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Eichendorffs Lieder wurden häufig als Wanderburschenlieder, als reine Natur- und Stimmungsbilder missverstanden. Doch den Bildern von Wald und Heimat, Dämmerung und Nacht, Gärten und Bäumen, rauschenden Wassern und Quellen kommt eine tiefere Bedeutung zu; hinter den formelhaften Wendungen dieser Lyrik verbirgt sich eine komplexe Symbolik. Eichendorff hat die verwirrende Welt des Traums und der Realität, einer oft als chaotisch empfundenen Wirklichkeit, nicht nur evoziert, er hat sie auch zu bannen versucht, hat sie mit den Mitteln der poetischen Sprache einer göttlichen Macht unterstellt, der seine Dichtung Ausdruck verleihen soll.
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Seitenzahl: 180
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JOSEPH VON EICHENDORFF(1788–1857) zählt zu den bedeutendsten Dichtern der deutschen Romantik, und seine Gedichte gehören ebenso wie seine Novellen (Aus dem Leben eines Taugenichts) zum unverlierbaren Bestand deutscher Literatur. Er studierte Rechtswissenschaft und Philosophie in Halle, Heidelberg und Berlin, lernte Achim von Arnim, Clemens Brentano und Friedrich Schlegel kennen, hörte Vorlesungen bei Schleiermacher und Fichte. Von 1813 bis 1815 nahm er an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teil. Danach trat er in den Staatsdienst ein, aus dem er 1844 entlassen wurde. Nach Aufenthalten in Danzig, Wien, Berlin und Dresden zog er sich 1855 in das schlesische Neiße zurück.
HERAUSGEBERHans-Joachim Simm, Dr. phil., geboren 1946, lebt als freier Publizist bei Frankfurt am Main. Er war bis 2009 Leiter des Insel Verlags, des Verlags der Weltreligionen und der Buchreihe »edition unseld«. Er gab zahlreiche Werkausgaben deutscher Dichter und Schriftsteller und diverse Anthologien heraus.
Eichendorffs Gedichte gehören zu den bekanntesten Werken der deutschen Romantik, und seine in volkstümlichem Ton verfaßten Lieder sind bis heute einem breiten Publikum vertraut. Eichendorff wußte um die Vergänglichkeit, um die Unwiederbringlichkeit von Kindheit und Jugend, um den Verlust seines Paradieses. Er wußte, dass seine romantische Welt bedroht war von einem dunklen Untergrund, dass die Welt des schönen Scheins zerfiel. Gerade deswegen beschwor er sie immer wieder.
Eichendorffs Lieder wurden häufig als Wanderburschenlieder, als reine Natur- und Stimmungsbilder missverstanden. Doch den Bildern von Wald und Heimat, Dämmerung und Nacht, Gärten und Bäumen, rauschenden Wassern und Quellen kommt eine tiefere Bedeutung zu; hinter den formelhaften Wendungen dieser Lyrik verbirgt sich eine komplexe Symbolik. Eichendorff hat die verwir- rende Welt des Traums und der Realität, einer oft als chaotisch empfundenen Wirklichkeit, nicht nur evoziert, er hat sie auch zu bannen versucht, hat sie mit den Mitteln der poetischen Sprache einer göttlichen Macht unterstellt, der seine Dichtung Ausdruck verleihen soll. Dieses Anerkennen einer höheren Ordnung führt zu einer heiteren, versöhnlichen Lebenszugewandtheit, die alle Melancholie und Trauer letztlich überwindet.
Joseph von Eichendorff
Es war, als hätt’ der Himmeldie Erde still geküsst
Joseph von Eichendorff
Gedichte
Herausgegeben von Hans-Joachim Simm
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttps://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Alle Rechte vorbehalten
© by marixverlag in der Verlagshaus Römerweg GmbH, Wiesbaden 2014Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2014Covergestaltung: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbHHamburg BerlinBildnachweis: „Lake on sunset“, Boyan Dimitrov, fotoliaeBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-8438-0463-9
www.verlagshaus-roemerweg.de/Marix/
ES GEHT WOHL ANDERS, ALS DU MEINSTGedankensplitter
EWIG’S TRÄUMEN VON DEN FERNENGedichte 1807–1810
HÜTE DICH, BLEIB’ WACH UND MUNTERGedichte 1811–1815
WOHIN ICH GEH’ UND SCHAUEGedichte 1816–1830
KOMM’ TROST DER WELT, DU STILLE NACHTGedichte 1831–1836
GENUG GEMEISTERT NUN DIE WELTGESCHICHTEGedichte 1837–1843
WO WERD’ ICH SEIN IM KÜNFT’GEN LENZE?Gedichte 1844–1857
Zu dieser Ausgabe
Alphabetisches Verzeichnis der Gedichtüberschriften und -anfänge
In wildem Wechsel treibt das flüchtge Leben.
