sind.«
Sie gingen.
Am Horizont flimmerte der rote Stern des Krieges.
»Dann gibt es also Krieg.«
Trotz seines massigen Körpers waren die Hände des Fjeltrolls flink und geschickt und arbeiteten sauber, während er selbst mit seinen Gedanken anderswo war.
»Es sieht so aus.« Tanaros sah Hyrgolf zu, wie dessen riesige Pranken ein Rhios formten und dabei dem Granitstück mit Krallen und roher Gewalt zu Leibe rückten. Es war schon fast fertig, nur die Kanten mussten noch abgeschliffen werden, und die ausdrucksvollen Gesichtszüge fehlten. »Du wirst alle Mannen zurückrufen? Und tausend neue anwerben lassen?«
»Jawohl, Heerführer.« Sein Feldmarschall blies über den Stein und pustete den Granitstaub aus den winzigen Rillen. Er hielt das Rhios in seiner schwieligen Handfläche und hob es auf Augenhöhe, um es genau zu betrachten. Eine Quellnymphe, rund wie ein Ei, lag seltsam zart auf der gelblichen, ledrigen Haut. »Wie gefällt es Euch?«
»Es ist wunderschön.«
Hyrgolf kniff die Augen zusammen. Er hatte kleine, harte Augen wie ein wilder Eber, und er gehörte zu den Tungskulder-Fjel, breitschultrig und stark und verlässlich. »Einige werden sich über diese Nachrichten freuen.«
»Solche gibt es immer«, sagte Tanaros. »Sie sind es, die man im Auge behalten muss.«
Der Fjeltroll nickte, feilte noch ein wenig an der kleinen Figur herum und schmirgelte winzige Granitkörner ab. »Solche gibt es immer.«
Unholde nannten die Menschen sie, Höhlengräber, Schafschlächter, kaum besser als Vieh. Tanaros hatte das selbst einmal geglaubt. Zu jener Zeit, als die Söhne des Altorus ein mächtiges Königreich im Südwesten regierten und er der Oberbefehlshaber der Wache gewesen war, der Altorias Grenzen gegen Satoris’ Truppen verteidigen musste, gegen die tödlichen Wehre und die entsetzlichen Fjeltrolle. Zu jener Zeit, als er noch ein verheirateter, sehr verliebter Mann und ein treuer Diener gewesen war, der einen kühnen, lachenden Mann mit rotgoldenem Haar seinen Herrn und König nannte.
Roscus. Roscus Altorus.
Oh Geliebte, Geliebte! Tanaros erinnerte sich, und wieder fragte er sich: Wie konntest du uns das antun?
Irgendwo holte ein kleines Kind tief Luft und begann zu schreien.
So viel Zeit war verstrichen, und doch war die Wunde nicht verheilt. Sein Herz schmerzte immer noch, es schlug und schmerzte unter dem silbernen Brandmal, das es umgab, und das machte den Schmerz erträglich. Es war nach ihrem Verrat zersprungen, zersplittert wie die Souma. Und in dieser Dunkelheit hatte Satoris ihn gerufen, und er war gekommen, denn es war die einzige Stimme gewesen, die in der Lage gewesen war, die Leere in ihm zu durchdringen.
Jetzt … jetzt.
Jetzt war alles anders, jetzt war er einer der Drei. Tanaros, Heerführer Tanaros, Tanaros Schwarzschwert, und dieses Geschöpf, Hyrgolf der Fjeltroll, war sein Stellvertreter und ein vertrauter Gefährte. Denn auch wenn er zweimal so groß und breit war wie ein Mensch und seine Augenzähne zeigte, wenn er lächelte, war er doch loyal und treu.
»Ihr denkt an sie«, sagte Hyrgolf.
»Ist das so offensichtlich, mein Freund?«
»Nein.« Hyrgolf pustete den Staub von dem Rhios und sah es, die kleine Figur hin und her drehend, wieder genau an. »Aber ich kenne Euch, mein Heerführer. Und ich kenne die Geschichten. Es ist besser, nicht daran zu denken. Die Toten sind tot und vergangen.«
Ihr Hals unter seinen Händen, weiß und schlank, ihre Augen, wie sie hervortraten, als sie ihm endlich glaubten. Eine zerstörerische Gewalt. Und irgendwo schrie ein Kind, rotgoldene Locken feucht um den weichen Kopf. Ein Kind, das er am Leben gelassen hatte.
