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Rhage und Mary sind Geliebte und Seelenverwandte – und sie sind einander auf ewig verbunden: Weil Mary ein Mensch ist, wurde ihre Lebenskraft an Rhages geknüpft, damit sie gemeinsam ein glückliches Leben voller Leidenschaft und Liebe verbringen können. Doch dann wird Rhage in der Schlacht verwundet, und der mächtige Vampir wird plötzlich mit ganz neuen Gefühlen und einer dunklen Zukunft konfrontiert. Wird ihm Mary auf seinem neuen Weg folgen? Denn auch sie verbirgt ein gefährliches Geheimnis …
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Seitenzahl: 386
Das Buch
Rhage und Mary sind Geliebte und Seelenverwandte – und sie sind einander auf ewig verbunden: Weil Mary ein Mensch ist, wurde ihre Lebenskraft an Rhages geknüpft, damit sie gemeinsam ein glückliches Leben voller Leidenschaft und Liebe verbringen können. Doch nun legt sich ein dunkler Schatten auf die Beziehung des einst so glücklichen Paares, denn Rhage wünscht sich ein Kind. Ein Wunsch, den Mary ihm nicht erfüllen kann. Hin und her gerissen zwischen der tiefen Liebe zu seiner Frau und seinen eigenen Bedürfnissen, freundet sich der mächtige Vampirkrieger mit dem kleinen Waisenmädchen Bitty an – und trifft eine folgenschwere Entscheidung: Er wird Bitty adoptieren, koste es, was es wolle. Doch wie wird die Bruderschaft der BLACKDAGGER auf Rhages Pläne reagieren? Und wird Mary ihrem geliebten Hellren auf diesem Pfad folgen oder wird sie ihre eigenen Wege gehen?
Die Autorin
J. R. Ward begann bereits während des Studiums mit dem Schreiben. Nach dem Hochschulabschluss veröffentlichte sie die BLACKDAGGER-Serie, die in kürzester Zeit die amerikanischen Bestsellerlisten eroberte. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in Kentucky und gilt seit dem überragenden Erfolg der Serie als Star der romantischen Mystery.
Ein ausführliches Werkverzeichnis der von J. R. Ward im Wilhelm Heyne Verlag erschienenen BLACKDAGGER-Romane finden Sie am Ende des Bandes.
Mehr über Autorin und Werk erfahren Sie unter:
www.jrward.com
www.twitter.com/HeyneFantasySF
@HeyneFantasySF
J.R.Ward
Ewiggeliebt
Ein BLACK DAGGER-Roman
Wilhelm Heyne Verlag
München
Gewidmet:
Euch allen dreien.
Das sagt alles.
Danksagung
Ein großes Dankeschön allen Lesern der Bruderschaft der Black Dagger!
Vielen Dank für all die Unterstützung und die Ratschläge an: Steven Axelrod, Kara Welsh und Leslie Gelbman. Danke auch an alle Mitarbeiter von NAL – diese Bücher sind echte Teamarbeit!
Alles Liebe an das Team Waud – ihr wisst, wer gemeint ist. Ohne euch käme die Sache gar nicht zustande.
Nichts von alledem wäre möglich ohne: meinen liebevollen Ehemann, der mir mit Rat und Tat zur Seite steht, sich um mich kümmert und mich an seinen Visionen teilhaben lässt; meine wunderbare Mutter, dir mir mehr Liebe geschenkt hat, als ich ihr je zurückgeben kann; meine Familie (die blutsverwandte wie auch die frei gewählte) und meine liebsten Freunde.
Ach ja, und meinem WriterAssistant Naamah. Gratulation zu deiner Beförderung!
Glossar der Begriffe und Eigennamen
Ahstrux nohtrum– Persönlicher Leibwächter mit Lizenz zum Töten, der vom König ernannt wird.
Die Auserwählten– Vampirinnen, deren Aufgabe es ist, der Jungfrau der Schrift zu dienen. Sie werden als Angehörige der Aristokratie betrachtet, obwohl sie eher spirituell als weltlich orientiert sind. Normalerweise pflegen sie wenig bis gar keinen Kontakt zu männlichen Vampiren; auf Weisung der Jungfrau der Schrift können sie sich aber mit einem Krieger vereinigen, um den Fortbestand ihres Standes zu sichern. Einige von ihnen besitzen die Fähigkeit zur Prophezeiung. In der Vergangenheit dienten sie allein stehenden Brüdern zum Stillen ihres Blutbedürfnisses. Diese Praxis wurde von den Brüdern wieder aufgenommen.
Bannung– Status, der einer Vampirin der Aristokratie auf Gesuch ihrer Familie durch den König auferlegt werden kann. Unterstellt die Vampirin der alleinigen Aufsicht ihresHüters,üblicherweise der älteste Mann des Haushalts. Ihr Hüterbesitzt damit das gesetzlich verbriefte Recht, sämtliche Aspekte ihres Lebens zu bestimmen und nach eigenem Gutdünken jeglichen Umgang zwischen ihr und der Außenwelt zu regulieren.
Die Bruderschaft der Black Dagger– Die Brüder des Schwarzen Dolches. Speziell ausgebildete Vampirkrieger, die ihre Spezies vor der Gesellschaft der Lesser beschützen. Infolge selektiver Züchtung innerhalb der Rasse besitzen die Brüder ungeheure physische und mentale Stärke sowie die Fähigkeit zur extrem raschen Heilung. Die meisten von ihnen sind keine leiblichen Geschwister; neue Anwärter werden von den anderen Brüdern vorgeschlagen und daraufhin in die Bruderschaft aufgenommen. Die Mitglieder der Bruderschaft sind Einzelgänger, aggressiv und verschlossen. Sie pflegen wenig Kontakt zu Menschen und anderen Vampiren, außer um Blut zu trinken. Viele Legenden ranken sich um diese Krieger, und sie werden von ihresgleichen mit höchster Ehrfurcht behandelt. Sie können getötet werden, aber nur durch sehr schwere Wunden wie zum Beispiel eine Kugel oder einen Messerstich ins Herz.
Blutsklave– Männlicher oder weiblicher Vampir, der unterworfen wurde, um das Blutbedürfnis eines anderen zu stillen. Die Haltung von Blutsklaven wurde vor Kurzem gesetzlich verboten.
Chrih– Symbol des ehrenhaften Todes in der alten Sprache.
Doggen– Angehörige(r) der Dienerklasse innerhalb der Vampirwelt. Doggen pflegen im Dienst an ihrer Herrschaft altertümliche, konservative Sitten und folgen einem formellen Bekleidungs- und Verhaltenskodex. Sie können tagsüber aus dem Haus gehen, altern aber relativ rasch. Die Lebenserwartung liegt bei etwa fünfhundert Jahren.
Dhunhd– Hölle.
Ehros– Eine Auserwählte, die speziell in der Liebeskunst ausgebildet wurde.
Exhile Dhoble– Der böse oder verfluchte Zwilling, derjenige, der als Zweiter geboren wird.
Gesellschaft der Lesser– Orden von Vampirjägern, der von Omega zum Zwecke der Auslöschung der Vampirspezies gegründet wurde.
Glymera– Das soziale Herzstück der Aristokratie, sozusagen die »oberen Zehntausend« unter den Vampiren.
