Elenas himmelblaue Kleider - Andreas Brandstätter - E-Book

Elenas himmelblaue Kleider E-Book

Andreas Brandstätter

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Beschreibung

Ein Tag kann alles verändern. Dieser Aussage konnte Samuel Forster noch nie etwas abgewinnen. Doch dann kommt alles anders. Samuel Forster oder Sam, wie er normalerweise genannt wird, ist bei einem Zeitungsverlag beschäftigt und führt ein ziemlich unzufriedenes Dasein, welches seiner gesamten Lebenseinstellung gleicht. Eines Tages erhält er einen Anruf von einer unbekannten alten Dame namens Elena Sakolova, die ihm eine Geschichte erzählen möchte. Anfangs ist Sam sehr misstrauisch und versucht, die Frau abzuwimmeln, denn an alten Geschichten ist er grundsätzlich nicht interessiert. Elena Sakolova gelingt es, Sam zu mehreren Treffen zu überreden. Dadurch verändert sich im Leben von Sam vieles zum Positiven. Sam wird durch die Erzählungen von Elena, auf wundersame Weise, für die wahren Werte des Lebens sensibilisiert. Oder ist es doch ganz anders? Ist er es selbst, der sich seiner Werte wieder bewusst wird? Es stellt sich die Frage: Steckt nicht in jedem von uns etwas von Sam?

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Seitenzahl: 172

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1: Ein Tag kann alles verändern

Kapitel 2: Eine Begegnung der besonderen Art

Kapitel 3: Am Tag, als der Regen kam

Kapitel 4: Es scheint immer die Sonne

Kapitel 5: Die Stimme der Vertrautheit

Kapitel 6: Die Offenheit des Herzens

Kapitel 7: Jeder Tag ist ein besonderer Tag

Kapitel 8: Die persönliche Einladung

Kapitel 9: Die wunderbare Verleihung

VORWORT

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Sie werden sich beim Lesen dieses Buches vielleicht fragen, ob es eine Ähnlichkeit zwischen Samuel Forster, dem unzufriedenen Mitarbeiter, der gerne die Schattenseiten des Lebens sieht und mir, dem Autor, gibt. Ich kann Ihnen diese Frage mit »JA« beantworten. Die eine oder andere Eigenheit von Samuel kommt auch in meinem Leben vor. Welche Eigenheiten das sind, überlasse ich Ihrer Fantasie.

Aber sind wir nicht alle ein bisschen wie Samuel Forster?

Leider hatte ich nicht das Glück, diese weise Frau Elena Sakolova zu treffen und mit ihr über Gott und die Welt zu philosophieren.

Haben nicht auch wir im Leben immer wieder interessante Begegnungen mit Menschen, welche uns zum Nachdenken anregen? Sei es am Arbeitsplatz, im Freundeskreis, in der Freizeit, beim Einkaufen usw.

Wenn wir unseren Fokus auf Weitwinkel stellen und achtsam durch das Leben gehen, ist es jederzeit möglich, dass wir einer Frau oder einem Mann wie Elena Sakolova begegnen. Wir dürfen es einfach zulassen und uns darauf einlassen.

Mit diesem Roman möchte ich auf die Werte eines schönen Lebens hinweisen und aufzeigen, wie wichtig eine positive Lebenseinstellung ist.

Ich lade Sie ein, in dieser Geschichte Elena Sakolova zu begegnen und sich von Elenas himmelblaue Kleider inspirieren zu lassen.

Alles Liebe

Ihr

Andreas Brandstätter

Kapitel1 Ein Tag kann alles verändern

Mein Name ist Samuel Forster, aber alle nennen mich Sam. Ich bin 45 Jahre alt.

Ein Tag kann alles verändern. Dieser Aussage konnte ich grundsätzlich nichts abgewinnen. Doch dann kam alles anders.

