Everything I Feel For You - Sarah Saxx - E-Book

Everything I Feel For You E-Book

Sarah Saxx

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Beschreibung

Ein Bassist zum Verlieben: Grumpy meets Sunshine Nach der Europatournee freut sich Bassist Richie auf drei Wochen Urlaub in einer Luxusvilla in Los Angeles. Als er die Unterkunft erreicht, muss er jedoch feststellen, dass er nicht allein ist. Im Pool schwimmt eine junge Frau. Die Start-up-Gründerin Hayden erschreckt sich fast zu Tode, als ein fremder Mann sie beim Baden beobachtet. Bevor sie die Polizei rufen kann, wird klar, dass die Villa überbucht wurde. Um ihre Auszeit genießen zu können, muss Hayden Richie dringend loswerden. Doch das ist gar nicht so leicht, denn der ist nicht nur nervig, sondern auch verboten attraktiv. 

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© Piper Verlag GmbH, München 2024

Redaktion: Jil Aimée Bayer

Korrektorat: Uwe Raum-Deinzer

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Wir behalten uns eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich der Piper Verlag die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Content Note

Widmung

Playlist

1 – Richie

2 – Hayden

3 – Richie

4 – Hayden

5 – Richie

6 – Hayden

7 – Richie

8 – Hayden

9 – Richie

10 – Hayden

11 – Richie

12 – Hayden

13 – Richie

14 – Hayden

15 – Richie

16 – Hayden

17 – Richie

18 – Hayden

19 – Richie

20 – Hayden

21 – Richie

22 – Hayden

23 – Richie

24 – Hayden

25 – Richie

26 – Hayden

27 – Richie

28 – Hayden

29 – Richie

30 – Hayden

31 – Richie

32 – Hayden

33 – Richie

34 – Hayden

35 – Richie

36 – Hayden

37 – Richie

38 – Hayden

39 – Richie

40 – Hayden

41 – Richie – Epilog

Danksagung

Content Notes

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Content Note

Dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Am Ende des Textes findet sich eine Aufzählung, die jedoch den Verlauf der Geschichte spoilern kann.

Für Anya, weil es diese Story ohne dich nicht geben würde. ❤

Für Mona.

Und für alle, die sich manchmal ein bisschen lost fühlen – ihr seid es nicht. Lasst euch davon nicht täuschen.

Playlist

Malibu – Miley Cyrus

The Way You Miss Me – All Time Low

You Problem – Cloudy June x emlyn

Can You Hold Me – NF, Britt Nicole

Look After You – The Fray

Don’t Sleep, Repeat – 44phantom, Machine Gun Kelly

Now Go – Erato

Something Wonderful (Alternate Version) – Seaway

Mars – Alto Moon

Lovebite – Hobbie Stuart, Le Montais

Sick of It – Skillet

Addicted – Saving Abel

Casual Sex – My Darkest Days

The Kill – Thirty Seconds to Mars

What I’ve Done – Linkin Park

RISE – League of Legends, Mako, The Word Alive,The Glitch Mob

Popular Monster – Falling in Reverse

Riot – Three Days Grace

Wolf in Sheep’s Clothing – Set It Off, William Beckett

Voices In My Head – Falling in Reverse

War – Sum 41

Diese Playlist findest du auch auf Spotify unter Everything I Feel For You – by Sarah Saxx – viel Spaß beim Hören und gute Unterhaltung!

1 – Richie

Verrückt. Das alles war einfach zu verrückt – als ich an einer Ampel hielt, musste ich mich in den Arm kneifen. Aber selbst danach konnte ich nicht wirklich glauben, dass ich vor gut eineinhalb Stunden auf dem Los Angeles International Airport gelandet war. Nun saß ich in einem schwarzen Ford Mustang Convertible ohne Verdeck und war auf dem Weg nach Malibu in meine Villa.

Gut, der Wagen war gemietet, genau wie mein Zuhause für die kommenden drei Wochen – aber hey! –, dennoch lebte ich meinen Traum.

Ehrfürchtig schluckte ich, ehe ich weiter den Pacific Coast Highway entlangfuhr. Die Julisonne brannte unerbittlich auf mich herab, und für den frühen Nachmittag fühlte ich mich ziemlich müde. Selbst in London war es noch nicht mal Mitternacht, doch die Aufregung und Anstrengung der letzten Wochen inklusive des elfstündigen Fluges forderten ihren Tribut.

Da kam der Urlaub gerade recht, und im Moment konnte ich mir nichts Schöneres vorstellen, als hier zu sein. Palmen und das offene Meer zu meiner Linken, sandfarbene Felsen und von der Sonne gebräuntes Gras auf der anderen Seite, schaltete ich das Radio an.

»… und diese Band solltet ihr euch merken. Die Mighty Bastards stürmen in Europa gerade die Hitlisten, und es würde mich nicht wundern, wenn die vier jungen Briten es mit ihrer Single Broken nicht auch auf die Billboard-Charts schaffen. Denn Leute, gebt euch diesen Sound!« Die Moderatorin stieß einen Jubelschrei aus, als Theos Gitarrenintro erklang. Und ich musste mich zusammenreißen, nicht die Hände vom Lenkrad zu nehmen, um mein Bass-Riff in der Luft nachzuspielen, das daraufhin einsetzte.

Ein raues Lachen brach aus mir hervor, ehe ich einen Arm nach oben reckte und »Woohoo!« schrie. Denn auch wenn wir in den USA weitestgehend unbekannt waren, konnte sich das ändern.

Okay, Richie, tief durchatmen, ermahnte ich mich und erinnerte mich daran, wo Lex, Theo, Spencer und ich herkamen. Wie ich mir als siebenjähriger Junge in den Kopf gesetzt hatte, E-Bass zu lernen, weil ich bereits damals fasziniert gewesen war von seinem fülligen, weichen Sound. Wie ich seit Jahren mit meinen Kumpels im Kellerraum von Spencers Dad geprobt hatte, wie wir erst bei Schulveranstaltungen aufgetreten waren, bald jedoch vor mehr Publikum in und um York gespielt hatten. Wie wir beschlossen hatten, groß rauszukommen, und deshalb ein selbst produziertes Musikvideo auf YouTube gestellt hatten – das eingeschlagen hatte wie eine Bombe. Fallen Angel war innerhalb kürzester Zeit millionenfach aufgerufen worden. Wir waren bei Symbol Records unter Vertrag gekommen, und der weitere Verlauf klang selbst in meinen Ohren total unwirklich. Wir hatten ein erstes Album mit dem Namen Feet on the Ground produziert, angelehnt an unseren Vorsatz, nicht abzuheben und uns immer daran zu erinnern, woher wir kamen. Auch wenn wir erfolgreich waren. Und verdammt, das waren wir. Unsere dritte Single Broken hatte es inzwischen in vierzehn Ländern auf die Eins geschafft, die Elevation-Tour, die uns europaweit durch einundzwanzig Städte gebracht hatte, war ein voller Erfolg gewesen. Und jetzt, nicht einmal einen Monat später, war ich hier. Drei Wochen hatte ich nun Zeit, in völliger Ruhe zu begreifen, wie krass sich mein Leben innerhalb der letzten zwei Jahre verändert hatte, seit wir dieses Video online gestellt hatten.

Als ich Malibu erreichte, wurden die Häuser luxuriöser, und meine Vorfreude auf die nächsten Wochen stieg auf ein neues Level.

Kurz wünschte ich, Dad und meine Schwestern Tamara, Ashlynn und Shelley könnten hier sein, um das alles mit mir zu erleben. Okay, auch meinem Bruder Brandon würde ich einen Blick hierauf gönnen. Eventuell. Aber aus anderen Gründen …

Das Navi zeigte mir an, dass ich mein Ziel fast erreicht hatte – und das Trommeln in der Brust nahm zu. Inzwischen konnte ich den Pazifik nicht mehr sehen, dafür waren die Wiesen zu beiden Seiten grüner geworden – ein klares Zeichen, dass es hier nicht an Geld und Egoismus mangelte –, denn Wasser war hier knapp.

Ich drosselte mein Tempo, um die gigantischen Villen zu bestaunen und die Auffahrt nicht zu verpassen. Als ich den Blinker setzte, spürte ich die Aufregung in mir – und das lag nicht bloß daran, dass ich mich bei jedem Abbiegen darauf konzentrieren musste, nicht irrtümlich auf die falsche Straßenseite zu geraten. In diese Gegend vorzudringen, fühlte sich verboten an, wobei das völliger Quatsch war. Dass ich es jedoch als der kleine Junge, der unter nicht gerade einfachen Bedingungen groß geworden war, in meinem Leben bis hierhergeschafft hatte, war unglaublich.

