Eliza Moore - Valentina Fast - E-Book
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Eliza Moore E-Book

Valentina Fast

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Beschreibung

Die 18-jährige Eliza Moore lebt in Dublin, wo das letzte intakte Tor zur Seelenwelt steht. Ein Portal, das einst das Böse aus der Welt der Menschen verbannt hat, und das nun von der mächtigen Liga bewacht wird - einer Organisation, die Eliza zutiefst verabscheut. Doch dann wird sie eines Nachts von einer dunklen Gestalt angegriffen, und ihr kommt ausgerechnet die Liga zu Hilfe. Als wäre das nicht genug, wird Eliza nun auch noch zur Hüterin berufen - dabei hat sie sich geschworen, niemals Teil von alldem zu werden. Mit an ihrer Seite ist Conor: Elizas Seelenpartner, der sie in ihrer neuen Aufgabe unterstützten soll. Aber Seelenverwandtschaft gibt es doch gar nicht? Oder etwa doch?

Eine starke Protagonistin, ein spannender Plot und große Gefühle - die perfekte Mischung für tolle Lesestunden!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 452

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

KAPITEL 26

KAPITEL 27

KAPITEL 28

Danksagung

Leseprobe

Prolog

Weitere Titel der Autorin:

Secret Academy – Verborgene Gefühle

Secret Academy – Gefährliche Liebe

Über das Buch:

Die 17-jährige Eliza Moore lebt in Dublin, wo das letzte intakte Tor zur Seelenwelt steht. Ein Portal, das das Böse aus der Welt der Menschen aussperrt, um sie vor den seelenfressenden Sluagh zu schützen. Als Eliza unerwartet zur Hüterin des Portals berufen wird, ist sie alles andere als begeistert. Nie wieder wollte sie etwas mit der mächtigen Liga zu tun haben, die ihr in der Vergangenheit schon so viel genommen hat. Doch ihr bleibt keine Wahl, und Elizas bisher so normales Leben gerät aus den Fugen. Nicht zuletzt, weil ihr zur Erfüllung ihrer Aufgabe jemand an die Seite gestellt wird, der sie nicht nur belogen hat, sondern auch noch ihr Seelenverwandter sein soll ...

Über die Autorin:

Valentina Fast wurde 1989 geboren und lebt heute im schönen Münsterland. Beruflich dreht sich bei ihr alles um Zahlen, weshalb sie sich in ihrer Freizeit zum Ausgleich dem Schreiben widmet. Ihre Leidenschaft dafür begann mit den Gruselgeschichten in einer Teenie-Zeitschrift und verrückten Ideen, die erst Ruhe gaben, wenn sie diese aufschrieb. Nach der beliebten SECRET ACADEMY-Dilogie folgt nun ihr neues Projekt bei ONE!

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln

Valentina Fast wird vertreten durch die Agentur Brauer

Textredaktion: Annika Grave

Covergestaltung: Kristin Pang

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7517-1840-0

www.one-verlag.de

www.luebbe.de

Für meine Leserinnen und Leser

KAPITEL 1

»Das ist eine verdammt dumme Idee.« Mein Murmeln hätte in dem Lärm untergehen sollen, der aus dem Club drang. Kühler Herbstwind ließ Gänsehaut über meine Arme wandern, auch wenn ich eine Jacke über meinem dünnen Kleid trug. Wir liefen auf ein altes Backsteingebäude am Rande des Portobello-Viertels zu, das erst kürzlich zu einem Club umgebaut worden war und bereits jetzt zu den angesagtesten Locations der Stadt gehörte.

Ruby hörte mich natürlich und knuffte mich in die Seite. »Aber du liebst Halloween! Ist doch toll, deinen Zukünftigen am gruseligsten Tag des Jahres kennenzulernen.«

»Er ist nicht mein Zukünftiger.«

»Ihr seid so was wie Seelenverwandte. Früher oder später verlieben die sich alle«, wiederholte meine beste Freundin ihre Worte von vor ein paar Tagen und grinste, während sie meinen Ärmel packte und mich langsam näher an den Club heranzog.

»Das glaubst du doch nicht ernsthaft?« Das Entsetzen in meiner Stimme unterstrich meinen ungläubigen Blick. Dabei stemmte ich meine Pumps in den Boden und verhinderte so, dass sie mich weiterziehen konnte. »Das ist Unsinn.«

»Sag das nicht zu laut, wenn du wirklich in unserem Unsinns-Team mitspielen willst.« Ruby imitierte meine hochgezogenen Augenbrauen vorwurfsvoll, weil sie nicht nachvollziehen konnte, wie ich der Situation so negativ gegenüberstehen konnte. Für sie war dieses Treffen etwas Romantisches, während es für mich darum ging, ob ich mit Leuten zusammenarbeiten musste, die ich seit sechs Jahren wie die Pest mied.

Ich stieß angespannt Luft aus. »Sorry, okay? Ich bin einfach nervös.«

»Warum denn, wenn du an den ganzen Quatsch gar nicht glaubst?«

»Weil ...« Ich griff nach dem Anhänger an meinem Armband. »Du glaubst daran, und die Vorstellung, dass ich gleich meinem Seelenverwandten gegenüberstehen könnte, ist ernsthaft gruselig.«

»Du meinst romantisch.«

»Nein, angsteinflößend.«

»Ein bisschen romantisch ist es aber schon, oder?«

Mein Lachen kam so plötzlich, dass Ruby nur verzweifelt den Kopf schüttelte und ebenfalls kichern musste.

»Ich meine das ernst!«

Sie ignorierte meinen Ausruf und hakte sich bei mir unter, um mich, diesmal energischer, in Richtung der Party zu ziehen.

Der Türsteher ließ uns sofort vorbei, was uns zwar ein paar fiese Blicke einbrockte, sich aber echt gut anfühlte. Wir waren hier schon ein paarmal gewesen, und er hatte unsere gefälschten Ausweise offenbar schon oft genug gesehen, um uns dieses Mal ohne einen Blick darauf reinzulassen.

Als wir durch die Tür traten, wurde ich von der Musik und dem Geruch nach Parfüm und Schweiß beinahe erschlagen.

Von den Decken hingen Dutzende Meter Spinnenweben, die sich durch den leichten Wind der Belüftung hin und her wiegten. Gruselige Skelette standen in den Ecken, und mechanische Knochenfinger griffen nach den Menschen, wenn sie durch die Eingangstür traten. Gespenstische Schreie ertönten, wann immer die Musik für einen Wimpernschlag aussetzte, und ich meinte irgendwo eine Kettensäge zu hören. Licht pochte wie ein Herzschlag über die Menge hinweg. Im kleinen Eingangsbereich tauschten wir unsere Jacken gegen Marken und tauchten dann in das Innere des Clubs hinein.

Ich sah gruselige, blutüberströmte Vampire und sexy Katzen an der Bar stehen. Eine Mumie torkelte an uns vorbei, und an der Wand schoben sich gerade ein Bär und ein Holzfäller gegenseitig die Zunge in den Hals. Wir passten mit unseren Kostümen perfekt hierher, wobei Rubys zerbrochenes Puppengesicht und meine blaue Schminke uns den ein oder anderen anerkennenden Blick einbrachten. Langsam wippte ich hin und her, während ich mich von der Musik mitreißen ließ.

Ruby bemerkte es sofort und steuerte auf die Stelle zu, wo sich die Menge am dichtesten drängelte. »Genauso will ich dich sehen. Lass uns ein bisschen feiern und dann noch den Glücklichen suchen, der dich als Partnerin bekommt!«

Ich zögerte nicht, sondern bewegte mich weiter zu der Musik und schob uns in die Mitte der Feiernden.

Das Lied ließ meine Nervenenden vibrieren, meine Muskeln lockerten sich, und ich legte meinen Kopf in den Nacken, hob die Hände in die Luft und tanzte. Einen Moment lang wollte ich nicht darüber nachdenken, was mich erwartete. Ich wollte mich nur frei fühlen und den Beat in meiner Brust spüren.

Ich wusste nicht, wie lange wir schon tanzten, doch irgendwann überkam mich ein merkwürdiges Gefühl. Als würde mich jemand beobachten.

Ich verlangsamte meine Bewegungen und schaute mich unauffällig um. Mein Atem ging schneller. Es war, als würde ich den Blick körperlich spüren. Meine Haut kribbelte, und in meinem Inneren regte sich etwas, das sich wie eine Art Sehnsucht anfühlte.