Ich war bereits seit sechs Jahren für eine Wochenzeitung namens Weekly News tätig. Gerne bezeichnete ich mich als Journalist, aber in Wirklichkeit war ich für die Kleinanzeigen zuständig. Meine journalistische Tätigkeit beschränkte sich also auf Kundentelefonate und die Veröffentlichung von diversen Inseraten. Am Ende des Monats bekam ich mein Gehalt. Das klingt leider nicht wirklich euphorisch, aber was durfte ich mir schon erwarten. Auf einen Gymnasiumabbrecher ohne Abitur wartet keine Firma. Daher war ich froh, dass ich zumindest diesen Job hatte. Ich verdiente genauso viel Geld, damit ich meinen Lebensunterhalt finanzieren konnte. Meine Ansprüche waren nicht sehr hoch, deshalb lebte ich in einer 45 m2 Wohnung, sehr einfach eingerichtet, manche würden es als spartanisch bezeichnen. Ich war ledig, hatte keine Kinder und ging sehr selten aus. Den einzigen Luxus, den ich mir gönnte, war das wöchentliche Lottospielen. Mein Ziel war es, Lottomillionär zu werden und dieses Ziel hatte ich mir ganz fest vorgenommen: Wenn ich diese Woche nicht gewinne, dann vielleicht nächste Woche oder übernächste, ich spüre, bald ist es soweit. Dann werden alle meine Probleme mit einem Schlag gelöst sein.

Aber bis dahin musste ich in dieser trostlosen Situation ausharren.

So verging eine Woche nach der anderen. Eine Woche war trostloser als die andere, bis zu jenem Tag, an dem sich mein Leben zu verändern begann. Nein - es war nicht der Tag des Lottogewinns.

Es war an einem Dienstag. Ich kann mich ganz genau daran erinnern, als wäre es gestern gewesen. Der Wecker läutete wie jeden Tag Punkt 6.30 Uhr. Ich stand unmotiviert auf und ging zur Kaffeemaschine. Übrigens gehöre ich zu jener Sorte von Menschen, die ohne ihre Filterkaffeemaschine nicht überleben können. Alleine das Einsetzen des Papierfilters gehört zum täglichen Ritual, auch auf die Gefahr hin, dass der Papierfilter zur Seite klappt und das Wasser außerhalb des Kaffeebereichs vorbeiläuft und das Ergebnis braungefärbtes Wasser ist, liebe ich meine Filterkaffeemaschine über alles. Mein Erfolgsrezept ist, die Wassermenge für fünf kleine Kaffeetassen in den Wasserbehälter zu gießen und sechseinhalb Löffel gemahlenen Kaffee in den Papierfilter zu geben. Achtung, dieses Rezept habe ich seit Jahren ausgetestet und nur diese magische Kombination führt zum erfüllenden Kaffeegenuss. Nach dem Einschalten der Kaffeemaschine beginnt dieses einzigartige Brodelgeräusch und kurz darauf verbreitet sich der vielversprechende Kaffeeduft in meiner Wohnung. Dieser Duft wird immer intensiver, sodass ich mich bereits während meiner täglichen Morgendusche auf den ersten Schluck Filterkaffee freue.

Ich warf noch kurz einen Blick in das Frühstückfernsehprogramm eines Privatsenders, um über den neuesten Klatsch und Tratsch informiert zu sein und ging dann zum Bus Richtung Büro.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war es mit der Freude über den schmackhaften Kaffee vorbei. Manchmal fragte ich mich, ob in diesem Bus ein Zombiefilm gedreht werde. Manche Gesichter dieser öffentlichen Fahrgemeinschaft wären für die Hauptrolle in so einem Film bestens geeignet gewesen. Gesichter mit leerem Blick, ohne nur einen Funken Freude, umgaben mich, die Stimmung bei mancher Beerdigung wäre bestimmt besser. Diese erdrückende Stille wurde nur durch das Brummen des Dieselmotors unterbrochen. Jugendliche mit Kopfhörer, völlig isoliert von ihrer Außenwelt, tippten in Rekordgeschwindigkeit auf ihrem Smartphone, dass mir schwindlig wurde. Diese tägliche Umgebung trug also sicher nicht zu einer Verbesserung meiner depressiven Lage bei.