Gruft– Heiliges Gewölbe der Bruderschaft der Black Dagger. Sowohl Ort für zeremonielle Handlungen als auch Aufbewahrungsort für die erbeuteten Kanopen der Lesser. Hier werden unter anderem Aufnahmerituale, Begräbnisse und Disziplinarmaßnahmen gegen Brüder durchgeführt. Niemand außer Angehörigen der Bruderschaft, der Jungfrau der Schrift und Aspiranten hat Zutritt zur Gruft.
Hellren– Männlicher Vampir, der eine Partnerschaft mit einer Vampirin eingegangen ist. Männliche Vampire können mehr als eine Vampirin als Partnerin nehmen.
Hohe Familie– König und Königin der Vampire sowie all ihre Kinder.
Hüter– Vormund eines Vampirs oder einer Vampirin. Hüter können unterschiedlich viel Autorität besitzen, die größte Macht übt der Hüter einer gebannten Vampirin aus.
Jungfrau der Schrift– Mystische Macht, die dem König als Beraterin dient sowie die Vampirarchive hütet und Privilegien erteilt. Existiert in einer jenseitigen Sphäre und besitzt umfangreiche Kräfte. Hatte die Befähigung zu einem einzigen Schöpfungsakt, den sie zur Erschaffung der Vampire nutzte.
Leahdyre– Eine mächtige und einflussreiche Person.
Lesser– Ein seiner Seele beraubter Mensch, der als Mitglied der Gesellschaft der Lesser Jagd auf Vampire macht, um sie auszurotten. Die Lesser müssen durch einen Stich in die Brust getötet werden. Sie altern nicht, essen und trinken nicht und sind impotent. Im Laufe der Jahre verlieren ihre Haare, Haut und Iris ihre Pigmentierung, bis sie blond, bleich und weißäugig sind. Sie riechen nach Talkum. Aufgenommen in die Gesellschaft werden sie durch Omega. Daraufhin erhalten sie ihre Kanope, ein Keramikgefäß, in dem sie ihr aus der Brust entferntes Herz aufbewahren.
Lewlhen– Geschenk.
Lheage– Respektsbezeichnung einer sexuell devoten Person gegenüber einem dominanten Partner.
Lhenihan– ein mystisches Biest bekannt für seine sexuelle Leistungsfähigkeit. In modernem Slang bezieht es sich auf einen Vampir von übermäßiger Größe und Ausdauer.
Lielan– Ein Kosewort, frei übersetzt in etwa »mein Liebstes«.
Lys– Folterwerkzeug zur Entnahme von Augen.
Mahmen – Mutter. Dient sowohl als Bezeichnung als auch als Anrede und Kosewort.
Mhis– Die Verhüllung eines Ortes oder einer Gegend; die Schaffung einer Illusion.
Nalla oder Nallum– Kosewort. In etwa »Geliebte(r)«.
Novizin– Eine Jungfrau.
Omega– Unheilvolle mystische Gestalt, die sich aus Groll gegen die Jungfrau der Schrift die Ausrottung der Vampire zum Ziel gesetzt hat. Existiert in einer jenseitigen Sphäre und hat weitreichende Kräfte, wenn auch nicht die Kraft zur Schöpfung.
Phearsom– Begriff, der sich auf die Funktionstüchtigkeit der männlichen Geschlechtsorgane bezieht. Die wörtliche Übersetzung lautet in etwa »würdig, in eine Frau einzudringen«.
Princeps– Höchste Stufe der Vampiraristokratie, untergeben nur den Mitgliedern der Hohen Familie und den Auserwählten der Jungfrau der Schrift. Dieser Titel wird vererbt; er kann nicht verliehen werden.
Pyrokant– Bezeichnet die entscheidende Schwachstelle eines Individuums, sozusagen seine Achillesferse. Diese Schwachstelle kann innerlich sein, wie zum Beispiel eine Sucht, oder äußerlich, wie ein geliebter Mensch.
Rahlman– Retter.
Rythos– Rituelle Prozedur, um verlorene Ehre wiederherzustellen. Der Rythos wird von dem Vampir gewährt, der einen anderen beleidigt hat. Wird er angenommen, wählt der Gekränkte eine Waffe und tritt damit dem unbewaffneten Beleidiger entgegen.
Schleier– Jenseitige Sphäre, in der die Toten wieder mit ihrer Familie und ihren Freunden zusammentreffen und die Ewigkeit verbringen.
Shellan– Vampirin, die eine Partnerschaft mit einem Vampir eingegangen ist. Vampirinnen nehmen sich in der Regel nicht mehr als einen Partner, da gebundene männliche Vampire ein ausgeprägtes Revierverhalten zeigen.
Symphath– Eigene Spezies innerhalb der Vampirrasse, deren Merkmale die Fähigkeit und das Verlangen sind, Gefühle in anderen zu manipulieren (zum Zwecke eines Energieaustauschs). Historisch wurden die Symphathen oft mit Misstrauen betrachtet und in bestimmten Epochen auch von den anderen Vampiren gejagt. Sind heute nahezu ausgestorben.
Trahyner– Respekts- und Zuneigungsbezeichnung unter männlichen Vampiren. Bedeutet ungefähr »geliebter Freund«.
Transition– Entscheidender Moment im Leben eines Vampirs, wenn er oder sie ins Erwachsenenleben eintritt. Ab diesem Punkt müssen sie das Blut des jeweils anderen Geschlechts trinken, um zu überleben, und vertragen kein Sonnenlicht mehr. Findet normalerweise mit etwa Mitte zwanzig statt. Manche Vampire überleben ihre Transition nicht, vor allem männliche Vampire. Vor ihrer Transition sind Vampire von schwächlicher Konstitution und sexuell unreif und desinteressiert. Außerdem können sie sich noch nicht dematerialisieren.
Triebigkeit– Fruchtbare Phase einer Vampirin. Üblicherweise dauert sie zwei Tage und wird von heftigem sexuellem Verlangen begleitet. Zum ersten Mal tritt sie etwa fünf Jahre nach der Transition eines weiblichen Vampirs auf, danach im Abstand von etwa zehn Jahren. Alle männlichen Vampire reagieren bis zu einem gewissen Grad auf eine triebige Vampirin, deshalb ist dies eine gefährliche Zeit. Zwischen konkurrierenden männlichen Vampiren können Konflikte und Kämpfe ausbrechen, besonders wenn die Vampirin keinen Partner hat.
Vampir– Angehöriger einer gesonderten Spezies neben dem Homo sapiens. Vampire sind darauf angewiesen, das Blut des jeweils anderen Geschlechts zu trinken. Menschliches Blut kann ihnen zwar auch das Überleben sichern, aber die daraus gewonnene Kraft hält nicht lange vor. Nach ihrer Transition, die üblicherweise etwa mit Mitte zwanzig stattfindet, dürfen sie sich nicht mehr dem Sonnenlicht aussetzen und müssen sich in regelmäßigen Abständen aus der Vene ernähren. Entgegen einer weit verbreiteten Annahme können Vampire Menschen nicht durch einen Biss oder eine Blutübertragung »verwandeln«; in seltenen Fällen aber können sich die beiden Spezies zusammen fortpflanzen. Vampire können sich nach Belieben dematerialisieren, dazu müssen sie aber ganz ruhig werden und sich konzentrieren; außerdem dürfen sie nichts Schweres bei sich tragen. Sie können Menschen ihre Erinnerung nehmen, allerdings nur, solange diese Erinnerungen im Kurzzeitgedächtnis abgespeichert sind. Manche Vampire können auch Gedanken lesen. Die Lebenserwartung liegt bei über eintausend Jahren, in manchen Fällen auch höher.
