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"Expeditionen ins Jenseits" (Originaltitel: "Adventures in the Afterlife") ist eine faszinierende Reise des spirituellen Erwachens – eine mutige Suche nach Antworten jenseits etablierter Glaubenssysteme und jenseits der Grenzen unserer physischen Welt. William Buhlman, weltweit führender Experte für außerkörperliche Erfahrungen und Autor des Bestsellers "Out of Body", präsentiert in diesem Buch seine Erkenntnisse über das Leben nach dem Tod des physischen Körpers. Durch eine Krebsdiagnose wurde er 2011 mit seiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert. In zahlreichen außerkörperlichen Erfahrungen und luziden Träumen, die er während seiner schweren Krankheits- und Genesungsphase erlebte, gelangte er zu tiefen Einblicken in die nichtphysischen Welten, die wir nach dem Tod erleben. Den ersten Teil des Buches bildet die Geschichte von Frank Brooks, einer fiktiven Figur, mit deren Hilfe der Autor seine eigenen, realen Erfahrungen und Erkenntnisse in einer für den Leser gut nachvollziehbaren Form präsentiert. Wir erleben Franks physischen Tod und seinen Übergang in eine jenseitige Welt, die er zunächst für den “Himmel” hält, der ihm von seiner religiösen Tradition versprochen wurde. Alsbald erkennt er jedoch, dass auch diese Welt ihm nicht die Antworten liefert, nach denen er sucht, und dass es jenseits von ihr noch mehr zu entdecken gibt. Er findet spirituelle Lehrer, mit deren Hilfe er nach und nach die Vielschichtigkeit der Welten jenseits der dichten Materie erkennt und erkundet, bis er schließlich zu einem souveränen spirituellen Reisenden wird, der gelernt hat, die jeder Seele innewohnende Macht zur Erschaffung ihrer eigenen Realität bewusst und zielgerichtet einzusetzen. Der zweite Teil des Buches fasst in übersichtlicher Form die Informationen über die Strukturen und Wirkprinzipien der nichtphysischen Ebenen zusammen und liefert dem Leser praktische Hinweise, Affirmationen und Meditationen zur Vorbereitung auf seinen eigenen Übergang und zur Unterstützung anderer, die sich dem Ende des physischen Lebens nähern. Damit ermöglicht es eine optimale Vorbereitung auf den Umgang mit den gedankensensitiven Realitäten, die uns jenseits der materiellen Welt erwarten.
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Seitenzahl: 311
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Expeditionen ins Jenseits
Titel der amerikanischen Originalausgabe: Adventures in the Afterlife
1. Auflage, 2016
Deutsche Übersetzung © 2016 Jörg Starkmuth
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt und darf – auch auszugsweise – nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors und des Verlegers vervielfältigt oder kommerziell genutzt werden. Ausgenommen sind kurze Zitate mit Quellenangabe.
Dieses E-Book ist durch ein käuferspezifisches digitales Wasserzeichen gegen unberechtigtes Kopieren geschützt.
Ich widme dieses Buch allen, die nach der Wahrheitüber unsere spirituelle Existenz suchen.
Und – wie immer – meiner Frau Susan.
Ein einziges Wort kann genügen, um ein ganzes Leben auf den Kopf zu stellen: Krebs. Im März 2011 wurde bei mir Mandel- und Lymphdrüsenkrebs im vierten Stadium diagnostiziert. Es folgte eine siebenmonatige Tortur mit zwei Kehlkopfoperationen, Chemotherapie und sechs Wochen täglicher Bestrahlung. Die Geschichte in diesem Buch ist das Ergebnis meiner lebensverändernden Konfrontation mit der Sterblichkeit und den dramatischen Bewusstseinsverschiebungen, mit denen die gesamte Erfahrung einherging. Während dieser intensiven persönlichen Herausforderung fand eine radikale Veränderung meines Lebens im Wachzustand und im Traum statt, durch die sich mir ein neuer Blick auf die Realität eröffnete.
Mein Leben änderte sich drastisch auf allen Ebenen. Viele Monate lang konnte ich nur Flüssigkeiten zu mir nehmen, und Schlaf fand ich nur in kurzen Phasen von etwa dreißig Minuten. Die Kehlkopfschmerzen infolge der Operationen waren so massiv, dass ich mich bei jedem Schlucken zusammenreißen musste. Ich begann, meine täglichen Erfahrungen aufzuschreiben, um meine Aufmerksamkeit von den ständigen, bohrenden Schmerzen abzulenken.
Die brennende Frage, was nach diesem Leben passiert, inspirierte meine Erforschung des Jenseits. Meine luziden Träume und außerkörperlichen Erfahrungen lieferten mir Visionen, die meinen Verstand bis ins Innerste verblüfften. Ich habe nach besten Kräften versucht, diese Flut von Erkenntnissen in eine logische, lineare Form zu bringen.