Mein einziger Trost war, dass diese Fahrt des Grauens normalerweise nach 20 Minuten endete. Dann durfte ich mich durch die Menschenmenge des überfüllten Busses quälen und aussteigen. Ich könnte auch noch erwähnen, welche Gerüche sich im Hochsommer in diesem Bus verbreiteten, aber das wäre jenseits des guten Geschmacks und noch dazu fehlt mir das richtige Vokabular, um diese Düfte zu beschreiben.

Interessanterweise dauerte an diesem Julitag die Fahrt um drei Minuten länger, daher kam ich genau drei Minuten nach 8 Uhr ins Büro. Diese Verspätung wurde gleich von meiner Lieblingskollegin Mary mit einem Blick auf ihre Armbanduhr bestätigt.

Ich setzte mich wie gewohnt auf meinen Bürosessel, der auch schon etwas in die Jahre gekommen war, und schaltete meinen Computer ein.

»Geben Sie Ihr Passwort ein!«, forderte mich dieses elektronische Gerät auf. Täglich die gleiche Frage. Kann sich dieses Gerät gar nichts merken? Gleich nach dem zweiten Versuch, das Passwort einzugeben, klappte es auch schon.

Heute stand Internetsurfen am Programm, denn meine Inserate für diese Woche hatte ich bereits erstellt und somit stand einem langweiligen Arbeitstag nichts mehr im Wege.

Bereits um 9.30 Uhr stellte ich fest, dass ich heute Morgen die falsche Kleidung, ein weißes Langarmhemd, lange Jeans und schwarze Schnürschuhe, ausgewählt hatte. Es wurde von Minute zu Minute wärmer, denn die seit Jahren geforderte Klimaanlage war wieder der Budgetkürzung zum Opfer gefallen. Aufgrund dieser Lage sollte man doch im T-Shirt, Shorts und Flip-Flop zur Arbeit kommen, doch leider fand unser Chef Frank diesen Kleidungsstil unangebracht. Das Motto hieß: Weiterschwitzen!

Kurz vor Mittag kamen auch noch russische Kunden, die unser Chef Frank eingeladen hatte. Diese Personen trugen ebenfalls kräftig zum Anstieg des Lärmpegels bei. Wenn ich wenigstens verstanden hätte, worüber sich diese Leute unterhielten, dann hätte ich geistig meine Meinung abgeben können, doch leider bin ich der russischen Sprache nicht mächtig.

Zu guter Letzt betätigte noch jemand die Spülung der Toilette im Obergeschoß. Diese ist für mich sehr gut zu hören, denn die Abflussrohre befinden sich in der Wand hinter mir. Mit viel Fantasie könnte man meinen, es handle sich um das Rauschen des Meeres am weißen Sandstrand auf Mauritius. Plötzlich hörte ich in weiter Ferne meinen Namen.

»Sam! Sam!«, schrie meine Lieblingskollegin Mary. »Sag mal, schläfst du?«, fügte sie noch hinzu.

»Ich?«, fragte ich etwas verwirrt, denn meine Gedanken waren noch beim Rauschen des Meeres.

»Ja sicher oder heißt sonst noch irgendwer Sam in diesem Raum?«

»Natürlich nicht!«, antwortete ich, denn das wäre mir in den letzten Jahren bestimmt aufgefallen.

»Willst du auch eine Tasse Kaffee?«, fragte Mary Kaugummi kauend. Kaugummi kauen war Marys Lieblingsbeschäftigung.

»Ja bitte!«, sagte ich sehr höflich, aber die Bezeichnung Kaffee für dieses Heißgetränk aus dem Kaffeeautomaten ist lächerlich. Aus diesem Automaten kann man auch Gemüsesuppe konsumieren und wenn man anschließend Kaffee wählt, kann man sich ungefähr vorstellen, wie dieser schmeckt. Aber es war eine sehr nette Geste von Mary und es war eine willkommene Ablenkung vom langweiligen Arbeitsalltag.

Mary war im Grunde eine nette Kollegin. Sie kaute zwar Kaugummi, trug gerne kurze Röcke und High Heels und hatte ihre Haare nach oben gesteckt, aber die weiße Bluse verlieh ihr doch wieder einen Hauch von Seriosität.

