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Die erfolgreiche Kinderbuchreihe mit bewährtem Konzept für das gemeinsame Lesenlernen und –üben
Durch einen Zufall gelangt der Junge Jim Hawkins in den Besitz einer geheimnisvollen Schatzkarte, die einmal dem berüchtigten Piratenkapitän Flint gehört hat. Zusammen mit seinen erwachsenen Freunden und einer zwielichtigen Mannschaft segelt er auf der Hispanionla zur legendären Schatzinsel. Dort stellt sich heraus, dass die Mannschaft aus Piraten besteht, die nur auf eine günstige Gelegenheit warten, den Schatz zu heben. Jetzt schweben Jim und seine Freunde in größter Gefahr! Denn ein Menschenleben zählt in Piratenkreisen nicht viel!
Wenn das Lesen für Leseanfänger noch mühsam ist, heißt es in vielen Familien: »Lass uns gemeinsam lesen. Erst ich ein Stück, dann du. Wir wechseln uns ab.« Deswegen ist unsere beliebte Erstleser-Reihe »Erst ich ein Stück, dann du« speziell für das gemeinsame Lesen konzipiert:
* Leseabschnitte für die erfahrenen Vorleser und die Leseanfänger wechseln sich ab
* längere Passagen für Vorleser in kleiner Schrift
* kurze Texte für Leseanfänger in Fibelschrift
So macht gemeinsames Leselernen Spaß!
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Seitenzahl: 41
Ich heiße Jim, Jim Hawkins, und ich will euch von dem gefährlichsten Abenteuer meines Lebens erzählen. Überhaupt ist es ein Wunder, dass ich noch lebe und davon berichten kann.
Als die Geschichte begann, führte meine Mutter ein kleines Wirtshaus an der Küste, und ich unterstützte sie dabei, so gut ich konnte.
Er ließ seinen Blick über die Bucht schweifen und begann dann zu singen.
„Fünfzehn Mann auf der Kiste des Toten – jo-ho-ho, und eine Flasche mit Rum!“
Der Gesang jagte mir einen Schauder über den Rücken. Und es wurde noch schlimmer, als der Fremde die Gaststube betrat. Er war zwar alt, aber groß und kräftig – und hatte unzählige Narben. Eine besonders lange lief quer über seine Backe. An seinem Gürtel baumelte ein Messer.
Mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete, verlangte er nach Rum. So beeilte ich mich, das Gewünschte zu bringen. Er leerte das Glas in einem Zug und verkündete dann: „Hier gefällt es mir. Deshalb will ich eine Weile bei euch wohnen.“
Meine Mutter und ich wechselten einen Blick. Der Fremde war uns unheimlich, aber wir konnten uns die Gäste nicht aussuchen. Von da ab wohnte der alte Seemann unter unserem Dach.
Zunächst machte er uns wenig Mühe. Meistens stromerte er draußen bei den Klippen herum und schaute mit einem großen Fernrohr aufs Meer hinaus, als ob er auf jemanden warten würde. Aber die Zeit verging und er bekam niemals Besuch.
„Ein Einbeiniger?“, fragte ich erschrocken. „Was will der denn von Euch?“
Der Alte flüsterte: „Hüte dich vor ihm!“
Mehr verriet er nicht. Ich spürte seine Angst und fragte lieber nicht weiter. Von da an träumte ich jede Nacht von einem Mann mit einem Holzbein. Das Tapp-Tapp, wenn er mich in meinen Träumen verfolgte, klingt mir heute noch in den Ohren.
Es war ein eiskalter Tag im Winter. Ich war allein zu Haus. Meine Mutter machte Besorgungen, und der Seemann trieb sich wie üblich irgendwo am Strand herum.
Es dämmerte bereits, da betrat ein Unbekannter die Gaststube. Erleichtert stellte ich fest, dass er noch beide Beine hatte. Aber seine Art zu sprechen gefiel mir nicht.