Vielleicht bildete ich mir das auch alles nur ein. Doch das Gefühl ließ mir keine Ruhe. Ich ließ meinen Blick schweifen. Vorbei an der Bar, dem DJ, über die Menge, zurück zum Eingang – und da entdeckte ich ihn.

Flammend blaues Haar richtete sich wie ein prasselndes Feuer in die Höhe. Die Schminke war derart realistisch, dass sich meine Brust kurz verengte, während ich nicht aufhören konnte, den Kerl anzustarren, der aussah wie Hades.

Nur als groteske Zeichentrickversion.

Wer hätte das gedacht? Ich war sicher, er würde als Herkules kommen. Welcher Kerl würde schon die Chance versäumen, seine Muskeln spielen zu lassen? Mein Blick wanderte über seine Arme und seinen Oberkörper, die in einem engen Hadeskostüm steckten. Muskeln hatte der Typ auf jeden Fall. Und er betrachtete mich, als hätte er die ganze Zeit nichts anderes getan. Lässig lehnte er dabei an einem Stehtisch und nippte an einem Bier.

Ruby hatte ebenfalls aufgehört zu tanzen und blickte nun in dieselbe Richtung wie ich. »Wow, Conor hat sich ja richtig ins Zeug gelegt. Man erkennt ihn überhaupt nicht.«

»Was für ein Zufall, dass wir beide Hades sind. Ich meine, wie konnte er das wissen?«

Rubys wackelte mit den Augenbrauen. »Seelenverwandte. Los, geh zu ihm.«

Ich zögerte nur einen kurzen Moment und spielte in Gedanken meine Möglichkeiten durch. Vaters Akte blitzte vor meinen Augen auf. Das Einzige, was mir helfen würde, seinen Namen wieder reinzuwaschen. Ich musste sie haben. »Bringen wir es hinter uns.«

Ruby jubelte und gab mir einen seichten Klaps auf den Hintern, als ich mich in Bewegung setzte.

Ich lachte und warf ihr noch eine Kusshand zu, bevor ich mich in Richtung Hades aufmachte.

In diesem Moment stimmte der DJ ein neues Lied an. Rihannas Where have you been. Mein Kopf fuhr ruckartig herum, und ich lachte, als ich Ruby direkt neben dem DJ stehen und den Daumen in die Höhe recken sah. War sie etwa sofort zu ihm hingerannt, als ich ihr den Rücken zugedreht hatte? Zuzutrauen wäre es ihr.

Ich atmete tief durch, und der Songtext schien mir bis in die Brust zu fahren.

Where have you been. Wo warst du mein ganzes Leben lang?

Ernsthaft?

Der Club drehte durch, als der DJ zusätzlich noch Beats unter die Musik legte. Auf einmal fühlte ich mich stärker. Ich straffte meine Schultern. Was auch immer Ruby mir da einreden wollte – Hades dort drüben war einfach ein Kerl, an den ich das nächste Jahr gekettet werden könnte, wenn ich mich entschließen sollte, der Liga beizutreten.

Allein der Gedanke reichte, um meine plötzliche Aufregung durch Ernüchterung zu ersetzen.

Ich trat an den Stehtisch am Rande der Tanzfläche, von dessen Position aus man den gesamten Club überblicken konnte. »Hallo, Hades.«

Sein Mundwinkel zuckte, und ein blau geschminktes Grübchen blitzte auf. »Du bist eindeutig die attraktivere Version des Herrschers der Unterwelt.«

»Das machen die Brüste und das enge Kleid«, erwiderte ich trocken.

Er lachte laut auf und sah mir wieder ins Gesicht. »Es sind die Augen.«

Kein Wunder, meine sonst so langweilig grünen Augen strahlten in einem grellen Gelb. »Kontaktlinsen.« Ich zuckte mit meinen Schultern und wünschte mir, ich hätte ebenfalls ein Getränk, um etwas mit meinen Händen machen zu können.

Sein Lächeln vertiefte sich. »Ich freue mich schon darauf, deine echte Augenfarbe zu entdecken, Eliza.« Mein Name klang aus seinem Mund wie eine Beschwörung, schwer und sinnlich zugleich. Ich wollte ihn wirklich scheiße finden. Einfach aus Prinzip. Aber der Kerl hier hatte etwas an sich, das mir irgendwie unter die Haut ging. Dabei hatten wir bisher kaum mehr als ein paar Sätze gewechselt!

Er hob sein Bier. »Darf ich dich auf einen Drink einladen?«

Mich auf einen Drink einzuladen, bevor er mich für ein Jahr lang an sich kettete, war wohl das Mindeste. »Gerne, Conor. Bier klingt gut.« Ich betonte seinen Namen so wie er meinen betont hatte.

Seine Augen blitzten, und er neigte den Kopf, bevor er sich auf seine Unterlippe biss und in Richtung Bar schlenderte. War der Typ echt so heiß, oder tat er nur so?

Ich lehnte mich gegen die Wand und schaute ihm hinterher. Conor. Ein Teil von mir hatte erwartet, dass er schmächtig und vielleicht auch ein wenig blasiert sein würde. So wie ich mir immer alle Leute der Liga vorgestellt hatte. Aber Conor war groß, breitschultrig und hatte kein Problem damit, komplett blau angemalt wie eine Disney-Figur rumzulaufen. Ich stand auf Typen mit Selbstbewusstsein.

Mir entfuhr ein Schnauben. Nur dass aus uns nichts werden würde. Conor gehörte zur Liga, wahrscheinlich war sein Kopf voll von ihrem Unsinn. Genauso wie Rubys.

Ich nahm meinen Blick von seinem Rücken, der mittlerweile die Bar erreicht hatte. Ruby fand ich auf Anhieb. Sie tanzte neben dem DJ wie ein Groupie und machte anzügliche Bewegungen mit ihrer Hüfte, während sie abwechselnd von mir zu Conor zeigte.

Mein Lachen ging in dem nächsten Lied unter, das der DJ anstimmte, und ich merkte, wie ich mich entspannte. Ruby hatte mir auf der Hinfahrt eine Ansprache gehalten, dass ich den Abend einfach genießen sollte. Wenn Conor meiner Meinung nach ein Idiot sei, könnte ich ihn immer noch abschießen und einfach mit ihr weiterfeiern.

Als ich sah, dass der sexy Hades wieder zu mir zurückkam, wurde mir bewusst, dass das vielleicht doch nicht so einfach werden würde. Aber ich würde mich nicht von einem süßen Lächeln, Grübchen und einer guten Figur rumkriegen lassen. Auch wenn mich sein Äußeres – zumindest das, was ich unter der Farbe erkennen konnte – umhaute, war ich doch nicht so oberflächlich, mich davon blenden zu lassen.

Ich nahm ihm die Bierflasche ab und lächelte schief, während ich den Verschluss gegen den Rand des Tisches lehnte und mit meiner Faust auf den Deckel schlug, um sie zu öffnen. Eine kleine Kerbe gesellte sich zu den vielen anderen Makeln des Stehtisches. »Danke.«

Er grinste nun und prostete mir zu. »Auf unser erstes Kennenlernen.«

»Auf Halloween«, erwiderte ich und trank einen Schluck. »Also, du warst in den letzten Monaten in England?«

Er nickte. »Ein Kumpel und ich hatten quasi ein Auslandssemester dort. Wie du sicher weißt, ist die Liga überall auf der Welt vertreten.«

»Sind diese ...« Ich wollte das Wort nicht aussprechen, ohne mich dabei lächerlich zu fühlen.

»Seelenfresser?«

»Das Wort ist bescheuert«, entfuhr es mir.

»Wir nennen sie Sluagh. Seelenfresser ist eher eine Beschreibung für das, was sie sind und tun.« Er lächelte schief und schien mir meine Worte nicht so übel zu nehmen, wie Ruby es manchmal tat.

