Engel mit und ohne Flügel - Maralene Werner - E-Book

Engel mit und ohne Flügel E-Book

Maralene Werner

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Beschreibung

Es gibt im Leben Momente, da bedarf es einfach eines Engels. Ganz egal, ob dieser Flügel hat oder nicht. Aber auch himmlische Wesen haben so ihre Sorgen und Befindlichkeiten. Manchmal sind sie einfach menschlich... oder sind Menschen manchmal engelsgleich? Einige der Geschichten stehen für Schicksal, andere für momentane Unwägbarkeiten, jedoch gibt es immer eine schlüssige Auflösung, gleich welcher Art. Manche Geschichten sind erdgebunden, aus dem Alltag heraus erzählt, manche mehr im Himmel angesetzt - wo da auch immer. Die Gedichte sind ebenso irdisch bezogen, wie auch zum Träumen. Ganz allgemein sagt dieses Buch: "Das Leben ist schön - greife einfach zu"

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Seitenzahl: 279

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Maralene Werner

Engel mit und ohne Flügel

Geschichten und Gedichte

©2023 Maralene Werner

ISBN Softcover: 978-3-347-65146-3

ISBN Hardcover: 978-3-347-65148-7

ISBN E-Book: 978-3-347-65149-4

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:

tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Das Schreiben

Das Elfenbad

Ein planetarisches Familienfoto

Der Fall

Ein Becher Kakao

Ein himmlisches Vergnügen

Engelsnacht

Es war eine Zeit hier auf Erden…

Traum der Undine

Glückstädter Begegnung

Das Ding da

Trollenmond

Serafina

Zurückgefunden

Über Nacht

Die Nebelfahrt

Hast Du heute schon meinen Engel gesehen?

Gezeiten

Mein Engel

Danksagung

Bereits von ihr erschienen:

Auszug aus den Weihnachtserzählungen

Engel mit und ohne Flügel

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Titelblatt

Urheberrechte

Das Schreiben

Auszug aus den Weihnachtserzählungen

Engel mit und ohne Flügel

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Das Schreiben

Es ist schon so etwas Kurioses, dieses Schreiben – zumindest bei mir. Dabei ist es erst einmal wichtig zu wissen, dass ich gerne schreibe. Alles – Gedichte, Exposés, Geschichten lang und kurz, Essays, Berichte, Schulungsmappen, Briefe – lustig oder traurig, oberflächlich und tiefsinnig. Kurz: ich schreibe gern.

Jetzt sollte man meinen, dass ich es gar nicht abwarten könnte an mein Laptop zu kommen, um hier meine Gedanken umgehend zu fixieren. So ist es eigenartigerweise nicht.

Zuerst kommt da so ein Gedanke, der wächst und gärt in meiner Fantasie, bläst sich auf, bekommt Fülle, bekommt Handlung – und eigentlich müsste ich nun darauf brennen diesen Vorgang sichtbar zu machen, ihn auf Papier bringen zu können.

Doch der Weg an meinen Schreibtisch wird immer länger, und es gibt noch so vieles anderes zu tun, was überhaupt nicht aufschiebbar ist, wie Wäsche waschen und bügeln, einkaufen, ein Kleid nähen, noch schnell ein Telefonat, das ich seit Wochen bereits schon schuldig bin. Vielleicht die Buchhaltung wieder auf Vordermann bringen, den Keller aufräumen oder nur den Schreibtisch – halt!

Hier bin ich schon im Gefahrenbereich, hier schaut mich mein Laptop schon vorwurfsvoll an.

Trotzdem zögere ich, wie jemand, der ein Geschenk erhalten hat, das schön in Seidenpapier verpackt und mit dicker Schleife gebunden überreicht wurde, und der sich nun nicht traut, dieses wunderschöne Gebinde aufzureißen, zu zerstören. Auch, um den Moment der Lust, der Freude noch hinauszuzögern, dieses feine Tremolo der Nerven, dieses süße Gefühl der Erwartung, das schon fast an Verliebtsein grenzt, noch länger zu genießen.

Oder ist es die Angst enttäuscht zu werden, der Inhalt eben nicht das Erträumte, Ersonnene ist. Oder gar die Angst eines Süchtigen, der genau weiß, wenn er jetzt schwach wird, jetzt seinem heißen Sehnen nachgibt, jetzt einen Schluck nimmt, einen tiefen Zug aus der Zigarette, die Tablette, die Spritze …, obwohl es ihm zuerst sein Inneres verbrennt – er kann dann nicht mehr zurück. Er weiß um das Ertrinken in dem ziehenden Bedürfnis seiner Sucht.

So schleicht er um Regale voller Flaschen, die ihm Erlösung versprechen, zieht seine Nase nach jeder Tabakrauchfahne, inhaliert noch den schwächsten Duft. Ist es etwa so? Vielleicht.