Die Straße führte mich ein Stück weit zwischen Bäumen und Büschen den Hügel hinauf, und ich drehte das Radio leiser.

»Sie haben Ihr Ziel erreicht, es befindet sich auf der linken Seite«, kündigte das Navigationssystem an. Ich lenkte auf die Zufahrt und hielt vor einem großen Eisentor, neben dem sich eine Codetastatur befand, in die ich den Zahlencode eingeben musste, den ich per E-Mail erhalten hatte.

Schnell öffnete ich die App auf meinem Handy und gab die sechs Ziffern ein, die ich mit dem Drücken des OK-Buttons bestätigte.

Für einen Augenblick tat sich nichts, und ich fürchtete, mich vertippt zu haben. Doch dann setzte sich das Tor in Bewegung und glitt zur Seite.

»Irre!«, stieß ich aus und fuhr in die Einfahrt.

Ungläubig schüttelte ich den Kopf, als ich ein Haus passierte, das wohl das auf der Website angekündigte Gästehaus sein musste. Es wirkte minimal kleiner als das, in dem ich mit meiner Familie aufgewachsen war.

Danach fuhr ich tatsächlich an einem Tennisplatz vorbei. Einem fucking Tennisplatz! Anschließend kam endlich der Bungalow in Sicht, der mit seinen Säulen neben dem Eingang, der weißen Fassade und der flachen Dachneigung wie eine italienische Villa aussah. Drei Garagen standen zu meiner Rechten zur Verfügung, doch ich hielt erst einmal direkt auf dem weitläufigen Vorplatz. Zuerst wollte ich mein neues Zuhause erkunden und in Ruhe mein Gepäck ausladen.

Ich stieg aus und ging auf die Eingangstür zu, neben der erneut ein Zahlenfeld angebracht war. Den Code hierfür hatte ich per Textnachricht vom Vermieter bekommen, vermutlich, um nicht beide Geheimnummern über ein einziges Medium zu verschicken und Unbefugten auf diese Weise den Zutritt zu erschweren.

Als ich eintrat, vernahm ich ein leises Bellen, was mir bewusst machte, dass – obwohl es in dieser von Büschen und Bäumen gesäumten Einfahrt nicht danach aussah – die Nachbarn in unmittelbarer Nähe wohnten.

Breit grinsend sah ich mich um und konnte meine Freude über all das nicht länger im Zaum halten. Ich hüpfte auf und ab und ging schließlich auf das weitläufige Wohnzimmer zu, dessen mir gegenüberliegende Seite eine gewaltige Fensterfront zierte, die den Blick auf den Garten und das Meer freigab.

Kurz bereute ich es, allein hergekommen zu sein und meine Begeisterung mit niemandem teilen zu können. Doch Lex war mit seiner Freundin Tessa in York bei seinen Eltern, Theo hatte es nach Südfrankreich verschlagen, und Spencer besuchte seine Mum in Dublin. Wir alle hatten den Abstand bitter nötig, nachdem wir die letzten eineinhalb Jahre quasi 24/7 aneinandergeklebt hatten.

Ich ging an den beiden cremefarbenen Sofas in Nierenform vorbei, die vor einem großen elektrischen Kamin standen, und gelangte weiter in ein Esszimmer mit Platz für zehn Personen. Daran angrenzend befand sich durch ein gläsernes, deckenhohes Weinregal getrennt die Küche aus Holz und hellem Stein – vielleicht Marmor, jedoch kannte ich mich damit nicht aus. Es sah edel aus, und vermutlich würde ich die ganze Zeit hier essen. Bei dem Gedanken daran, mich allein an den gigantischen Esstisch zu setzen, fühlte ich mich jetzt schon seltsam verloren.

Als ich den großen Kühlschrank öffnete, stellte ich überrascht fest, dass sich Lebensmittel darin befanden – offenbar eine nette Willkommensgeste des Vermieters.

Ich setzte meine Erkundungstour fort und betrat eines der vier Schlafzimmer im Haus. Selbstverständlich verfügte jedes davon über ein eigenes Badezimmer. »Irre, das hätten wir zu Hause bei Dad auch gebraucht«, stellte ich schmunzelnd fest. Immerhin hatte es jeden Morgen einen Kampf ums Bad gegeben.

Außerdem entdeckte ich ein Büro, das ich garantiert nicht nutzen würde – ich wüsste nicht, wofür –, und schließlich ein gut ausgestattetes Homegym.

Begeistert drehte ich um und wollte die andere Hälfte der Villa erkunden, als ich plötzlich innehielt. Denn ich war nicht allein. Aus dem Augenwinkel hatte ich draußen im Garten eine Bewegung bemerkt. Kurz überlegte ich, ob es nicht einfach die Spiegelung der Sonne im Fensterglas gewesen sein könnte, das Schwappen des Wassers im Pool bewies allerdings eindeutig das Gegenteil.

Einige Sekunden war ich wie erstarrt. Hatte ich mich vielleicht in der Villa geirrt? Aber wie wäre ich dann durch das Tor und ins Haus gekommen? Die Wahrscheinlichkeit, dass der Vermieter dieselben Codes für zwei Anwesen verwendete, war verschwindend gering. Um nicht zu sagen, dass es ausgesprochen dumm wäre …

Die Person, die da draußen gerade eine Bahn nach der anderen in meinem Pool zog, musste sich also unerlaubterweise Zugang verschafft haben.

Wäre ich in London, läge die Vermutung nahe, dass es sich um einen Fan handelte, der herausgefunden hatte, wo ich abgestiegen war. Nachdem wir in den Staaten jedoch bedeutend unbekannter waren, konnte ich das mit ziemlicher Sicherheit ausschließen.

Angespannt holte ich Luft.

Weil ich der Sache allerdings auf den Grund gehen musste, straffte ich die Schultern, schob eine der großen Terrassentüren auf und trat nach draußen. Sofort hüllte mich wieder die kalifornische Hitze ein. Doch nicht nur die war dafür verantwortlich, dass es mir erneut den Schweiß aus allen Poren trieb, sondern auch die Tatsache, dass gerade eine Frau im Pool schwamm. Und wie ich bei genauerem Hinsehen erkennen konnte, trug sie keinen Badeanzug oder Bikini, nicht einmal ein Höschen. Nichts. Verflucht, sie war splitterfasernackt!

Okay, ich ging nicht davon aus, dass sie mir jetzt gefährlich werden würde, und ich entspannte mich etwas. Ich lehnte mich an eine der Säulen im Schatten und überlegte, wie ich sie darauf aufmerksam machen sollte, dass sie genau genommen nicht hier sein durfte. Auch wenn ich die Gesellschaft von jungen Frauen grundsätzlich genoss.

Mir fiel ihr Tattoo auf, ein Schriftzug, der sich über ihre gesamte Wirbelsäule nach unten erstreckte, soweit ich das von hier aus beurteilen konnte. Zu gern hätte ich gewusst, was dort stand, doch bevor ich auch nur ein Wort entziffern konnte, wendete sie am hinteren Ende des Beckens.

Für einen Augenblick hob sie ihren Blick, wollte weiterkraulen, aber sie musste mich entdeckt haben, denn sie stieß einen Schrei aus und schlug wild mit den Armen herum. Dabei schluckte sie Wasser, ruderte, suchte Halt, fand jedoch keinen.

Fuck, ich würde nicht zulassen, dass sie vor meinen Augen ertrank. Auch wenn ich bis eben den Eindruck gehabt hatte, sie wäre eine gute Schwimmerin, hieß das gar nichts …

Ohne zu überlegen, lief ich auf den Pool zu und zog mir mit einer fließenden Bewegung mein T-Shirt über den Kopf, um ihr zu Hilfe zu eilen – bis mich ihr dröhnender Schrei zum Stehenbleiben zwang.

»Noch einen Schritt weiter, und du wirst dir wünschen, dieses Grundstück nie betreten zu haben!« Wütend funkelte sie mich an. Mit der flachen Hand schlug sie auf die Wasseroberfläche, sodass es in alle Richtungen spritzte, bevor sie beide Hände an den Rand des Pools legte. Würde sie sich gleich aus dem Wasser stemmen? Doch nein, sie blieb, wo sie war. Und obwohl ich mir sicher war, dass sie völlig harmlos war, tat ich, was sie von mir verlangte.

2 – Hayden

Was. Zur. Hölle?