Tanaros erinnerte sich und bewegte die Hände, seine geschickten Hände, dann ließ er die Schultern unter dem Gewicht der Erinnerung fallen. »Ich habe zu lange gelebt, um zu vergessen, mein Freund.«
»Hier.« Breite Hände ergriffen die seinen und legten etwas hinein. Dreckgeschwärzte Krallen fuhren über seine Handgelenke. Ein kleines Ding, eiförmig und warm. Tanaros umschloss das Rhios mit den Handflächen. Eine Nymphe, eine Quellnymphe. Ihr zartes Gesicht lachte ihm zwischen seinen Daumen entgegen. Eine Figur, die Ruhe ausstrahlte, von lachsfarbenen Streifen durchzogen. Er musste an hurtige Stromschnellen denken, an sanfte Strudel in Gewässern voller Laich.
»Hyrgolf …«
»Behaltet es, Heerführer.« Der Fjeltroll lächelte ihn freundlich an und bot dabei einen schrecklichen Anblick. »Wir tragen sie bei uns, um uns zu erinnern, wir, die wir einst Neheris’ Kinder waren. Eines Tages, wenn die Gespaltene Welt wieder eins wird, werden wir vielleicht wieder die Ihren sein.«
Neheris die Viertgeborene, Neheris von den fallenden Wassern, die einmal die hohen Berge des Nordens und die schnellen, von ihnen herabströmenden Flüsse geformt und die auch die Fjeltrolle erschaffen hatte. Tanaros rieb das Rhios zwischen seinen Fingern. Der geschnitzte Stein war weich wie Seide und noch warm von Hyrgolfs Hand. Er fühlte sich gut an.
»So ist es recht.« Sein Feldmarschall nickte. »Behaltet es in Eurer Tasche, Heerführer, und es wird immer bei Euch sein.«
Er verstaute das Figürchen. »Danke, Hyrgolf.«
»Gern geschehen, Heerführer.« Der Fjel nahm eine Streitaxt zur Hand, suchte nach einem Wetzstein und machte sich dann mit derselben wachsamen Geduld daran, die Waffe zu schärfen. Der Wetzstein gab ein rhythmisches, schabendes Geräusch von sich, das die gemütliche Höhle erfüllte. »Ab sofort regelmäßige Waffenschauen, oder was meint Ihr?«
»Ja.« Tanaros rieb sich die Schläfen. »Sobald die zurückgerufenen Einheiten eintreffen, werden wir auch doppelt so viele Wehrübungen durchführen. Und ich möchte, dass Kundschafter in den Gängen patrouillieren und täglich berichten. Stell einen Posten an jedem Ausstieg zwischen unserem Lager und der Unbekannten Wüste auf, zwischen denen schnelle Boten Nachrichten austauschen. Auch hier will ich tägliche Berichte.«
»In Ordnung, Heerführer.« Hyrgolf prüfte die Klinge mit seinem schwieligen Daumen und nahm seine Arbeit wieder auf. »Pech für die Jungs, die demnächst Urlaub bekommen sollten.«
»Ich weiß.« Ruhelos erhob sich Tanaros, streckte die Beine und schritt dann in der kleinen Kammer des Feldmarschalls auf und ab. Wie alle Lager war auch dieses hier in eine Felsschulter hineingehauen worden. Die Fjeltrolle hatten Finsterflucht zwar nach den ihnen entsprechenden Maßen erbaut, aber Fürst Satoris war der kluge Kopf, der es entworfen hatte, und die komplizierte Großartigkeit der Burg entsprach ganz und gar seinem mächtigen Geist. Für sich selbst hatten die Fjeltrolle Mauern und Türme verschmäht und stattdessen ihre geliebten schlichten Höhlen in die Knochen der Erde gegraben, die nun das große Gebäude flankierten und schützten. Die meisten lebten in Gemeinschaftsunterkünften; Hyrgolf hatte seinem Rang entsprechend ein eigenes Reich. Darin befanden sich eine mit Schaffellen ausgekleidete Schlafstatt, seine Waffen und Ausrüstung sowie ein paar einfache Gegenstände von zu Hause. Tanaros blieb vor einer in die Wand eingelassenen Nische stehen, die eine fast heruntergebrannte Talgkerze und ein grob geschnitztes Rhios enthielt.