Mit einschmeichelnder Stimme erkundigte er sich: „Söhnchen, wohnt hier vielleicht mein alter Freund Bill Bones?“
Diesen Namen hatte ich noch nie gehört und zuckte mit den Schultern. Der Fremde schaute mich listig an und fragte: „Habt ihr einen Gast mit einer Narbe im Gesicht?“
Ich nickte. Da rieb sich der Mann die Hände und meinte hämisch: „Ich werde dem alten Bill eine schöne Überraschung bereiten.“
„Genau der!“, gab der andere mit einem tückischen Grinsen zurück.
„Und was willst du?“, fragte der Seemann.
„Das weißt du genau“, erwiderte der Mann mit dem seltsamen Namen. „Du hast etwas, das uns allen gehört. Teile mit uns, wie es Brauch ist unter Schiffskameraden! “
„Schiffskameraden?“ Der alte Seemann hatte seine Fassung wiedergewonnen. Drohend baute er sich vor seinem Gegenüber auf.
„Wo waren denn die Schiffskameraden, als es mit dem alten Flint zu Ende ging? Ich allein habe ihm beigestanden. Und deshalb gehört es mir, nur mir!“
Blitzschnell hatte er sein Messer gezogen und ging damit auf den Besucher los. Doch der konnte sich mit einem Sprung zur Tür in Sicherheit bringen.
„Wir sind noch nicht fertig miteinander, Billy Bones!“ Mit diesen Worten drehte er sich um und flüchtete.
Der alte Seemann schwankte. „Hilf mir hinauf “, verlangte er mit zitternder Stimme. Auf meine Schulter gestützt schleppte er sich in seine Kammer. „Sie werden wiederkommen“, schnaubte er. „Der Schwarze Hund und noch viel schlimmere! Das Geschenk vom alten Flint wollen sie holen. Aus meiner Kiste wollen sie es stehlen. Lauf ins Dorf! Die Polizei soll kommen. Sag, hier kann sie das ganze Piratenpack verhaften!“
„Piraten?“, fragte ich entsetzt. „Seid Ihr etwa auch …?“ Ich bekam keine Antwort mehr. Der alte Seemann taumelte und fiel vornüber auf sein Bett. In diesem Moment hatte ihn der Schlag getroffen.
„Gleich“, sagte ich. Größer als meine Angst aber war meine Neugier. Was mochte wohl in der geheimnisvollen Kiste sein?
Meiner Mutter war nicht wohl bei dem Gedanken, noch länger an diesem gefährlichen Ort zu bleiben. Aber noch viel weniger wollte sie mich hier allein zurücklassen. So half sie mir den schweren Deckel der Kiste aufzuhebeln.
Im Schein einer Kerze untersuchten wir den Inhalt. Eine alte Jacke kam zum Vorschein, eine Hand voll Münzen, lauter wertloses Zeug. Schon wollte ich enttäuscht aufgeben, da entdeckte ich doch noch etwas. Ganz unten in der Kiste lag ein Päckchen, das wichtig aussah. Plötzlich hörten wir draußen vor dem Haus eilige Schritte. Eine ganze Schar kam auf unser Gasthaus zu.
„Die Piraten“, hauchte meine Mutter.
Hastig stopfte ich das Päckchen unter mein Hemd. Wir ließen die Kerze zurück, tasteten uns im Dunklen die Treppe hinunter und konnten gerade noch zur Hintertür hinausschlüpfen. An Flucht war nicht mehr zu denken. Mit klopfendem Herzen suchten wir Deckung hinter einer Hecke.
Keine Sekunde zu früh, denn schon rüttelte jemand grob an unserer Tür.
Es krachte. Die Eichenbohlen unserer Tür barsten, und schwere Schritte stampften durch die Gaststube. „Hier ist niemand“, brüllte einer nach draußen.
„Sucht oben!“, befahl der Schwarze Hund.
Das Getrampel auf der Stiege ließ unser Haus erzittern. Dann wurde ein Fenster aufgestoßen und jemand schrie: „Bill ist tot!“
„Und die Papiere von Flint?“, fragte der Schwarze Hund.
Auf eine Auskunft musste er eine Weile warten.