Im ersten Teil des Buches erleben Sie mein Leben durch die Augen von Frank Brooks, einer fiktiven Figur, die auf meinen eigenen Erlebnissen auf den verschiedenen Bewusstseinsebenen beruht. Folgen Sie Frank auf seiner Reise und erleben Sie seinen Tod und seinen Eintritt in eine zunächst traditionell-religiöse Realität. Sein Drang nach Selbsterkenntnis katapultiert ihn jedoch in Bereiche jenseits des komfortablen, glaubensbasierten „Himmels“ seiner Jugend, wo er ein spirituelles Trainingszentrum für beschleunigtes Wachstum entdeckt. Mithilfe hoch entwickelter Führer erlebt er eine Reihe intensiver Lektionen , in denen er sein multidimensionales Selbst und die unsichtbare Natur unseres Universums erkundet. Er begibt sich auf eine wagemutige Mission zur Aufdeckung der Geheimnisse des Jenseits und entdeckt gedankenreaktive Welten jenseits seiner kühnsten Fantasien.
Der zweite Teil enthält Informationen über unsere fortdauernden Abenteuer jenseits des Körpers und einige einfach anwendbare Techniken, die uns bei unseren individuellen Bewusstseinsreisen unterstützen können. Für viele von uns ist die Zeit gekommen, unseren Geist zu öffnen und die faszinierende Realität unserer multidimensionalen Existenz zu erforschen. Denken Sie immer daran, dass wir machtvolle, schöpferische Wesen sind, die die Fähigkeit besitzen, unsere derzeitige Existenz und ebenso unser kontinuierliches Leben jenseits der physischen Welt selbst zu gestalten.
Der Zweck dieses Buches besteht darin, Einblicke in den vor uns liegenden spirituellen Weg zu geben. Je besser wir vorbereitet sind, desto größer ist das Potenzial, unser persönliches Wachstum zu beschleunigen und uns in den vielen gedankensensitiven Welten zurechtzufinden, die wir im Jenseits erleben werden.
Ich hoffe, dass Ihnen dieses Buch für Ihre persönliche Reise in diesem Leben und in dem, was danach kommt, nützlich sein wird.
Alles Gute,William
www.astralinfo.org
18. Juni 2011
„Krebs im vierten Stadium, nicht operabel …“ ist alles, was ich höre. Mein Verstand setzt aus.
Erst als ich das Sprechzimmer verlasse, beginnt die Nachricht ins Bewusstsein zu sickern. Ich bin erst siebenunddreißig Jahre alt und ich werde sterben. Die bittergrünen Wände des Krankenhauses scheinen mich einkesseln zu wollen. Ich kann nicht atmen, nicht denken. Während ich versuche, die unvermeidlichen Tränen zurückzuhalten, verliere ich mich in einem Labyrinth verwinkelter Gänge und endloser Schwingtüren. Schließlich erkenne ich eine der Öffnungen als einen Aufzug und haue auf den Knopf, als würde er irgendwie die Schuld tragen. Meine Ohren dröhnen und meine Kehle beginnt sich zusammenzuziehen. Ich versuche mich zu konzentrieren und habe Schwierigkeiten, mich zu erinnern, wohin ich gehe – obwohl es eigentlich auch egal zu sein scheint. Mit einem Ruck stoppt der Aufzug in der Eingangshalle und ich folge ziellos einer Gruppe von Leuten, die aus dem Gebäude auf die Straße strömen. Der Lärm der Stadt tritt in den Hintergrund, als ich mein Handy herausfummele und meine Frau anrufe. Ich muss ihre Stimme hören.
„Schlechte Nachrichten“, sage ich zu ihr. „Ich bin bald zu Hause.“ Die Zweideutigkeit der Formulierung fällt mir nicht sofort auf.
Tracy wartet an der Eingangstür auf mich und nimmt sanft meine Hand, vielleicht um mich zu beruhigen, oder auch, um sich an dem bisschen Zeit festzuhalten, die uns noch zusammen bleibt – ich weiß es nicht. Ich gebe zu, dass es gut tut zu wissen, dass sie in dieser harten Zeit an meiner Seite sein wird. Auf ihre Bitte hin entschließe ich mich, dieses Tagebuch zu führen; ich hoffe, dass es mir helfen wird, ein wenig Perspektive für die verbleibenden Monate meines Lebens zu finden.