Es kommt auch diesem Gefühl sehr nahe, wenn man einen Mann, eine Frau sieht und sofort alle Sinne rufen: „Ja, ja, das ist es. Greif zu“, und man weiß, dass es nicht möglich ist, weil diese Person bereits zu jemanden gehört, zu jung, zu alt, zu schön, zu klein oder was auch immer ist – oder es ist gerade nicht anständig diesen Augenblick zu nutzen. Aber das Feuer der Lust saust in Höllengeschwindigkeit durch jede Ader, schnürt die Kehle zu, schluckt trocken. Kein schlechtes Gewissen hält diesen Reiz im Zaum – und der Verzicht schmeckt köstlich, etwas nach Himmelblau. Ist es das? Vielleicht.

Da ist auch diese andere Angst, dieses, was ganz innig mein ist, nach außen zu bringen, indem ich es nun schreibe, in Buchstaben schwarz auf weiß vor mir sehe, dann zu verlieren. Als risse man mir ein Kind aus meinem Leibe, das ich voll genüsslicher Liebe in mir trug, das in mir lebte, wuchs und täglich schöner, vollkommener wurde. Mit dem ich sprach, meine innigsten Gedanken tauschte – und dann auch noch die Furcht vor dem Anspruch!

Dieser Laptop frisst meine Seele, schlürft sie auf und nichts ist ihm gut, ist ihm genug, gut genug. Kritisch und trocken bewertet er alles.

Am Ende sitze ich hier an meinem Schreibtisch und bediene sein nimmermüdes Verlangen, verströme meine Seelenkinder in tote Tasten – und ich merke, ich bin und fühle alles von dem, was ich bereits nannte.

Ich stocke, das Innigste auszupacken, zaudere auf die Überraschung des Inhaltes. Ich bin süchtig, lüstern und doch Genießer in der Entsagung. Bin voller Furcht, um die Preisgabe meines Selbst.

So schleiche ich unschlüssig weiter, verirre und verwirre mich in Nichtigkeiten, drücke mich an latenten Pflichten entlang, um schließlich als Verlierer aufatmend nachzugeben, um endlich in die weichen Federn meiner Gedankenflüge zu gleiten.

So sieht es aus, wenn der Neptun im fünften Haus in der Waage steht, eingeschlossen zwischen Jungfrau und Skorpion. Er will nicht im Kleinlichen ersticken oder haarscharf sezieren – er will nur frei sein, fliegen.

Das Elfenbad

Gestern Nacht sah ich im Fluss

die kleinen Elfen baden.

Es schimmerte der Mond so hell,

umspielte ihre Waden.

Mit Mondlicht wuschen sie ihr Haar

im vollen Silberglanz.

Sie setzten ihre Füßchen fein

zum Elfenreigentanz.

Die Fische sahen dabei zu,

ganz still den Kopf gehalten.

Der Fluss, der sanft ans Ufer schlägt,

lässt weise Nachsicht walten.

Die Sommernacht war lau und warm,

der Wind schlief tief und fest.

Viel Glühwurm setzten taumelnd Lichter,

erhellten so den Rest.

Auf Halmen und den Blüten

ihre Lämpchen glimmern,

in den Tropfen frischen Taus

wie Diamanten schimmern.

Die Elfen putzten ihre Flügel

und tauchten in das Nass.

Sie kicherten wie Glöckchenklang

und hatten ihren Spaß.

Ein Kobold schlich durchs hohe Gras,

und hinterm Halm versteckt

guckt er verschmitzt den Elfen zu,

die Lippen forsch gebleckt.

Ein Mondstrahl trifft auf sein Gesicht

und kitzelt zum Verdruss

sein Mündchen, dann die Nase keck,

so dass er niesen muss.

Erschrocken nun die Elfen sind

und fliegen alle fort.

Die Glühwurmlichter gehen aus,

verlassen ist der Ort.

Heute Nacht sitz ich am Fluss

und sehe keine Elfen mehr.

Der Mond, versteckt durch Wolkenwand,

sieht nicht einmal mehr her.

Doch ganz versteckt im Strauchgeflecht

Seh’ ich den Kobold sitzen.

Er wartet hier genau wie ich,

will einen Blick stibitzen.

Flügel schwirren in der Luft.

Stimmen, ach so fein,

ein Elfenkichern hören wir –

dann sind wir zwei allein.

Ein planetarisches Familienfoto

Der Erdenkalender zeigt heute den 31. Dezember 2004 und die irdische Uhr in dem kleinen Ort in Niedersachsen springt gerade auf Mitternacht. Mancher würde darauf bestehen, dass es Null Uhr wäre, also eine Zeit zwischen dem Tag vorher und dem Tag danach. Für diesen besonderen Tag sogar eine Frage des alten oder des neuen Jahres. Aber so genau wollen wir es nicht nehmen, denn für uns wird die erste Minute des neuen Jahres nur von Wichtigkeit sein.