Vergeltung– Akt tödlicher Rache, typischerweise ausgeführt von einem Mann im Dienste seiner Liebe.
Wanderer– Ein Verstorbener, der aus dem Schleier zu den Lebenden zurückgekehrt ist. Wanderern wird großer Respekt entgegengebracht und sie werden für das, was sie durchmachen mussten, verehrt.
Whard– Entspricht einem Patenonkel oder einer Patentante.
Zwiestreit – Konflikt zwischen zwei männlichen Vampiren, die Rivalen um die Gunst einer Vampirin sind.
1
»Selbstverständlich. Ich werde die Käufer vor Vertragsabschluss nächste Woche informieren. Richtig, Besichtigung Donnerstagmorgen um acht. Soll es dabei bleiben? Sehr gut. War mir ein Vergnügen. Auf Wiederhören.«
Jo legte auf, tippte einen Vermerk in die Datei des Kunden und warf einen Blick auf ihr privates Handy.
Sie musste sich verlesen haben. Die verdammte Nachricht war von Bill:
Fast hättest du mich reingelegt.
Du hättest dir jemand suchen sollen,
der nicht routinemäßig recherchiert.
Sie kapierte es nicht. Am Abend zuvor hatte sie sich im Guten von dem Journalisten getrennt. Sie hatten sich den Campus der Brownswick-Schule für Mädchen angesehen und nach Hinweisen gesucht, ob etwas an den Handyaufnahmen ihres Mitbewohners dran sein konnte. Doch erstens war es zu dunkel gewesen, und zweitens war Jo das Gefühl nicht losgeworden, dass man sie beobachtete. Also waren sie zu Bills Wagen zurückgekehrt und hatten sich für heute zum Mittagessen verabredet, um anschließend noch einmal rauszufahren.
Jo schrieb zurück: Wovon redest du?
Dann legte sie ihr Handy in die Schublade und bemühte sich, einen beschäftigten Eindruck zu machen, während Immobilienmakler an ihrem Tisch vorbeiliefen, ohne Notiz von ihr zu nehmen. Zum Glück. Denn wenn sie sich an Jo wandten, dann meistens, um sich über die Drängelei an der Mikrowelle im Pausenraum aufzuregen, weil sie ein Problem mit ihrem Computer hatten, das Jo nicht lösen konnte, oder um den instabilen Verkaufsmarkt der letzten Zeit zu bemängeln.
Ihr Chef Bryant dagegen hatte sich den ganzen Vormittag lang noch nicht blicken lassen. Dafür hatte er emsig Mitteilungen geschickt, ungefähr fünfzehn Stück, von denen nur die Hälfte Geschäftliches betraf. Die anderen Nachrichten waren mehr als merkwürdig gewesen: Warum sie gestern Abend um sieben Schluss gemacht hätte? Als sie ihn erinnerte, dass er ihr sein Okay gegeben hatte, fragte er, wohin sie gegangen sei. Und als sie schrieb: Nach Hause, antwortete er: Sind Sie sicher?
Verrückt …
Aus ihrem Schreibtisch drang ein Surren. Sie riss die Schublade auf und zog ihr vibrierendes Handy heraus. »Wovon redest du?«, zischte sie.
Bill lachte gepresst. »Du hast mir nicht gesagt, wer deine Eltern sind. Empfangssekretärin, dass ich nicht lache.«
»Wie bitte?«
»Du bist die Tochter von Phillie und Chance Early. Ihre einzige Tochter – entschuldige, ich meine Erbin.«
Jo schloss die Augen und unterdrückte einen Fluch. »Was hat das mit unserer Sache zu tun?«
»Sieh mal, wenn du dein persönliches kleines Blair Witch Project lancieren möchtest, musst du dir einen anderen suchen. Ich habe keine Zeit für so etwas.«
Jo klemmte sich das Handy ans andere Ohr, als könnte sie dadurch die Richtung des Gesprächs verändern. »Ich verstehe nicht …«
»Ich habe dich gestern Abend gefragt, ob dein Mitbewohner Dougie genug Geld hat, um etwas wie diese zertrampelte Wiese zu inszenieren. Du sagtest Nein, hast aber nicht erwähnt, dass du selbst über die entsprechenden Mittel verfügst. Mit deinem Vermögen kannst du nach Lust und Laune YouTube-Filmchen drehen, Leute anheuern, um einen Campus zu zertrampeln, und dann, wow, hey, triffst du dich mit einem Journalisten vom Caldwell Courier Journal und hoffst, dass er dumm genug ist, dir das Ganze abzukaufen, und dir ein paar Meldungen im Lokalteil verschafft. Ehe man sichs versieht, greifen die Huffington Post und BuzzFeed die Story auf, und als Nächstes werden die Filmrechte verkauft für einen Streifen über die ›Vampire‹ von Caldwell. Und alles hat sich ganz wie von allein ergeben.«
»Aber das stimmt doch überhaupt nicht …«
»Ruf mich bloß nicht mehr an …«
»Ich wurde adoptiert, okay? Ich habe mit den beiden Menschen, die du meine ›Eltern‹ nennst, seit über einem Jahr nicht mehr gesprochen. Ich betrachte mich nicht als ihre Tochter und bekomme auch kein Geld von ihnen. Wenn du den Beweis willst, zeige ich dir gerne meine Kontoauszüge – dann hast du es schwarz auf weiß, wie lächerlich mein monatliches Gehalt ist. Ich habe mich an dich gewandt, weil ich selbst keine Ahnung habe, was ich von diesen Clips im Internet halten soll, und diese Aufzeichnungen vom Campus sind ganz bestimmt nicht dadurch entstanden, dass ich irgendwelche Leute bezahlt habe. Wie wäre es also, wenn du das nächste Mal etwas gründlicher recherchierst, bevor du voreilige Schlüsse ziehst und mich beschuldigst. Danke. Tschüs.«
Sie musste sich zurückhalten, um ihr Handy nicht in die Schublade zu pfeffern – aber wer nicht wusste, wie er die nächste Miete bezahlen sollte, durfte keine kostbaren Gegenstände zerstören …
Das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte, und sie griff nach dem Hörer, dankbar für die Ablenkung.
Während sie mit einem Käufer über die Erneuerung einiger Rauchmelder in einem Doppelhaus am anderen Ende der Stadt sprach, ging sie das Gespräch mit Bill im Kopf noch einmal durch. Es wäre hirnrissig gewesen, sich noch länger mit den Grusel-Videos ihres kiffenden Mitbewohners zu befassen. Der ganze Schwachsinn faszinierte sie vermutlich ohnehin nur deshalb, weil sie alles andere in ihrem Leben langweilte.
Aber dieses Problem sollte sie nicht durch Ablenkung lösen. Es war Zeit, in die Hände zu spucken und sich der Zukunft zuzuwenden.