Bang schwebt der Schiffer auf den fliehenden Wogen,
Vorüber Land und Menschen fortgezogen,
Es muß wohin die vollen Segel streben.
In Dämmrung sieht er noch die Heimat ragen,
Cypressen aus vergeßnen Blumenwogen;
Herüber schimmert’s hold wie Regenbogen,
Er steht allein – und kann nur sehnend klagen;
Nichts weilt, doch aus der Erinnrung süßen Schmerzen,
Da blühen wieder die verklungnen Zeiten;
Ob auch die lieben Stunden längst vergangen,
Ruht doch ihr stilles Bild in träum’nden Herzen
Frühlingen gleich von Zauberschein umfangen,
Freundlich durchs ganze Leben zu geleiten.
Gedankensplitter
Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.
Der Liebende steht träge auf,
Zieht ein Herrjemine-Gesicht
Und wünscht, er wäre tot.
Der Morgen tut sich prächtig auf,
So silbern geht der Ströme Lauf,
Die Vöglein schwingen hell sich auf:
„Bad, Menschlein, dich im Morgenrot,
Dein Sorgen ist ein Wicht!“
Wie nach festen Felsenwänden
Muß ich in der Einsamkeit
Stets auf dich die Blicke wenden.
Alle, die in guter Zeit
Bei mir waren, sah ich scheiden
Mit des falschen Glückes Schaum,
Du bliebst schweigend mir im Leiden,
Wie ein treuer Tannenbaum,
Ob die Felder lustig blüh’n,
Ob der Winter zieht heran,
Immer finster, immer grün –
Reich’ die Hand mir, wackrer Mann.
O Gegenwart, wie bist du schnelle,
Zukunft, wie bist du morgenhelle,
Vergangenheit so abendrot!
Das Abendrot soll ewig stehen,
Die Morgenhelle frisch drein wehen,
So ist die Gegenwart nicht tot.
Der Tor, der lahmt auf einem Bein,
Das ist gar nicht zu leiden,
Schlagt ihm das andre Bein entzwei,
So hinkt er doch auf beiden!
Wohl vor lauter Sinnen, Singen
Kommen wir nicht recht zum Leben;
Wieder ohne rechtes Leben
Muß zu Ende geh’n das Singen;
Ging zu Ende dann das Singen:
Mögen wir auch nicht länger leben.
Wie so leichte läßt sich’s leben!
Blond und rot und etwas feist,
Tue wie die andern eben,
Daß Dich jeder Bruder heißt,
Speise, was die Zeiten geben,
Bis die Zeit auch Dich verspeist!
Im beschränkten Kreis der Hügel,
Auf des stillen Weihers Spiegel
Scheue, fromme Silberschwäne –
Fassend in des Rosses Mähne
Mit dem Liebsten kühn im Bügel –
Blöde Bande – mut’ge Flügel
Sind getrennter Lieb’ Gedanken!
„Hinaus, o Mensch, weit in die Welt,
Bangt dir das Herz in krankem Mut!
Nichts ist so trüb in Nacht gestellt,
Der Morgen leicht macht’s wieder gut.“
Mein Schatz, das ist ein kluges Kind,
Die spricht: „Willst du nicht fechten:
Wir zwei geschiedne Leute sind;
Erschlagen dich die Schlechten,
Auch keins von beiden dran gewinnt.“
Mein Schatz, das ist ein kluges Kind,
Für die will ich leben und fechten!
So Wunderbares hat sich zugetragen:
Was aus uralten Sagen
Mit tief verworrener Gewalt oft sang
Von Liebe, Freiheit, was das Herz erlabe,
Mit heller Waffen Klang
Es richtet sich geharnischt auf vom Grabe,
Und an den alten Heerschild hat’s geschlagen,
Daß Schauer jede Brust durchdrang.
Jeder nennet froh die Seine,
Ich nur stehe hier alleine,
Denn was früge wohl die Eine:
Wen der Fremdling eben meine?
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