Nicht zu vergessen ihre bunten Fingernägel, die sie manchmal in der Arbeitszeit kunstvoll bemalte. Kurz darauf servierte Mary dieses kaffeeähnliche Heißgetränk in einem braunen Plastikbecher und sagte:

»Heute ist viel los bei dir, oder?« Gleichzeitig blickte sie auf meinen Bildschirm, auf dem gerade eine Webseite mit Aktienkursen zu sehen war. Ich lächelte und antwortete:

»Ja, heute ist wieder die Hölle los, daher bin ich dir für diese Kaffeepause sehr dankbar.«

»Ferienzeit, so wie jedes Jahr«, sagte Mary und verschwand wieder Richtung Foyer.

Einige Zeit später läutete mein Telefon und ich vermutete es sei Mary, denn sie erlaubte sich ab und zu einen Fake-Anruf, um mir folgende Worte mitzuteilen:

»Nicht schlafen!« Daher nahm ich den Hörer ab und sagte mit lauter Stimme:

»Ich schlafe nicht.« Aber dieses Mal war es nicht Mary. Eine ältere weibliche Stimme antwortete:

»Das habe ich mir fast gedacht junger Mann, sonst hätten Sie bestimmt nicht abgehoben.«

»Entschuldigen Sie, es tut mir leid«, sagte ich etwas verlegen.

»Sind Sie Samuel Forster?«, fragte die ältere Frau.

»Ja, der bin ich«, hielt ich mich kurz, denn ich war auf keine lange Konversation eingestellt, schließlich hatte ich mit einem Anruf von Mary gerechnet.

»Ich bin Elena Sakolova«, stellte sich die ältere Dame vor.

»Freut mich Frau Sakolova. Was kann ich für Sie tun?«, führte ich das Gespräch fort. Ich ging davon aus, dass Frau Sakolova an einem meiner Inserate interessiert sei, daher öffnete ich die betreffende Datei auf meinem Computer.

»Ich weiß nicht, ob Sie mir helfen können, Herr Forster?«, erklang wieder die Stimme von Frau Sakolova. »Sie sind doch Zeitungsjournalist, oder nicht?«

»Ja, aber ich bin für die Zeitungsinserate verantwortlich«, entgegnete ich ihr.

»Ich habe das Gefühl, Sie sind der Richtige, Herr Forster. Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen«, sagte sie.

Ich versuchte die Dame abzuwimmeln, mir war diese Sache nicht ganz geheuer. Möglicherweise handelte es sich um eine senile und alte Frau, die telefonische Seelsorge benötigte, daher sagte ich zu ihr:

»Für Geschichten ist meine Kollegin Mary zuständig, ich verbinde Sie zu ihr.« Ich hatte mit Mary noch eine Rechnung wegen eines Fake-Anrufes offen und das wäre eine gute Gelegenheit, ihr alles heimzuzahlen. So weit kam es jedoch nicht.

»Diese Geschichte ist nur für Sie bestimmt, Herr Forster«, entgegnete Frau Sakolova.

»Okay, Frau Sakolova, kommen Sie morgen in mein Büro, dann können Sie mir die Geschichte erzählen.« Ich versuchte Zeit zu gewinnen und im Zweifelsfall könnte ich die alte Dame morgen noch an Mary abschieben, denn ich bin doch kein Märchenonkel.

»Nein, das geht nicht Herr Forster. Ich bin nicht mehr so mobil, Sie müssen zu mir kommen.«

Die Sache wurde immer verrückter. Warum sollte ich zu einer wildfremden alten Dame gehen und mir alte Geschichten anhören? Genau aus diesem Grund hatte ich kaum mehr Kontakt zu meinen Eltern. Denn exakt diese alten Geschichten aus der Vergangenheit, aus einer Zeit, in der alles viel besser war, konnte ich nicht mehr hören.

»Haben Sie Angst? Was soll ich Ihnen schon antun, Herr Forster? Ich bin alt und gebrechlich, kann nur wenige Schritte ohne Gehhilfe gehen.«

Frau Sakolova hatte recht. Ich hatte wirklich Angst, mich auf neue Situationen einzulassen oder neue Wege zu gehen, aber das konnte ich ihr nicht sagen.