Ja, sie wusste bereits, dass sie nicht in den Kreisen ihrer Adoptiveltern leben wollte. Großartig, schon mal eine Möglichkeit weniger …
Wieder klapperte es in ihrem Schreibtisch. Sie zog die Schublade auf und kramte ihr Handy zwischen nutzlosen Büroklammern und Bleistiften heraus, für die sie keine Verwendung hatte.
Es war Bill. Sie überlegte, ob sie die Mailbox drangehen lassen sollte, aber das wäre kindisch gewesen. Also nahm sie den Anruf entgegen und sagte: »Ich nehme an, du möchtest dich entschuldigen. Oder hast du meine Kreditwürdigkeit prüfen lassen? Sie ist gar nicht übel, aber nicht vergessen, das heißt nicht, dass jemand reich ist, sondern nur, dass derjenige unter einer zwanghaften Zahlungsmoral leidet.«
Bill hatte den Anstand, sich zu räuspern. »Es tut mir leid. Es scheint, als hätte ich voreilige Schlüsse gezogen, die nicht berechtigt waren.«
Jo drehte sich mit ihrem Stuhl herum, sodass sie auf das Firmenlogo an der Wand blickte. Sie holte tief Luft und sagte: »Weißt du, man sollte ein bisschen gründlicher nachforschen, wenn man als leuchtendes Beispiel des investigativen Journalismus vorangehen will.«
»Ich dachte nur … egal, es spielt keine Rolle, was ich dachte.« Es gab eine Pause. »Willst du mich noch immer in einer Stunde treffen?«
Jo sah auf die Uhr. Nur um sich ein bisschen Zeit zu verschaffen. Ha, ha.
Hopp oder topp, überlegte sie. Jetzt musste sie sich entscheiden.
Wenn sie bei ihrem Vorhaben blieb, verwickelte sie sich wahrscheinlich noch tiefer in eine Angelegenheit, die sie nur davon abhielt, sich aufzuraffen und nach einem anständigen Job zu suchen …
»Jo?«, fragte eine tiefe Stimme.
Erschrocken drehte sie sich wieder nach vorne. Bryant stützte die Hände auf ihren Schreibtisch und beugte sich auf sie zu.
»Jo?«, fragte Bill am Handy.
Beim Anblick ihres gut aussehenden Chefs beschlich sie eine leise Ahnung, warum sie sich bisher davor gedrückt hatte, diesen perspektivlosen Job aufzugeben. Aber ein hübscher Anblick brachte einen selten weiter.
»Ja, ich komme«, sagte sie zu Bill und legte auf. »Hallo, Sie sind ja schon da.«
»Wer war das? Ihr Freund?« Bryant lächelte, doch seine Augen wurden schmal. »Sie haben mir nie erzählt, dass Sie jemanden haben.«
»Habe ich auch nicht. Ist das Listing unterschrieben? Dann kann ich es gleich ins System eingeben … äh, warum sehen Sie mich so an?«
Bryants Handy klingelte im selben Moment wie das Telefon auf ihrem Tisch, und bevor er ihr antworten konnte, griff sie nach dem Hörer und ratterte ihren Begrüßungstext herunter.
Bryant ließ sein Handy noch zweimal klingeln und musterte Jo. Doch dann erlosch sein Interesse. Er meldete sich mit einem gedehnten »Hallo«, lachte leise und schlenderte davon.
Ja, es war definitiv Zeit, ihren Lebenslauf auf Vordermann zu bringen.
»Den Rest kannst du behalten, du Dreckschwein …«, sprach Rhage den Text des Films auf dem Fernseher mit und küsste Mary auf die Stirn. Sie befanden sich im Zustand der absoluten Entspannung, und es war einfach traumhaft. Mary schmiegte sich an seine nackte Brust und gähnte so herzhaft, dass ihr Kiefer knackte.
»Und da rennt der Pizzabote.« Rhage lachte und steckte sich den Trauben-Lutscher zurück in den Mund. »Ich liebe diese dumme Statue vor dem Haus, die alle umstoßen.«
Kevin– Allein zu Haus. Im Bett. Mit seiner Shellan, vollem Bauch und Marys fester Zusage, dass er auch die nächsten zwei Filme aussuchen durfte.
Wie wäre es mit Die Hard und Schöne Bescherung?
Für die Menschen nahte schließlich die Weihnachtszeit, oder etwa nicht?
Mann, das hier war der Himmel auf Erden. Er fühlte sich vollkommen gelöst, fast, als würde er schweben, und keiner der von ihm gewählten Blockbuster erforderte Taschentücher oder Fremdsprachenkenntnisse.
Denn es war nicht immer einfach, sich mit Mary auf Filme zu einigen.
Mary bevorzugte anspruchsvolle Stoffe. Rhage stand auf Popkultur.
Unvereinbar. Aber in einer Partnerschaft musste man sich auf Kompromisse einlassen. Anders ging es nicht.
»Was kommt als Nächstes?«, erkundigte sie sich.
»Erst Bruce Willis und dann Chevy Chase. Du darfst raten, in welchen Filmen.«
Sie stützte das Kinn auf seine muskulöse Brust. »Hast du eigens für mich einen Weihnachtsfilm ausgesucht?«
»Ja. Bekomme ich einen Kuss, weil ich so ein aufmerksamer Hellren bin?«
Sie streckte sich zu ihm hoch, und er nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie innig. Als sie sich voneinander lösten, blickte er auf ihre Lippen und spürte das vertraute Kribbeln in dem Bereich, der für einen Kerl am meisten zählte. »Darf ich dir sagen, wie sehr ich mich schon jetzt auf unsere gemeinsame Dusche vor dem Ersten Mahl freue?«
»Tatsächlich?«
Als ihr Lächeln breiter wurde, verstärkte sich das Kribbeln. »Mmmm …«
»Wenn es nicht du wärst«, murmelte sie, »könnte ich mir nicht vorstellen, wie du wieder einen hochbekommen willst … für einen ganzen Monat.«
»Du weißt doch, dass ich stets für dich bereit bin. Jederzeit.«
Doch dann schlug ihre Stimmung um. Er merkte es sofort, obwohl er nicht wusste, woran.
»Was ist?«, flüsterte er. »Denkst du an Bitty?«
Bevor sie antworten konnte, hielt er den Film an, dummerweise genau an der Stelle, an der Kevin sich mit Papas Aftershave einreibt und sich die Seele aus dem Leib schreit.
Während sie also der zehnjährige Macaulay Culkin vom Flachbildschirm aus anschrie, strich Rhage das Haar aus Marys Gesicht.
»Sag es mir«, bat er.
Sie ließ sich auf den Rücken fallen. »Ich möchte uns diesen schönen Moment nicht durch meine ernsten Gedanken verderben.«
»Warum solltest du etwas verderben?«
»Ach, komm schon, Rhage … endlich habe ich das Gefühl, dass zwischen uns alles wieder gut ist, und dann … ruiniere ich es.«
Er zog die Stirn kraus, drehte sich auf die Seite und stützte den Kopf auf die Hand. »Wieso solltest du etwas ruinieren, wenn wir über Bitty sprechen?« Doch sie schwieg, und er zog einen Kreis auf ihrem nackten Arm. »Mary?«
Als sie ihn schließlich ansah, waren ihre Augen wässrig. »Ich muss dir etwas gestehen.«
»Du kannst mir alles sagen.« Es war jetzt Mittag. Sie hatten sich annähernd acht Stunden lang geliebt. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass irgendetwas ihre Beziehung erschüttern konnte. »Ich habe keine Angst.«
»Auf dem Campus. Als du die Kugel im Herz hattest …« Sie schniefte, schien aber entschlossen, sich zusammenzureißen. »Als sich die Bestie zurückzog und du am Boden lagst …«
Sie hob die Hände ans Gesicht und starrte an die Decke, als wäre sie wieder zurück auf dem Schlachtfeld. Sein erster Impuls war, die Erinnerung zu verscheuchen, ihr zu sagen, dass sie nie mehr daran denken sollte.