Obwohl – beim ganz genauen Hinsehen natürlich und wenn einem die Zerlegung der Zeit in immer kleinere Einzelteile wirklich wichtig erscheint – also, für einen winzigen Moment eines Momentes könnte schon das Gefühl eines Zwischenraumes entstehen – wenn man es denn erfühlen wollte und dann natürlich auch könnte.

Aber für die vielen Menschen, die gerade ihre Gläser heben und auf das neue Jahr anstoßen, wird das wohl wirklich nicht von Wichtigkeit sein. Zumindest gehen wir in dieser Abhandlung davon aus.

Als nun schon erste, von übereifrigen Feuerwerksfanatikern etwas verfrüht in Gang gesetzte Silvesterknaller mit Knattern und Jaulen in den Straßen explodieren, Leuchtraketen mit dumpfem Knall in der Luft zerplatzen und den nachtdunklen Himmel mit grellen Farbsplittern übersprühen, liegt eine Frau schon einige Zeit in den Wehen. Nunmehr bereits in den letzten Presswehen, und noch bevor der letzte Glockenschlag von der alten, aber trutzigen Kirchturmglocke her verhallt, wird sie ein Kind gebären. Es ist eine Hausgeburt. So hat es sich das Ehepaar ausgesucht. Die Hebamme hält bereits warme Tücher und heißes Wasser bereit – es wird eine unkomplizierte Geburt. Der Arzt ist nicht nötig. Sie wird es allein schaffen.

‚Das fünfhundertste Kind, dem ich auf diese Welt helfe’, denkt sie für sich und blickt auf die Uhr an der Wand, schaut den werdenden Vater lächelnd an, der mit schweißnasser Stirn unverwandt in das Gesicht seiner Frau blickt, abwechselnd ihre Hand fest hält oder ihr liebevoll über den Rücken streicht, damit sich der Schmerz etwas lindert. Die Hebamme wirft einen schnellen Blick auf ihre Armbanduhr, dann spricht sie ihre Gedanken laut aus:

„Sie zum Vater zu machen, das werden wir, ihre Frau und ich, im alten Jahr wohl nicht mehr schaffen Aber gleich das erste Kind im neuen Jahr. Welch eine Überraschung! – Und dann auch noch ein Jubiläumskind für mich. Nummer Fünfhundert, dem ich auf die Welt helfe.“

Bei den Worten der Hebamme erschrickt der Mann etwas aus seiner Konzentration, mit der er sich um seine Frau kümmert. Auch er schaut nun auf die Uhr, die auf zwölf steht und lächelt seine Frau aufmunternd an. Doch dieses Lächeln wird nicht erwidert. Seine Frau hat jetzt keine Augen für ihn. Eine neue Presswehe meldet sich an. Die Hebamme greift schon nach den Händen der Gebärenden, um sie in eine leichte Hocklage hochzuziehen und meint:

„Doch für eine Unterhaltung haben wir im Moment keine Zeit. Jetzt geht’s los!“

Zur gleichen Zeit in den unendlichen Weiten des Universums - wenn man hier überhaupt einen Zeitvergleich zugrunde legen, beziehungsweise überhaupt von Zeit aus unserem menschlichen Verständnis herausdenkend reden könnte, würde diese im Vergleich zu unserer Erdenzeit unendlich langsamer vergehen. Doch wir werden zum besseren Verständnis in dieser Geschichte den Begriff der uns bekannten Zeiteinheiten verwenden, da es so verständlicher sein wird, und außerdem sind wir auch daran gewöhnt.

Also, zu gleicher Zeit herrscht das übliche Durcheinander in dem Teil des Universums, zu dem unsere altgediente Mutter Erde gehört. Aber das und besonders dieses Chaos ist gewollt und unbedingt nötig, um immer wieder neue Kreativität an die Oberfläche zu spülen. Man ist sich in diesen „gehobenen Kreisen“ darüber klar und zwischen allen Mitspielern einig, dass einsehbare Ordnung zu Einfallslosigkeiten führt, vielleicht sogar in Stagnation enden könnte oder gar im totalen Zerfall – und was würde dann aus der Fülle der Schöpfung? Gar nicht auszudenken! Vielleicht müsste man wieder von vorne beginnen? Aber was ist hier schon Anfang und Ende?

Für die Eingeweihten ist dieses Chaos auch nur vermeintlich. Unter dem scheinbar unbeherrscht quirlenden Brodem aus Nichtig- und Wichtigkeiten, aus Überraschungen und Berechenbarkeit liegen knallharte Trossen aus Disziplin. Jeder der planetarisch verfestigten Göttinnen und Götter unserer Erdenmythologie kennt genau seine Aufgaben.

Ganz besonders sind die Grenzen des Möglichen jedem Einzelnen bekannt, sowohl im Positiven wie auch im Negativen. Obschon auch dieses Denken sehr erdhaftig ist. Denn was heißt das schon in dem Raum der Unendlichkeit und Ewigkeit. Und was heißt hier Raum? Solcherart Wertigkeit und Kleinigkeit, um nicht das Wort Beschränktheit zu benutzen, ist hier nicht gefragt und wird auch nicht verstanden.