»Der erste Versuch meines Jungen«, sagte Hyrgolf hinter ihm, und Stolz schwang in seiner Stimme mit. »Gar nicht schlecht für so einen kleinen Racker, was?«
Tanaros stützte sich gegen die Wand und senkte den Kopf. »Du hättest auch demnächst Heimaturlaub bekommen.«
»In zwei Monaten.« Der Wetzstein surrte gleichmäßig weiter. »Das ist eben Pech, oder? Wir wussten ja, dass dieser Tag einmal kommen würde.«
»Ja.« Er wandte sich wieder zu dem Fjeltroll um. »Wie wird sie bei deinen Leuten erzählt?«
»Die Prophezeiung?« Hyrgolf schüttelte den massigen Kopf. »Die erzählt man sich bei uns nicht, Heerführer.«
Nein, natürlich nicht. Im Ersten Zeitalter der Gespaltenen Welt, als Satoris schwer verwundet und so schwach war wie nie zuvor, als Haomane der Erstgeborene die Souma beschworen und die Sonne so nahe an die Erde gebracht hatte, dass sie das Land verbrannte und die Unbekannte Wüste schuf, hatten die Fjeltrolle Satoris Unterschlupf geboten und ihm die Treue geschworen. Nachdem seine Gesandten geschlagen worden waren, hatte Haomane seinen Verbündeten die Prophezeiung ins Ohr geträufelt. Den Fjel hatte man sie nicht mitgeteilt.
Stattdessen wurden sie dadurch verurteilt.
»Und dennoch haltet ihr Neheris in Ehren«, sagte Tanaros und spielte mit dem Rhios in seiner Tasche. »Eine der Sechs, die sich auf Haomanes Seite schlug, gegen unseren Herrn. Warum, Hyrgolf?«
»Dieser Streit ist eine Angelegenheit zwischen den Schöpfern«, sagte Hyrgolf schlicht und legte die Axt hin. »Ich maße mir nicht an, sie zu begreifen. Wir schlossen einen Pakt mit unserem Herrn, und er hat ihn zu ehren gewusst, von Generation zu Generation. Er hat uns nie aufgefordert, uns von Neheris abzukehren, die uns einst schuf.«
»Nein«, sagte Tanaros, der sich an den Ausruf seines Herrn erinnerte, Oh Arahila! »Das würde er nicht verlangen.«
Wieder spielte er mit dem Rhios in seiner Tasche und wünschte sich, den einfachen Glauben eines Fjeltrolls zu besitzen. Den Menschen war er nicht gegeben, sie waren mit zu vielen Gaben gesegnet worden, um sie leicht tragen zu können. Oh Arahila! Zweitgeborene unter den Schöpfern, Arahila die Schöne, Herzenswarme. Hättest du uns doch mit weniger bedacht.
»Wie erzählt man sie bei deinem Volk?«, fragte Hyrgolf. »Die Prophezeiung, meine ich.«
Tanaros ließ das Rhios los und ballte die Fäuste in seinen Taschen, als er den Marschall ansah. »In Altoria«, sagte er mit harter Stimme, »wurde sie, als ich ein Kind war, so erzählt: ›Wenn das Unbekannte einst bekannt ist, die verlorene Waffe gefunden, das Feuermark erloschen und der Gottestöter befreit, wenn eine Tochter des Elterrion einen Sohn des Altorus ehelicht, wenn der Speer des Lichts zurückkehrt und der Helm der Schatten zerschlagen wird, dann sollen die Fjeltrolle fallen und die Wehre geschlagen werden, noch ehe sie sich erheben. Der Weltenspalter wird nicht mehr sein, die Souma wird wieder strahlen, die Gespaltene Welt wird wieder eins und Haomanes Kinder werden überleben.‹«
Es dauerte ihn, das zu sagen, als ob die Fjeltrolle ihn irgendwie dafür verantwortlich machen würden. Und tatsächlich, wenn er damals das Kind getötet hätte … wenn er das Kind getötet hätte. Dann wäre die Linie des Hauses Altorus damals erloschen, und die Prophezeiung hätte es nicht gegeben.