„Nichts zu finden“, hieß es schließlich. „Jemand hat die ganze Kiste durchwühlt.“
„Verdammt! Der Junge!“ Der Fluch des Schwarzen Hundes ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Erst recht sein Befehl, den er mit heiserer Stimme hervorstieß: „Schwärmt aus und bringt ihn her!“
Meine Mutter tastete nach meiner Hand. Ich drückte die ihre. Wir wussten es beide: Unser letztes Stündchen hatte geschlagen.
Plötzlich klang Pferdegetrappel durch die Nacht. „Vorsicht, Gefahr“, zischte einer der Piraten.
In diesem Augenblick fiel ein Schuss. Da gab es kein Halten mehr. Unter Flüchen und Verwünschungen stürmten die Seeräuber davon.
Mit zitternden Knien krabbelten meine Mutter und ich aus unserem Versteck. Eine Reiterschar machte bei uns Halt. Es waren der Dorfpolizist und seine Helfer.
Sofort nahmen unsere Retter die Verfolgung auf. Vergeblich, wie sie nach ihrer Rückkehr berichteten. Die ganze Bande war nämlich mit einem kleinen Boot davongesegelt.
„Die sehen wir wohl nie mehr wieder“, vermutete der Polizist.
Ich wusste es besser. Das Päckchen unter meinem Hemd brannte wie Feuer. Für dieses Päckchen würden die Piraten mich bis ans Ende der Welt jagen. Aber wen konnte ich in dieser schrecklichen Lage um Hilfe bitten? Ich erinnerte mich an unseren Doktor. Während der langen Krankheit meines Vaters hatte er sich rührend um ihn gekümmert. Ihm konnte ich vertrauen.
„Nehmt mich mit zum Doktor!“, bat ich die Reiter.
Sie ließen mich aufsitzen und brachten mich ins Dorf. Der Doktor hatte gerade Besuch von Lord Trelawney. Das war mir nur recht. Der Lord war nicht nur reich und mächtig, er war auch als sehr ehrenwert bekannt. „Nun, Jim, was führt dich so spät noch zu mir?“, fragte der Doktor.
Ich erzählte die ganze Geschichte und zog zum Beweis das Päckchen hervor.
„Dann wollen wir mal sehen.“ Vorsichtig öffnete der Doktor das Päckchen. Heraus fiel die Karte einer Insel. Bäche, Hügel, Bäume und sogar ein Blockhaus waren eingezeichnet. Die Insel hatte zwei Ankerplätze, einen im Süden und eine enge Zufahrt im Norden. Das Aufregendste aber war das Kreuz auf der Karte. An den Rand hatte jemand mit zittriger Schrift notiert: Schatz hier! Auf der Rückseite des Papiers fand sich eine genaue Beschreibung über die Lage der Insel.
Verblüfft schauten wir uns an. Der Lord rief begeistert: „Ich werde ein Schiff kaufen und eine Mannschaft zusammenstellen. Wir werden den Schatz des alten Flint heben. Seid ihr dabei?“
Ich nickte ohne zu überlegen.
Doch der Doktor zögerte. „Ein gefährliches Unternehmen“, sagte er. „Die Gauner werden vor keiner Grausamkeit zurückschrecken, um den Schatz in ihre Hände zu kriegen. Trotzdem will ich es wagen, unter einer Bedingung.“
„Und die wäre?“, fragte der Lord.
Schon am nächsten Tag fuhr der Lord zusammen mit seinen beiden treuen Dienern nach Bristol. Dort wollte er sich nach einem Schiff und einer seetüchtigen Mannschaft umsehen. Auf seine Anweisung hin zog ich ins Gutshaus und lebte dort unter strenger Bewachung des Wildhüters Tom.
„Damit die Piraten nicht dich noch als Beute nehmen“, hatte der Lord mir erklärt.
Tag für Tag studierte ich die Schatzkarte und malte mir dabei die wildesten Abenteuer aus. Dass die Wirklichkeit meine Träume bei Weitem übertreffen würde, konnte ich damals noch nicht ahnen. Ungeduldig fieberte ich dem Tag der Abreise entgegen.
Endlich traf der ersehnte Brief ein. Der Lord schrieb:
Noch am selben Abend nahm ich Abschied von meiner Mutter und unserem Gasthof.