Wer hier so erdbehaftet in seiner Denke daherkommen würde, hätte sofort schlechte Karten. Pardon! Auch das wäre hier eigentlich nicht möglich. Sagen wir lieber, er würde auf Unverständnis stoßen. Es könnte sogar passieren, dass etwas überheblich die Nase über ihn gerümpft würde – aber natürlich nur so, dass es keiner wirklich nachweisen könnte. Obwohl, ja obwohl, merken würde man es schon und ein wurmiges Empfinden könnte den armen Betroffenen – sowohl von der Nichtigkeit der äußeren Gestalt, als auch von der Größe der geistigen und inneren Werten her gesehen - schon befallen. Nur das schert hier niemanden – man ist viel zu sehr auf „höherer Ebene“ beschäftigt.

So stehen sie nun am Firmament, wie der menschliche Volksmund so sagt. Was natürlich nicht stimmt, denn schließlich steht hier und auch anderswo überhaupt nichts – es bewegt sich. Aber so nennen wir es, und wir wollen es auch ohne weitere Reflektion bei diesem Ausdruck belassen: Die gleißende Kugel Sonne -, Mond mit milchigen, derzeit etwas hohleren Wangen -, Saturns asketische Gestalt -, Venus mit den kapriziösen Bewegungen -, Mars im kriegerischen Rot -, hoheitsvoller Jupiter, umgeben von seinen Bewunderern –, schneller und wendiger Merkur –, ungewisser Neptun, dunstumwölkt -, außerordentlicher Uranus –, machtvoller Pluto –, verdunkelte, nicht scheinbare Lilith –, verletzlicher Chiron und fiktiver Mondknoten mit seinem verschatteten Zwillingsbruder, auch die feinstrukturierten Asteroiden nicht zu vergessen. Sie alle sind unsere Grenzsteine, die diejenigen Bereiche markieren, in denen sich unser irdisches Reich und menschliches Dasein bewegen.

Für unsere Mythengestalten, die bereits alle schon einmal irdische Leben gekostet haben und nun ihren wohl fast ewigen Platz am Sternenhimmel „über uns“ einnehmen, ist ihr Teil des Universums eine unendliche und ewige Bühne, auf der jeder Beteiligte so gut es ihm gerade einfällt, seine Rolle spielt.

Sie bilden sich zwar ein, dass sie selbst die Drehbücher schreiben und Regie führen – und man lässt sie ewiglichen Ortes in diesem Glauben -, doch eine höhere Energie leitet sie. Natürlich nur auf sehr subtile Weise, die sich in Form ihrer Phantasie äußert, so dass sie es als ihr ureigenes Denken und Finden ansehen. Vielleicht könnte man dazu neigen, hier von Manipulation zu sprechen, doch das wird diesem sanften Schieben und Drücken keinesfalls gerecht und wäre auch nur so aus erdhafter, menschlicher Sicht heraus beurteilt. Und wie bereits erwähnt, gibt es das hier in diesem Weltentheater nicht. Schon gar nicht auf dieser Ebene, denn hier ist alles gleichgültig.

Wenn man sie dann nun so beobachtet und belauscht, wie sie agieren, sich platzieren, lachen, schimpfen, Launen zeigen, kommt einem natürlich der Gedanke, dass es „da oben“ eigentlich ein wenig wie „hier unten“ auf Erden ist, und manchmal könnte man schon vergessen, dass man sich im „Himmel“ befindet. Wahrscheinlich sind auch Götter nur Menschen oder Menschen auch nur Götter? Wer weiß?

Hier achtet jeder auf jeden geradezu eifersüchtig - wenn eine solche Empfindung hier möglich wäre, was sie ja nicht ist – so meinen wir, aber so richtig wissen? -, damit sich keiner von ihnen zu viel herausnimmt. Das könnte ja eigene Belange schmälern oder sogar die Regelungen des Chaos beeinträchtigen. Jeder ist darauf bedacht für sich selbst den besten Platz zu ergattern oder seine eigene Wichtigkeit zur Schau zu stellen oder seine Schönheit in das rechte Licht. Sonderregelungen – und dieses gilt selbstverständlich immer nur für den anderen Mitspieler - können nur ertragen werden, wenn diese Ausnahmen wiederum die Abfolge des Chaos bestätigen – und natürlich auch nur, wenn sie vorher genehmigt wurden. Aber das verschweigt man ihnen natürlich, um sie allesamt in dem Glauben zu lassen, dass sie selbstbestimmt sind.

Obzwar sie dieses alles wohl selbst ahnen, würden sie es nie zugeben – noch nicht einmal vor sich selbst. Sie überspielen diese göttliche Fremdbestimmung gekonnt mit Meisterschaft und einem riesigen Repertoire an Kreativität. Und da sich jeder der Mitspieler daran hält, können sie auch dieses Spiel auf der Weltraumbühne ertragen und immer wieder in ewig unendlichen Variationen neu erstehen lassen. Irgendwie kommt einem das doch alles sehr bekannt vor – oder nicht?