Blaue Augen, milchig und fragend. Rotgoldenes Haar weich um den feuchten Kopf.
Er hatte es nicht tun können. Der Säugling, das Kind jener Verbindung, mit der man ihm Hörner aufgesetzt hatte, war nach Roscus der nächste Herrscher des Hauses Altorus geworden.
»Ja«, sagte Hyrgolf und nickte. »So habe ich es auch gehört. Die Gespaltene Welt wird wieder eins, aber wir werden darüber das Leben verlieren. Nun ja, diese Hochzeit ist ja nur ein Teil davon. Es muss noch wesentlich mehr geschehen, bis sich diese Prophezeiung erfüllt, und bei der Hälfte dieser Dinge weiß doch kaum jemand, was sie bedeuten.«
»Der Fürst weiß es«, sagte Tanaros. »Und Malthus.«
Sie tauschten einen Blick, Mensch und Fjel, als der Name ihres gemeinsamen Feindes fiel.
»Malthus«, grollte Hyrgolf aus tiefer Brust. Der weise Gesandte, Träger eines Soumanië, des Letzten der drei, der letzten großen Schöpfung Haomanes. »Ja, Malthus, Heerführer, das will ich nicht leugnen. Aber er ist jetzt nur noch allein, während wir die Drei in unseren Reihen haben.«
Tanaros, Vorax, Uschahin.
»Bete darum, dass wir genügen«, sagte Tanaros.
»Das tue ich, Heerführer«, sagte der Fjeltroll. »Das tue ich.«
Tanaros Schwarzschwert, Heerführer der Truppen von Finsterflucht, ging allein in sein Quartier, und ein Stein von der Größe eines Eis lag in seiner Tasche.
Gelegentlich berührte er ihn, wenn er des Gefühls von Sicherheit bedurfte.
Anderswo im Lande Urulat brannten niedrige Flammen in den Lampen der Archive von Meronil im Hause Ingolins. Eine ältliche Gestalt in den Gewändern eines Gelehrten hatte sich über einen ledergebundenen Folianten gebeugt und murmelte vor sich hin. Das karge Licht der Lampe beschien den grauen, verworrenen Bart des Mannes, legte Schatten auf die tiefen Runzeln seines Gesichts und ließ seine Züge hart hervortreten. Um ihn herum türmten sich die großartigen Schätze, die in diesem Archiv sicher verwahrt wurden.
Langsame und gesetzte Schritte, von den eleganten Teppichen gedämpft, näherten sich.
»Alter Freund«, sagte Ingolin, der letzte Fürst der Ellylon. »Du solltest dich ausruhen.«
Der Kopf mit der scharf geschnittenen Nase und den harten Augen unter dichten Brauen hob sich. »Du weißt, wieso ich das nicht kann.«
»Es ist ein Freudentag, alter Freund«, erinnerte ihn der Ellyl.
Malthus der Gesandte lachte freudlos. »Kannst du mir verraten, wie man das Feuermark verlöschen lässt, weiser Ingolin? Kannst du das Unbekannte bekannt werden lassen?«
»Du weißt, dass ich es nicht kann.« Schicksalsergebene Ruhe lag in der Antwort des Ellyl. Nach der Art seines Volkes hatte sein Leben schon lange Jahre gedauert, und ihm waren die Grenzen seines eigenen Wissens bewusst. »Dennoch, Cerelinde hat sich endlich gefügt, und Aracus Altorus hat dem alten Stolz seines Hauses entsagt. Wie es scheint, haben beide die Liebe gefunden. Ein Stück der Prophezeiung wird sich erfüllen, und der Fortbestand der Riverlorn ist gesichert. Dürfen wir uns darüber nicht freuen?«
»Es genügt nicht.«
»Nein.« Ingolins Blick wanderte unwillkürlich nach Westen, wo Dergails Soumanië am Himmel stand. »Alter Freund«, sagte er fragend, und zum ersten Mal seit Jahrhunderten zitterte seine Stimme. »Hast du die Antworten zu jenen Fragen, die du mir stellst?«
»Vielleicht«, sagte Malthus der Gesandte langsam und rieb sich die Nasenwurzel; dann sah er den Fürsten der Ellylon mit Raubvogelblick an. »Vielleicht. Aber der Weg dorthin wird lang und schwer sein, und es gibt noch viele Dinge, bei denen ich unsicher bin.«
Ingolin breitete die Hände aus. »Die Hilfe der Riverlorn sei dir gewährt, Malthus. Sag uns, wie wir dir dienen können.«
»Gar nicht«, sagte Malthus der Gesandte. »Das ist es ja gerade.«
In einem anderen Flügel von Ingolins Haus war das Feuer im großen Kamin beinahe heruntergebrannt. Cerelinde, die Enkeltochter Elterrions, sah blicklos auf die Flammen und dachte über jene Tat nach, zu der sie sich am heutigen Tage entschlossen hatte.