Mein Herz raste, wie irre, als ich diesen Mann anschaute, der da halb nackt wenige Schritte vom Poolrand entfernt stand.

Noch nie war ich überfallen oder ausgeraubt worden. Und schon gar nicht war mir etwas angetan worden. Zwar hatte ich zwei Selbstverteidigungskurse besucht – einen an der Highschool und einen weiteren letztes Jahr gemeinsam mit meinem Bruder Jackson. Weil er ihn – leider – nötig gehabt hatte. Aber jetzt, wo dieser fremde Typ in mein Zuhause auf Zeit eingedrungen war, während ich nackt und wehrlos im Pool schwamm, hatte ich keine Ahnung, wie ich mich gegen ihn verteidigen sollte.

Ich befand mich eindeutig im Nachteil – so ohne Klamotten und im Wasser. Noch dazu als Frau. Die Einzige, die zumindest ein Ablenkungsmanöver hätte starten können, war Izobel – und die hatte ich im Schlafzimmer eingesperrt.

»Wer bist du, und was hast du hier verloren?«, schnauzte ich den Mann vor mir an. Den Täter in ein Gespräch verwickeln und ihn gleichzeitig mit scharfem Ton auf Abstand halten – beides Taktiken, die hoffentlich nicht verkehrt waren.

»Interessanter ist eher, wer du bist und was du hier machst«, konterte er mit einem verschmitzten Grinsen und britischem Akzent.

Der spinnt wohl …!

»Ich glaube nicht, dass du in der Position bist, mir Fragen zu stellen«, gab ich scharf zurück und strich mir mit beiden Händen Wasser aus den Haaren.

»Aber du, ja?« Am liebsten hätte ich dem Typ seinen überlegenen Ausdruck aus dem Gesicht gewischt. Bestimmt kam er sich besonders cool vor mit seiner Frisur, mit der er ein bisschen Ähnlichkeit mit Will Smith hatte.

»Ich wohne hier«, erklärte ich und sah Izzy, meine süße Jack-Russell-Terrier-Hündin, am Schlafzimmerfenster stehen, die den Eindringling endlich bemerkt hatte und wie wild bellte.

Schon vorhin hatte sie Laut gegeben, doch ich hatte nicht verstanden, was los gewesen war. Herrje, war ich dumm, dass ich mich über sie geärgert hatte. Ich hatte angenommen, sie wäre neidisch, da ich sie nicht mit raus in den Garten genommen hatte. Allerdings hatte sie Panik bekommen, als ich das erste Mal im Pool geschwommen war, und war mir hinterhergesprungen. Vermutlich dachte sie, sie müsse mich retten. Seitdem musste sie immer im Haus bleiben, solange ich mich abkühlte. Sicher war sicher. Doch jetzt wäre ich für ihren Einsatz für mich dankbar gewesen. Zwar hätte sie den Eindringling nicht gebissen, aber vielleicht durch ihr Bellen in die Flucht geschlagen.

Der Typ lachte auf. »Das ist ja witzig, weil ich für die nächsten drei Wochen hier wohne. Ich kann dir ja gerne den Vertrag mit dem Vermieter zeigen, wenn du mir nicht glaubst.« Mit diesen Worten griff er in seine hintere Hosentasche und zog sein Smartphone hervor, während er auf mich zukam.

»Auf keinen Fall kommst du näher!«, kreischte ich und wedelte mit den Händen, bis ich erneut Wasser schluckte. Finster und zugleich verzweifelt sah ich mich um und musste erneut husten.

Mist, mein Handtuch lag hinter ihm auf der Veranda.

Der Mann folgte meinem Blick und nahm dann die drei Stufen nach oben.

»Ist das dein Hund in meinem Schlafzimmer?«, fragte er, als er mit dem Frotteetuch in Händen zu mir zurückkam.

»Ja, sie gehört mir. Und es ist mein Schlafzimmer, denn ich habe diese Villa gemietet. Nicht näherkommen!«, mahnte ich ihn erneut.

Seine Augenbraue zuckte – etwa amüsiert, oder bildete ich mir das ein? –, und er legte das Handtuch auf den Rand des Jacuzzi, der an den Pool grenzte. Anschließend wandte er mir den Rücken zu, um mir die nötige Privatsphäre zu geben.

»Wehe, du drehst dich um«, sagte ich drohend, während ich die Stufen nach oben aus dem Wasser stieg.

»Keine Sorge!« Schwang da etwa Belustigung in seiner Stimme mit? Dieser Mistkerl.

Schnaubend schluckte ich einen bissigen Kommentar hinunter. Männer waren doch alle gleich, ganz egal, von welchem Flecken der Erde sie kamen.

Schnell schlang ich mir den weichen Stoff um den Körper und brachte wieder Abstand zwischen den Kerl und mich.

»Also … du kannst dich umdrehen«, sagte ich und ärgerte mich, dass meine Stimme dabei beleidigt und bockig klang statt entschlossen und tough.

Verdammt, was war nur mit mir los? Gut, der Typ hatte mir nichts getan – zumindest noch nicht. Aber ich war doch sonst auch nicht auf den Mund gefallen, führte immerhin regelmäßig erfolgreich die Verhandlungen mit den Abnehmern unserer Waren.

Tatsächlich waren seine Lippen zu einem frechen Grinsen verzogen, als er meiner Ansage folgte, sich mir wieder zuwandte und mich kurz von meinen Beinen ausgehend nach oben musterte, ehe er sich räusperte.

»Ich habe diese Villa für drei Wochen gemietet«, wiederholte er und hielt mich dadurch davon ab, ihn für sein Abchecken anzupflaumen. Gleichzeitig streckte er mir sein Handy entgegen, und ich ging vorsichtig auf ihn zu. Gerade so weit, um den Text lesen und dennoch zurückweichen zu können, sollte das Ganze bloß ein Ablenkungsmanöver sein, um mich zu überwältigen.

Tatsächlich war es eine E-Mail von meinem Vermieter, in der stand, dass er die Reservierung für diese Adresse vom heutigen Datum an für drei Wochen bestätigte. Ich kannte den Text, denn ich hatte ihn fast identisch in meinem Mail-Eingang.

»Bleib genau hier stehen«, sagte ich betont scharf, das Frotteetuch fest an meinen Körper gepresst. Nach wie vor vertraute ich diesem Fremden nicht. Womöglich hatte er die E-Mail gefälscht, doch das würde sich schnell herausfinden lassen. »Ich hole mein Telefon«, erklärte ich, bevor ich durch die einen Spaltbreit offene Terrassentür huschte und anschließend ins Schlafzimmer lief.

Die aufgebrachte Izobel konnte ich nur schwer daran hindern, nicht hinauszulaufen und den Unbekannten anzukläffen, aber ohne mich ließ ich sie bestimmt nicht auf ihn los. Wer wusste schon, was er ihr antat …

»Brave Izzy, du passt so gut auf dein Frauchen auf.« Beruhigend streichelte ich ihr über das kurze Fell. »Jetzt ist’s allerdings genug. Es ist alles in Ordnung, hörst du?«

Natürlich tat sie das nicht, wollte an mir vorbei in Richtung Tür, und als sie merkte, dass ich sie nicht hinausließ, lief sie zurück zum großen Fenster, um hinauszuschauen, ob der Eindringling noch hier war.

Offenbar, denn sie kläffte weiter, doch um sie würde ich mich später kümmern. Ehrlich gesagt war ich gerade echt froh, dass sie nicht stumm und schwanzwedelnd auf Fremde reagierte …

Schnell schlüpfte ich in meine Jeansshorts und in das weiße Tanktop, das ich vorhin getragen hatte. Anschließend holte ich mein Smartphone vom Nachttisch, wo ich es zum Aufladen hingelegt hatte, und suchte die Bestätigungs-E-Mail, bevor ich zurück zur Terrasse eilte.

Mein Puls hatte sich nur minimal beruhigt, als ich mich dem Typen näherte.

Inzwischen hatte er sich sein T-Shirt wieder angezogen und verdeckte damit den Großteil seines – zugegebenermaßen! – ansehnlichen, muskulösen Oberkörpers.

»Ich habe eine fast identische E-Mail im Posteingang«, erklärte ich und hielt ihm mein Handy entgegen.

Stirnrunzelnd beugte er sich näher. »Darf ich?«, fragte er und schaute mich abwartend an. Als wäre es ihm wichtig, dass er mein Einverständnis dafür bekam, mein Telefon in die Hand nehmen zu dürfen.

Ein Schnauben unterdrückend nickte ich.