12. Juli 2011
Die Ärzte sagen, dass eine Chemotherapie mein Leben verlängern könnte. Die Qualität dieses Lebens ist fragwürdig, aber für meine Familie muss ich es tun. In Erwartung meiner ersten Behandlung sitze ich mit Tracy im spärlich beleuchteten Wartezimmer. Meine Beklemmung wächst mit jedem Moment. Ein dünner, älterer Herr kommt herein und setzt sich uns gegenüber. Eine traurig aussehende Frau füllt ein Formular bei der Anmeldung aus und setzt sich neben ihn. Sie blickt auf, als sein Name aufgerufen wird und er mit wackeligen Schritten zu der Schwester hinübergeht. Als er außer Hörweite ist, erzählt uns die Frau, dass ihr Vater an einer seltenen, nicht operablen Form von Lungenkrebs leidet und voraussichtlich keine sechs Monate mehr zu leben hat. Er ist neunundsiebzig Jahre alt und Vietnam-Veteran. Sie kämpft mit den Tränen, als sie uns seine Geschichte erzählt. Die Chemo-Behandlungen geben ihm nur eine fünfprozentige Chance, die Marke von sechs Monaten zu überschreiten. Ich frage mich ernsthaft, ob ich die berüchtigten Nebenwirkungen der Chemo ertragen wollen würde, wenn mir das nur eine fünfprozentige Verbesserungschance einbrächte. Erst da wird mir klar, dass meine eigene Situation gar nicht so viel anders aussieht.
Mein Name wird als nächster aufgerufen, und ich werde zu einem grünen Kunststoff-Liegesessel geführt, auf dem ich die nächsten fünf Stunden verbringen werde. Es ist eine seltsame, sterile Umgebung, ständig beschallt mit dem Klang von Soaps und Quizshows aus dem Fernseher. Identische Liegesessel sind an jeder Wand aufgereiht und darauf sitzen Patienten, angeschlossen an ihre Rettungsleinen mit durchsichtigen Plastikbeuteln voller giftiger Chemikalien. Meine Mitpatienten lesen, sehen fern oder diskutieren ihre Familiengeschichten und Lebenssituationen. Es ist offensichtlich, dass die Schwestern das schon Tausende Male durchexerziert haben, so wie sie den Patientengeschichten zuhören und Interesse vortäuschen. Ich beobachte meine Umgebung und fühle mich komplett entkoppelt von dem, was dort vor sich geht – als würde ich einen Film über das Leben eines anderen sehen.
Ich bin überrascht, wie übel ich mich nach der Behandlung fühle, und frage mich mehrere Tage lang ernsthaft, ob es das wert ist. Aber als ich meine kleinen Töchter ansehe, schwöre ich mir, alles Menschenmögliche zu tun, um dieses Monster zu bekämpfen, das mein Leben auffrisst.
27. August 2011
Ich kann nicht glauben, wie schnell es mit meiner gesamten Existenz bergab geht und alles außer Kontrolle gerät. Mein ganzes Leben lang war ich stark und energiegeladen, übersprudelnd vor Antriebskraft und Ehrgeiz. Und jetzt kann ich nur noch zusehen, wie mein Körper mit jedem verstreichenden Tag schwächer wird. Jeder Atemzug wird zu einer Willensanstrengung. Manchmal denke ich, es wäre leichter, einfach aufzugeben, aber dann bringt Maggie mir ihren Teddybär und glaubt, dass er mich wieder gesund machen wird, oder Lizzie fragt mich, ob ich mit ihr Kekse essen und Saft trinken kann, und dann denke ich, dass ich es vielleicht doch schaffen und den Ärzten zeigen kann, dass sie Unrecht hatten. Ich muss stärker werden – aber in meinem Inneren kenne ich die jämmerliche Wahrheit: Es wird jeden Tag schlechter.
4. September 2011
Mein Leben ist zu einem Wirbelwind aus Arztterminen geworden. Die Ärzte sagen, dass sich der Krebs ausbreitet, und sie scheinen wenig Hoffnung zu haben, dass die Chemo ihn aufhalten kann. In meinem Innersten wusste ich schon seit einiger Zeit, dass dieser Kampf nicht zu gewinnen war, aber ich habe Tracy zuliebe versucht, positiv zu bleiben.
Tagelang habe ich zu Gott gebetet, mich von diesem Horror zu befreien: „Herr, ich verspreche, ein besserer Mensch zu werden, wenn ich von diesem Albtraum geheilt werde.“ Aber in meinem Herzen weiß ich, dass es zu spät für solche Abmachungen ist.
Heute ist mein letzter Poker-Abend mit den Jungs. Wir haben jede zweite Woche gespielt, seit ich vor über zehn Jahren in die Firma kam. Auch wenn sie sagen, dass ich dabeibleiben soll, kann ich sehen, dass es keine Freude für sie ist, mich immer schwächer werden zu sehen. Die Baseball-Kappen, die ich trage, sind nur eine schlechte Tarnung für meinen kahl werdenden Kopf, und aus Fairness gegenüber der Gruppe weiß ich, dass es Zeit ist, aus dem Spiel auszusteigen.