Sie war die Hohe Frau der Ellylon, die letzte Nachfahrin des Hauses Elterrion. Nach der Rechnung ihres Volkes war sie noch jung, nach der Spaltung der Welt geboren, als die trauernden Ellylon den Namen Riverlorn für sich gewählt hatten. Ihre Mutter war Erilonde gewesen, die Tochter Elterrions des Kühnen, des Fürsten der Ellylon, und sie war im Kindbett gestorben. Ihr Vater war Celendril aus dem Hause Numireth des Flinken, und er war in der Schlacht gegen Satoris Fluchbringer im Vierten Zeitalter der Gespaltenen Welt gefallen.
Hätte die Menschen nicht an jenem Tage der Mut verlassen, hätte ihr Vater vielleicht überlebt. Haomanes Verbündete hätten vielleicht obsiegt, und die Welt wäre wieder ganz geworden.
Sie hatte den Glanz der Souma und von Haomanes Gegenwart niemals erlebt, sie kannte nur den tiefen, dauerhaften Schmerz von deren Abwesenheit.
Dieses bittere Wissen hatte sie in sich beherbergt, während nach der Rechnung der Menschen viele Generationen geboren und gestorben waren, denn die Zeit berührte sie nicht. Sie hatte über Jahrhunderte hinweg verfolgt, wie die stolzen Könige Altorias, Altarus’ Söhne, zu Männern heranwuchsen und den Thron bestiegen, wie sie liebten, Kriege führten, sich mit ihren Taten brüsteten, vergingen und starben. Sie hatte zugesehen, wie sie sich von ihrer alten Freundschaft mit den Ellylon abwandten, hatte erlebt, wie Satoris Fluchbringer seine Rache plante und das Königreich Altoria zerstörte. Dann hatte sie nicht mehr zugesehen, als die letzten Nachfahren des einst so mächtigen Geschlechts zu bloßen Grenzwächtern von Curonan herabsanken.
Doch schließlich war Aracus gekommen, Aracus Altorus, der schon in jungen Jahren von Malthus dem Gesandten erzogen worden war. Wie sie, so war auch er der Letzte seiner Linie.
Und er war anders als alle, die ihm vorangegangen waren.
Das hatte sie auf den ersten Blick erkannt. Anders als die anderen, als die ruhmreichen Könige Altorias, war sich Aracus der kurzen Zeitspanne bewusst, die ihm zugebilligt war, und er hatte sie gegen den großen Plan des Weltenspalters gesetzt und war entschlossen, sie bestmöglich auszunutzen. Das hatte sie in seinem Gesicht gelesen, in dem fordernden Blick seiner auseinanderstehenden Augen.
Er begriff, welchen Preis sie beide würden zahlen müssen.
Und in ihr … war ein Begehren aufgewallt.
Auf dem Gang vor ihrer Tür hörte sie den Tritt seiner Stiefelabsätze, die lauter hallten als der Schritt eines Ellylon. Sie hörte den leisen Wortwechsel mit den Wachen Fürst Ingolins. Und dann stand er in ihrem Zimmer, vor der Feuerstelle, und der Geruch nach Pferd, nach Leder und Nachtluft hing an seinem mattgrauen Mantel. Er war schnell geritten, um möglichst bald wieder an ihrer Seite zu sein. Als er sprach, war seine Stimme heiser vor Müdigkeit.