Ich zuckte mit den Schultern. Am liebsten hätte ich gar nicht über diese Dinger nachgedacht. Dabei hatte ich in der letzten Woche nichts anderes getan. Sluagh. Seelenfresser. Nebendimension. Waren das die Schatten, die mich ständig verfolgten? Sah ich sie deshalb immer nur aus den Augenwinkeln? Aber ich verstand nicht, wieso sie mich dann letztens angegriffen hatten. Ein kalter Schauder überlief mich, und ich zwang mich, meine Konzentration wieder auf Conor zu lenken. Die Liga würde mir Antworten geben, wenn ich es zuließ. Aber dafür müsste ich zuerst meine Einwilligung geben – und mich an Conor, meinen angeblichen Seelenverwandten, binden. Ihm jetzt gegenüberzustehen, machte das alles noch ein Stück realer.

»Und du bist neu in der Liga? Wie kommt das? Deine Familie ist doch quasi berühmt.«

»Die Liga hat mich bisher einfach nicht interessiert.«

»Hast du Angst vor der Aufgabe?« Er stellte seine Frage, ohne eine Miene zu verziehen, während er mich nachdenklich musterte.

»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.«

»Warum bist du dann hier? Welchen Grund solltest du sonst haben, mit mir diese Bindung einzugehen?«

Ich musterte Conor. Er redete wohl nicht lang um den heißen Brei herum, sondern stellte all die wichtigen Fragen, auf die ich eigentlich noch keine Antwort geben wollte. »Das sind private Gründe. Ich bin nur hier, um mir anzusehen, ob ich das nächste Jahr wirklich auf mich nehmen will.«

»Das nächste Jahr?«

»Das Probejahr«, erwiderte ich und merkte, wie all die Musik in den Hintergrund rückte.

»Es gibt-« Er verstummte.

»Richtig. Wird nur nicht publik gemacht. Ich werde es für ein Jahr ausprobieren. Vielleicht sind wir ja doch kein so gutes Team, wie alle glauben.«

Er lächelte nicht, als er sich gegen die Wand lehnte und mich nachdenklich ansah. »Du hast keine Ahnung, wie stark so eine Bindung werden kann.«

Da war etwas in seinen Augen, etwas Dunkles, das meine Haut prickeln ließ. »Ach, ist das so?«

»Lass es uns herausfinden.« Sein Mundwinkel zuckte.

Ich wollte etwas erwidern, da sah ich plötzlich einen Schatten im Augenwinkel. Alles in mir verkrampfte sich, und mein Blick huschte zur Seite. Doch da war niemand. Die nächste Person hatte sicher drei Meter Abstand zu mir und war völlig in die Musik vertieft. Ich schluckte und setzte eine neutrale Miene auf, als ich mich wieder zu Conor drehte.

Er musterte mich ganz genau. »Nervös?«

»Wegen dir?« Mir entfuhr ein Lachen. »Kein Stück.«

Conor stieß sich von der Wand ab und kam um den Stehtisch herum, ohne den Blick abzuwenden. Dann blieb er dicht vor mir stehen. »Nicht mal ein bisschen?«

In meinem Magen flatterte es, und ich musste zugeben, dass ich seine dominante Seite mehr als attraktiv fand. »Nein.«

Er beugte sich zu mir herunter, und seine Lippen streiften mein Ohr, als er flüsterte: »Du hast ihn auch gesehen, oder?«

Mir wurde eiskalt, und ich versteifte mich. »Was?«

»Den Schatten.«

Mist. »Ja.«

»Sie sind überall.« Conor trat einen Schritt zurück. »Und du kannst dazu beitragen, dass es nicht noch mehr werden.«

»Du kannst diese Schatten sehen?«

»Besonders starke Jäger können sie mit bloßem Auge sehen«, erwiderte er und zuckte mit seinen Schultern. »Ich werde diesen Shag gleich jagen und vernichten, aber das sind nicht die Wesen, vor denen man sich fürchten sollte.«

»Jagen.« Das Wort prickelte auf meinen Lippen und brannte in meiner Brust.

Er nickte, obwohl er mich unmöglich gehört haben konnte. Die Musik dröhnte aus den Lautsprechern, und die Hitze des Clubs ließ alles um mich herum vibrieren. »Was meinst du? Denkst du, wir wären ein gutes Team?«

»Keine Ahnung«, erwiderte ich und legten den Kopf schief. »Was denkst du denn?«

Sein Blick glitt über meine nackten, blau angemalten Schultern und meinen Hals hinauf zu meinen Lippen.

Hitze breitete sich in mir aus, und ich lächelte. »Was wird das?«

»Du bist was Besonderes.«

»Oh bitte«, stieß ich aus und lachte. »Komm mir nicht so. Du kennst mich doch überhaupt nicht. Ich könnte eine totale Langweilerin sein.«

»Vielleicht steh ich ja auf langweilige Frauen«, erwiderte er und nahm einen Schluck aus seiner Flasche. Seine Augen funkelten dabei, und mir wurde schlagartig bewusst, dass das alles hier nur eine Show war. Er war hier, um mich für die Liga zu gewinnen. An ihm war alles fake – außer vielleicht seine süßen Grübchen.

Ich lachte und schüttelte meinen Kopf. »Sorry, Conor. Du bist echt heiß, das muss ich dir lassen. Aber du strengst dich ein bisschen zu sehr an.« Ich wackelte wie zum Gruß mit den Fingern, drehte mich um und ließ ihn stehen.

Das fragende Geräusch, das im Schwall der Musik unterging, ließ mich leise lachen, während ich mir den Weg in Richtung DJ und Ruby bahnte. Schade. Für einen Moment hatte ich tatsächlich geglaubt, dass die Liga doch etwas Interessantes für mich zu bieten hätte. Ich hatte zwar auch noch einen weiteren Grund, aber es wäre ein Bonus gewesen, wenn ich mich mit meinem zukünftigen Partner auch gut verstehen würde. Jetzt wusste ich, dass er genauso war wie jeder andere in der Liga.

Ich fand Ruby in der Mitte der Tanzfläche. Anscheinend war der DJ uninteressant geworden, dafür war nun der Kerl in dem Hulk-Kostüm an ihrer Seite.

Als sie mich erblickte, weiteten sich ihre braunen Augen erschrocken, und sie riss total irritiert ihre Arme in die Luft. Ihre dunklen Locken sahen noch wilder aus als sonst, vermutlich vom Tanzen. »Was machst du hier? Wo ist Conor?«

Ich begann mich zu der Musik zu bewegen und machte eine wegwerfende Handbewegung. Seine Worte kamen mir in den Sinn. Shag. Waren das die Schatten, die mich verfolgten? Es war Jahre her, dass ich mich überhaupt näher mit der Liga beschäftigt hatte. Ich hielt mich lieber fern, und mein Vater hatte mir vor seinem Verschwinden nur wenige Dinge erzählt. Die Liga jagte Kreaturen, die man als normaler Mensch nicht sehen konnte. Wesen, die Seelen fraßen. Unter normalen Umständen hätte ich der Liga allein deshalb schon keinen zweiten Gedanken geschenkt, aber dann kam da dieses Angebot ... Ich schüttelte den Kopf. Nun war ich in diesem Club, um Conor kennenzulernen und zu entscheiden, ob ich den Handel mit der Liga eingehen wollte. Denn Ja zu sagen bedeutete in diesem Fall so viel mehr, als einer Bande von Mördern beizutreten. Es bedeutete, einen Teil von mir selbst an jemand anderen zu binden und zugleich meine Seele zu opfern.

Ruby schob sich näher an mich heran und wollte etwas sagen, doch als sie über meine Schulter blickte, begannen ihre Augen schelmisch zu funkeln. Sie grinste, drehte sich um und tanzte zurück zu ihrem Hulk.

Ich folgte ihrem Blick und musste den Kopf in den Nacken legen, um in Conors Gesicht zu sehen, der sich hinter mir aufgebaut hatte. War er vorhin auch schon so groß gewesen?

»Ziemlich unhöflich, mich einfach stehen zu lassen.« Seine dunkle Stimme vibrierte auf meiner Haut, so nah war er mir.