Aber wie bereits schon vorher erwähnt, es ist wirklich kein Zuckerlecken, sondern ein streng diszipliniertes Leben, und das man sich schon so viele tausende und abertausende von Zeiten kennt, erleichtert das Zusammenleben auch nicht gerade. Man weiß das ja selbst von der eigenen Familie und Sippe, dem Ort, dem Land, der Erdteile. Hier könnte man natürlich ins Philosophieren kommen, aber das würde hier nun wirklich zu weit führen und vor allem viel zu weit weg von unserer eigentlichen Geschichte.

Ob man es glaubt oder nicht: Eine der wichtigsten Aufgaben der erdnächsten Planeten und sonstigen Gestirne ist die Ausführung der Fototermine. So stehen sie praktisch ständig bereit, um bei der Geburt eines neuen Erdenbürgers durch ihre Position ein Lebensmuster für ihn darzustellen. Sie stellen sich jeweils für einen winzigen Erdenmoment – welcher hier im All natürlich viel länger dauert - in Positur, damit einer der diensthabenden Erzengel ein planetarisches Familienfoto knipsen kann. Dieses bildlich dargestellte Lebensorakel des neuen Menschen wird von seinem Geistengel der Inkarnation eingesehen, damit er einen Überblick über seine Pflichten und Möglichkeiten dieses Erdenlebens erhält. Danach wird es im großen Stundenbuch sorgfältig abgelegt.

Hierfür sind die Erzengel zuständig, die wiederum eine Schar untergeordneter Engel mit der weitern Durchführung dieses speziellen Lebensplan beauftragen. Hieraus werden auch die von uns Erdlingen so oft berufenen Schutzengel rekrutiert. So oder so ähnlich läuft das ab, was wir Schicksal, Fügung oder göttliche Hilfe nennen. Der Astrologe würde hier den Ursprung des Horoskops sehen. Man sieht, dieser kleine Moment des „In-das-Leben-treten“ eines Menschen hier auf Erden hat große Auswirkungen in der Weite des Universums oder vielleicht umgekehrt? Hat das Spiel im Ewigen eine Echowirkung auf uns? Oder ist es gar ein andauerndes Hin und Her von Wechselwirkungen? So wie ein kleines Staubkorn in Bewegung kommt und sich schließlich in einer ewigen Lawine im Unendlichen fortführt. Wer weiß das schon von uns Erdlingen? Doch das wollen wir hier nicht hinterfragen, denn unsere Erzählung geht ihren eigenen Weg.

Wir schauen den himmlischen Mythenfiguren gerade jetzt, in diesem Moment der ersten Sekunde des neuen Jahres zu. Natürlich versteckt, denn in die „Karten“ möchten sie sich nicht schauen lassen.

Wer schon einmal selbst versucht hat, eine lebhafte Familie – und in diesem Falle noch eine wirklich außerordentlich chaotische dazu - geschlossen vor die Kamera zu bringen, sie auch noch zu animieren, dass jeder ein freundliches Gesicht – oder auch ein grimmiges - zu machen und in seiner Position still zu halten hat, der weiß sehr wohl welch undankbare Aufgabe der Fotograf hat, und dass er vor allen Dingen eines haben muss: Nerven aus Stahl!

Wie bereits zu Anfang erwähnt, ist auf Erden gerade der Zeitpunkt der Nacht von Silvester auf Neujahr des Jahres 2005. Und während jeder Mensch auf seine Art, seinem Verständnis und seinen Möglichkeiten in das neue Jahr schreitet und natürlich auch zu seinem ortsgebundenen Zeitpunkt, hat gerade eben Erzengel Michael seinen Dienst angetreten. Gabriel hatte ihm das Stundenbuch übergeben und ihm einen guten Dienst gewünscht, wobei er verstohlen hinter der vorgehaltenen Hand gegähnt und sich sofort in sein intergalaktisches Federbett gelegt hatte.

‚Es muss wohl während seiner Schicht wieder einmal hoch hergegangen sein’, denkt sich Michael und hofft, dass es für ihn vielleicht etwas ruhiger verlaufen würde. Er kontrolliert die nächste Eintragung in seinen Unterlagen und lässt seinen Blick in die Runde gehen, denn eine Minute nach Null Uhr wird wieder ein Mensch geboren, der erste in diesem neuen Jahr. So muss er zur rechten Zeit bereit sein.