»Cerelinde.«
»Aracus.«
Sie erhob sich, um ihn zu begrüßen. Für einen Menschen war er groß; ihre Augen befanden sich auf einer Höhe. Sie blickte ihm forschend ins Gesicht. Es war seltsam, im schwachen Licht des Feuers den Schatten eines rotgoldenen Barts auf seinem Kinn zu sehen. Er war Arahilas Kind, nicht von ihrer Art.
»Ist es geschehen?«, fragte sie.
»Ja«, erwiderte er. »Die Grenzwacht verbreitet nun die Nachricht von unserem Verlöbnis.«
Cerelinde wandte den Blick ab. »Wie lange wird es dauern, bis sie die Ohren des Weltenspalters erreicht?«
»Das hat sie bereits.« Er nahm ihre Hand. »Cerelinde«, sagte er. »Der Weltenspalter zeigt offen seinen Widerstand. Der Rote Stern des Krieges ist aufgegangen. Ich sah ihn auf meinem Ritt.«
Ihre Finger bebten unter seinen Händen. »So schnell!«
Seine Stimme wurde nun sanfter. »Du weißt, was man erzählt, Herrin meines Herzens. Einer der Drei geht um in den Träumen sterblicher Menschen.«
»Der Fehlgezeugte.« Cerelinde schauderte.
Aracus nickte. »Ja.«
Cerelinde sah auf ihre vereinten Hände. Seine Finger lagen warm, schwielig und rau an ihrer weichen Haut. Ihr wollte es scheinen, als ob sie sein lebendes Blut in ihnen pochen fühlte, drängend und sterblich, das nach ihr rief. Sie versuchte, nicht an Uschahin den Fehlgezeugten zu denken, aber es gelang ihr nicht.
»Unsere Kinder …«, begann sie.
»Nein!« Schnell und hart fiel Aracus ihr ins Wort. Sein Griff verstärkte sich, fast tat es weh. »Sie werden nicht so sein wie jener«, raunte er. »Hervorgebracht durch Gewalt und Hass, ausgestoßen und verstümmelt. Wir ehren die Prophezeiung. Unsere Kinder werden in Liebe empfangen werden, in Übereinkunft mit dem Willen Haomanes und Arahilas.«
Sie legte ihre freie Hand auf seine Brust. »Liebe.«
»Ja, Herrin meines Herzens.« Er bedeckte ihre Hand mit der seinen und sah sie an. »Und niemals weniger als das. Das schwöre ich dir. Obwohl mein Herz schnell und sterblich in meiner Brust schlägt, ist es doch treu. Bis zu meinem Tod ist es dein.«
»Oh Aracus!« Sein Name blieb in ihrer Kehle stecken. »Wir haben so wenig Zeit!«
»Ich weiß«, murmelte er. »Ich weiß es nur zu gut.«
Anderswo im Lande Urulat kroch die Nacht nach Westen.
Langsam schob sie sich voran, ein vergoldeter Rand, der zum Blau des Zwielichts verblasste und den Mantel der Dunkelheit hinter sich herzog. Wo er vorüberzog – über die Felder und Obstgärten von Vedasia, die stinkenden Sümpfe des Deltas, die Harrington-Bucht, die Unbekannte Wüste und Stakkia und Seefeste und Curonan –, gingen die Sterne auf.
Er erreichte die hohen Berge von Pelmar, und dort stand eine Frau an einem steilen Abhang vor einer Höhle. Auf ihrer Stirn trug sie, eingefasst in einen Reif, ein Juwel, das so rot leuchtete wie der niedrig am westlichen Horizont stehende Stern.
Sie hieß Lilias, doch Menschen und Ellylon nannten sie die Zauberin des Ostens. Einst war sie eine sterbliche Frau gewesen, die Tochter eines reichen pelmaranischen Grafen. Der Osten war das Land von Oronin dem Letztgeborenen, in dessen Gefolge der Tod ritt, und seine Hand ruhte auf jenen Menschen, Arahilas Kindern, die sich in Pelmar niederließen, als ihre Zahl unaufhörlich wuchs. Man erzählte sich, dass jene von edler Geburt hören konnten, wenn Oronins Horn ihnen den Tod verhieß.