»In Ordnung, Frau Sakolova, dann komme ich morgen zu Ihnen, sagen Sie mir Ihre Adresse.«

»Oh, ich freue mich sehr, dass Sie morgen zu mir kommen, ich wohne in der Himmelfahrtgasse 8 / 5 . Stock/Tür 11.«

Sehr passend diese Adresse Himmelfahrtgasse 8 für eine alte Frau, dann ist sie bereits am richtigen Weg, dachte ich mir etwas gehässig.

»Würde 8 Uhr für Sie passen, Frau Sakolova?«

»Ja, passt perfekt, Herr Forster. Ich habe gewusst, Sie sind der Richtige. Bis morgen!«

Ich sagte nur noch: »Bis morgen!«, dann war die Telefonleitung unterbrochen.

Viele Gedanken kreisten in meinem Kopf. Worauf hatte ich mich da eingelassen? Eigentlich wollte ich das doch gar nicht. Warum gerade ich?

Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Mary in meiner Nähe stand und mich fragend anblickte.

»Sam, wen wolltest du mir da aufs Auge drücken? Und dann hast du auch noch ein Date mit ihr vereinbart.«

Mary hatte also einiges von dieser Unterhaltung mitbekommen. Ich musste lachen, denn ein Date mit einer alten senilen Dame finde ich richtig lustig. Gleichzeitig löste sich meine negative Spannung vor diesem morgigen Termin.

»Ja Mary, ich werde morgen später ins Büro kommen, denn davor höre ich mir noch die Geschichte von Frau Sakolova an.«

Daraufhin mussten wir beide laut lachen. Mary verließ das Büro und ich kontrollierte nochmals meine Aktienkurse im Internet, die sich anscheinend im freien Fall befanden. Bevor ich nach Hause fuhr, klopfte ich an die Bürotür meines Chefs Frank und sagte ihm, dass ich morgen einen Termin außer Haus hätte. Ich glaube, er registrierte es nicht wirklich, denn er bestätigte meine Aussage nur mit einem kurzen:

»Ist in Ordnung, Sam.«

Normalerweise wollte Frank alles genau wissen. Er hatte auch die Fähigkeit, Löcher in den Bauch zu fragen, bevor er seine Zustimmung gab. Aber dieses Mal kamen keine Einwände. Außerdem hatte ich diesen Termin in den Outlook-Kalender eingetragen, hier konnte Frank jederzeit nachsehen, was so am Programm stand. Als ich im Foyer Richtung Ausgang ging, brüllte Mary:

»Beim Date die Blumen nicht vergessen!«

Jetzt hatten bestimmt alle mitbekommen, dass ich morgen eine besondere Verabredung hätte. Ich verließ das Gebäude kommentarlos und fuhr mit dem nächsten Bus nach Hause.

Kapitel2 Eine Begegnung der besonderen Art

Am nächsten Tag fuhr ich morgens mit dem Bus in die Himmelfahrtgasse 8 zu meinem ersten Date mit Frau Sakolova. Ich war überrascht, diese Adresse war gar nicht weit von meiner Wohnung entfernt und ich brauchte nur 15 Minuten bis ans Ziel.

Im Nebengebäude entdeckte ich einen Blumenladen. Ist das nicht verrückt?, dachte ich mir und mir fielen die Worte von Mary ein. Sollte ich Frau Sakolova tatsächlich Blumen mitbringen? Ich kannte diese Frau doch gar nicht und welche Blumen sollte ich überhaupt kaufen? Vielleicht leidet sie an einer Pollenallergie und wenn ich ihr die Blumen übergebe, raubt ihr ein Hustenanfall die Luft zum Atmen, sie verliert ihr Bewusstsein und stirbt in meinen Händen.