17. Oktober 2011
Ich konnte nicht mehr arbeiten, seit meine Chemo-Behandlung begann, und jetzt wird es schwierig, meine eigenen Glieder in Bewegung zu setzen. Diese Krankheit verschlingt meinen Körper und ich verliere rapide an Gewicht. Die Erschöpfung überkommt mich schon, wenn ich nur durch den Flur zum Bad gehe. Die Ärzte und Schwestern sagen mir, dass das ein normaler Prozess ist, aber es fühlt sich an, als würde ein böser Fluch auf meinem Körper lasten. Ich finde es sehr schwer, den unbarmherzigen Verfall meines Körpers zu akzeptieren.
Man sagt ja, dass alles seinen Sinn hat, aber welchen Sinn könnte das tägliche Schwächerwerden meiner Organe und der Verlust meiner liebsten Erinnerungen haben? Manchmal fällt es mir schon schwer, mich an die Namen meiner Mädchen zu erinnern, Maggie und Lizzie, meine kleinen Zwillingsengel. Nächstes Jahr kommen sie in die erste Klasse und ich fürchte, dass ich nicht da sein werde, um sie an die Hand zu nehmen, wenn sie das erste Mal zur Schule gehen. Jeder Tag beginnt mit dem Grauen davor, was als Nächstes passiert.
Warum lässt Gott so etwas zu? Womit habe ich das verdient?
31. Oktober 2011
Heute ist Halloween. Ich erkenne die Ironie, wenn ich die als Skelette und Gespenster verkleideten Kinder sehe. Sie lachen und tauschen Süßigkeiten. Ich fühle mich wie einer der lebenden Toten, die von den kostümierten Kindern verkörpert werden.
12. November 2011
Ich habe gelesen, dass der rätselhafte Prozess des Sterbens eigentlich ein ganz natürlicher sei. Man versichert mir, dass es vorhersagbare Stadien psychischer Veränderung gebe und dass ich schließlich zu einer Akzeptanz dieses heimtückischen Verfalls gelangen werde, der sich in meinem Körper ausgebreitet hat. Was für ein Haufen Schwachsinn. Da ist keine Akzeptanz, nur Wut. Ich kann keinen einzigen vernünftigen Grund für diesen rasenden Irrsinn finden. Es ist komplett sinnlos, dass die Zellen meines Körpers sich gegen mich gewandt haben und mein Leben auffressen.
1. Dezember 2011
Ich bin so furchtbar müde. Unbeantwortete Fragen nagen in meinem Kopf. Was ist der Sinn dieses Kampfes bis zum Tod? Warum erlaubt Gott die Existenz dieser zellulären Ketzerei? Ich war mein ganzes Leben ein guter Christ; ich habe immer mein Bestes gegeben. Warum werde ich bestraft?
5. Dezember 2011
Heute war Pastor Clark zu Besuch. Er hat ein paar Bibeltexte vorgelesen und sein Bestes versucht, hilfreich zu sein. „Schließen Sie Frieden mit Ihrer Situation und vertrauen Sie dem Herrn“, sagte er. Ich musste mit aller Kraft meine Zunge hüten – von meinem Vertrauen in Wunder ist verdammt wenig übrig geblieben. Ich habe es ihm nicht gesagt, aber alles, was ich fühle, ist eine tief verwurzelte Wut, die jede Zelle meines Wesens durchdringt. Ich fühle mich von Gott verlassen.
17. Dezember 2011
Mit jedem Tag, der vergeht, wird mein Körper schwächer. Mithilfe meiner Frau schaffe ich irgendwie die Chemo-Behandlungen. Der sich ausbreitende Krebs frisst mein Leben mit schockierender Geschwindigkeit und es fühlt sich verrückt an, dass ein tragbarer Sauerstofftank zu meinem Freund und ständigen Begleiter geworden ist.
25. Dezember 2011
Weihnachten ist einfach nur traurig. Verwandte besuchen uns und versuchen ihr Bestes, nicht schockiert von meiner zerbrechlichen Erscheinung zu wirken. Der unbeholfene Smalltalk, durchsetzt mit armseligen Versuchen, humorvoll zu sein, ist anstrengend. Ich will einfach nur, dass sie alle verschwinden. Ihre Gesichter sagen alles und ich fühle mich wie eine Missgeburt in einer schlechten Zirkusshow.
31. Dezember 2011
Heute ist Silvester. Mein großer Vorsatz für das neue Jahr ist, noch einen Tag länger zu atmen. Ich versuche mein Bestes, so zu wirken, als ginge es mir gut, damit meine Frau sich nicht meinetwegen aufregt. Sie ist unglaublich; ich weiß nicht, wie sie das macht, aber sie schafft es immer zu lächeln.