Am nächsten Morgen bestiegen wir die Postkusche, die uns auf kürzestem Weg nach Bristol brachte. Der Lord wartete am Kai. Stolz zeigte er aufs Hafenbecken, wo etwas weiter draußen ein prächtiger Dreimaster vor Anker lag.
„Die HISPANIOLA war nicht so einfach zu bekommen“, erzählte er. „Aber als die Leute hörten, dass wir damit auf Schatzfahrt gehen wollen …“
„Ihr habt also doch geplaudert!“, rief der Doktor ärgerlich.
Der Lord winkte ab. „Alle Welt sucht nach Schätzen“, sagte er leichthin. „Das heißt gar nichts.“ Eifrig fuhr er fort: „Und wartet nur, bis Ihr erst die Mannschaft kennenlernt. Tüchtige Seeleute sind schwer aufzutreiben. Zwar fand ich schnell einen Kapitän und ein paar Männer. Doch mehr wollte mir nicht gelingen, bis ich durch Zufall einen alten Seemann traf: John Silver mit Namen. Wie wir so ins Gespräch kommen, erfahre ich, dass er hier im Hafen eine Schänke betreibt. Aber sein größter Wunsch sei, so vertraute er mir an, selber wieder zur See zu fahren. Als Schiffskoch, so wie früher vor seiner Verletzung. Aus Mitleid habe ich ihn angeheuert. Aber es war ein Glücksgriff, denn John Silver kennt jeden Seemann entlang der Küste. Wenige Tage später hatte ich meine Mannschaft zusammen, lauter Prachtkerle. Aber nun, Jim, lauf und hol John Silver an Bord! Sein Wirtshaus ZUM FERNROHR ist gleich um die Ecke.“
Doch ich hatte etwas auf dem Herzen.
„Was für eine Verletzung hat der Schiffkoch denn?“, fragte ich.
Aber der Lord verhandelte gerade mit dem Kutscher wegen unseres Gepäcks, und so bekam ich keine Antwort.
Das Wirtshaus ZUM FERNROHR machte einen freundlichen und sauberen Eindruck. Lautes Reden und Gelächter drangen aus der Schankstube bis hinaus auf die Straße.
Am liebsten hätte ich Reißaus genommen. Doch er hatte mich schon entdeckt und winkte freundlich. Zögernd trat ich näher und fragte: „Mister Silver?“
„Der bin ich“, antwortete er gut gelaunt. „Und wer bist du?“
Langsam fasste ich wieder etwas Mut. Wie ein gefährlicher Pirat wirkte mein Gegenüber wirklich nicht.
„Ich komme von der HISPANIOLA, Mister“, sagte ich.“
„Der Schiffsjunge der HISPANIOLA! So, so!“ Mit dröhnender Stimme übertönte John Silver den Radau im Lokal. Plötzlich sprang ein Gast auf. In diesem Augenblick fuhr mir der Schreck ein zweites Mal in die Glieder.
„Der Schwarze Hund!“, rief ich. Aber da war der Kerl schon zur Tür hinaus.
„Schwarzer Hund?“, erkundigte sich John Silver. „Was meinst du damit?“
„So wird er genannt“, erklärte ich hastig. „Er gehört zu einer Piratenbande.“
„Ein Pirat in meinem Haus?“, empörte sich John Silver. „Hey, Ben, Harry, ihm nach! Bringt ihn her, diesen Hund!“
Die zwei Burschen rannten unverzüglich los. John Silver war außer sich. Aufgebracht humpelte er herum, schlug mit seiner Krücke gegen Stühle und Tische und stieß dabei wüste Drohungen aus: „Wenn ich den in die Finger kriege!“, brüllte er immer wieder.
Doch bald darauf brachten die Burschen die Nachricht, dass ihnen der Flüchtige entwischt sei. Verzweifelt rang der Wirt die Hände.
„Was soll der Lord von mir denken?“, jammerte er. „Dass ich mit Banditen gemeinsame Sache mache?“
„Bestimmt nicht!“, versicherte ich schnell. Einen ehrlicheren Menschen als diesen Einbeinigen konnte es nicht geben. Davon war ich inzwischen überzeugt.