Aber Mary stellte sich ihren Gefühlen. Sie war schon immer tapfer gewesen.
»Ich habe um dein Leben gekämpft.« Sie sah ihn an. »Ich … ich habe Jane und Manny angefleht, dir zu helfen.«
»Aber natürlich. Ich habe gelitten … ich meine, wir haben das Versprechen für die andere Seite, aber das war kein Spaß für mich, das kannst du mir glauben.«
»Ja.« Sie wandte den Blick ab. »Ich wollte nicht, dass du leidest.«
Als Mary verstummte, nahm er ihre Hand und führte sie an die Lippen. »Aber was ist schlecht daran, dass du mich retten wolltest? Ich bin zwar kein Therapeut, aber es kommt mir vor, als wolltest du dich dafür entschuldigen. Das ist doch verrückt. Sowohl vom medizinischen als auch vom praktischen Standpunkt betrachtet …«
»IchwollteBittynichtalleinelassen.«
»Entschuldige, was hast du gesagt? Ich habe dich nicht verstanden.«
Mary setzte sich auf und zog das Laken über die nackten Brüste. »Ich hätte zu dir in den Schleier kommen können … aber dann bekam ich es mit der Angst zu tun, weil du nicht atmen konntest und du … im Sterben lagst … aber … ich habe auch an Bitty gedacht. Ich wollte, dass du bleibst, damit ich ihr weiter helfen kann. Und es tut mir so leid, oh Gott, Rhage, es tut mir so leid.«
Rhage blinzelte. »Also, damit ich das richtig verstehe: Du entschuldigst dich bei mir, weil du einem verwaisten Kind helfen wolltest, das gerade zusehen musste, wie seine Mutter stirbt? Ist das dein Ernst?«
»Mir kommt es vor, als … hätte ich dich betrogen. Denn der Pakt, dass ich zu dir auf die andere Seite kommen kann, ist unser gemeinsames Schicksal. Er betrifft allein uns beide. Doch als es ernst wurde und ich um dich kämpfte, ging es mir nicht nur um uns. Ich wusste ja, dass ich dich wiedersehen würde. Ich habe … noch an jemand anderen gedacht. Und das erscheint mir falsch.«
Rhage setzte sich nun auch auf und zog sich die Decke über den Schoß. So betrachtet konnte er sie sogar ansatzweise verstehen. Dennoch … »Mary, falls dich das irgendwie tröstet: Ich wollte meine Brüder auch nicht verlassen. Mir ging es in erster Linie um dich und mich und was aus uns wird, aber das war nicht alles. Auch ich habe Rücksicht auf andere Leute genommen.« Er lächelte und rieb sich das Kinn. »Auch wenn mir einer von ihnen einen Kinnhaken verpasst hat, genauer gesagt zwei, gleich nachdem ich aus dem Bett gekrochen war. Egal, ich verstehe, was du meinst, aber ich erwarte doch nicht, dass sich dein gesamtes Leben allein um mich dreht. Ich habe großen Respekt vor deinem Beruf und liebe dich für dein Engagement im Refugium. Du hattest das Gefühl, dass du noch etwas zu erledigen hast. Das kann ich absolut verstehen.« Er runzelte die Stirn. »Also, solange du vorgehabt hättest, mir auf die andere Seite zu folgen, wäre ich nicht zurückgekommen …«
»Aber natürlich!« Sie zog ihn an ihren Mund. »Ich schwöre es bei meiner Seele. Selbst wenn ich Bitty im Stich lassen hätte müssen … ich wäre zu dir gekommen. Das stand nie infrage.«
Rhage lächelte und umfasste erneut ihr Gesicht. »Dann ist doch alles gut. Du musst wissen, dass ich deine Hingabe an die Arbeit genauso liebe wie alles andere an dir. Zerbrich dir nicht den Kopf darüber, warum du mich gerettet hast. Überleg dir lieber, was für ein Glück wir haben, dass wir noch zusammen sind und alles gut gegangen ist.«
Ihr kamen schon wieder die Tränen. »Wirklich?«
»Ja.«
Sie küssten sich, langsam und innig diesmal. Dann lehnte er sich zurück und betrachtete ihr zerzaustes Haar, ihre schläfrigen Augen und ihre rubinroten Lippen, die nach dem stundenlangen Sex gerötet waren.
»Geht es dir besser?«, fragte er.
Sie nickte. »Oh ja, absolut.«
»Möchtest du den Film weiterschauen?«
»Ja, sehr gerne.«
Rhage lächelte. »Ich liebe es, wenn du mich anschwindelst.«
»Aber es ist wahr!«
Kopfschüttelnd nahm er sie in den Arm und tastete nach der Fernbedienung. »Wie schön, dass wir darüber gesprochen haben. Ich meine, schau dir Kevin an. Er flippt total aus, weil wir ihn nicht beachten. Wenn wir ihn noch länger auf diesem Standbild einfrieren, ist er am Ende noch reif für eine Therapie.«
Er spürte, wie Mary lachte, und es war ein wundervolles Gefühl. Dann seufzte sie und machte es sich noch bequemer … und ein paar Minuten später schlief sie tief und fest. Sie atmete gleichmäßig, wie jemand, der ein gutes Gewissen hatte und mit sich und dem geliebten Partner im Reinen war.
Als auf dem Bildschirm die Einbrecher geteert und gefedert wurden, wurde auch Rhage schläfrig, doch er blieb den Rest des Tages wach. Aber nicht wegen der Filme.
Manchmal bestand die beste Erholung darin, seine Shellan im Arm zu halten, ihre Wärme zu spüren und zu wissen, dass sie nicht fortgehen würde.
Zumindest nicht ohne ihn.
Wahre Liebe reichte aus, um seine Kräfte neu zu mobilisieren, vielen Dank auch.
2
Letztlich entschied Mary sich doch für eine Jeans.
Normalerweise trug sie Bluse und Stoffhose, aber mit Bitty wollte sie nicht in Bürokleidung zum Eisessen gehen. Es sollte ein entspannter Ausflug werden. Kleidung, die man in die Reinigung geben musste, passte nicht zu einunddreißig verschiedenen Geschmacksrichtungen und bunten Zuckerstreuseln.
»Wie sehe ich aus?«, fragte Rhage.
Mary sah sich um und wich unwillkürlich einen Schritt zurück.
»Was meinst du?«, fragte er und vollführte eine Drehung. »Geht das?«
»Das mit dem Hawaii-Hemd sollte eigentlich ein Scherz sein«, lachte sie.
Er zog den Saum aus der Hose. »Aber meine anderen Hemden sind alle schwarz.«
Gut, da hatte er natürlich recht. Dieses grellbunte Unding war alles andere als trist, deshalb hatte sie es ja gekauft. Es war mit Palmwedeln in allen Schattierungen von Türkis, Grün und Orange bedruckt, und der Anblick schmerzte in den Augen.