»Oh«, stieß ich ein wenig dramatisch aus. »Hätte ich mich verabschieden sollen?«

Er kniff seine Augen zusammen. »Wäre nett gewesen.«

Ich atmete tief durch. »Weißt du, du scheinst wirklich in Ordnung zu sein. Aber du willst mich ein wenig zu sehr überzeugen, und das riecht stark nach der Liga.«

Er lachte laut auf. »Also hat sich mein Flirten für dich nach Manipulation angefühlt?«

»Ja, ein bisschen.« Ich zog meine Nase kraus. »Nimm es mir nicht übel, aber ich stehe auf Männer und nicht auf Schachfiguren.«

»Ach ja?« Seine Augen blitzten, und seine Grübchen vertieften sich. Gleichzeitig machte er einen Schritt auf mich zu. »Dir gefallen sicher Männer, die wissen, was sie wollen, oder?«

Mein Nacken prickelte. »Worauf willst du hinaus?«

Plötzlich verschwanden die Grübchen, und sein Lächeln wurde träge, dann legte er eine Hand an meine Wange. Sanft glitt er damit über meinen Hals und dann in meinen Nacken, genau dorthin, wo es prickelte. Das Gefühl schoss durch meinen Körper, während er mich zu sich zog und mir dabei entgegenkam.

Er stoppte, bevor unsere Lippen sich berühren konnten. Die ganze Zeit über hielt er meinen Blick fest. Begehren flammte in seinen Augen auf, und alles in mir drängte danach mich ihm entgegenzustrecken.

Seelenverwandt.

Das Wort schoss wie Eiswasser durch meinen Kopf und verdrängte das Prickeln im nächsten Moment. Das, was mich zu ihm hinzog, war nichts als Chemie. Wenn Ruby und ihre Leute recht hatten, war es fast schon vorbestimmt, dass wir uns zueinander hingezogen fühlten. Unkontrollierbar.

Ich war niemand, der gerne die Kontrolle abgab.

Mit einem gezwungenen Lächeln legte ich ihm eine Hand auf die Brust und schob ihn von mir. »Sosehr du auch deinen Charme spielen lässt, so leicht bin ich nicht zu haben.«

Seine Hand fiel hinab, als ich einen Schritt zurücktrat.

In seinen Augen flammte Anerkennung auf, und er neigte seinen Kopf, als würde er sich leicht verbeugen. »Ich denke, wir sehen uns bald wieder. Bis dahin wünsche ich dir noch viel Spaß auf der Party.«

»Danke gleichfalls.«

Er trat von mir weg und verschwand in der Menge.

Erst dann erlaubte ich mir, mich zu entspannen. Wow.

Ich stieß ein schnaubendes Lachen aus, bevor ich mich zu Ruby und Hulk umdrehte, die gerade miteinander verschlungen waren.

Sie nahmen überhaupt keine Notiz von mir, als ich neben ihnen tanzte, meinen Kopf in den Nacken legte und mich einfach der Musik hingab. Dabei spürte ich, wie sich ein Lächeln auf mein Gesicht stahl, obwohl ich mich die ganze Zeit fragte, ob der Preis das Ziel wirklich wert war.

KAPITEL 2

Eine Woche zuvor

Ich spürte, wie uns etwas aus den Schatten heraus beobachtete, und beschleunigte meine Schritte.

»Warum rennst du denn so?« Rubys laute Schritte hallten durch die dunkle Straße, die von parkenden Autos gesäumt war. Alle paar Meter erleuchtete eine Straßenlaterne den Weg, aber ansonsten umhüllte uns die Dunkelheit.

Ich stieß ein leises Lachen aus und zog meine dünne Jacke etwas fester um mich. Wir hatten Ende Oktober, und selbst der Alkohol in meinem Blut reichte nicht, um die Kälte um drei Uhr morgens zu vertreiben. »Mir ist kalt. Eigentlich dachte ich, wir würden nur einen gemütlichen Mädelsabend mit ein paar Bier in einem Pub haben und keine durchzechte Nacht.«

Ruby kicherte und hakte sich bei mir unter. »Wer hätte gedacht, dass wir ein paar süße Jungs kennenlernen würden, die uns zu einer Party mit ein paar noch süßeren Jungs mitnehmen?«

»Die waren echt süß.«

»Und trotzdem hast du mit keinem von ihnen geflirtet«, zog Ruby mich auf. »Du kannst doch nicht ewig Single bleiben. Oder liegt es daran, dass du Shawn und seinen ständigen Bitten um ein Date doch eine Chance geben willst?«

Ich zog meine Nase kraus und kicherte, während ich versuchte, die drängenden Schatten um uns herum zu ignorieren. Vielleicht würden sie sich wieder zurückziehen, wenn ich mich nur stark genug auf etwas anderes konzentrierte. Es war ja nicht so, als müsste ich Angst haben, dass sie mir etwas taten. Denn auch wenn ich wusste, dass ich mir das Ganze nur einbildete, machte es dieses gruselige Gefühl nicht weniger unangenehm. »Er ist echt süß, aber er flirtet nur zum Spaß mit mir.«

»Mit mir könnte er auch gerne mal zum Spaß flirten.« Meine beste Freundin seufzte und kämmte mit ihren Fingern durch ihre dunklen Locken.

»Aber er ist nicht der Grund, warum ich Single bin«, stellte ich klar. »Er ist in unserer Klasse. Mehr nicht. Und ich will momentan mein Leben genießen, mit meiner besten Freundin, langen Nächten und allem, was dazugehört.«

Sie drückte meinen Arm und blieb leicht schwankend stehen. »Diese Freitagabende dürfen wir niemals jemals aussetzen, okay?«

Ich hielt ihr meinen kleinen Finger hin, worauf sie ihren eigenen sofort darin einhakte. »Niemals jemals. Versprochen.«

Sie kicherte und umarmte mich. »Willst du dir wirklich kein Taxi rufen?«

»Es ist doch nicht mehr weit.«

»Nächstes Mal bringe ich dich nach Hause«, schwor sie und wankte dann in Richtung ihres Hauses, einem hübschen Einfamilienhaus mit weißem Anstrich, das sich zu Beginn der Eglinton Road befand. Von hier aus waren es zu Fuß kaum mehr als zehn Minuten bis nach Hause, und es war ja nicht so, als müsste ich durch dunkle Nebengassen laufen.

»Abgemacht.« Ich lachte und sah zu, wie sie sich ihren dicken Wollschal vom Hals wickelte.

»Der ist für dich. Nicht, dass du dir noch eine Erkältung holst und dann keinen Spaß an Halloween hast.«

»Das ist erst in einer Woche.«

Ruby hob ihre Augenbrauen und hielt mir noch immer auffordernd den Schal entgegen.

Ich lachte und nahm ihn ihr ab, bevor ich die rosa Wolle um meinen Hals schlang und mir sofort etwas wärmer wurde. »Danke. Wir schreiben morgen?«

Sie nickte und umarmte mich erneut. Wir verabschiedeten uns voneinander, und ich lief erst los, als ich sah, dass sie vor ihrer Haustür stand. Eine alte Angewohnheit, die ich von meinem Dad übernommen hatte.

Ich wischte den Gedanken an ihn beiseite, als mein Handy klingelte. Ich zog es aus meiner Handtasche und lächelte, als ich dranging. »Wollten wir nicht morgen schreiben?«

Ruby lachte am anderen Ende der Leitung. »Ich muss doch sichergehen, dass du wohlbehalten nach Hause kommst.«

»Das ist schon ein bisschen süß von dir.« Ich überquerte eine Brücke, die über die Dodder führte, und trat auf eine der für gewöhnlich belebteren Straßen Dublins. Es war gespenstisch still. Irgendwo in der Ferne hörte ich ein Auto fahren, aber selbst hier war um diese Uhrzeit nichts los. Ich schaute mich zu allen Seiten um. Während ich einatmete, stieg mir Rubys blumiges Parfüm in die Nase, das in ihrem Schal hing.

»Ich bin zuckersüß«, antwortete sie mir durch die Leitung und ächzte, als würde sie sich gerade aus ihren Overknee-Stiefeln schälen. »Weißt du doch.«

Ich lachte und lief weiter mit schnellen Schritten über ein paar Ampeln und dann an der mehrspurigen Straße entlang, bevor ich schon vor mir die Donnybrook Parish Kirche aufragen sah. »Ich bin sogar schon an der Kirche.«

»Bist du gerannt, oder bin ich einfach nur verdammt langsam?« Sie flüsterte nun, als versuchte sie gerade, sich die Treppen hochzuschleichen. Ihre Eltern waren zwar nicht so streng wie meine Mom, aber Ruby sagte immer, es wäre besser, ihre Güte nicht allzu sehr auszureizen.

Mit gekräuselter Nase dachte ich daran, dass ich noch den Weg über unser Garagendach vor mir hatte. Ich bog in die Ailesbury Road ein und lief an der kleinen Mauer des Kirchengrundstückes entlang, als plötzlich Gänsehaut meine Arme überzog.