Der ausgesuchte Geistengel der Inkarnation steht schon wartend hinter ihm. Er freut sich, dass er so bald wieder die Möglichkeit bekommen hat ein Erdenleben zu gestalten. Ein bisschen Lampenfieber vor der neuen Aufgabe lässt seine Wangen leicht erröten. Seine Augen brennen förmlich, sein Atem geht etwas schneller. Alles in ihm ist ausgerichtet auf das fertige Foto, damit er einen summarischen Blick auf seine Lebensaufgabe und Möglichkeiten erhaschen kann, bevor er das neue Menschenwesen „begeistet“. Für ihn immer wieder ein spannendes Abenteuer, das ihn mit großer Achtung vor dem Wunder Leben erfüllt. Er hat sich für diese Inkarnation ein, wie er es gerne nennt, kultiviertes Elternhaus ausgesucht und ist voller Erwartung, wie er seine Weiterentwicklung verwirklichen kann.

Michael hat bereits seine Sternenreflexkamera mit sofortiger Bildentwicklung und dreihundertsechzig Grad Panoramabild auf dem Stativ befestigt. Das neueste Modell mit intergalaktischen Ultramegapixel übrigens, das er gerade erst auf einer Neuheiten Messe einer anderen Galaxie hinter dem Andromeda-Nebel erstanden hat. Er versucht erfolglos, den Sucher zu fixieren, um ein nicht verwackeltes Bild einzufangen.

Jedoch: statt entsprechend ihren Vorgaben friedlich und freundlich an ihrem Platz zu stehen, sind unsere göttlichen Helden einmal wieder in ihrer eigenen Rolle verfangen und lassen ihren Unmut oder Mut, oder wie man es immer nennen mag, frei heraus.

„Jetzt haltet doch endlich einmal für einen winzigen Moment still“, bittet Michael die unruhige Schar von Planeten, obwohl ihm seit Jahrmillionen – oder sind es Billionen oder mehr oder weniger? Er vergisst das immer wieder, denn Zahlen liegen ihm nicht wirklich gut, auch kommt es darauf ja auch nicht an – und egal wie lange, ihm ist klar, dass diese Bitte auf tauben Ohren ungehört verklingen wird, und es wie immer ein müßiges Unterfangen ist, solches überhaupt zu begehren. Aber da er aufgrund seiner Engelhaftigkeit weder Geduld noch Hoffnung verliert, versucht er es immer wieder, Sekunde für Sekunde, Tag für Tag, Jahr für Jahr und so weiter und so weiter, also wirklich unendlich und ewiglich. Man wird schon wissen, warum man mit diesen Aufgaben einen Engel betraut, einen Erzengel sogar. Man weiß einmal mehr die schöpferische Voraussicht zu bewundern. So ist es natürlich auch im Augenblick auf der Himmelskörperbühne genauso unruhig wie immer.

Jupiter, der wie so oft, das erste Wort, um nicht zu sagen Widerwort, haben muss, ist natürlich nicht mit dem zugewiesenen Platz zufrieden. Doch wann ist er das schon einmal. Selbst wenn es der beste Platz auf dem Foto wäre und alle anderen fernab in seinem Schatten stünden, würde er das nie zugeben. Er besteht darauf, dass er der Chef der Sippe ist und daher ein Anrecht darauf hat, Ansprüche zu erheben und selbst zu bestimmen, wo, wie und mit wem er sich platziert oder ob überhaupt.

Die Erzengel lassen ihn in seinem Glauben und Willen und lächeln still in sich hinein. Sie wissen es ja besser, was sie natürlich nie sagen würden. Schließlich haben sie ein Wissen um den größeren Zusammenhang. Zum anderen sind Illusionen in ihren gehobenen Sphären statthaft, wenn nicht sogar erwünscht.

So bleibt auch Michael gelassen und wartet einfach ab, bis sich die Gemüter der Akteure einmal erregt, dann wieder abgekühlt haben und endlich dann doch jeder seine ihm auferlegte Aufgabe erfüllt. Das gehört zum Spiel. So lässt er auch die Tiraden des Jupiters in aller Ruhe über sich ergehen. Er tritt in seiner unsäglichen Gelassenheit wieder einen Schritt von der Kamera zurück. Seine klaren Augen schauen aufmerksam auf Jupiter, der sich auf seinem Platz in Positur stellt, aufmerksamkeitsheischend um sich blickt und natürlich seinen Unmut lauthals äußert:

„Also muss ich denn wirklich gerade hier stehen. Nicht nur, dass ich schon wieder in der ersten Reihe stehen soll. Obwohl mir das ja von Rechts wegen zusteht, schon aufgrund meines gehobenen Götterstatus. Auch ist es die Anerkennung meiner Göttlichkeit, dass ich für die äußere Gestalt des Erdenwesens mitbestimmend tätig sein kann. Aber immer bekomme ich die ersten Schicksalsbrocken ins Gesicht. Das ist nicht fair!“

Er schüttelt erregt sein Sternenzepter, so dass die Sternschnuppen allen Beteiligten nur so um die Ohren fliegen, und sie sich zur Sicherheit in Deckung begeben. Auch Michael hält das Stundenbuch abschirmend vor sein Gesicht. Der Geistengel der Inkarnation stellt sich schutzsuchend noch dichter hinter ihn, denn er möchte keinen Schaden erleiden, um möglichst unversehrt seiner Aufgabe nachkommen zu können.