»Ich will nicht wie ein Soldat aussehen, verstehst du?«
»Aus dem Grund trage ich Jeans.« Mary sah an sich herab und verzog das Gesicht. »Obwohl ich sie eigentlich gar nicht mehr mag.«
»Dabei stehen sie dir so gut«, murmelte er, kam zu ihr und schlang die Arme um sie. Dann ließ er die Hände zu ihrem Po hinunter wandern, drückte zu und flüsterte: »Der Tag war übrigens Wahnsinn.«
Sie legte die Hände an seine Brust und spielte mit einem der rosa Knöpfe. »Obwohl ich an deiner Brust eingeschlafen bin?«
»Gerade deshalb.«
Sie küssten sich eine Weile, dann trat Mary einen Schritt zurück und musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Ganz ehrlich, ich glaube, du solltest etwas anziehen, worin du dich wohlfühlst.«
»Dann scheidet dieses Hemd schon mal aus. So viel Farbe auf so großer Fläche, darin sehe ich aus wie eine wandelnde Migräneaura.«
Er verschwand wieder im Schrank, und Mary blickte auf ihre Jeans – und beschloss, ihren eigenen Rat zu befolgen.
Zehn Minuten später verließen sie das Haus. Er ganz in Schwarz und sie in rotem Fleecepulli und Yogahose.
Als sie aus der Vorhalle ins Freie traten, legte Rhage den Arm um sie und küsste sie auf den Scheitel. »Das wird ein wundervoller Abend.«
»Danke, dass du das tust. Ich weiß, dass du dafür deine Schicht tauschen musstest.«
»Tohr hat gern für mich übernommen. Er ist im Moment ziemlich scharf aufs Töten.«
»Warum?«
»Ach, das hat mehrere Gründe.« Er führte sie über den gepflasterten Hof, vorbei an dem Brunnen, der für den Winter bereits stillgelegt worden war, bis zum GTO, dessen Beifahrertür er für sie öffnete. »Sind Sie bereit, Madam?«
Mary stieg ein, Rhage setzte sich ans Steuer, und schon ging es los, im Spitzentempo durch das Mhis den Berg hinunter und über die gewundene Straße zum Highway. Zum Refugium waren es gute zwanzig Minuten, doch die Zeit verging schnell.
Ehe sie sichs versah, stieg sie aus und erklärte Rhage, dass sie gleich zurück wäre.
Dann joggte sie zum Eingang, gab den Code ein, trat in das überheizte Haus und wandte sich der Treppe zu …
»Ich bin hier.«
Bittys Stimme brachte sie zum Stehen. »Hallo. Wie geht es dir?«
Das kleine Mädchen trug eines ihrer selbstgenähten Kleider, hatte den schwarzen Parka im Schoß gefaltet und saß mit geradem Rücken auf dem Wohnzimmersofa.
»Ist er wirklich gekommen?«, fragte Bitty und stand auf. »Gehen wir wirklich Eis essen?«
»Ja.«
Bitty trat ans Fenster und zog den Vorhang zur Seite. »Oh, er hat wieder sein Auto dabei.«
»Ja, genau wie versprochen. Du wirst noch merken, dass mein Hellren eigentlich immer tut, was er sagt.«
Mary hatte Marissa schon von dem Plan erzählt und ihre Zustimmung bekommen, trotzdem wollte sie sich offiziell vom Dienst abmelden.
»Gib mir zwei Minuten, ja?«
Das Mädchen nickte, und Mary eilte in den ersten Stock. Marissa war nicht an ihrem Schreibtisch, also ging Mary in ihr Büro, um eine kurze E-Mail an ihre Kolleginnen zu schicken.
Doch so weit kam sie nicht. Zumindest nicht gleich.
Auf ihrem Tisch stand ein Pappkarton, ungefähr so groß wie eine Schuhschachtel, nur quadratisch und nicht rechteckig. Darauf lag ein Kuvert, doch Mary musste den Brief gar nicht erst lesen. Sie wusste auch so, was in dem Karton steckte.
Es war eine kurze, aber freundliche Mitteilung. Mary las sie zweimal durch, dann nahm sie vorsichtig den Deckel ab. Darin befand sich eine einfache Messingurne.
Eine gewissenhafte Schwester aus der Klinik hatte Annalyes Asche bei Anbruch der Nacht vorbeigebracht, damit Bitty ein erneuter Besuch in der Klinik erspart blieb. Es war eine rührende Geste, Mary musste blinzeln und ein paarmal tief durchatmen.
Dann löste sie sich aus der Erstarrung, ging um den Schreibtisch herum, schrieb ihre Mail und eilte zurück nach unten. Bitty saß wieder auf dem Sofa und wartete geduldig. Sie hatte schon ihren Mantel angelegt.
»Bereit?«, fragte Mary.
Bitty stand auf, und Mary beschloss, erst einmal kein Wort über den Karton zu verlieren. Das Kind hatte einen unbeschwerten Ausflug verdient …
»Hast du gesehen, was auf deinem Schreibtisch steht?«, fragte Bitty. »Den Karton?«
»Äh … ja. Habe ich.«
»Das ist die Asche meiner Mutter.«
»Ja. Es war ein Brief dabei.«
Bitty schlug die Augen nieder. »Eine freundliche Frau hat sie gebracht. Ich war schon hier unten und habe gewartet, deshalb habe ich das Paket entgegengenommen. Ich habe es ins Büro gestellt, weil ich nicht wusste, was ich damit machen soll.«
»Möchtest du die Urne in deinem Zimmer haben?«
»Ich weiß nicht.«
»Schon gut. Du musst dich nicht sofort entscheiden.«
»Ich möchte sie aufbewahren. Du weißt schon …«
Für deinen Onkel, führte Mary den Satz im Kopf zu Ende.
»Für meinen Onkel«, sagte Bitty. »Aber ich war mir nicht sicher, ob ich schlafen kann, wenn sie in meinem Zimmer steht. Ich meine, das ist meine Mutter. Und dann auch wieder nicht.«
»Es ist vollkommen in Ordnung, wenn du dir mit der Entscheidung Zeit lässt. Auch, wenn du es dir wieder anders überlegst. In meinem Büro ist sie gut aufgehoben. Ich lasse sie auf meinem Schreibtisch stehen. Dort ist sie sicher.«
»Einverstanden.«
Es folgte eine Pause. »Bist du jetzt bereit zu gehen?«
»Ja, bitte.«
Mary atmete auf. »Gut. Das freut mich. Komm.«
Bitty ging auf die Tür zu, doch auf halbem Weg blieb sie stehen. »Miss Luce?«
»Ja?«
Bittys braune Augen streiften kurz ihr Gesicht, dann richteten sie sich wieder auf den Boden. »Vielen Dank.«
Mary musste blinzeln, während sich Bitty wieder dem Ausgang zuwandte.
»Sehr gerne«, sagte sie heiser.
Rhage stand neben dem GTO und stopfte sich das schwarze Hemd in die Hose – nicht zum ersten Mal. Dann fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar. Mann, er musste es sich dringend schneiden lassen. Seine Frisur sah aus wie ein Flokati aus den Siebzigern.