Automatisch wurde ich langsamer und warf einen Blick nach hinten, doch die mehrspurige Straße war noch immer wie ausgestorben. In der Ferne hörte ich Motorengeräusche, aber das war nicht, was die Gänsehaut verursacht hatte.

Mich trennten noch knapp vierhundert Meter von unserem Haus, vielleicht fünf Gehminuten, die mir jetzt plötzlich wie fünf Stunden vorkamen.

Mein Blick fiel in die Dunkelheit, die die Kirche umgab. Wind ließ die Blätter der umstehenden Bäume rascheln, und tiefe Schatten zogen sich bis zur kleinen Mauer.

Ruby sagte etwas, doch ich war so konzentriert auf die Dunkelheit, dass ich sie nicht verstand. »Was?«

»Eliza?« Plötzlich klang meine Freundin alarmiert. »Alles okay?«

Ich bemerkte erst jetzt, dass ich an der Kirche stehen geblieben war, und setzte mich ruckartig wieder in Bewegung, bis ich das uralte Gebäude in meinem Rücken hatte. Immer wieder erschauderte ich. Das Gefühl, verfolgt zu werden, traf mich mit voller Wucht, und ein Teil von mir wollte instinktiv nur noch rennen. Ein anderer ballte unbewusst die Hände. Mein Handy knirschte unter dem Druck, und ich lockerte meine Finger. »Ja, alles okay.«

»Wo bist du gerade?« Sie klang überhaupt nicht beruhigt.

»Fast zu Hause. Bin gerade an der Kirche vorbeigelaufen.« Ich versuchte meiner Stimme die Anspannung zu nehmen, während ich mich zu allen Seiten umsah. Vor mir erstreckte sich eine Allee, deren Bürgersteige sich an hüfthohe Ziegelmauern schmiegten, hinter denen hohe Bäume schicke Einfamilienhäuser versteckten. Die Straßenlaternen verschwanden in den Baumkronen und spendeten nur wenig Licht, sodass die Dunkelheit plötzlich noch allumfassender schien.

»Gut.« Rubys Stimme klang seltsam, aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein.

Ich atmete tief durch und warf erneut einen Blick zurück. Da war niemand. Ich musste mir diesen Mist nur einbilden. Genauso wie die Schatten.

Im nächsten Moment knackte etwas über mir. Ich keuchte, riss den Kopf hoch und sah nur noch, wie sich eine dunkel gekleidete Gestalt auf mich stürzte. Dann ging alles ganz schnell. Ich wurde von den Beinen gerissen. Mein Schrei hallte durch die Nacht. Das Handy wurde mir aus der Hand geschlagen und schlitterte mit Rubys Rufen davon.

Mein Kopf schlug auf den Boden. Ich ächzte und wollte aufstehen, doch im nächsten Moment blitzte etwas auf, und Klauen bohrten sich in meinen Arm.

Ein stechender Schmerz jagte durch meine Venen, und ich schrie wie verrückt. Die dunkle Gestalt ragte wie ein schwarzer Schatten über mir auf und blickte auf mich herunter.

Wut wallte in mir auf, und für einen Moment überwand ich den Schmerz und riss meine Beine zur Seite, direkt gegen das Schienbein meines Angreifers. Er knurrte wie ein wildes Tier. Eine Faust schoss auf mich zu, und für einen Augenblick sah ich nur noch Sterne. In meinen Ohren rauschte es. Ich spürte einen Luftzug, als mein Angreifer verschwand.

Dann hörte ich Reifen quietschen und blinzelte, während ich mich auf die Seite rollte. Ein Ächzen entfuhr mir, und in meinem Kopf drehte sich alles.

»Eliza!« Die Stimme meiner Mutter klingelte in meinen Ohren.

Panik wallte in mir auf, als ich sie plötzlich vor mir knien sah. Ein Fremder eilte um das Auto herum, das direkt vor mir am Straßenrand stehen geblieben war.

Ich wankte, als ich versuchte, mich zu erheben. »Ich-«

»Ganz ruhig«, unterbrach sie mich und packte meinen Arm. Mein Ärmel bestand nur noch aus Fetzen, und auf meiner Haut zeichneten sich leuchtend rote Striemen ab, obwohl es noch immer stockfinster war. »Du musst sofort in die Liga.«

»Was?«, stieß ich schwach und entsetzt aus. »Nein!«

»Du hast die Wahl zwischen mitkommen und sterben!«, herrschte sie mich an, und ihre Stimme ließ keine Widerworte zu. Der fremde Mann griff mit seinem Arm unter meine Achseln und hob mich hoch. Er war groß, muskulös und vermutlich so alt wie meine Mutter. Ich hatte keine Ahnung wer er war, aber ich hatte das Gefühl, ihn irgendwo schon mal gesehen zu haben.

Ich ächzte erneut und weigerte mich nicht, als sie und der Fremde mich in den dunklen Geländewagen hievten. »Woher wusstet ihr-?«

»Ruby«, antwortete meine Mutter knapp, während sie mich anschnallte und sich neben mich auf den Rücksitz schob.

Der Fremde schlug die Türen zu und nahm kurz darauf auf dem Fahrersitz Platz.

Mir entfuhr ein Wimmern, als sich der Schmerz in meinen Adern durch meine Organe zu fressen schien. »Wer hat mich angegriffen?«

»Du meinst wohl eher, was«, korrigierte der Fremde mich von vorne.

Ich wimmerte erneut, und mein gesamter Körper schien in Flammen zu stehen. »Kein Grund, mir Angst zu machen.«

»Eliza!«

»Mutter!«, zischte ich durch zusammengebissene Zähne, während die Welt in Schieflage geriet. »Was passiert hier?«

Mir wurde schwarz vor Augen, noch während sie antwortete.

***

Als ich meine Augen wieder aufschlug, befanden wir uns plötzlich in der Innenstadt Dublins.

»Eliza!« Die drängende, leicht panische Stimme meiner Mutter zerrte an mir, während mein Kopf zur Seite sackte und wieder alles schwarz wurde.

Als ich das nächste Mal zu Bewusstsein kam, war ich nicht mehr im Auto. Jemand schien mich zu tragen, mein Kopf knallte immer wieder gegen eine harte Brust, und ich roch Tabak und ein herbes Aftershave.

Im nächsten Moment lag ich auf einer Pritsche, und ich versuchte, meine Augen zu öffnen. Jemand beugte sich über mich. Ein junger Mann, kaum älter als ich. Er lächelte, während er mir eine Spritze in den Arm rammte, die so groß war, dass sie sicher sonst für Ochsen verwendet wurde.

Ich ächzte und spürte zugleich, wie der Schmerz von etwas anderem verdrängt wurde, etwas Weichem und Warmem. Einige Momente lang blinzelte ich nur angestrengt, während ich merkte, wie die Schwärze am Rande meines Sichtfeldes langsam schwand. »Oh scheiße, was war das?«

»Mäßige deine Worte, junge Dame!«

»Meine Güte, Mutter, bitte entspann dich«, stieß ich aus und versuchte, mich aufzurichten.

Sofort wurde ich von dem jungen schmächtigen Mann erstaunlich energisch zurück auf die Pritsche gedrückt. Er hatte blondes Haar, wirkte von meiner Position aus recht schlank. »Und wer bist du?«

Er lächelte schüchtern und trat einen Schritt zurück. »Du solltest dich ausruhen. Das Gegengift braucht einen Moment, um sich völlig zu entfalten.«

»Okay«, antwortete ich lang gezogen und runzelte meine Stirn, während ich ihn anstarrte und zu verstehen versuchte, was dieser Typ hier überhaupt machte. War er nicht viel zu jung, um mich behandeln zu dürfen?

Ich schaute mich in dem Raum um, und mir fiel jetzt erst auf, dass ich mit dem Typen und meiner Mutter allein war. Der Mann, der mich getragen hatte, war nicht mehr da.

Die Pritsche befand sich in einem kleinen fensterlosen Raum gegenüber einer vollständig von Schränken eingenommenen Wand. Es erinnerte mich ein wenig an das Krankenzimmer meiner Schule. »Wo sind wir?«

»In der Liga«, sagte meine Mutter und schaute mich an. »Jetzt erklärst du mir bitte, was genau passiert ist und wie es sein kann, dass ich dich mitten in der Nacht halbtot am Straßenrand aufsammeln muss, wenn ich eigentlich denke, dass du in deinem Bett schläfst?«

Der Typ senkte den Kopf und räumte die Sachen weg, mit denen er mich verarztet hatte. Dabei zog er seine Schultern hoch, als hätte er Angst, Teil dieser Standpauke zu werden.