Vielleicht war das von ihm ebenfalls nur eine Tarnung, allerdings konnte er von mir aus alles haben, was ich an Besitz hierhatte, solange er nur Izzy und mich in Ruhe ließ.

»Hm«, machte er, drehte sich von mir weg, und kurz fürchtete ich, er würde gleich mit dem Telefon abhauen. Doch er legte es auf den Tisch auf der Veranda und platzierte seines daneben. »Die sind absolut identisch, abgesehen vom Datum.«

Zögernd kam ich näher. »Und der Absender?« Mit etwas Abstand stützte ich mich neben ihm ab und schaute ebenfalls auf die Displays hinab.

»Beide von Derrick Sutton.« Er tippte auf seinem Handy auf den Namen, um sich die E-Mail-Adresse anzeigen zu lassen, und ich tat es ihm auf meinem nach.

Tatsächlich, es war derselbe Absender.

»Scheint, als hätte Mr Sutton hier unabsichtlich eine Doppelbelegung vorgenommen«, sprach der Mann neben mir aus, was ich bereits vermutet hatte.

»Okay, das ist unmöglich«, sagte ich sofort. »Ich kläre das.«

Ohne zu zögern, schnappte ich mir mein Smartphone und tippte auf die Telefonnummer in der Signatur.

Es klingelte fünfmal, und ich wollte bereits auflegen, als sich endlich eine Stimme meldete. »Ja?«

»Spreche ich mit Derrick Sutton?«, erkundigte ich mich, ohne den Eindringling neben mir aus den Augen zu lassen. Gleichzeitig wurde mir bewusst, dass sich meine Brustwarzen ziemlich deutlich durch den Stoff des Tanktops abzeichneten, das von meinen noch nassen Haaren mehr und mehr durchtränkt wurde. Na großartig …

»Ja, wer ist da?« Er wirkte gestresst, fast schon genervt, doch das war mir egal.

Normalerweise war ich sehr friedliebend, aber das gerade konnte ich mir nicht gefallen lassen. Immerhin hatte mich ein Fremder nackt gesehen. Wegen meines Vermieters.

»Hayden Butler, ich habe für drei Wochen die Villa gebucht.«

»Welche?«

Kurz warf ich einen Blick auf die E-Mail, weil ich die Adresse nicht auswendig wusste, und gab sie ihm durch.

»Okay, was ist damit? Wollen Sie absagen?«

»Was? Nein, ich bin gerade da. Also seit einer Woche schon, und für weitere zwei habe ich gebucht. Nun ist es allerdings so, dass hier ein gewisser Mr …« Ich schaute den Mann neben mir mit hochgezogener Braue an.

»Richie Scott«, half er mir aus.

»Danke. Mr Richie Scott ist eben hier aufgetaucht, der ab heute für drei Wochen gebucht hat. Es gibt also eine Überschneidung von gut vierzehn Tagen.«

Geräuschvoll atmete Mr Sutton aus. »Fuck … Ich meine … Sorry! Das muss ein Versehen sein.«

»Allerdings«, sagte ich streng und schaute zu diesem Richie Scott, der mich stirnrunzelnd betrachtete.

Vielleicht sollte ich den Lautsprecher aktivieren, um ihn mithören zu lassen – immerhin betraf ihn diese Sache ebenso. Jedoch würde er dann womöglich einschreiten und alles zu seinen Gunsten drehen, und ich wäre im Nachteil. Wieder einmal. Etwas, das ich ganz klar verhindern wollte.

»Fehler passieren, Mr Sutton. Aber wir brauchen hierfür eine Lösung. Mr Scott kann auf keinen Fall hierbleiben und …«

»Moment, da habe ich ebenfalls ein Wörtchen mitzureden«, schaltete sich dieser prompt ein.

»Wie stellen Sie sich das vor? Ich habe momentan nichts anderes frei«, sagte Mr Sutton und klang dabei mehr genervt als entschuldigend.

Was für ein Idiot, es war schließlich nicht mein Fehler, dass er seine Villa überbucht hatte.

»Sie könnten Mr Scott ein Hotelzimmer organisieren, bis ich abgereist …«

»Auf gar keinen Fall!«, dröhnte der Mann neben mir, während Mr Sutton etwas Ähnliches in mein Ohr bellte.

»Wenn er dort nicht bleiben will, bin ich mir sicher, dass er sich selbst ein Zimmer organisieren kann. Ich bin ja nicht sein Sekretär.«

Mein Mund klappte auf, und ich spürte Panik in mir hochsteigen. »Äh … hallo? Ich werde mir garantiert nicht die Villa mit einem Fremden teilen wie in einem Feriencamp. Schon gar nicht, da ich ein halbes Vermögen dafür hinblättere, hier zu sein, um meine Ruhe zu haben!«

Mr Sutton holte geräuschvoll Luft. »Okay, Ms Butler, ich kann nicht mehr tun, als mich für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen. Ich bin in Europa auf einem Segeltörn, habe eben erfahren, dass meine Frau mich betrügt und die Scheidung will, und Sie haben Glück, dass Sie mich überhaupt erwischt haben. Ich bin im Urlaub und ohne Laptop unterwegs. Sie verstehen also bestimmt, dass ich Ihnen im Moment nicht weiterhelfen kann. Spontan würde ich vorschlagen, dass ich Ihnen je einen Gutschein für eine weitere Buchung ausstelle. Mehr kann ich jedoch echt nicht für Sie tun, weil … mein verdammtes Leben gerade den Bach runtergeht.« Kapitulierend holte er Luft. »Hören Sie, Sie sind zwei erwachsene Menschen, ich bin mir sicher, Sie finden eine Lösung.« Mit diesen Worten legte er einfach auf.

Sprachlos schaute ich auf mein Telefon. Und obwohl er mir wirklich leidtat, was seine persönliche Geschichte betraf, war ich dennoch pissed, weil er dieses Problem mit der Doppelbuchung ganz bequem auf uns abwälzte.

»Was hat er gesagt?«, wollte Mr Scott wissen.

»Er kann uns nicht helfen.« In wenigen Worten berichtete ich ihm von dem Gespräch.

Mr Scotts Blick verdunkelte sich – offenbar gefiel ihm ebenfalls nicht, wie die Lage für uns aussah.

»Okay, ich … muss raus aus der Hitze«, sagte ich, weil ich nicht wusste, wo mir der Kopf stand. »Und mich umziehen«, fügte ich mehr an mich selbst gewandt hinzu.

»Gut. Ich hole mal meine Sachen aus dem Auto. Manche Dinge in meinem Gepäck sollten wirklich nicht zu lange in der Sonne bleiben.«

Mein erster Impuls war es, ihn davon abzuhalten, doch an seiner Stelle würde ich nicht anders handeln. Also nickte ich knapp und eilte zurück ins Schlafzimmer, wo mich eine aufgebrachte Izobel erwartete.

»Okay, es ist genug!«, sagte ich diesmal so streng, dass sie mit ihrem Gebell aufhörte und sich schmollend in ihr kleines Hundebett zurückzog.

Völlig verwirrt von den jüngsten Ereignissen ging ich ins Ankleidezimmer, in dem ich in Windeseile einen Slip unter die Jeansshorts und einen BH unter das Tanktop anzog.

In der Hektik band ich meine Haare irgendwie hoch, damit sie mein Top nicht noch mehr durchtränkten. Anschließend streichelte ich Izzy liebevoll. »Du bist ein gutes Mädchen. Na komm, wir haben Besuch.« Mit diesen Worten stand ich auf, öffnete die Tür, und Izzy huschte nach draußen. Ihre kleinen Pfötchen rutschten auf den glatten Fliesen, weil sie einen Affenzahn draufhatte, was mir ein Lächeln entlockte.

Sofort kläffte sie wieder, als sie Richie Scott entdeckte.

»Na, sag mal, du bist ja eine Wilde.« Mit ruhigem, fast liebevollem Ton begrüßte er meine Hündin. Ging vor ihr in die Hocke und streckte seine Hand aus, damit sie an ihm schnuppern konnte.

Augenblicklich stellte sie ihr Bellen ein und stupste schwanzwedelnd ihr süßes Näschen an seine Finger. Als er auch noch über ihr Köpfchen streichelte, schmiegte sie sich sofort in seine Berührung. Verräterin!

»Also … was machen wir jetzt?«, wollte ich wissen, während ich an ihm und seinem Gepäck, das er im Eingangsbereich abgestellt hatte, vorbei in die Küche ging.