Lilias fürchtete den Tod. Sie hatte ihn einst gesehen, in den Augen eines jungen Mannes, mit dem ihr Vater sie vermählen wollte. Er war der Sohn eines Herzogs, gut gewachsen und von sanfter Art, aber sie hatte in seinen Augen ihr unausweichliches Schicksal erkannt, das nahende Alter und viele Generationen noch ungeborener Kinder, und sie hatte das Echo von Oronins Horn vernommen. Es war das Schicksal von Arahilas Kindern, und die mächtige Fessel ihres Seins hielt sie fest umklammert und ließ sie nicht entkommen.
Und so war sie in die Berge geflohen. Sie stieg hinauf, weit hinauf, höher als ihre Brüder es je gewagt hatten, erklomm die Höhen von Beschtanag und versteckte sich in den Höhlen des Berges. Dort begegnete sie dem Drachen.
Er hieß Calandor, und wie alle seiner Art war er unsterblich. Hätte er Hunger verspürt, so hätte er sie vielleicht mit Haut und Haaren gefressen, aber ihn hungerte gerade nicht, und daher fragte er sie, weshalb sie weinte.
Unter Tränen erzählte sie es ihm.
Zwei Ströme von Rauch entwichen seinen Nüstern, denn so lachten die Drachen. Damals vertraute er ihr einen großen Schatz an: einen der verlorenen Soumarië, Ardraths Juwel, das seit vielen Jahrhunderten verschwunden war. Ein einfacher Soldat hatte den Edelstein, den er für einen schlichten Rubin gehalten hatte, auf dem Schlachtfeld aufgelesen. Danach verlor sich seine Spur, bis er sich im Schatz eines Drachen wiederfand, der ihn einer Sterblichen zum Geschenk machte, die nicht zu sterben wünschte.
Derart war die Launenhaftigkeit der Drachen, deren Wissen groß und unergründlich war. Calandor lehrte sie viele Dinge; als Erstes, wie sie mithilfe des Soumanië die Fessel ihres Seins strecken und damit ihren Tod hinauszögern konnte.
Nun fühlte sie keine Angst mehr.
Das alles lag schon lange zurück. Lilias’ Familie war längst tot, ihr Geschlecht vergessen. Sie war die Zauberin des Ostens und besaß große Macht, die sie weder mit besonders großer Weisheit noch mit besonders großem Leichtsinn gebrauchte. Sie erlaubte es Oronins Kindern, den Wehren, frei in den Wäldern von Beschtanag zu jagen, obgleich sie andernorts dafür geschmäht wurden, dass sie Satoris dem Weltenspalter im letzten großen Krieg zur Seite gestanden hatten. Die Regenten von Pelmar fürchteten Lilias und ließen sie in Frieden, und mehr verlangte sie nicht.
Und bisher hatten es die Sechs Schöpfer genauso gehalten.
Lilias betrachtete den roten Stern am Horizont und fühlte, wie zum ersten Mal seit langen Jahrhunderten wieder Unruhe in ihr aufstieg. Dergails Soumarië war aufgegangen, und große Veränderungen standen bevor. Hinter ihr in der unergründlichen Dunkelheit erhob sich ein riesiger Schatten.
»Was bedeutet das, Calandor?«, fragte sie leise.
»Schwierigkeiten.« Das Wort drang unter schwefligem Atem hervor und verlor sich ein wenig unter der gewölbten Decke der großen Höhle. Ohne Angst legte sie eine Hand auf die krallenbewehrte Tatze neben ihr. Die rauen Schuppen fühlten sich warm an, die breiten Klauen glühten wie Roteisenerz und krallten sich in den Steinboden. Auf jeder Seite ragten Vorderläufe auf, die so groß und gewaltig wie Säulen waren. Hoch über und hinter ihrem Kopf konnte sie das Herz des Drachen schlagen hören, langsam und stetig wie der Puls der Erde.
»Für wen?«
»Für unssss.« Calandor beugte seinen sehnigen Hals bei dieser Antwort, und die Hitze seines Atems wärmte ihre Wange.»Für unsss, Liliasss.« Und es lag Leid und Bedauern in der Stimme des Drachen.
Ich werde keine Angst haben, sagte Lilias zu sich selbst. Ich werde keine Angst haben!