»Ich war mit Ruby unterwegs«, gestand ich und starrte an die Decke, während ich merkte, dass in meinem Blut etwas arbeitete. Mein Kreislauf wankte, und jeder meiner Muskeln wurde ganz schwer. »Wir haben uns verabschiedet, und die letzten zehn Minuten wollte ich alleine gehen. War ja nicht weit. Aber dann sprang plötzlich irgendetwas aus dem Baum und hat mir die Haut aufgerissen.«

Ich schaute auf meinen Arm und bemerkte, dass er bandagiert worden war. Offenbar stand ich viel mehr neben mir, als ich dachte. »Ruby hat dich angerufen?«

»Sie war völlig außer sich!«

»Kann ich mir vorstellen«, murmelte ich und dachte an den panischen Schrei, den ich ausgestoßen hatte. »Mein Handy ist hin, oder?«

Meine Mutter betrachtete mich genervt und zog mein Handy aus ihrer Handtasche. Das Display war völlig zerstört. »Das sollte eigentlich dein kleinstes Problem sein.«

Sollte es, aber ich hing nun mal an meinem Telefon, das ich mir erst vor ein paar Wochen von meinem Sommerjob in der Eisdiele gekauft hatte. Ich steckte meinen Arm aus und spürte, wie sehr meine Muskeln zitterten, als ich es ihr abnahm. »Danke.« Mein Blick fiel wieder auf den jungen Typen. »Wann kann ich denn gehen?«

Er starrte mich mit seinen großen Rehaugen an. Durfte der diese Spritzen überhaupt verteilen?

»Du wirst über Nacht hierbleiben müssen«, sagte meine Mutter streng. »Nur zur Sicherheit. Du wurdest angegriffen, falls dir das nicht bewusst sein sollte.«

Ich starrte sie nur an. Als ob mir das nicht klar wäre! Hallo? Mein Arm brannte wie Feuer!

»Die Liga hat dich gerettet, aber das hat seinen Preis.«

Mein Atem beschleunigte sich. »Soll das ein Scherz sein? Du bist meine Mutter! Ist dir mein Leben so wenig wert, dass ich jetzt hier in ihrer Schuld stehe?«

Sie sah mich mit erhobenen Augenbrauen an. Mir fiel auf, dass ihre blonden Haare sich aus ihrem strengen Dutt gelöst hatten und ihre grellorange Bluse zerknittert war. Etwas, das so gut wie nie vorkam. »Sadie ist weg.«

»Was meinst du damit?«

»Dass sie weg ist!«

»Okay. Sadie ist weg«, wiederholte ich diese klägliche Information. Dabei richtete ich mich ein wenig auf und lehnte mich mit einem Stöhnen gegen die eiskalte Wand. »Was meinst du damit genau? Macht sie Urlaub? Wurde sie entführt? Ist sie, ohne Bescheid zu sagen, einkaufen gegangen? Die Möglichkeiten sind unbegrenzt.«

Offenbar hatte ich meinen Sarkasmus nicht gut genug zurückgehalten, denn meine Mutter warf mir einen finsteren Blick zu, während sie in dem kleinen Raum hin und her lief. »Sie ist durchgebrannt! Mit ihrem Tanzlehrer!«

Der Assistenzarzt, oder was auch immer der blonde Typ darstellte, schnappte nach Luft, und als meine Mutter ihn finster ansah, verließ er eilig und eine Entschuldigung murmelnd den Raum.

Nun war ich diejenige, deren Augen sich schockiert weiteten. »Dem Kerl, der ihr Tanzstunden wegen der Verbindungsfeier für sie und Greg gegeben hat?«

Meine Mutter stieß ein Geräusch aus, eine Mischung aus Knurren und Wimmern. »Ja!«

Meine Lippen formten ein O, und ich unterdrückte den Drang loszulachen. »Das ist übel.«

»Natürlich ist das übel!«

»Mutter, du musst mich nicht anschreien. Egal wie oft ich mich rausschleiche – ich bin wenigstens immer wiedergekommen.« Dass ich dafür Bonuspunkte bekommen sollte, verschwieg ich, denn wenn die Augen meiner Mutter hätten glühen können, wäre ich jetzt vermutlich in Flammen aufgegangen.

Sie schnaubte verzweifelt und strich sich über ihre Hose, während sie wieder auf und ab lief. »Du hast recht. Entschuldige.«

Ihre Worte ließen mich innehalten. Dass meine Mutter sich bei mir entschuldigte, konnte nichts Gutes bedeuten. »Entschuldigung angenommen. Also ... hast du die Polizei verständigt, oder was machen wir jetzt?«

»Sie hat einen Abschiedsbrief hinterlassen – mit einem Foto, auf dem sie ihren Tanzlehrer küsst.« Sie verzog abschätzig ihren Mund. »Und die Polizei hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass sie diesen Fall leider nicht bearbeiten können, weil Sadie nicht in Gefahr zu sein scheint. Ihre Lieblingssachen hängen nicht mehr im Schrank, und einer ihrer Koffer ist weg.«

In meinem Magen grummelte es, als mich eine merkwürdige Vorahnung beschlich. Sadie war eine Anwärterin zur Hüterin gewesen, dem wohl wichtigsten Job der Liga, den es nur zweimal zu besetzen gab. Einen Platz für sie und einen für ihren angeblichen Seelenverwandten. Zu meinem kläglichen Wissen gehörte, dass sie die siebte Hüterin unserer Familie in Folge geworden wäre – was irgendwas mit starken Genen zu tun hatte. Nach ihr war ich die nächststärkste Hüterin. Aber für mich hatte immer außer Frage gestanden, diesen Platz jemals einzunehmen. »Die Protektoren werden sicher schon nach ihr suchen. Es ist immerhin ihr Job, auf sie aufzupassen.«

»Protektoren passen auf Hüter auf. Nicht auf entlaufene Frauen, die sich ihrer Aufgabe entziehen.«

Ich starrte meine Mutter nur an. Ihr jetzt zu sagen, dass Sadie bestimmt nur aus Liebe abgehauen war oder sie vielleicht keine Lust auf diesen Hüter-Quatsch hatte, würde sie sicher nicht besänftigen. Immerhin gehörte es zur Aufgabe eines Hüters dazu, sich mit seinem angeblichen Seelenverwandten zu verbinden und die eigene Seele zu opfern. Etwas, das meiner Meinung nach wie eine echt große Sache klang.

Die zwei verbundenen Hüter beschützten, soweit ich mich recht erinnerte, ein Portal zu einer anderen Welt, damit die Wesen auf der gegenüberliegenden Seite nicht durch das Tor gelangen konnten. Mir wurde klar, dass dies die längste Unterhaltung war, die meine Mutter und ich seit Langem miteinander führten. Nicht dass es mich normalerweise störte, denn die meiste Zeit ging es nur um Dinge, die sie an mir kritisieren konnte.

»Tja«, stieß ich aus, als mir klar wurde, dass sie mein Starren erwiderte und stehen geblieben war. »Dann müssen wir wohl abwarten.«

Sie schüttelte langsam ihren Kopf. »Sadie wird nicht wiederkommen.«

»Du sagst das, als wäre sie tot.«

»Ich habe die Zeichen gesehen.« Meine Mutter rieb sich in einer ungewohnt hilflosen Geste die Stirn und überging meine anklagenden Worte einfach. »Sadie war in den letzten Wochen gedanklich immer abwesend. Sie hat auf den Veranstaltungen nicht mehr so viel gelacht wie früher, und das Training hat sie auch nur noch halbherzig vollzogen. Ich habe geglaubt, es läge an ihrer Nervosität wegen der bevorstehenden Verbindung mit Greg.«

»Hast du bereits mit ihm gesprochen?« Allein der Gedanke daran, was meine Schwester wegen dieser schrecklichen Verbindung alles durchgemacht haben musste, ließ Mitleid in mir aufkommen. Sadie hatte vielleicht immer nur so getan, als wäre sie die perfekte Tochter. Sie hatte sich für eine Welt verstellt, die ich niemals würde betreten wollen. Vielleicht waren wir einander doch nicht so unähnlich, wie ich immer geglaubt hatte.