»Tja, gute Frage. Wir könnten nachschauen, wer zuerst gebucht hat, und derjenige darf bleiben.«

Ich drehte mich zu ihm um, und auf seinem Gesicht lag ein verschmitzter Ausdruck, der mich misstrauisch werden ließ.

»Lassen Sie mich raten, Mr Scott, Sie waren vor mir dran.« Herausfordernd sah ich ihn an. Bestimmt hatte er auf das Datum in unseren E-Mails geachtet.

»Richie. Und ja, sieht ganz danach aus, als müsstest du die Koffer packen.«

»Auf gar keinen Fall, ich hab zu nichts zugestimmt. Davon abgesehen war ich zuerst hier.«

Statt etwas darauf zu erwidern, grinste er einfach, und ich zögerte. Hatte er mich nur veräppelt und pokerte hoch? Dachte er wirklich, ich wäre so naiv, dem Wort eines Fremden zu glauben? »Lass sehen«, forderte ich harsch.

Wortlos reichte er mir sein Telefon, und wie vorhin legte ich beide nebeneinander, diesmal auf den Küchentresen.

Tatsächlich war seine Buchung knapp einen Monat vor meiner bestätigt worden. Was nicht schwer war, da ich erst vor zwei Wochen beschlossen hatte, mir spontan eine Auszeit zu nehmen, ehe mir auf der Arbeit alles über den Kopf wuchs. Dass ich tatsächlich noch etwas bekommen hatte, hatte mich überrascht. Jetzt jedoch wurde mir klar, warum.

Weil ich die neuesten Erkenntnisse erst einmal sacken lassen musste, öffnete ich den Kühlschrank und nahm mir ein Kokoswasser heraus. »Willst du auch was trinken?« Mit einem höflichen Lächeln sah ich ihn an. Immerhin hatte ich trotz der aufwühlenden Situation meine Manieren nicht komplett vergessen.

»Gern, was hast du denn da?«

Wortlos hob ich die Packung in die Höhe, und er nickte, woraufhin ich ihm ebenfalls eine reichte und die Kühlschranktür wieder schloss.

»Also … wie ich das sehe, ist die Lage folgendermaßen«, begann er, während er sein Kokoswasser schüttelte. »Wir sitzen beide im selben Boot. Oder in derselben Villa – nenn es, wie du willst. Unserem Vermieter ist ein Fehler unterlaufen, und er kann uns im Moment keine Alternative anbieten. Ich bin gerade aus London angekommen und brauche diese drei Wochen Urlaub hier wirklich dringend. Nicht umsonst habe ich hier gebucht.«

»Ist bei mir nicht anders«, fiel ich ihm murrend ins Wort. Nur war mein Weg nicht ganz so weit, dachte ich noch, sprach es jedoch nicht laut aus.

Richie hob tadelnd eine Augenbraue, bevor er fortfuhr. »Genau das dachte ich mir. Deshalb habe ich mir Folgendes überlegt …« Er trank einen Schluck von seinem Wasser, dann stellte er es auf dem Tresen ab, und ich war kurz von seinen Lippen abgelenkt, die von dem Kokossaft noch leicht benetzt waren. Anschließend ging er in die Hocke, um Izzy hinter den Ohren zu kraulen. »Wir bleiben beide hier.«

3 – Richie

»Was?« Hayden klang schrill, beinahe panisch, weshalb ich unsicher zu ihr hochsah. »Auf gar keinen Fall, wie stellst du dir das vor? Ich bin hier, um abzuschalten, um den Kopf freizubekommen. Um ungestört nachdenken zu können, um …«

»Das kannst du ja trotzdem«, unterbrach ich sie, bevor sie mich mit meinem Gepäck wieder vor die Tür setzte. »Ich meine, ehrlich, die Villa ist groß genug für uns beide.«

Hayden lachte auf. »Ich habe diese Villa aber nicht gebucht, weil sie genug Platz für weitere Gäste bietet, sondern weil ich sie seit zwei Jahren oder länger auf dem Radar hatte. Und ich habe mir vorgenommen, wenn ich mal Urlaub machen kann, dann hier.«

Ich hatte sie ehrlich gesagt nur wegen des Pools und der Aussicht gemietet. Und weil ich beschlossen hatte, dass ich mir nach all den Jahren harter Arbeit diesen dekadenten Urlaub verdient hatte. Hätte diese Villa nur ein Schlafzimmer, wäre das für mich allerdings auch in Ordnung gewesen.

»Wir können uns aus dem Weg gehen, ich bin auch ganz unkompliziert. Ich schwöre, du wirst nicht einmal merken, dass ich hier bin.«

Der Blick, den sie mir jetzt zuwarf, sagte mir, dass sie mir kein einziges Wort glaubte. »Selbst wenn, kann ich dich nicht hier wohnen lassen. Ich meine … wir kennen uns nicht.« Demonstrativ verschränkte sie ihre Arme vor der Brust.

Ich konnte nicht anders, als ihrer Bewegung mit den Augen zu folgen und festzustellen, dass sie nun einen BH trug, da sich ihre Spitzen nicht mehr durch den dünnen Stoff abzeichneten. Zum Glück, denn vorhin hatte mir die pikante Aussicht den Schweiß auf die Stirn getrieben.

Weil ich es mir mit ihr aber nicht endgültig versauen wollte, sah ich ihr sofort wieder in die Augen, deren Blaugrün mich faszinierte, weil sie mich an den Ozean erinnerten. »Okay, das lässt sich schnell ändern. Richie, fünfundzwanzig, Musiker, wohnhaft in London, gebürtig aus York, England. Und du?« Freundlich lächelnd streckte ich ihr meine Hand zur Begrüßung entgegen. Dabei checkte ich sie erneut kurz ab, riss mich jedoch zusammen, um es nicht zu übertreiben. Denn auch wenn ich sie absolut hinreißend fand, wie sie da einem kleinen Teufelchen gleich wütend vor mir stand, während sie aussah wie ein blonder Engel, sollte ich mich besser so gentlemanlike wie möglich verhalten.

Doch anstatt sich mir ebenfalls kurz vorzustellen, drehte sie mir den Rücken zu. »Das ist echt nicht zu fassen«, zischte sie, nippte an der Getränkepackung und machte anschließend ein paar Schritte von mir weg. Sie wirbelte zu mir herum, stellte ihr Kokoswasser auf dem Tresen ab und stemmte beide Hände in die Hüften. »Musiker, hm?«

Irritiert schaute ich sie an. War das jetzt gut oder schlecht, dass sie nachfragte? »Ja«, antwortete ich dennoch, weil es nichts gab, wofür ich mich schämen müsste.

Hoffentlich sah sie das ebenso …

»Was genau machst du?«, wollte sie skeptisch wissen.

»Ich spiele die Harfe im London Symphony Orchestra.« Mit aller Kraft versuchte ich, ernst zu bleiben.

Hayden musterte mich mit zusammengezogenen Augenbrauen – sie war eindeutig misstrauisch – und schielte zu meinem Gepäck, wo obenauf der Koffer mit meinem Bass lag.

»Du verarschst mich, oder?«

Kurz musste ich lachen. »Ja.«

Schnaubend rollte sie mit den Augen. Okay, ihr Humor schien wohl friedlich zu schlummern. Falls sie überhaupt welchen besaß.

»Nein, genau genommen bin ich der Bassist bei den Mighty Bastards.«

»Den Mighty-was?«

»Wir sind eine Rockband und in Europa gerade ziemlich erfolgreich.«

»Ein Rockstar!«, rief sie beinahe verächtlich aus, warf gleichzeitig die Arme in die Luft und machte abermals ein paar Schritte von mir weg, während ich ihr verwirrt dabei zusah. Was störte sie denn an mir? »Nein, du bleibst garantiert nicht hier«, sagte sie dann und wirkte sichtlich entschlossen, wie sie ihr Kinn nach oben reckte.

»Und wieso nicht?« Nun war ich echt gespannt.

»Weil Rockmusiker ständig Musik machen und hören. Ihr braucht die wie die Luft zum Atmen. Und ich brauche nun mal absolute Ruhe, um abzuschalten und endlich den Stress der letzten Wochen fallen lassen zu können.«

Gut, dagegen konnte ich jetzt nichts erwidern.