Nur der Kapitän zog ein mürrisches Gesicht. Einmal unterhielt er sich mit dem Lord und dem Doktor. Ich hatte gerade in der Nähe zu tun und lauschte.
„Mir gefällt das nicht“, beklagte sich der Kapitän. Ungehalten runzelte der Lord die Stirn. Doch der Kapitän ließ sich nicht beirren.
„Selbst der einfachste Matrose weiß, Ihr plant eine Schatzsuche, aber ich erfahre es erst heute. Nennt Ihr das fair?“
„Überhaupt nicht“, pflichtete der Doktor ihm bei und warf einen Seitenblick auf den Lord.
„Eine Schatzsuche ist gefährlich“, fuhr der Kapitän fort. „Vor allem, wenn so viel geschwatzt wird. Das ganze Schiff redet von einer Karte, die angeblich zeigt, wo der Schatz zu finden ist.“
„Davon habe ich nie einer Menschenseele erzählt“, beteuerte der Lord eilig.
Der Doktor seufzte. Es war klar, dass er dem Lord kein Wort glaubte. Ich übrigens auch nicht. Erst Wochen später erkannte ich, dass wir dem Lord Unrecht getan hatten.
„Solch ein Unternehmen lockt allerlei Gesindel an“, warnte der Kapitän.
„Traut Ihr der Mannschaft etwa nicht?“, fragte der Doktor besorgt.
Der Kapitän zuckte mit den Schultern. „Ich kenne die meisten gar nicht“, sagte er.
„Für meine eigenen Leute lege ich die Hand ins Feuer“, versicherte der Lord. „Und für die anderen bürgt John Silver, ein durch und durch rechtschaffener Mensch.“ „Mag sein“, erwiderte der Kapitän und verabschiedete sich. Seine Miene hatte sich kein bisschen aufgehellt. „Ein unangenehmer Mann“, raunte der Lord dem Doktor zu.
In diesem Augenblick hatte mich der Kapitän entdeckt.
„Marsch, an die Arbeit, Schiffsjunge!“, herrschte er mich an. Da stimmte ich dem Lord von ganzem Herzen zu. Ein unangenehmer Mann, dieser Kapitän.
Endlich konnte der Anker gelichtet werden. Zunächst stand die Reise unter einem guten Stern. Wir segelten auf einem wunderbaren Schiff, und die Mannschaft verstand ihr Handwerk. Ich war meistens in der Kombüse und half John Silver. Es war erstaunlich, wie sicher dieser Einbeinige sich an Bord bewegte – selbst bei schlimmstem Wetter. In seiner Küche hantierte er so geschickt, dass es kein anderer Koch hätte besser machen können. Dabei war er immer gut gelaunt und freundlich. Deshalb achtete ihn jeder fast so, als wäre er der Kapitän.
Unter Deck stand eine große Apfeltonne, aus der sich jeder bedienen konnte. Eines Abends hatte ich Lust auf einen Apfel. Die Tonne war fast leer, und so musste ich hineinsteigen. Plötzlich hörte ich Stimmen. Sie kamen näher.
„Auf die Mannschaft ist Verlass. Die meisten sind unsere Leute. Und die anderen? Da haben wir so unsere Methoden.“
Das war doch John Silver. Neugierig spitzte ich die Ohren.
„Aber wann schlagen wir endlich los?“, fragte die andere Stimme ungeduldig. Sie gehörte unserem Bootsmann. „Flint hätte nicht so lange gezögert, Flint nicht.“
„Flint ist tot!“, erwiderte der Schiffskoch schroff. „Nur sein Geist geht noch um, so heißt es.“
„Sag so was nicht!“, rief der Bootsmann erschrocken. Silver lachte. „Fürchtest dich wohl immer noch vor dem alten Flint?“, fragte er. „Aber er wird dir nichts tun, nicht solange ich das Kommando habe.“
„Ja, schon“, räumte der Bootsmann ein. „Aber wann gibst du endlich die Order?“
„Weißt du denn, wo der Schatz ist, du Holzkopf?“, fragte John Silver spöttisch.
Der Bootsmann brummelte vor sich hin.