»Natürlich. Greg war schockiert und zutiefst bestürzt, aber er teilte meine Beobachtungen. Doch auch er hat geglaubt, sie wäre nur nervös.«

Aber offenbar hat sie sich in ihren Tanzlehrer verliebt und gemerkt, dass diese Verbindung ihr Leben ruinieren würde. Mir tat es plötzlich leid, dass ich sie immer als einfältige Mitläuferin bezeichnet hatte. »Greg war sicher traurig.«

»Er war wütend. Verständlicherweise«, stieß meine Mutter erbost aus und blieb mitten im Raum vor meiner Pritsche stehen. »Immerhin hat Sadie ihm die Möglichkeit genommen, etwas Großartiges leisten zu können. Sie hat ihn verlassen und ihn damit in den Rang eines Protektoren oder allenfalls noch Jägers verbannt.«

Ich wollte angesichts ihres Snobismus meine Augen verdrehen, wagte aber kaum, mich zu bewegen. Dabei tat ich so, als würde ich den lauernden Blick meiner Mutter nicht bemerken. »Nun, das mit Sadie ist bedauerlich. Für Greg natürlich umso mehr. Jetzt, da er ohne sie und ihre gemeinsame Verbindung nicht mehr Hüter werden kann. Aber ich bin sicher, dass das Kuratorium eine Lösung dafür finden wird.« Ich unterdrückte den Drang, mir nervös auf die Innenseite meiner Lippe zu beißen. Meine Mutter kannte meine Schwächen nur allzu gut, und ich wollte ihr keine Angriffsfläche bieten. Dennoch spürte ich, wie sie ihre Schlinge immer enger um mich zog und ich kurz davorstand, eingefangen zu werden.

Meine Mutter nickte und bestätigte damit meinen Verdacht, dass sie bereits einen Plan in der Hinterhand hatte, der mich mit einschloss. »Das haben sie tatsächlich.«

»Dann müssen wir nicht weiter darüber reden, und ich kann vielleicht doch noch ein wenig schlafen. Dieses Gegengift war echt übel.« Ich streckte mich und hoffte meine Ablenkungsstrategie würde aufgehen.

»Du wirst ihren Platz einnehmen.« Mutters leise Stimme schien den gesamten Raum auszufüllen. »Es ist deine Pflicht. Jetzt, da der Ruf unserer Familie so gut wie ruiniert ist, musst du ihn retten. Deine Schwester hat das, was dein Vater getan hat-«

»Lass Vater aus dem Spiel«, unterbrach ich sie scharf und hob mein Kinn, weil ich wusste, dass sie es hasste, wenn ich so mit ihr sprach. »Das hast du dir ja toll zurechtgelegt. Aber was ist, wenn ich das nicht möchte?«

»Du musst es tun.«

Etwas in ihrer Stimme ließ mich meine Augen zusammenkneifen. »Ich muss nichts tun, was ich nicht möchte. Selbst als Unbeteiligte weiß ich das.«

»Du musst, ansonsten löse ich deinen Collegefonds auf und schicke dich zu Tante Matilda nach Amerika.«

Ich starrte sie an und unterdrückte den ersten Impuls, sie einfach aus dem Zimmer zu schmeißen. Ehrliche Fassungslosigkeit breitete sich in mir aus. »Das kannst du nicht tun.«

»Dir steht nichts zu. Da du noch nicht einundzwanzig bist, hast du noch keinen Zugriff auf das Erbe deines Vaters.« Sie trat wieder näher und lächelte mich auf diese raubtierartige Weise an, die ich schon immer an ihr gehasst hatte. Gleichzeitig wurde ihr Blick warm, als würde sie glauben, mich damit ködern zu können. »Erfülle deine Pflicht, und nimm das Erbe an, das unsere Familie schon seit Generationen erfüllt.«

»Vaters Familie«, fügte ich die ungesagten Details hinzu. »Du hast dich nur in eine mächtige Familie eingeheiratet. Tu nicht so, als hättest du eine Ahnung von dem, was Sadie oder so viele Frauen der Familie zuvor opfern mussten.«

Eisige Kälte schien sich um uns auszubreiten, während keine von uns nachgeben wollte.

Ich ließ mir nicht anmerken, wie sehr mich ihre Drohung tatsächlich verletzte. Natürlich wusste ich, wie sehr es sie schon immer in den Wahnsinn getrieben hatte, dass ich mit dieser Welt nichts zu tun haben wollte. Aber mir war nicht klar gewesen, dass mir damit anscheinend auch der Status als Familienmitglied abgesprochen worden war.

Für meine Mutter war die Liga alles. Das einzige wirklich Gute, worauf sie in ihrem Leben hatte zurückblicken können, war Sadie gewesen. Die Tochter, die unser Familienerbe mit Freuden angenommen und stets getan hatte, was Mutters Meinung nach richtig war.

Jetzt stieß sie den Atem aus und beendete unser Blickduell, bevor sie geradezu verzweifelt an die Decke starrte. »Es tut mir leid. Sicher findest du meine Forderung nicht fair, und ich wollte niemals zu derart harten Mitteln greifen. Ich weiß, ich war nicht immer die Mutter, die du gebraucht hättest. Doch Sadies Ausbildung war wichtig. Hättest du dich dem angeschlossen-«

»Ich denke nicht, dass weitere Vorwürfe nötig sind«, unterbrach ich sie erneut und verschränkte die Arme vor meiner Brust. »Ich bin absolut ungeeignet als Hüterin, Protektorin oder Jägerin.«

»Du hast die Grundausbildung. Dein Vater hat dich von Kindesbeinen an trainiert. Du bräuchtest vielleicht ein Auffrischungstraining und natürlich das Training der Hüter, aber du bist nicht gänzlich ungeeignet.« Ich hasste die Hoffnung, die sich in ihre Stimme mischte. Sie drehte sich zu mir um, und Tränen standen in ihren Augen. Ich hatte keine Ahnung, ob sie echt waren, aber ihre Stimme zitterte, als sie weitersprach. »Versuch es wenigstens. Wie du schon sagtest, hast du die Wahl. Bitte schau dir deinen Anamaite an, lerne ihn kennen und beteilige dich ein- oder zweimal am Training. Ich weiß, du hältst das alles für eine Sekte, aber das sind gute Menschen. Sie beschützen die Menschen, Tag für Tag, und du könntest Teil davon sein. Versuch es wenigstens, und wenn du dann Nein sagst, muss ich das akzeptieren.«

Ich schüttelte immer wieder meinen Kopf. Das Wort Anamaite hallte in mir wider wie eine Beschwörung. Es war die Bezeichnung für Seelenverwandte. Zwei Menschen, die zusammen das Portal beschützten und gemeinsam ihre Seelen dafür hergaben. »Mutter ...«

»Dieser Angriff war kein Zufall! Du bist nun die mächtigste mögliche Nachfolgerin in der Stadt, und unsere Feinde haben davon Wind bekommen! Du musst es versuchen, Eliza. Ich will nicht mitansehen, wie meine eigene Tochter erneut angegriffen und beim nächsten Mal vielleicht sogar getötet wird!«

Dramatischer hätte sie es wohl nicht beschreiben können. Dennoch lösten ihre Worte und ihr verzweifelter Anblick etwas in mir aus.

Etwas ließ wohl mein Hirn kurzzeitig aussetzen, denn plötzlich hörte ich mich sagen: »Okay.«

Ich wollte das Wort zurücknehmen, wollte husten und es überspielen, doch der Freudenschrei meiner Mutter ließ es nicht mehr zu.

»Du wirst es nicht bereuen!« Sie legte ihre Hände an meine Schultern und drückte mich zu einer kurzen und festen Umarmung an sich. »Ich werde alles in die Wege leiten!« Dann stürmte sie aus dem Raum. »Warte hier! Ich werde sofort veranlassen, dass du in ein besseres Krankenzimmer gebracht wirst!«

»Was habe ich nur getan?«, flüsterte ich leise und starrte die Tür an, während ich mich wieder kraftlos gegen die Wand sinken ließ. Das war übel. Richtig übel.