»Oh, und du behauptest, ich würde nicht merken, dass du da bist. Aber plötzlich stehen Leute vor der Tür. Erst vielleicht nur zwei Kumpels, mit denen du einen gemütlichen Abend verbringst, dann sind es zehn, und kurz darauf wird hier eine wilde Party gefeiert. Mit Alkohol, Drogen, Nutten … Und das Chaos wegzuräumen, bleibt an mir hängen. Und an Mary, der Haushälterin. Womöglich tauchen sogar Paparazzi auf, belagern die Villa und das war’s endgültig mit meiner Erholung. Nein, auf gar keinen Fall kannst du hierbleiben.«

Schmunzelnd verfolgte ich ihren Monolog und hatte dabei wirklich zu kämpfen, nicht laut zu lachen. Dass sie von Nutten sprach, amüsierte mich, noch dazu, da ihre Wangen inzwischen einen zarten Rosaton angenommen hatten. »Ist das nicht ziemlich klischeehaft?«

»Was?« Sie blinzelte mich an, als könnte sie meinen Worten nicht folgen.

»Deine Vorstellung von meinem Urlaub hier.«

»Du bist in einer Rockband. Ich weiß nicht, was daran klischeehaft …«

»Ich bin hier, um Ruhe von dem ganzen Trubel zu bekommen, der sich in den vergangenen Wochen und Monaten, nein, in den letzten Jahren abgespielt hat. In den Staaten kennt man uns kaum, weshalb ich hergekommen bin. Mal davon abgesehen ist es mein erster richtiger Urlaub seit … Puh, keine Ahnung. Irgendwann waren wir mit Dad mal am Meer, aber das ist ewig her. Die paar Ausflüge mit meinen Kumpels, um gute Musik zu hören und Party zu machen, zähle ich jetzt nicht dazu.«

Hayden hob eine Augenbraue und sah mich triumphierend an, als hätte sie damit die Bestätigung ihrer Behauptung.

»Ich zähle sie nicht dazu. Das ist für mich kein Urlaub, verstehst du? Ich bin hier, um abzuschalten. Um absolute Stille zu genießen. Wie du offensichtlich.« Ich versuchte mich an meinem besten Lächeln, das es sonst immer schaffte, mein Gegenüber – vorzugsweise weiblich – zu besänftigen.

Wäre sie Tessa, Lex’ Freundin, oder eine meiner Schwestern, würde ich jetzt einen Arm um ihre Schultern legen, ihr durch die Haare wuscheln, und die Sache wäre vom Tisch.

Bei Hayden war ich mir allerdings nicht sicher, ob ich das nicht gleich bereuen würde. Vermutlich könnte ich damit einen Tritt in die Glocken riskieren. Also blieb ich lieber stehen, wo ich war, und sah sie abwartend an.

Wieder schnaubte sie. Musterte mich zwar nach wie vor mit zusammengeschobenen Augenbrauen, aber dass sie nichts mehr sagte, wertete ich vorerst positiv. »Wenn du mich nur einmal nervst oder hier irgendwelche Leute auftauchen, werfe ich dich hochkant raus, haben wir uns verstanden?«

Ich konnte mir das breite Grinsen, das sich auf meine Lippen legte, nicht verkneifen. »Dass das Gleiche für dich gilt, versteht sich von selbst, oder?«

Zufrieden nickte sie.

»Hast du Erfahrung mit anderen Rockmusikern, dass du diese vorgefertigte Meinung von uns hast?« Irgendwoher musste ja ihre Einstellung kommen.

»Äh … nein.«

»Und woher willst du dann wissen, dass es so läuft?«

Hayden zuckte mit den Schultern. »Das weiß man halt.«

»Ah ja. Ich sehe schon, deine Behauptungen gründen sich auf detaillierte Recherchen und Tatsachenberichte aus erster Hand.«

»Man braucht nur ein wenig die Szene online zu verfolgen, dann bekommt man einiges mit«, erklärte sie und reckte abermals selbstbewusst das Kinn nach oben.

»Im Internet also«, wiederholte ich amüsiert. »Du weißt schon, dass du nicht alles glauben darfst, was du dort liest, siehst und hörst?«

Ihr Mund klappte auf und zu, aber ich wollte sie nicht noch mehr reizen, weshalb ich das Thema wechselte. »Wir haben hier eine Haushälterin?«

Einen Augenblick musterte sie mich noch unschlüssig, als wäre sie sich nicht sicher, was ich mit dem Themenwechsel bezweckte. »Genau, wusstest du das nicht?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Mary kommt zweimal die Woche, um hier sauber zu machen. Dienstag- und Freitagvormittag. Falls du also unsere Abmachung ignorierst, lass die Fete am Montag- oder Donnerstagabend steigen, dann bin ich wenigstens nicht allein mit dem Aufräumen.«

Langsam schüttelte ich den Kopf. »Es wird definitiv keine Party hier gefeiert. Nicht von mir. Ich kenne hier ja nicht einmal jemanden.« Stimmte nicht ganz, ein paar befreundete Musiker lebten tatsächlich in und um L. A., doch das erwähnte ich ihr gegenüber besser nicht. »Aber jetzt, da du hoffentlich ein gutes Bild von mir hast … verrätst du mir, wer du bist?«

Irritiert blinzelte sie.

»Äh … ja, klar. Dass ich Hayden Butler heiße, weißt du ja inzwischen. Ich bin dreiundzwanzig, komme ursprünglich aus Buffalo, Wyoming, lebe aber seit etwas über vier Jahren in Palm Springs, Kalifornien, wo auch der Sitz meines Unternehmens ist.«

Eine eigene Firma? Beeindruckt sah ich sie an. »Wow, eine Businesslady also. Das erklärt die Schlagfertigkeit.« Ich zwinkerte ihr zu. »Was stellt ihr her oder vertreibt ihr? Beziehungsweise du? Ist es ein Einfraubetrieb?«

Dass ich mich dafür interessierte, schien ihr zu gefallen, denn mit einem Mal gab sie ihre abweisende Haltung zumindest ein wenig auf und wandte sich mir offener zu.

»Nein, wir haben knapp einhundert Angestellte. Wir stellen vegane Tiefkühlgerichte her und bringen sie in die Läden. Aktuell nur in Kalifornien und in wenigen Teilen Arizonas, aber wir sind gerade an Las Vegas dran und … na ja, mal abwarten, wie sich der Markt entwickelt.«

Ihre Aufgabe bedeutete ihr wirklich etwas, das sah selbst ich. Dass sich dabei ihre Wangen abermals rosa färbten, war verdammt niedlich.

»Das ist echt beeindruckend! Klingt, als wärt ihr richtig groß. Wer steckt hinter dem wir? Und wie heißt euer Unternehmen?«

»Davis ist mein Geschäftspartner und bester Freund. Der Wunsch, eine Firma zu gründen, kam von mir, die Idee für WholeVegan haben wir allerdings gemeinsam ausgearbeitet.«

»Und du bist Veganerin?« Schnell überlegte ich, ob ich tierische Produkte im Kühlschrank gesehen hatte, doch dafür hatte ich zu kurz hineingesehen. Haydens Anwesenheit in der Villa erklärte jedenfalls, warum er gefüllt war …

»Ja, seit ich zwölf bin. Und du?«

»Nein, ich … ähm … fühle mich gerade schlecht, weil ich auch Fleisch esse. Ich hoffe, ich darf dennoch bleiben?«, fragte ich, erst mehr im Scherz, bis mir klar wurde, dass Hayden es tatsächlich so sehen könnte.

Verlegen fuhr ich mir an der Seite über meinen Hi-top fade. Fühlte sich seltsam an, so kurze Haare zu haben, aber nach der Tournee hatte ich beschlossen, dass ich eine Veränderung brauchte. Eine, die widerspiegelte, dass für mich ein neuer Abschnitt begann. Dad war, warum auch immer, nicht begeistert von der Stilveränderung gewesen, von meinen Schwestern hingegen hatte ich große Unterstützung erfahren. Und hey, es waren meine Haare, meine Entscheidung. Nichts, wofür ich mich hätte rechtfertigen müssen.

Hayden wiegte den Kopf hin und her. »Wir werden sehen. Hast du denn schon einmal darüber nachgedacht, dich vegan zu ernähren?«

Nun blies ich die Wangen auf. »Puh, keine Ahnung. Hab ich noch nie probiert. Proteine sind für mich sehr wichtig und es wäre schade, wenn ich auf die verzichten müsste …« Ich ließ die Brustmuskeln spielen und stellte zufrieden fest, dass Hayden einen Moment zu lange darauf starrte.

»Ich glaube nicht, dass du dir in diesem Punkt Sorgen machen musst«, meinte sie geistesabwesend.