Wenigstens hielt die Rasur an, die er sich kurz vor der Abfahrt verpasst hatte. Und er war sauber. Er hatte sich sogar hinter den Ohren und zwischen den Zehen gewaschen.
Als die Tür des Refugiums aufging und seine Shellan und das Mädchen darin erschienen, hob er die Hand, und beide winkten zurück. Dann standen Mary und Bitty vor ihm, und das kleine Waisenkind sah zu ihm auf, als wäre er größer als in seiner Erinnerung. Oder blonder. Oder vielleicht merkwürdiger. Oder irgendwas.
Wer wusste das schon so genau.
»Hallo«, sagte er und hielt ihr die Autotür auf. »Bist du bereit?«
»Ja.« Bitty schlüpfte auf die Rückbank. »Danke.«
»Weißt du schon, welche Sorte du willst?«
»Vanille?«
Stirnrunzelnd klappte er die Rückenlehne zurück und half Mary auf den Beifahrersitz. »Hm. Das ist gut.«
Als er hinter dem Steuer saß, drehte er sich um. »Weißt du, Vanille ist super. Es ist eine gute, solide Wahl. Aber du kannst auch andere Sorten testen, bevor du dich entscheidest. Vielleicht hast du Lust, etwas Neues zu probieren – oder du bleibst bei Vanille. Was dir besser schmeckt.«
»Was gibt es denn für Sorten?«
»Lieber Himmel, es sind sooo viele.«
Er trat auf die Kupplung, legte den ersten Gang ein, hielt aber inne, bevor er Gas gab. Es bestand kein Grund zur Eile, und er wollte das arme Kind nicht durchschütteln.
»Hey, hast du dich angeschnallt?«, fragte er und blickte in den Rückspiegel.
»Tut mir leid.« Bitty tastete hektisch herum und zog sich den Gurt über die Brust. »Hab ich vergessen.«
Rhage griff nach oben und stellte das Licht an. »Hier.«
Es klickte. »Danke.«
Behutsam fuhr Rhage auf die Straße und hielt sich streng an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Und an die Verkehrsregeln. Und bedachte einen SUV, der vor ihm ausscherte, mit wütenden Blicken.
Bessie’s Best Ice Cream Parlor war außen knallpink gestrichen, die Wände im Inneren der Eisdiele waren schwarz-weiß gemustert wie eine Milchkuh. Tische und Stühle waren pink, Musik aus den Fünfzigern plätscherte aus den Lautsprechern, die Kellnerinnen trugen Pudelröcke, die Kellner rot-weiß gestreifte Westen und Hosen. Rhage war immer wieder beeindruckt, wie gut sie das Gefühl von At the Hop aus der Elvis-Ära eingefangen hatten.
Schließlich hatte er auch schon in den Fünfzigern Eis gegessen und wusste genau, wovon er sprach.
Ja, er hatte den richtigen Laden ausgesucht.
Bitty war überwältigt. Mit großen Augen sah sie sich um, als hätte sie noch nie etwas dergleichen gesehen – was wohl die traurige Wahrheit war. Zum Glück waren nur wenige Menschen da. Ein älteres Paar in der Ecke, ein Vater mit drei Kindern in der Mitte an einem der größeren Tische und zwei Teenagermädchen, die mit geglossten Lippen Schnuten zogen und sich auf Selfies verewigten, während ihr Eis in kleinen Pappbechern neben ihnen vor sich hin schmolz.
Rhage führte Mary und Bitty an den Tresen und lächelte die Zwanzigjährige in ihrem Pudelrock an – wofür er sich im nächsten Moment verwünschte.
»Oh!«, entfuhr es ihr, während sie ihn über die Eiswannen in der gläsernen Vitrine hinweg ansah.
»Ich würde gern ein paar Sorten probieren«, bat er.
Und könntest du bitte, bitte aufhören, mich so anzustarren? Die einzige Sahne, die du heute versprühst, kommt auf mein Bananensplit.
Nein, nicht dieses Bananensplit.
Und die Nüsse kannst du dir auch sparen…
Okay, hey, führte er hier wirklich total anzügliche Selbstgespräche?
»So viel Sie wollen.« Sie ließ tatsächlich die Lider flattern. »Was darf es sein? Sie können gern auch unser Streuselsortiment probieren. Ganz nach Wunsch.«
Sie sprach schnell und untermalte ihre Worte mit allen möglichen Dehnübungen, die zur Geltung brachten, was die enge Bluse kaum verbergen konnte.
»Da frage ich am besten meine Frau.« Er benutzte absichtlich die menschliche Bezeichnung. »Mary?«
Mary lächelte entspannt, und das liebte er so an ihr: Sie hatte genug Vertrauen in sich und ihre Beziehung, dass sie derartige Flirtattacken kaltließen. »Eine Kugel Schoko-Chocolate-Chip in der Waffel, bitte.«
»Bitty? Möchtest du etwas anderes versuchen als Vanille?«
Zu seiner Überraschung kam sie näher zum Tresen. »Ich glaube … ja, könnte ich ein paar Sorten kosten?«
Die Bedienung schien wieder zu Sinnen zu kommen, als Bitty sie ansah, und richtete sich etwas auf. »Soll ich dir eine Probierschale machen? Ich bringe sie dir und deinem Dad an den Tisch.«
Alle erstarrten. Rhage. Mary.
Halt, Moment, Bitty erstarrte nicht. »Das ist nicht mein Dad. Aber eine Probierschale wäre nett.«
Der Verkäuferin schien es gleichgültig zu sein. Sie drehte sich um und griff nach einem kleinen Tablett mit zwölf Mini-Pappbechern in einer Halterung aus Karton.
Das ist nicht mein Dad.
Bitty hatte es ganz selbstverständlich und ohne zu stocken gesagt, als würde sie einen Ort auf einer Landkarte benennen oder auf ein Buch im Regal deuten. Rhage dagegen war noch immer bewegungsunfähig, während die Mini-Becher befüllt und auf den Tresen gestellt wurden und Mary mit unmerklich zitternder Hand ihr Eis entgegennahm.
Sie wechselten betroffene Blicke. Rhage hatte das Gefühl, als hätte ihm jemand einen Schlag in die Magengrube verpasst.
»… Tisch bringen?«
Benommen schüttelte er den Kopf und sah die Eisverkäuferin an. »Entschuldigung?«
»Nehmen Sie das mit? Ich bringe es Ihnen auch gern an den Tisch.«
»Nein, nein, geht schon. Danke. Ich komme gleich mit der Bestellung zurück und zahle.«
»Klar, wie Sie wollen.«
Mir doch egal, schwang in ihren Worten mit, aber es kümmerte ihn nicht.
Aus alter Gewohnheit wählte er den Tisch gleich beim Notausgang. Nur für den Fall, dass einer der zehn Lesser, die es in Caldwell noch gab, durch diese pinke Eingangstür wankte und nach Ärger suchte. Dann reichte er Bitty einen rosafarbenen Löffel.
»Leg los. Finde raus, was dir am besten schmeckt, davon holen wir dir dann eine ordentliche Portion in einer Waffel oder Schale – wenn du bis dahin nicht satt bist.«
Bitty betrachtete die Auswahl. Es waren alle Farben vertreten. Pistazie und Mint-Chocolate-Chip in Hell- und Dunkelgrün, Fruchtsorbet in Pastellorange, Erdbeereis in fröhlichem Pink.