KAPITEL 3

Skeptisch starrte ich meine Mutter an, die am nächsten Morgen schon neben meinem Bett stand, noch bevor ich überhaupt meine Augen aufgeschlagen hatte. Gruseliger ging es ja wohl kaum. »Was hast du gesagt?« Ich gähnte und wollte mich strecken, als ein scharfer Schmerz durch meinen Arm fuhr. Ich zuckte zusammen, starrte auf den Verband, und schlagartig fiel mir die gestrige Nacht wieder ein.

»Ich möchte, dass du Stillschweigen über den Angriff wahrst.«

Plötzlich umhüllt mich Dunkelheit. Ich höre mich rennen. Panik steigt in mir hoch. Im nächsten Moment wirft mich jemand mit voller Wucht zu Boden.

Ich blinzelte und versuchte, die angsterregenden Erinnerungen loszuwerden, die sich unweigerlich vor meinem inneren Auge abspielten, während ich zu meiner Mutter hochschaute. »Ernsthaft?«

Ihre Augenbrauen zuckten warnend hoch.

»Mir ist schon klar, dass ich niemandem von der Liga und diesen Wesen erzählen darf, gegen die ihr kämpft.« Auch wenn ich nicht so ganz wusste, was das überhaupt für Gestalten waren.

»Das wird nicht ausreichen. Du darfst auch innerhalb der Liga mit niemandem darüber sprechen.« Obwohl ich momentan die einzige Patientin im Krankenflügel der Liga war, senkte meine Mutter ihre Stimme. »Der Angriff auf dich ist höchst beunruhigend, und wir sind uns einig, dass es nur Panik in der Liga auslösen würde.«

»Du meinst, es würde all diese Leute, die in Kampfkunst ausgebildet werden, beunruhigen, dass eine Achtzehnjährige angegriffen wurde?«

»Dass eine mögliche Hüterin angegriffen wurde. Die wohlmöglich stärkste.«

Ihre Worte gefielen mir überhaupt nicht, und mir fiel ihre Erpressung von gestern Nacht wieder ein. Sie wollte, dass ich mir die Liga anschaute und ihr wenigstens die Chance gab, meine Meinung über die Liga zu ändern. Doch ich wüsste nichts, was mich dazu bringen könnte, für diese Institution meine Seele zu opfern. »Dafür müsste ich mich erst mal dafür interessieren, was dieser Verein hier tut.«

»Hör auf, so über die Liga zu sprechen!« Ihre Wangen wurden fast so rot wie ihr Lippenstift.

»Wie kannst du vergessen, was sie uns angetan haben? Diese Leute haben Vater einfach seinem Schicksal überlassen.« Bitterkeit floss durch meine Venen, während mich die Hilflosigkeit zu überrollen drohte. Mein zwölfjähriges Ich kämpfte in mir mit den Tränen, während ich nur noch Wut empfand. Er war vor knapp sechs Jahren in ihrem Auftrag verschwunden, und sie hatten nicht einmal nach ihm gesucht! Sie hatten ihn zu einem Geächteten gemacht!

Am liebsten wäre ich aufgesprungen und hätte dem gesamten Laden den Mittelfinger gezeigt.

Meine Mutter strich sich über ihren blonden Dutt und wich meinem Blick aus, so wie immer, wenn wir auf dieses Thema kamen. »Gib uns zwei Tage. Zwei Tage, um dir zu zeigen, dass wir Gutes tun.«

»Wie du willst.« Ich schaute zu dem Fenster, hinter dem ich Bäume sehen konnte. Wolken bedeckten den Himmel, und es sah aus, als würde es jeden Moment regnen. »Was ist mit Sadie?«

»Deiner Schwester habe ich gestern Abend geschrieben. Nicht, dass dieser Angriff etwas mit ihrem Verschwinden zu tun hat. Aber offenbar geht es ihr gut.«

Meine Mutter klang nicht so erleichtert, wie sie sein sollte. Aber so war sie nun mal, wenn sie enttäuscht war. Nachtragend. Einen Moment lang schwiegen wir beide, dann räusperte sie sich. »Auf jeden Fall möchte ich, dass du heute die Liga kennenlernst. Du solltest dem Ganzen eine ehrliche Chance geben. Dein ... dein Vater hätte es so gewollt.«

Ich ballte meine Hände zu Fäusten und vergrub sie in den Laken. Sie hatte kein Recht, so über ihn zu sprechen, nachdem sie ihn einfach abgehakt hatte, so wie die Leute, für die er mit all seinem Herzblut gearbeitet hatte. Doch sie wusste genau, was sie mit ihren Worten in mir anstellte, was mir am meisten wehtat. Natürlich würde ich es mir ansehen. Für ihn. Aber nicht länger als nötig. »Womit fangen wir an?«

Sie lächelte mich an und nickte. Hatte ich da gerade etwa einen Hauch Stolz in ihren Augen aufblitzen sehen? »Ich habe dir ein paar Kleidungsstücke mitgebracht.« Sie ließ eine Tasche auf das Bett fallen, und ich zog sie zu mir heran. Als ich sie aufmachte und die rosa Seidenbluse sowie die schwarze Stoffhose entdeckte, verzog ich meinen Mund. »Das sind Sadies Sachen.«

»Als ich in deinen Kleiderschrank geschaut habe, waren da nur zerrissene Kleidungsstücke drin.« Sie klang, als wäre es dann völlig logisch, die Klamotten meiner Schwester zu nehmen, die alle eine Nummer zu klein für mich waren. Meine Schwester war quasi eine Elfe. Ich hingegen hatte ein paar Kurven und war auch ein bisschen größer als sie.

Ich seufzte. Meine Klamotten von gestern Nacht waren ruiniert und völlig verdreckt. Als ich mich gestern Abend hatte hinlegen wollen, stand außer Frage, in dem Outfit zu schlafen. Also hatte ich den Assistenzarzt um etwas zum Wechseln gebeten, und er hatte mir mit hochrotem Kopf ein weites Shirt gebracht. Bei dem Gedanken daran zuckten meine Mundwinkel.

Mit einem weiteren Blick in die Tasche entdeckte ich noch ein paar Hygieneartikel. Was ein Glück. Ich musste mich dringend frisch machen.

Zehn Minuten später kam ich in Sadies Klamotten und frisch geputzten Zähnen aus dem Badezimmer, das zur Krankenstation gehörte. Mein braunes Haar hatte ich zu einem hohen Zopf gebunden. Ich fühlte mich gleich viel besser.

Zugleich war es ein äußerst seltsames Gefühl, in Sadies Sachen herumzulaufen, während meine Mutter versuchte, mir den Platz meiner Schwester innerhalb der Liga schmackhaft zu machen. Dass Sadie sich verändert haben sollte, war gänzlich an mir vorbeigegangen. Immerhin redeten wir so gut wie nie miteinander, und wenn wir es taten, zickten wir uns an, oder Sadie rümpfte über mich die Nase, während ich ihr sarkastische Bemerkungen an den Kopf knallte. Meine Mutter mischte sich so gut wie nie ein, aber wenn sie es tat, war sie grundsätzlich auf Sadies Seite. Eine Familienidylle gab es in unserem Hause schon lange nicht mehr.

Meine Mutter wartete im Flur und betrachtete mich wohlwollend. »Ich würde sagen, wir beginnen mit einem kurzen Frühstück. Du wirst sicher hungrig sein.«

»Kaffee wäre auf jeden Fall gut.« Ich folgte ihr durch den schmalen Flur des Obergeschosses. Als Kind war ich ein paarmal mit meinem Vater hier gewesen. Er hatte immer geglaubt, ich würde einmal in seine Fußstapfen treten und Spezialistin werden. Er hätte nicht weiter danebenliegen können. Ich gehörte nicht hierher, nicht zur Liga und all diesen Leuten, die ihn damals im Stich gelassen hatten.

Mit einem Aufzug fuhren wir in den untersten Stock, in dem sich die Cafeteria befand. Es war ein großer, langgezogener Raum mit einer riesigen Fensterfront, die den Blick auf einen begrünten Innenhof freigab. Dunkle Möbel dominierten den mit schwarzen Fliesen ausgelegten Raum, an dessen weißen Decken Spots angebracht worden waren, die die runden Tische beleuchteten.

Direkt neben dem Eingang befand sich die Essensausgabe, die um diese Uhrzeit gerade mit frisch belegten Brötchen bestückt wurde. Der Geruch von Kaffee erfüllte die Luft.