Sie berührte den Soumanië, den roten Stein auf ihrer Stirn, und sah nach Westen, wo sein Zwilling am Horizont flackerte. »Was sollen wir tun, Calandor?«
»Warten«, sagte der Drache und legte ihr seine Gedanken offen. »Wir warten, Liliasss.«
Und in diesem Augenblick wusste sie es, erfuhr Wissen, dessen eine Menschentochter niemals hätte gewahr werden sollen. Die Zauberin Lilias erbebte unter diesem Wissen. »Oh Calandor!«, rief sie aus, wandte sich um und barg ihr Gesicht am Schuppenpanzer der Drachenbrust, warm wie polierte Bronze. »Calandor!«
»Alle Dinge müssssen so sein, wie sie sind, kleine Schwessster«, sagte der Drache. »Alle Dinge.«
Und der rote Stern flackerte im Westen.
Zehntausende von Fjeltrollen erwarteten seine Befehle.
Es war die erste vollständige Heerschau seit dem Rückruf aller Truppen, und in den Reihen der Soldaten standen Altgediente neben jungen Rekruten. Über den Winter hatten sie alle hart gearbeitet und sich bei den vielen Wehrübungen ertüchtigt, die Tanaros befohlen hatte. Nun, an diesem Frühlingsnachmittag, sollten sie endlich zeigen, was sie gelernt hatten.
Trotz der schweren Gedanken, die Tanaros durch den Kopf gingen, konnte er doch nicht umhin, Stolz bei ihrem Anblick zu empfinden. So viele! Wie lange war es her, dass sich so viele Köpfe unter dem Befehl seines Herrn versammelt hatten? Das letzte Mal war es wohl beim Fall Altorias gewesen, vor vielen Jahrhunderten, als er ein großes Heer über die Ebene von Curonan geführt und die Herrschaft des Hauses Altorus im Südwesten Urolats für immer zerschlagen hatte. Die Ebene war seitdem Niemandsland. Wenn man sie selbst nicht besetzen konnte, gönnte man sie auch keinesfalls dem Feind.
Der sie nun erneut bedrohte.
»Hört mir zu!«, rief er, und seine Stimme schallte von den Hängen der Berge zurück. »Ein roter Stern ist im Westen aufgegangen! Der Feind droht uns mit Krieg! Soll er uns gewappnet antreffen, meine Brüder?«
Ein lautes Brüllen war die Antwort, und sein Pferd tänzelte zur Seite; es war ein rabenschwarzes Tier, ein herrlicher Hengst, dem der Schaum ums Gebiss stand. Der kräftige Hals war geschwungen, das Fell glänzte vor Schweiß. Vorax hielt sich an seiner Seite, gemütlich in seinem tief ausgeschnittenen Sattel sitzend, und lachte leise und kehlig in sich hinein. Während Tanaros eine schmucklose Rüstung trug, war der Stakkianer höchst prunkvoll gekleidet, und seine vergoldete Rüstung leuchtete wie eine kleine Sonne unter den tief hängenden Wolken.
»Ruhig«, raunte Tanaros seinem Hengst zu und zog die Zügel an. »Ganz ruhig.« Die Pferde von Finsterflucht waren eine ganz besondere Rasse. Der Hengst stand nun still, und Tanaros erhob die Stimme erneut. »Lasst uns tun, was wir am besten können, meine Brüder! Marschall Hyrgolf, auf meinen Befehl!« Und dann gab er die Anweisungen in den allgemein bekannten Begriffen. »Die Mitte hält die Stellung! Verteidigungsformation! Die linke Flanke rückt vor und greift an! Die rechte Flanke schlägt einen Haken und attackiert die Nachhut!«
Dies wurde unter dem grauen Himmel ausgeführt. In der Mitte schwenkten die Bannerträger ihre Flaggen, um den weiter außen stehenden Bataillonen die Vorgaben zu übermitteln, während Hyrgolf ebenfalls Befehle brüllte, in der Gemeinsamen Sprache, aber auch in der rauen Sprache der Fjeltrolle, die seine Unterbefehlshaber aufnahmen und weitergaben. Die Befehlskette war klar aufgebaut und lief reibungslos.