Sam, sei nicht so negativ, sagte ich zu mir. Vielleicht liebt Frau Sakolova Blumen und sie freut sich über einen schönen bunten Blumenstrauß. Also ging ich in den kleinen Blumenladen und ich sagte zur Verkäuferin, die übrigens sehr charmant war:

»Können Sie mir bitte einen Blumenstrauß für eine ältere Dame, die möglicherweise eine Pollenallergie hat, empfehlen?«

Hab ich das jetzt wirklich gesagt? Doch! Die Verkäuferin begann zu lächeln und sagte:

»In diesem Fall würde ich von einem Blumenstrauß abraten.

Nehmen Sie doch einen Kaktus.«

»Sie veräppeln mich jetzt, oder?«

»Nein«, sagte die Verkäuferin, »warum sollte ich das? Es gibt Menschen, die lieben Kakteen. Es gibt auch Kakteengewächse, die zu blühen beginnen, wenn sie sich wohlfühlen.«

»Ja, bitte geben Sie mir so ein Kakteengewächs, das ist genau das Richtige.« Wenn der Kaktus zu blühen beginnt, bin ich schon weg, dachte ich mir.

Ich bezahlte, nahm den Kaktus und rannte aus dem Laden, denn ich hatte die Zeit übersehen. Es war bereits zehn Minuten nach 8 Uhr. Endlich erreichte ich die Eingangstür zur Himmelfahrtgasse 8. Gott sei Dank sah ich gleich den Aufzug, der bereits im Erdgeschoß auf mich wartete! 5. Stock, ich bemerkte gleich, dass es das letzte Stockwerk war, der Aufzug brachte mich schnell nach oben.

Als ich aus dem Aufzug trat, orientierte ich mich an den Türnummern. Nummer 9 und 10 waren gleich zu sehen, aber wo war Nummer 11? Jetzt entdeckte ich eine kurze Treppe über zirka zehn Stufen zur Wohnung Tür Nummer 11. Interessant, dachte ich mir, diese Wohnung ist gar nicht direkt vom Aufzug zu erreichen. Aber egal, ich lief die Treppe nach oben, erblickte das Namensschild Sakolova und läutete an der Tür. Es tat sich nichts. Niemand öffnete die Tür. Ich läutete nochmals und nun sah ich, wie mich jemand über den Türspion beobachtete.

»Frau Sakolova, ich bin es, Samuel Forster«, rief ich der weißen Tür entgegen.

»Es ist offen, kommen Sie herein«, schallte es zurück.

Tatsächlich, ich drückte gegen die Tür und sie öffnete sich. Ich betrat den Vorraum, der sehr geschmackvoll eingerichtet war. Eine Garderobe aus massivem Nussbaumholz auf der linken Seite, daneben ein goldumrahmter Spiegel und vor mir ein roter Teppich, den ich aus alten Hollywoodfilmen kannte.

»Kommen Sie weiter, gerade aus«,

hörte ich die mir bekannte Stimme aus dem Raum am Ende des kurzen Gangs. Ich ging noch die vier, fünf Schritte und dann sah ich Frau Sakolova, mit der ich am Tag zuvor noch telefoniert hatte, vor mir in einem sehr schönen und großen, dunkelblauen Polstersessel sitzen. Ihr lockiges Haar war schneeweiß, ihr Blick war sehr freundlich, sie hatte eine goldene Brille und trug ein sehr buntes Kleid. Nebenbei erblickte ich noch einen Couchtisch aus Glas, ein Sofa und einen Kristallluster.

»Guten Tag, Frau Sakolova. Nun bin ich hier«, sagte ich etwas kleinlaut. Frau Sakolova lächelte und begrüßte mich:

»Hallo Herr Forster! Schön, dass Sie da sind. Setzen Sie sich bitte neben mich auf das Sofa.«

Gerne folgte ich ihrer Aufforderung und es war sehr eigenartig, aber ich fühlte mich nicht fremd. Meine Zweifel, meine Angst waren wie vom Wind weggeblasen. Ein Gefühl der Vertrautheit entfaltete sich. Aber gleich darauf meldete sich mein Verstand. Sei vorsichtig Sam! Wer weiß, was sie mit dir vorhat. Irgendwie erkannte Frau Sakolova, dass ich gemischte Gefühle in mir trug.