Jupiter schaut sich beifallsheischend um. Als er merkt, dass zwar alle Anwesenden vor seinen Angriffen Schutz suchen mussten, sie sich aber nicht weiter um ihn scheren, wird er etwas ruhiger. Mit souveränem Blick beschaut er von seinem Podest aus, das vor dem Haus Nummer eins in der Chaussee der Gerechtigkeit seht, sein Umfeld. Er scheint auch nicht wirklich unzufrieden zu sein, denn ein leichtes Lächeln mildert seine Worte. Er räumt daher ein:

„Natürlich erkenne ich an, dass Du Rücksicht auf meine Stellung genommen hast und mir genügend Freiraum verschaffst, damit ich nicht mit jedem Pöbel zusammengedrückt auf engstem Raume zu stehen brauche. So wie das manches liebe Mal der Fall ist. Igitt! Nachher riechen die noch, oder wollen sich mit mir verbrüdern oder mir sogar noch einen Gefallen abverlangen.“

Angewidert schüttelt er sich und dreht langsam seinen Kopf nach links und verzieht schon wieder seinen Mund. Dieses Mal ist sein Lächeln allerdings verflogen.

„Aber ich habe wirklich keine Lust, von der Lilith, dieser Schlampe, ständig von der Seite schief angeguckt zu werden“, mosert er sofort. „Das dauert mir nun doch schon viel zu lange. Dann steht sie auch noch im Haus Nummer zehn, besucht Frau Mond im Hospitalrondell. Da weiß ich doch schon im Voraus, was nicht nur mir, sondern allen anderen Beteiligten daraus werden kann. Emanzipation, keine richtige Rücksicht auf Partner, auf das Umfeld, auf Arbeitskollegen.“

„Halt, halt, mein lieber Jupiter“, lässt sich die sanfte Stimme von Frau Mond, die einige zehn Grade zur Linken von ihm steht, vernehmen. „So kannst Du mit diesem armen Mädchen nun wirklich nicht umgehen. Immerhin befindet sie sich in meinem Hause. Was das heißt, weißt Du ganz genau. Sie steht unter meinem Schutz! Da lasse ich es nicht zu, dass Lilith, die soundso immer wieder von euch Banausen herumgeschubst wird, sich auch noch beleidigen lassen muss.“

Frau Mond hat sich bei dieser erregten Rede sichtlich gestrafft, der silberne Glanz ihrer rundmondigen Wangen wirkt nunmehr leicht metallisch, und die Milchnebel verziehen sich erschrocken zurück in ihre Heimatstrasse.

„Da muss ich meiner heißgeliebten Gemahlin nun wirklich auch kräftig unter die Arme greifen, mein Lieber. Jupiter hin, Jupiter her! Solch unflätige Reden kann ich auch nicht dulden – und dann auch noch einen Gast meiner Frau zu beleidigen – das führt nun wirklich zu weit.“

Herr Sonne plustert sich im Haus Nummer vier ereifernd auf. Da er am Berggipfelsteig zur Steinbockwiese kampiert, hat er einen sehr guten Überblick über das Geschehen rings herum. Bereits laufen über sein Gesicht vor Aufregung Eruptionen von gleißendem Licht.

Jupiter schaut etwas indigniert, wobei er leicht seine rechte Augenbraue anhebt – aber selbstverständlich kaum sichtbar, denn Missstimmung und Verärgerung werden hier nicht zugelassen, das wäre nun wirklich zu menschlich und keinesfalls göttergleich. Hier hat man zwar Launen, und jeder von unseren Helden bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen dem eigenen Wunsche der Selbstdurchsetzung und denselben Wünschen der Mitspieler, doch wirkliche tief gemeinte Emotionen sind hier nicht geduldet. Zum Ausleben derselben hatten die Götter in ihrem Erdendasein genügend Möglichkeiten. Was sie ja auch zu genüge ausgekostet hatten. Außerdem haben sie hier natürlich auch noch die Regieanweisungen von höherer Stelle zu berücksichtigen, wenn diese nach außen hin auch negiert wird, aber…!

Also, wie man sieht, nun wirklich kein Zuckerlecken, dieses planetarische Leben, und so ist es nicht verwunderlich, wenn man zwischendurch einmal etwas aus der Rolle fällt. Doch wie gesagt, man kennt sich ja zu genüge.

„Okay, okay, ich nehme das zurück, das mit der Schlampe.“ Wobei Jupiter dieses verbotene Wort genussvoll in die Länge zieht, womit seine Entschuldigung eigentlich zur Farce wird. So weiß er sich auch gleich herauszureden und verlagert geschickt den Schauplatz der Beachtung auf einen anderen Aspekt.