Langsam habe ich mein Schicksal akzeptiert. Wenn ich doch nur eine höhere Perspektive einnehmen und sicher sein könnte, dass da irgendein großer, unsichtbarer kosmischer Plan am Werk ist. Es muss irgendeinen göttlichen Zweck hinter all dem geben, aber ich kann ihn ums Verrecken nicht erkennen.
3. Januar 2012
Da ich nur noch ein verkümmerter Schatten meiner selbst bin, ist meine tägliche Pflege zu einer herausfordernden Arbeit geworden. Meine Frau ist eine Kämpferin, die ihr Bestes gegeben hat, um sich um mich zu kümmern. Ich weiß, dass ich für meine Familie zu einer schrecklichen Belastung geworden bin. Mehrere Tage lang habe ich vorgeschlagen, in eine Einrichtung zu gehen, wo ich professionell betreut werden kann. Sie hat das zuerst abgelehnt, aber schließlich eingelenkt, da ich nicht lockerließ.
7. Januar 2012
Heute wurde ich ins Hospiz gebracht. Als ich aus dem Haus zu dem wartenden Krankenwagen getragen wurde, kam mir ein seltsamer Gedanke in den Kopf: Das ist jetzt also das letzte Mal, dass ich mein Haus sehe? Wie viele Stunden haben wir damit verbracht, den perfekten Farbton für die Haustür auszusuchen? Der Garten ist jetzt kahl, aber ich weiß, dass er im Frühjahr wieder voller lebendiger Farben sein wird. Das war unser Traumhaus, das erste Haus, das wir zusammen gekauft haben. Dann ging mir auf, dass die Vorstellung, irgendetwas zu besitzen, eine komplette Illusion ist. Man kann nichts besitzen. Wir kommen mit nichts in dieses Leben und gehen mit nichts wieder. Zum ersten Mal erkenne ich ganz klar, dass das ganze Konzept des Eigentums eine große Fantasie ist.
8. Januar 2012
Mein Zimmer ist komfortabel – nicht dass das von großer Bedeutung wäre. Tracy besucht mich für einen Großteil des Tages, aber ich bin erschöpft und schlafe die meiste Zeit. Sie sieht so schön aus. Ich liebe meine Kinder, aber meine Frau werde ich mehr als alles andere vermissen. Der großzügige Einsatz von Schmerzmitteln durch meinen Arzt erleichtert mein schwerfälliges Atmen nicht und ich werde des ewigen Kämpfens überdrüssig. Während ich zwischen Bewusstsein und Bewusstlosigkeit hin und her drifte, erwache ich in einen Zustand, der sich friedlich und schwebend anfühlt.
Da sind Personen um mein Bett herum, die mich sanft berühren, aber die Schwestern scheinen sie nicht zu sehen und zu hören. Sie versuchen mir Geborgenheit zu geben. Eine Stimme sagt zu mir: „Wir sind hier bei dir.“
9. Januar 2012
Ich habe Probleme, mich zu konzentrieren, während Tracy mir aus der Bibel vorliest. Meine Lieblingsstelle ist Psalm 23, den ich auswendig kenne und im Geiste mitspreche, während ich in den Schlaf sinke: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir.“
Ich träume. Es ist dunkel und ich wandere durch eine endlose Reihe von Fluren auf der Suche nach meinem Körper. Ich fühle mich wie ein Punkt im Raum und versuche verzweifelt, meine physische Form zu finden. Dann geht es mir auf: Ich muss tot sein.
Ich erwache ruckartig, meine Gedanken rasen. Ich dachte, ich wäre tot, aber ich bin immer noch hier. Das überzeugt mich davon, dass das Ende nah ist.
10. Januar 2012
Licht strömt durch die Fenster herein, während ich der Macht, die man Tod nennt, jeden Atemzug abringe. Viele Monate lang habe ich gegen diesen Krebs gekämpft, und nun stelle ich mich dem Unabwendbaren mit einer seltsamen Mischung aus Erschöpfung und Akzeptanz. Dieser Krieg ist verloren, aber mein Geist ist klar. Lebhafte Bilder aus meiner Kindheit tauchen darin auf und eine neu gefundene Klarheit steigt aus meinem tiefsten Inneren auf. Es ist eine einfache Wahrheit: Ich habe zu viel von meinem Leben für die leblosen Dinge um mich herum verschwendet. All die Besitztümer, für deren Erwerb ich so hart gearbeitet habe, sind bedeutungslos und nur die Liebe, die in mir ist, ist wirklich wichtig. Ich war so blind. Warum brauchte es erst meinen bevorstehenden Tod, um etwas so Grundlegendes zu begreifen? Es ist Ironie des Schicksals, dass ich erst am Ende meines Lebens ankommen musste, um endlich zu erkennen, was Leben eigentlich sein sollte.