»Schon verrückt, da meldet sich eine alte Frau, die Ihnen eine Geschichte erzählen will«, sagte sie.

Mit einem Lächeln antwortete ich:

»Ich bin wirklich sehr gespannt Frau Sakolova.« Gleichzeitig merkte ich, dass ich noch immer den Kaktus etwas verkrampft in der Hand hielt.

»Ich habe Ihnen etwas mitgebracht«, und ich zeigte auf den Kaktus.

»Vielen Dank Herr Forster, es ist ein Echinopsis backebergii«, sagte sie und führte gleich fort, »Echinopsis backebergii ist eine Pflanzenart aus der Gattung Echinopsis, der Familie der Kakteengewächse. Das Artepitheton backebergii ehrt den deutschen Kakteenspezialisten Curt Backeber. Diese Art hat eine rosa bis orange-rosa Blütenfarbe mit meist weißem Schlund, ihre Heimat ist in Peru in Villa Azul.«

Ich stellte diesen Kaktus auf den Glastisch und staunte über Frau Sakolovas Wissen über Kakteen.

»Herr Forster, ich liebe Kakteen. Danke, dass Sie mir dieses wunderschöne Gewächs mitgebracht haben! Wissen Sie, auf den ersten Blick ist ein Kaktus nur ein stacheliges, unscheinbares, etwas unangenehmes Gewächs. Doch wenn man sich Zeit nimmt, den Kaktus genauer betrachtet und ihm Zeit gibt, sich zu entwickeln, wird er zu einer wunderschön blühenden Pflanzenart, so wie der Echinopsis backebergii.«

Nach einer kurzen Pause sprach sie weiter:

»Ist es bei uns Menschen nicht auch so? Eine Person, die wir zum ersten Mal sehen, die nicht ganz unseren Vorstellungen entspricht, die ihre eigene Persönlichkeit, ihr eigenes Aussehen hat, erklären wir gerne zu einem Kaktus. Doch nach einiger Zeit und mehreren Gesprächen erkennen wir erst die Besonderheit, die Einzigartigkeit, sozusagen die Blüte dieses Menschen. Erst dann sind wir über diese Bekanntschaft froh, erst dann entsteht in uns eine Art von Wertschätzung und Respekt. Ab diesem Zeitpunkt haben wir keine Berührungsängste, die Stacheln gehören zur Einzigartigkeit dieses Menschen, wie bei einem Kaktus. Ist es nicht so, Herr Forster?«

Ich war völlig sprachlos über diese Aussage und über die Tiefgründigkeit dieser Worte.

»Ja, Frau Sakolova, Sie haben recht«, war meine kurze und knappe Antwort.

»Nehmen Sie sich eine Tasse Kaffee«, forderte sie mich auf. Ich nahm die Kaffeekanne und goss mir eine Tasse ein.

»Sie mögen doch Filterkaffee?«, nahm sie Bezug auf die Zubereitung dieses Heißgetränks.

Ich war erstaunt, dass auch Frau Sakolova Filterkaffee kochte. Immerhin hatten wir jetzt eine Gemeinsamkeit, die Liebe zum Filterkaffee.

»Ja, ich trinke jeden Tag Filterkaffee und er schmeckt mir vorzüglich.« Ich nahm die Tasse, hielt sie unter die Nase und roch genüsslich am Duft des Kaffees.

»Dieses Aroma, unvergleichbar!«, fügte ich noch hinzu. »Warum haben Sie mich angerufen? Es gibt so viele Journalisten in der Stadt, die Ihre Geschichte hören wollen«, fragte ich Frau Sakolova.

»Weil Sie der Richtige sind, Herr Forster! Sie haben heute Ihren ganzen Mut zusammengenommen und sind zu mir gekommen. Bestimmt hatten Sie Zweifel an dieser eigenartigen Situation, doch Sie haben sich durchgerungen und Sie stellen sich dieser außergewöhnlichen Aufgabe. Das finde ich gut«, erklärte sie.

»Sie haben nach keiner Geschichte gesucht und trotzdem hat Sie die Geschichte gefunden. Ist das nicht wunderbar? Man findet Dinge, die man nicht