„Die Karte ist an Bord“, erklärte John Silver. „Das weiß ich vom Schwarzen Hund. Also lassen wir den Lord und seine Tölpel den Schatz ruhig ausgraben. Und wenn wir erst mal auf der Rückreise sind … Stürme gibt’s viele auf dem Ozean. Da kann ein Mann schon mal über Bord gehen …“
„John Silver, du bist ein echter Kerl!“, lobte der alte Bootsmann. Er hatte seine gute Laune wiedergefunden. Ich dagegen kauerte mich immer tiefer in mein Versteck und wagte nicht zu atmen. John Silver hatte uns die ganze Zeit getäuscht. Er war ein Pirat genau wie Bootsmann und wie vermutlich der Rest der Mannschaft auch. Nicht auszudenken, wenn er mich hier in der Tonne entdeckte. Mit so einem unliebsamen Zeugen würde er kurzen Prozess machen.
„Sei nett und hol mir einen Apfel aus der Tonne“, sagte John Silver zum Bootsmann.
Sofort gab es ein großes Gerenne. Auch John Silver und der Bootsmann entfernten sich. So konnte ich endlich aus der Tonne steigen und mich an Deck unter die anderen mischen. Alle schauten erwartungsvoll auf die Insel, die im Mondlicht vor uns lag.
Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und erstarrte. Es war der Schiffskoch.
„Diese Insel ist wie geschaffen für einen Jungen wie dich“, sagte er. „Wenn du mal auf Entdeckungsreise gehen willst, sollst du einen schönen Proviant vom alten John bekommen.“ Er lachte mir noch einmal freundlich zu. Dann humpelte er weiter.
Sofort machte ich mich auf die Suche nach dem Doktor. Ich fand ihn zusammen mit dem Kapitän und dem Lord an der Reling.
„Ich bringe schreckliche Neuigkeiten“, flüsterte ich und berichtete hastig, was mir zu Ohren gekommen war.
Meine Zuhörer starrten mich an, ungläubig zunächst, dann entsetzt. Kaum war ich fertig, schlug sich der Lord vor den Kopf und murmelte beschämt: „Kapitän, ihr hattet recht in allen Punkten. Verzeiht mir.“
Der Kapitän winkte ab. „Unwichtig jetzt!“, sagte er. „Besprechen wir lieber, was zu tun ist.“
„Sofort die Heimreise antreten?“, überlegte der Doktor.
Auch ich hätte diesem Vorschlag von Herzen gern zugestimmt. Doch der Kapitän war anderer Meinung. „Unmöglich. Die Schurken würden sofort losschlagen. Leider sind sie bei Weitem in der Überzahl. Also müssen wir die Ahnungslosen spielen und auf unsere Chance hoffen. Und du, Jim“, wendete er sich an mich, „versuche mehr über Silvers Pläne zu erfahren!“
Ich würde mich also weiter in der Nähe dieses grausamen Menschen aufhalten müssen, der uns allen nach dem Leben trachtete. Bei diesem Gedanken war mir nicht wohl zumute.
Über Nacht hatte die HISPANIOLA die Insel fast umrundet, und die südliche Hafeneinfahrt lag vor uns. Der Wind hatte sich gelegt und kein Lüftchen rührte sich. So mussten wir die Boote zu Wasser lassen und das große Schiff zu seinem Ankerplatz schleppen. Als wir diese mühselige Arbeit endlich geschafft hatten, waren die Männer mürrisch und gereizt. Ein Wort gab das andere, und bald lag Meuterei in der Luft. Das ängstigte nicht nur die ehrlichen Menschen an Bord. Auch John Silver schien besorgt, doch sosehr er sich auch bemühte, die Ungeduld brodelte nur so unter seinen Leuten.
„Wir sollten den Kerlen Landurlaub geben“, schlug der Kapitän vor. „Auf der Insel wird Silver die Gemüter schon beruhigen. Ihr werdet sehen, sie kommen zurück so friedlich wie die Lämmer.“
cbj ist der Kinder- und Jugendbuchverlag in der Verlagsgruppe Random House
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1. Auflage 2011
© 2011 cbj, München
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Innenillustrationen: Silke Voigt
Illustration Serienlogo: Ute Krause
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eISBN 978-3-641-06573-7
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