Meine Frau sitzt an meinem Bett und alles, was sie tun kann, ist, die Tränen zurückzuhalten, als sie meine zerbrechliche Hand in ihre legt. Der Gedanke, dass ich sie vielleicht nie wiedersehen werde, bricht mir das Herz. Ich bin zu schwach zum Sprechen. Ich kann ihr nicht sagen, wie sehr ich sie liebe, aber ich bin sicher, dass sie es weiß. Meine innig geliebten kleinen Mädchen stehen neben dem Bett und ich kann sehen, dass Maggie von meiner verfallenen Erscheinung erschüttert ist; sie berührt meinen Arm, während Tränen ihre weichen, perfekten Wangen herunterrinnen. Lizzie versteckt sich hinter ihrer Mutter und ist nicht einmal fähig, mich anzuschauen.
Trauer steigt in mir auf, bis ich das Gefühl habe, platzen zu müssen. Tracys Hand streichelt meine, und dann ist sie fort. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit.
11. Januar 2012, 2 Uhr nachts
Ich komme schlagartig zu Bewusstsein, als mich ein starkes, summendes Geräusch und intensive Vibrationen durchströmen.
Ich fühle mich schwerelos, während ich von meinem Körper fortschwebe. Es ist ein wunderbares Gefühl von Freiheit; keine Schmerzen, kein Ringen nach Atem. Stimmen sprechen zu mir und ich strenge mich an, ihre Worte zu verstehen. Mehrere Personen fühlen sich sehr nah an und obwohl ihre Stimmen stark gedämpft klingen, höre ich eindeutig, dass mein Name gerufen wird. Es muss mitten in der Nacht sein, trotzdem ist mein Zimmer von einem ätherischen, silbernen Licht erfüllt.
Spontan denke ich an meinen physischen Körper und bin sofort wieder da und liege im Hospizbett. Verdammt. Wieder fühle ich den schweren, dumpfen Schmerz meines Körpers.
12. Januar 2012, 14:35 Uhr
Während ich zwischen Bewusstsein und Bewusstlosigkeit drifte, flackern Bilder aus meinem Leben durch meinen Geist. Ich kann nicht glauben, wie schnell meine ganze Existenz vorbeigegangen ist. Als Kontrast erinnere ich mich, wie langsam die Uhr voranschritt, wenn ich als Kind auf den Weihnachtsmorgen wartete. (Anm. d. Übers.: In den USA gibt es die Weihnachtsgeschenke erst am Morgen des 25. Dezember.) Nachdem wir am Heiligabend in die Kirche gegangen waren, fuhren wir immer durch die Nachbarschaft und schauten uns die Weihnachtsbeleuchtung an. Ich habe immer noch den Duft des Süßkartoffelkuchens in der Nase, den meine Tante Sophie jedes Jahr machte.
Ich drifte von einem vertrauten Familienereignis zum nächsten. Es erscheint ein Bild von mir als Teenager in einer roten Badehose, wie ich auf einer hohen, weißen Plattform am örtlichen Schwimmbecken sitze. Mit sechzehn war ich so stolz, all die strengen Prüfungen geschafft zu haben, um Rettungsschwimmer zu werden. Vor mir tauchen lebhafte Bilder von dem Tag auf, an dem ich einen bewusstlosen, sommersprossigen Jungen aus dem Schwimmerbecken zog, nachdem er mit dem Kopf auf das Sprungbrett geschlagen war. Meine Reanimationsausbildung kam ihm zugute, bis der Krankenwagen kam. Man sagte mir, dass ich sein Leben gerettet hätte.
Als ich auf dem College anfing, glaubte ich nicht, dass ich es jemals bis zum Abschluss schaffen würde. Vier Jahre schienen eine so lange Zeit zu sein, aber als ich mich selbst über die Bühne gehen sehe, um mein Diplom entgegenzunehmen, erinnere ich mich nur an das Vertrauen, das meine Familie immer in mich hatte. Tracy war dort; später an diesem Abend machte ich ihr meinen Heiratsantrag. Was für eine tolle Hochzeit, mit Blumen an jeder Kirchenbank und Girlanden um den Altar. Hinten in der Kirche spielte ein Musikerquartett. Ich kann die Musik hören. Ich lächle, als ich daran denke, wie meine Braut jedes Detail perfekt haben wollte – und alles, was ich haben wollte, war sie als meine Frau.
Dann wurden wir mit unseren Zwillingen gesegnet, und ich sehe nochmals ihre Taufe in derselben Kirche vor mir. Ich hatte so viel Glück, diese wunderbaren Mädchen in meinem Leben zu haben, selbst für eine so kurze Zeit.
Zum letzten Mal war ich in dieser Kirche, um mich von meiner Mutter zu verabschieden. Sie hatte ihr ganzes Leben lang so hart gearbeitet, dass es fast eine Erleichterung war, zu sehen, dass sie endlich ruhen durfte. Ich hoffe, sie hat im Himmel ihren Lohn bekommen.