„Sieh Michael, Du weißt doch, wie eifersüchtig die Venus ist. Gerade im Moment haben wir endlich einmal ein freundliches Verhältnis zueinander, das ja auch ein Miteinander wieder möglich macht, was bei dieser wirklich alle zu argwöhnische Frau schon schwierig genug ist. So ist es ist ja immer nur ein Burgfrieden, wie Dir auch bekannt ist. Aus Erfahrung wissen wir doch, wie äußerst zerbrechlich dieses Konstrukt von Scheinbarkeiten ist. Sie wirft mir ja ständig vor, ich würde hinter jedem Rockzipfel her sein – wobei jeder nun wirklich übertrieben ist. Dabei scheint sie immer wieder zu vergessen, dass sie äußerst unbeständig ist, und so ein armes, einfach gestricktes Mannsbild, wie ich es bin, so oft nicht mehr weiß, was sie eigentlich will.“ Er macht eine wegwerfende Bewegung mit seiner freien Hand. „Gleich wie, jetzt bin ich auch noch bei ihr zu Gast, da kann ich mich doch nicht von einer anderen Frau auf so unverschämte Art und Weise anmachen lassen. Guck sie Dir doch an, die Lilith! Schon wie sie da steht – eine einzige Provokation!“

Michael schaut zu der glutäugigen Frau, die freimütig und offen zurückblickt. ‚Irgendwie schon eine klein wenig prickelnde Situation’, denkt er für sich. Sagt aber:

„Es geht für dieses Foto nun mal nicht anders, lieber Jupiter. Dreh Dich einfach zur anderen Seite und lächele die Venus huldvoll an. Du kennst diese Frau doch ganz genau und weißt, wie Du ihr gefallen kannst. Streng Dich mal ein wenig an.“

„Wer weiß schon, was in dem Kopf einer Frau vorgeht“, murrt Jupiter leise, dreht sich aber gehorsam aus der Blickrichtung der Lilith, wendet sich der Venus zu, die sechzig Grad zu seiner Rechten im Haus Nummer drei steht und setzt sein charmantestes Lächeln auf. Was schon umwerfend sein kann – wenn er will -. und immer auf irgendeine Art und Weise schafft er es damit, jede, wirklich jede Frau herumzukriegen. Manchmal zwar nicht immer auf dem direkten Weg. Doch er kennt viele Hintertüren, Listen und Schleichwege – wie gesagt, irgendwie schafft er es immer.

Venus, die vom Plateau der Ethik aus, hoch über der Vulkangrotte, beste Aussicht auf alle Beteiligten hat, zupft gespielt nachdenklich an den Falten ihres Gewandes. Augenscheinlich um Zeit zu gewinnen oder auch nur, um diese Situation auskosten zu können – wer kennt schon, und da muss man dem Jupiter freilich recht geben, die geheimen Pfade einer erfahrenen Frau?

„Ja, mein Freund“, lässt sich nunmehr die Venus leicht spöttisch lächelnd vernehmen. „Nicht das Du Dir vielleicht einbildest, Du könntest als Gast in meinem Hause in so arroganter Art und Weise mit einer Geschlechtsgenossin umgehen. Sicher“, und dabei blickt sie freundlich auf die Lilith, die in einhundertfünfzig Grad Weite von ihr steht, „ist die Lilith nicht unbedingt eine Spielkameradin oder gar Freundin von mir, aber ich respektiere die Art und Weise, wie sie für ihre Rechte und die Rechte aller Frauen eintritt. Wo kämen wir denn hin, wenn wir uns von der männlichen Schwingung bestimmen lassen würden. Wie ich hier auf diesen illustren Kreis blicke, besteht bereits schon eine leichte maskuline Übermacht. So muss und will ich mich auf jeden Fall für jeden weiblichen Anteil hier stark machen.“

Sie reckt und streckt ihren Körper und greift den athenischen Helm unter ihrem linken Arm etwas fester. Der Abglanz ihrer kriegerischen Ambitionen umstrahlt ihre herrliche Gestalt und lässt ahnen, dass mit der Venus nicht nur eine schwache Frau daherkommt, sondern auch eine erfahrene Streiterin mit kämpferischer Tradition. Man sollte daher schon etwas vorsichtig sein, sie nicht unterschätzen. Besonders nicht ihre derzeitige kraftvolle Position im Haus Nummer drei mit dem Pluto als Schutz und Bundesgenossen. Obzwar sie ihn nicht wirklich benötigt, um ihre Rechte und ihren Willen durchzusetzen. Das kann sie allein und ohne fremde Hilfe selbst sehr gut. So glitzert es auch jetzt in ihren Augen angriffslustig. Doch sie senkt die Lider über dieses verräterische Gleißen, damit es keiner merkt und vielleicht für ihren Geschmack zu viel von ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten erkennen könnte. So lächelt sie liebenswürdig, fast unschuldsvoll, als sie sich wieder Jupiter zuwendet.