»Gut, ich bin offen für alles und kann ja das ein oder andere Gericht probieren.« Hoffentlich merkte sie, dass ich bereit war, mit ihr zu kooperieren, und wertete den Versuch, mich darauf einzulassen, als Friedensangebot. »Und wer weiß, vielleicht komme ich ja auf den Geschmack.« Spielerisch leckte ich mir über die Zunge und grinste, als ihr Blick sofort dorthin wanderte.

Dennoch musterte Hayden mich, als wäre sie unsicher, ob ich das nicht nur gesagt hatte, um sie aufzuziehen oder auf jeden Fall bleiben zu dürfen. Allerdings erwiderte sie nichts darauf und kniete sich stattdessen hin, um ihrer Hündin über das weiß-schwarz-braune Fell zu streichen. »Weißt du, was? Ich hatte eben eine Idee, die die Lösung für unser Dilemma sein könnte.« Während sie sich wieder aufrichtete, sah sie mir direkt in die Augen. »Du beziehst das Gästehaus«, sagte sie ruhig, als würde sie mir gerade mitteilen, dass sie jetzt in den Pool gehen würde, und mit einer Bestimmtheit, als wäre die Sache damit bereits beschlossen.

»Äh … nein, das werde ich nicht.«

»Doch, das ist die beste Lösung, um einander aus dem Weg zu gehen. Dann hat jeder einen Bereich für sich, und wir kommen uns nicht in die Quere. Du hast es dort sehr schön mit einem großen Wohnbereich, einem Schlafzimmer, einem Bad und einer eigenen Küche. Da kannst du tierische Produkte essen, so viel du willst. Und du hast es genauso weit zum Tennisplatz wie von hier aus, also …«

Nun war ich derjenige, der schnaubte. »Das wird garantiert nicht passieren. Ich habe für diese Villa bezahlt und werde sie auch nutzen. In vollem Umfang und mit all ihren Annehmlichkeiten.«

»Aber …«

»Darüber diskutiere ich nicht«, erwiderte ich vielleicht eine Spur zu scharf, denn Hayden zuckte zusammen. Doch nun war es so weit, dass ich um meine Rechte kämpfen würde.

»Und der Tennisplatz ist mir so was von egal, ich spiele nicht mal Tennis. Ich bin wegen des Pools hier, wegen des Gartens und des Meerblicks. Um hier zu chillen und nicht hinten im zur Straße zugewandten Bereich. Vom Gästehaus aus sieht man nicht einmal den Ozean, was soll ich dort?«

Sichtlich beleidigt – immerhin zog sie einen Schmollmund – verschränkte sie die Arme vor der Brust und wandte sich von mir ab. Nicht die Oberhand zu behalten, gefiel ihr offenbar gar nicht. Zumindest da hatten wir eins gemeinsam. Viel zu lange habe ich mir ihre Forderungen angehört, aber damit war Schluss. Das, was sie konnte, konnte ich auch.

»Ich werde eines der Schlafzimmer hier beziehen. Sonst berufe ich mich auf das Recht desjenigen, der zuerst gebucht hat.« Okay, das war fies, aber hey, ich ließ mich sicher nicht von hier vertreiben.

»Dann nimmst du das beim Gym«, antwortete sie patzig.

»Kommt nicht infrage. Ich nehme das neben deinem, immerhin will ich den Pool und das Meer sehen, wenn …«

»Ich gehe zweimal täglich nackt baden. Das brauche ich, um den Kopf freizubekommen. Und aus Respekt mir gegenüber und um des Friedens willen wäre es besser, wenn du das Schlafzimmer neben den Garagen und dem Gym beziehst. Es ist das einzige ohne direkten Blick zum Pool und … na ja, du siehst dennoch aufs Meer. Ein wenig zumindest. Ich denke, das ist ein guter Kompromiss.«

Keine Ahnung, wer dieser Lady die Bedeutung von Kompromiss beigebracht hatte. Meine Auffassung dessen war definitiv eine andere. Denn ich sah in dieser Forderung gleich zwei Nachteile – jetzt, da ich wusste, was ich alles dabei verpassen würde.

Aber ich wollte kein Arsch sein, und in einer Sache hatte sie recht: Um des Friedens willen wäre es schlau, nicht länger mit ihr zu diskutieren, sondern endlich einen Schlussstrich unter diese sinnlose Diskussion zu setzen. »Du bleibst noch die Hälfte der Woche in deinem Zimmer, und ich nehme einfach das neben dem Gym. Und danach tauschen wir. Dann hat jeder von uns die Hälfte seines Urlaubs das mit dem besten Ausblick gehabt. Und wenn du vorhast, nackt baden zu gehen, halte ich mich einfach vom Garten fern.«

Zähneknirschend schaute sie mich an, und ich merkte, dass ihr die Argumente ausgingen. Als sie schließlich die Lippen fest aufeinanderpresste und knapp – und vermutlich widerwillig – nickte, musste ich mich zurückhalten, meine Freude darüber nicht zu sehr zu zeigen.

»Also gut, dann bringe ich mal meine Sachen in mein vorläufiges Zimmer. Und du solltest dir vielleicht einen Plan überlegen, wann du nackt schwimmen gehst, damit ich mir für diese Zeit jeweils eine Beschäftigung suchen kann.« Mit diesen Worten trank ich mein Kokosnusswasser leer und warf die Packung in den Mülleimer, den ich auf Anhieb unter der Spüle entdeckte. Anschließend wandte ich mich ab und war mir sicher, dass Haydens Mund sprachlos offen stand …

4 – Hayden

Ich hätte schreien können. Aufstampfen, mich wie ein kleines Kind auf den Boden werfen und … keine Ahnung. Heulen.

Dass Richie hier war, passte mir gar nicht in den Kram. Vorbei war es mit meiner heiligen Ruhe, mit der Stille, die mich die letzten Tage umgeben hatte.

Denn auch wenn er behauptete, ich würde seine Anwesenheit nicht bemerken, wusste ich, dass es anders sein würde.

Vor nicht einmal einer halben Stunde war er angekommen und hatte seitdem meinen Puls in Höhen katapultiert, wie ich es nur von der Arbeit kannte. Dabei war ich extra hierhergekommen, um mich zu beruhigen. Um mich nicht aufzuregen und mir endlich klar darüber zu werden, ob und wie es mit WholeVegan und mir weitergehen sollte. Oder mit Davis und WholeVegan. Mit uns beiden und unserem ehemaligen Start-up. Denn mit der Entwicklung war ich schon länger unzufrieden – und das hatte nichts mit dem Wachstum an sich zu tun. Darüber konnte ich mich nicht beschweren. Dennoch war ich bei der Unternehmensgründung vor etwas über drei Jahren mit anderen Erwartungen an den Start gegangen.

Wütend ging ich in mein Ankleidezimmer zurück, um einen Bikini in der Schublade zu suchen. Zum Glück hatte ich welche eingepackt – ich hatte tatsächlich überlegt, sie komplett zu Hause zu lassen, um nahtlos braun zu werden. Immerhin konnte man von außen nicht in den Garten sehen. Allerdings war ich mir nicht hundertprozentig sicher gewesen, weshalb ich sie am Ende in den Koffer geworfen hatte.

»So ein Witz, oder?«, murmelte ich verärgert in Izzys Richtung, als ich mich neben ihr Bettchen kniete und sie streichelte. Sie hatte sich zusammengerollt und wohl beschlossen, nach der Aufregung ein kleines Nickerchen zu machen. Bestimmt ahnte sie, dass ich sie nicht mit nach draußen nehmen wollte.

Nur kurz sah sie mich an, bevor sie ihr Köpfchen auf die Vorderpfoten bettete und die Augen schloss.

Jaja, schon gut, danke für deine Unterstützung, brummte ich sie in Gedanken an.

Dass sie mit Richies unerwartetem Auftauchen kein Problem hatte, zeigte lediglich, was für eine gute Seele sie war. In dem Moment, in dem man ihr Aufmerksamkeit schenkte, hatte sie einen schon ins Herz geschlossen. Vermutlich waren alle Jack Russell Terrier so – Izzy war nun mal kein Wachhund.

Seufzend setzte ich mich mit meinem Telefon in der Hand auf die Bettkante. Bevor ich dem Eindringling in meine Ruheoase noch einmal über den Weg lief, wollte ich erst seine Geschichte überprüfen. Nur zur Sicherheit.

Als ich Mighty Bastards in die Internetsuchleiste eingab, sank meine Hoffnung, ihn loszuwerden, jedoch gen null. Auf den Fotos erkannte ich Richie sofort, und verdammt, diese Band war wirklich erfolgreich!