Starke Vibrationen durchströmen mich und ziehen mich fort von meinen Visionen. Ein friedvolles Licht erfüllt meinen Geist und all meine Angst löst sich auf. Ich kann kaum noch sagen, was real ist und was von der kühlen Flüssigkeit verursacht wird, die langsam in meine Venen tröpfelt.
Ich spüre keine Schmerzen mehr. Ich höre Stimmen um mich und stelle fest, dass meine Beine, die zuvor auf das Bettlaken gedrückt hatten, sich jetzt aufzulösen scheinen. Berührt da jemand meine Hand? Ich bin mir nicht sicher. Etwas wie Funken strömt meinen Arm hinauf – diese Art Prickeln habe ich nie zuvor gefühlt.
Dann höre ich Musik. Der Klang kommt sowohl von tief innen als auch aus weiter Ferne. Es klingt wie Glockenläuten und ein klarer Ton wie von purem Kristall, der zu mir singt. Wieder wird mein Arm berührt, ein sanftes Streicheln von meinem Handgelenk über meine Hand hinweg bis zu den Fingerspitzen. Mein Arm wird zur Zimmerdecke hin hochgezogen, so leicht, als wäre er von meinem Körper getrennt. Ich kann nur zusehen, während der andere Arm mit der gleichen Bewegung beginnt. Es wird zu einem Erstrecken ins Endlose, auf der Suche nach einer anderen Welt.
Ich spüre, wie ich mich bewege, doch mein Körper liegt still. Täuschen mich meine Sinne?
Der Duft von Minze ist unverkennbar. Ich bin ein Kind im Garten meines Großvaters, pflücke Minzblätter und kaue sie langsam, während die Sonne mein Gesicht erwärmt. Ich sitze auf dem Boden mit angewinkelten Knien und den Armen um die Beine geschlungen. Der Duft der Minze haftete immer stundenlang an meinen Fingern, aber ich kann meine Hände nicht mehr fühlen – woher kommt dann dieser liebliche Duft? Die Musik scheint mit jedem Moment näher zu kommen. Die Glockenklänge sind zum Hintergrund einer großen Schar perfekter Stimmen geworden.
Ich kann die Worte nicht heraushören, aber die Klänge sind beruhigend. Es fühlt sich an, als würde ich die Kontrolle über meinen Körper verlieren, aber das ist mir inzwischen egal.
Ein warmes Glühen hüllt meinen Geist ein, während mich eine sich ausbreitende Leichtigkeit durchfließt. Ich spüre meinen Körper jetzt gar nicht mehr, sondern schwebe nach oben und fort von den Armen und Beinen, die mich an die Erde gebunden haben. Bei vollem Bewusstsein bewege ich mich durch einen strahlenden Tunnel aus blendendem Licht. Es ist wunderschön. Die funkelnde Energie lässt sich mit keinem Wort beschreiben, das ich kenne. Sie umschlingt mich sanft und füllt meinen Geist mit neuem Leben und reiner, kühler Energie. In meiner Vorstellung hätte ich mir diese Szene niemals ausmalen können; es ist ein Licht, das nicht von dieser Welt ist. Die Strahlung ist rein – von engelsgleicher Natur. Das Gefühl, geliebt zu werden, ist überwältigend, während mich eine Aura aus vollständigem Frieden und Harmonie umhüllt.
Die Bewegung lässt meine Wahrnehmung verschwimmen. Ich versuche, deutlicher wahrzunehmen und mich an das gleißende Licht anzupassen. Es ist, als wäre ich für lange Zeit in einem dunklen Raum gewesen und jemand hätte plötzlich das Licht eingeschaltet. Ich kann meine Füße wieder spüren und zu meiner Überraschung stehe ich auf einem Boden. Orientierungslos, aber bei klarem Bewusstsein, spüre ich unsichtbare Wesen um mich. Ihr Stimmen klingen gedämpft; meine Umgebung erscheint unklar. Als sich meine Sicht zu bessern beginnt, erkenne ich um mich herum die verschwommenen Umrisse von Personen.
Diese neue Welt erwacht zum Leben und menschliche Formen beginnen sich abzuzeichnen. Bilder und Klänge werden klarer. Menschen lachen und umarmen sich; Szenen freudigen Wiedersehens erfüllen meine Sinne. Eine Frau steht allein und winkt mit einer Flagge und ein junger Mann in einer Soldatenuniform geht eilig zu ihr. Die Verbindung zwischen ihnen ist beinahe greifbar. Ich drehe mich um und sehe einen kleinen Jungen; er wirkt verloren, bis er von einem älteren Herrn begrüßt wird – seinem Großvater. Sie tauschen ein warmes Lächeln und Umarmungen aus, als sich die Familie wieder vereint. Schweigend gehen sie davon, Hand in Hand. Als ich mich umsehe, spüre ich, dass auch für mich jemand hier ist.