»Womit soll ich anfangen?«, fragte sie.
»Womit du willst«, sagte Mary und setzte sich mit ihrem Eis an den Tisch.
»Soll ich zuerst?«, bot Rhage an.
»Ja. Bitte.«
Tja, wow, zum ersten Mal in seinem Leben saß er vor einem Berg von Eis und hatte keinen Appetit darauf.
»Dann versuche ich mal das hier«, murmelte er und löffelte sich etwas in den Mund, dessen Geschmack er überhaupt nicht registrierte.
»Ist es gut?«, wollte Bitty wissen.
»Äh, klar. Absolut.«
Während sie sich über das Tablett beugte und ihren rosa Löffel in die Hälfte senkte, die er übrig gelassen hatte, sah Rhage Mary an. Auch sie beobachtete Bitty, als könnte ihr die Art, wie das Kind vom Eis kostete, Aufschluss darüber geben, wie sie ihre Trauer verarbeitete. Und als er die beiden abwechselnd ansah, fiel ihm zum ersten Mal auf, dass sie beide braunhaarig waren.
Tatsächlich sah Bitty aus, als könnte sie …
Moment. Stopp.
Er musste wirklich einen Gang zurückschalten. Es gab einen Haufen Vampire auf dieser Welt und noch viel mehr Menschen. Es war also nichts Besonderes, dass Mary und Bitty zufällig beide weiblich und braunhaarig waren statt blond-, rot- oder schwarzhaarig.
Darum war es auch keine kosmische Fügung oder Vorsehung, dass sie hier zu dritt in dieser Eisdiele saßen – abgesehen davon, dass Eis an sich ein Beweis für die Existenz einer wohlwollenden Gottheit war.
»… bitte?«
»Was?«, fragte er. »Tut mir leid, ich war gerade in die Karte über der Theke vertieft.«
»Ich glaube, ich möchte Schoko-Chocolate-Chip«, wiederholte Bitty.
Rhage sah Mary an und musste erneut den Kopf abwenden. »Geht in Ordnung. Becher oder Waffel?«
»Ich glaube, …«
In der Waffel, führte er ihre Worte im Kopf zu Ende.
»… in der Waffel«, sagte Bitty.
»Kommt sofort.«
Als er aufstand und zurück zu der Verkäuferin im Pudelrock ging, sagte er sich, dass alle Kinder Schokoladeneis mochten. Mit Schokostücken. In Waffeln.
Hier war keine höhere Macht am Werke.
Wirklich nicht.
Nein.
Garantiert nicht.
3
Ein kalter Wind strich über den Hügel, spielte mit den herabgefallenen Blättern und wehte sie über Assails Halbschuhe. Vor ihm lag der Hudson scheinbar reglos in der Nacht, als hätte die Strömung bei Sonnenuntergang Schluss gemacht und das Wasser bis zum Morgen frei. Im Norden stieg der Mond auf, eine helle, klar umrissene Sichel in der tiefen, samtenen Schwärze des Himmels.
Die kalte Luft schmerzte in seiner angegriffenen Nase, also atmete er durch den Mund. Doch auch mit eingeschränktem Geruchssinn bemerkte er, als sich jemand näherte.
Er drehte sich nicht um, sondern richtete seine Worte an die Landschaft vor ihm. »Was für ein romantisches Fleckchen.«
Throes Stimme war leise. »Ich werde dich töten.«
Assail verdrehte die Augen und blickte über die Schulter. »Eine Pistole? Ernsthaft?«
Der Kerl stand direkt hinter ihm. In der Hand hielt er eine Selbstlader, den Finger am Abzug. »Du glaubst, ich drücke nicht ab.«
»Weil ich dich geküsst habe … oder weil es dir gefallen hat?« Assail wandte sich wieder dem Fluss zu. »Das ist schwach.«
»Du bist ein …«
»Dein Körper hat nicht gelogen. So sehr es dir widerstrebt, wir beide haben deine Erregung gespürt. Wenn du damit nicht zurechtkommst, ist es dein Problem, nicht meins.«
»Du hattest kein Recht!«
»Und du bist Sex gegenüber sehr traditionell eingestellt, habe ich recht?«
»Ich möchte dich nie wieder in meiner Nähe haben.«
»Wolltest du nicht diesen Abzug drücken? Oder haben wir das bereits hinter uns gelassen? Vielleicht, weil dir aufgefallen ist, wie unglaublich feige es wäre, einen unschuldigen Mann von hinten zu erschießen?«
»Du bist alles andere als unschuldig. Außerdem traue ich deiner Anwesenheit in Naashas Haus nicht.«
»Während du lediglich ein Gast bist, nehme ich an. Der in den immer kälter werdenden Tagen die Dame des Hauses warmhält, während ihr Hellren ein paar Türen weiter schläft. Daran ist gewiss nichts Verwerfliches. Wirklich löblich.«
»Meine Beziehung zu ihr geht dich nichts an.«
»Nun, das kann man so oder so sehen. Denn offensichtlich befriedigst du sie nicht – sonst wäre ich gestern Abend wohl kaum erneut eingeladen worden.«
»Sie wollte dir ihre Spielsachen zeigen. Nächste Woche ist es ein anderer.«
»Verlangt sie von dir, dass du im Keller schläfst? In einem abgedunkelten Zimmer? Oder darfst du dich oben bei den Großen aufhalten? Und hast du nun vor, mich zu erschießen? Wenn nicht, müsstest du nicht hinter mir stehen und könntest mir ins Gesicht sehen. Oder fürchtest du, dass du dich dann nicht beherrschen kannst?«
Es raschelte im Laub, dann erschien Throe links von ihm, und sein langer schwarzer Wollmantel wehte im Wind.
»Ist das hier nicht übrigens ein Hundepark?« Assail blickte über die Hügel und deutete zum anderen Flussufer. »Ich wohne da drüben, wie du weißt. In wärmeren Nächten sehe ich, wie sich Menschen und ihre treuen vierbeinigen Gefährten auf diesem Hügel in die Büsche schlagen …«
»Pass auf, was du sagst.«
»Sonst was?« Assail legte den Kopf auf die Seite. »Was machst du sonst mit mir?«
»Leck mich, Assail.«
»Oh, ja, gerne. Oder andersherum, wenn du das bevorzugst.«
Die Röte, die sich von Throes Hals bis in die Wangen ausbreitete, war selbst im Mondlicht sichtbar. Er öffnete den Mund, als wollte er etwas Boshaftes erwidern. Doch dann senkten sich seine glühenden Augen … und hefteten sich auf Assails Mund.
»Was darf’s also sein? Unten … oder oben?«
Throe fluchte.
Und dann löste er sich plötzlich in Luft auf, dematerialisierte sich fort von diesem Hügel … was nur eines heißen konnte: Er war neugieriger, als er zugeben wollte, hungriger, als ihm recht war, verzweifelter, als er sich eingestehen konnte. Der Kerl war mit einem festen Vorhaben hergekommen, war sich aber selbst in die Quere geraten.
Assail stand allein auf dem Hügel und war überrascht, wie wenig es ihn gekümmert hatte, ob Throe nun diesen Abzug drückte oder nicht.