Ich überflog ein paar Zeitungsartikel, in denen von ihrem kometenhaften Aufstieg berichtet wurde. Dann ließ ich meinen Finger über einem YouTube-Video schweben. Doch bevor ich mir anhören würde, welche Stilrichtung die Band spielte, stöpselte ich mir Kopfhörer in die Ohren. Auf keinen Fall wollte ich, dass er mitbekam, was ich tat. Ich musste sein Ego ja nicht auch noch befeuern.

Mein Herz raste, als ich auf das oberste Musikvideo klickte. Es war zu ihrem Song Broken, der aktuell in Europa wohl am erfolgreichsten war, und bereits bei den ersten Klängen bekam ich eine Gänsehaut. Fasziniert schaute ich auf die vier Bandmitglieder, die durch einen Park spazierten. Zwar wirkte es, als würde die Sonne scheinen, der düstere Filter darüber tauchte jedoch alles in ein gedämpftes Licht, das in Verbindung mit den Lyrics für ein beklemmendes Gefühl sorgte. Mein Herz zog sich zusammen. Ich fühlte den Schmerz über den Verlust bis in meine Zehenspitzen, obwohl ich nicht einmal zuordnen konnte, wen ich vermisste. Denn bis auf eine Großtante, die gestorben war, als ich ein kleines Kind gewesen war, hatte ich niemanden von meinen Liebsten an den Himmel verlieren müssen.

Ich ertappte mich dabei, wie ich immer Richie suchte. Er spielte den E-Bass, und seine Leidenschaft für die Musik war mehr als deutlich zu erkennen – was zudem seine Story wasserdicht machte. Außerdem, jetzt, wo ich ihn intensiver musterte, musste ich zugeben, dass er gar nicht so übel aussah.

Verdammt!

Aufgewühlt schloss ich die App und navigierte mich stattdessen zu meinen Kontakten, um Jacksons Nummer zu wählen.

»Hayden! Was geht?«

Beim Klang der Stimme meines Bruders musste ich schmunzeln, und sofort fiel ein Teil der Anspannung von mir ab. »Jacks, hast du kurz Zeit? Ich muss dir was erzählen.«

»Klar, ich bin gerade auf dem Weg vom Gym nach Hause. Schieß los, was gibt’s?«

Schnell warf ich einen Blick zu meiner geschlossenen Schlafzimmertür, ehe ich aufstand und beschloss, zum Telefonieren ins Badezimmer zu gehen – nicht dass ich dabei womöglich noch von Richie belauscht wurde, das wäre mir unangenehm.

Kaum dass ich auf dem Badewannenrand saß, erzählte ich Jackson, was sich gerade alles bei mir ereignet hatte. »Kennst du die Band?«, fragte ich ihn schließlich.

»Nein, noch nie von denen gehört.«

»Okay, dann googel die mal.«

»Schon längst erledigt«, sagte er, und ich konnte das Grinsen in seiner Stimme förmlich hören. »Und …« Er pfiff durch die Zähne, und ich musste das Telefon kurz etwas vom Ohr nehmen. »Mit diesem heißen Typ teilst du dir die nächsten zwei Wochen die Villa?« Sein Lachen dröhnte an mein Ohr. »Also auf mich wirkt es, als hättest du den Jackpot gewonnen. Viel Spaß, Schwesterherz! Tu nichts, was ich nicht auch tun würde …«

Ich rollte mit den Augen. »Kannst ihn gerne haben. Und nein, er ist nicht heiß«, log ich. »Sicher, er sieht gut aus, aber er ist nicht mein Typ. Mal davon abgesehen, dass du mir offenbar nicht zugehört hast.«

»Doch, das habe ich. Durch einen Fehler des Vermieters wohnt ihr bis zum Ende deines Urlaubs zusammen. Du schlägst also gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Traumvilla und Traumtyp. Ich will nicht wissen, wie viele Personen auf dieser Welt dich gerade beneiden würden, wenn sie davon wüssten.«

»Danke für deine Hilfe und Unterstützung«, maulte ich ins Telefon.

Jackson lachte. »Nein, im Ernst, Hayden. Mach einfach das Beste aus der Situation. Davon abgesehen sitzt ihr beide im selben Boot. Oder denkst du, er freut sich darüber, seinen bestimmt lang ersehnten Urlaub mit einer fremden Person teilen zu müssen?«

Verdammt, Jackson hatte natürlich recht.

Ich stieß einen frustrierten Laut aus. »La, la, la, ich will die Wahrheit nicht hören. Du weißt, ich bin immerhin hier, um mich auf mich zu konzentrieren. Auf meine Zukunft«, jammerte ich verzweifelt und beleidigt zugleich. »Wie soll ich mir denn in Ruhe Gedanken über alles machen, wenn Richie hier ist und mich ablenkt?«

»Aaah, daher weht der Wind«, meinte er mit verwegenem Unterton. »Ich verstehe.«

Seufzend stand ich vom Badewannenrand auf. »Nein, du verstehst gar nichts.«

»Doch. Ich könnte mich ebenfalls nicht konzentrieren, wenn dieser Typ …«

»Jackson!«, unterbrach ich ihn genervt, musste allerdings schmunzeln.

Geräuschvoll holte er Luft. »Schon gut. Du musst ja nicht Zeit mit ihm verbringen. Soweit ich weiß, ist die Villa groß genug. Und hat ein Gästehaus. Du könntest dich ja dorthin zurückziehen. Oder du gehst an den Strand, fährst irgendwohin … Ganz ehrlich, es ist ja nicht so, als würdet ihr beide auf einer einsamen Insel sitzen, auf der eine einzige kleine Hütte steht. Wenn du ihn nicht sehen möchtest, geh ihm aus dem Weg.«

Ich schaute durch das Fenster nach draußen zum Pool. Dem Ort, an dem ich die letzte Woche die meiste Zeit verbracht hatte. Die ich in vollen Zügen genossen hatte. »Ich will aber nicht ausweichen müssen, weil er jetzt da ist, verstehst du?« Mit einem Mal stiegen mir Tränen in die Augen, die ich schnell wegzublinzeln versuchte. »Ich möchte mich hier weiterhin wohlfühlen und frei bewegen können.«

»Hey«, sagte er mit sanfter Stimme. Jackson musste wohl gehört haben, wie sehr mich die Situation überforderte. »Ich bin immer für dich da, Hayden. Selbst wenn ich an der Northwestern studiere und uns noch mehr Meilen voneinander trennen, seit ich in der Nähe von Chicago wohne.«

»Danke«, brachte ich erstickt hervor. »Gott, ich vermisse dich!«

»Ich dich auch. Du packst das schon.«

Zustimmend brummte ich und atmete tief durch. »Lass uns von was anderem reden. Wie geht es dir?«

»Gut. Sehr sogar.«

»Also hast du die Sache mit … wie hieß sie noch einmal? Josy? … vertiefen können?«

»Genau. Und nein, wir haben beschlossen, dass es besser für uns beide ist, wenn wir Freunde bleiben.«

»Oh«, brachte ich enttäuscht hervor.

»Ja, anfangs war es hart. Inzwischen geht es mir allerdings gut damit.«

»Du hättest was sagen sollen, ich wäre für dich da gewesen.«

»Schon gut, ich wollte dich in deinem Urlaub nicht damit belasten.«

»Das tust du nicht, Jacks. Nie. Wirklich«, fügte ich mit eindringlichem Ton hinzu, weil ich nun ein schlechtes Gewissen hatte, da er wohl dachte, mit seinen Sorgen nicht jederzeit zu mir kommen zu können.

»Danke. Beim nächsten Mal dann.« Ich konnte das Schmunzeln in seiner Stimme hören.

»Na, hoffentlich läuft es beim nächsten Mal besser. War es wegen …«, begann ich dann, ließ den Rest des Satzes jedoch in der Luft hängen.

»Ja, ich denke schon. Josy hat relativ aufgeschlossen reagiert, als ich ihr gesagt habe, dass ich ein Transmann bin. Ich glaube ihr auch, dass sie versucht hat, damit klarzukommen. Aber …« Er seufzte schwer. »… vielleicht hat der Zeitpunkt nicht gepasst, weißt du. Jedenfalls verstehen wir uns jetzt besser als zuvor.«

»Es kommen andere«, sagte ich, um ihn hoffentlich aufmuntern zu können.

»Ja, bestimmt.«

»Halte mich auf dem Laufenden.«

»Klar, du mich auch«, meinte er, nun wieder besser gelaunt. Ich wusste, worauf er anspielte.

»Sicher«, antwortete ich schnaubend.