Eine vertraute Energie ist in der Nähe und ich versuche angestrengt, die Gesichtszüge einer jungen Frau zu erkennen. Ich höre den beruhigenden Klang einer weiblichen Stimme, die meinen Namen ruft: „Frankie!“ Es ist so klar. Das ist kein Traum – es ist die Stimme meiner Mutter.
Als ich diesen liebevollen Klang wiedererkenne, habe ich Schwierigkeiten, ihn mit dem Bild vor meinen Augen in Einklang zu bringen. Diese Frau hat die gleichen Gesichtszüge wie meine Mutter, aber sie ist viel jünger und schlanker, als ich sie in Erinnerung habe. Sie trägt ein gelbes Sommerkleid mit kleinen, roten Herzchen darauf. Ihr schimmerndes, dunkles Haar und ihr breites Lächeln erleuchten den Raum um sie herum. Sie schließt mich in ihre Arme und drückt mich fest an sich; es raubt mir den Atem. Ihre Umarmung fühlt sich wie eine warme Decke aus Liebe und Geborgenheit an.
Zu meiner Überraschung strömen ihre Gedanken mühelos in meinen Geist: „Ich war überrascht zu hören, dass du schon so früh kommst.“
Ich lasse sie nicht aus den Augen – aus Angst, sie könnte so schnell wieder verschwinden, wie sie gekommen ist. „Ist das echt? Träume ich?“
Ich spüre ihr unvergessliches Lachen, als sie sagt. „Frankie, natürlich ist es echt!“
Überwältigt frage ich: „Ist das der Himmel?“
„Willkommen zu Hause.“ Ihre Augen sagen alles.
Ich blicke hinunter auf meine Beine und Arme und erkenne, dass ich stehe; keine Schmerzen mehr, keine Atemnot. Als ich meine Glieder berühre, überflutet mich eine Welle von Euphorie. Ich bin lebendig und fühle mich wie neu geboren.
Sie lächelt strahlend. „Im Himmel werden wir alle neu geboren.“
Die jugendliche Erscheinung meiner Mutter verblüfft mich. Mit ihrem langen, braunen Haar und ihrem leuchtenden Lächeln wirkt sie wie fünfundzwanzig. Meine Erinnerung an sie als ältere, übergewichtige Frau zersplittert. Sie schäumt über vor Energie und scheint jeden meiner Gedanken zu kennen. „Im Himmel kann jeder wieder jung und gesund sein.“
Sie nimmt meine Hand und wir kommunizieren mit unseren Gedanken. Es fühlt sich natürlich und mühelos an, wie ihre Gefühle und Gedanken durch meinen Geist fließen. „Komm mit mir.“ Ich drehe mich noch einmal um zu einem letzten Blick, aber die Szenerie hat sich bereits aufgelöst. Sie nimmt meine Hand und führt mich zu einer Reihe weißer Bogengänge.
Sie führt mich durch die Bögen und der Szenenwechsel ist dramatisch: Eine Aussicht auf malerische, sanft geschwungene Hügel, üppige Bäume und ein leuchtend grünes Feld erstreckt sich, so weit das Auge reicht. Das Licht und die Farben sind so intensiv, dass ich für einen Moment stehen bleiben muss, damit sich meine Augen anpassen können. Meine Mutter lächelt und sagt: „Dein neuer Körper wird sich schnell daran gewöhnen.“
Voller Bewunderung betrachte ich meine neue Welt genauer. Sie sieht aus wie die sanften, grünen Hügel im westlichen Maryland. Direkt vor mir liegt ein Halbkreis von roten Ziegelhäusern im Kolonialstil, jedes mit einem weißen Gartenzaun und einem Weg aus Schieferplatten, der zu einer überdachten Eingangstür führt. Die Geländer glänzen und die Blumenkästen an jedem Fenster fließen über von Farben. Meine Mutter strahlt vor Stolz, als sie mich durch das Tor und zur Eingangstreppe führt. Ich lasse den Blick über die Nachbarschaft schweifen, als sie auf ein Haus weiter hinten an der Straße deutet.
„Tante Sophie wohnt da drüben.“
„Ich frage mich, ob sie immer noch Kuchen backt.“
„Natürlich, und sie schmecken immer noch köstlich!“ Ich sehe, dass mein Mutter ganz begeistert ist, endlich in dem wunderschönen Haus zu leben, das ihr in ihrem irdischen Leben versagt blieb.
Als wir uns der Haustür nähern, sehe ich, dass sie blendend weiß gestrichen ist und zwei kleine Fenster hat. Ein zwanzig Zentimeter großes, silbernes Kreuz scheint in der Mitte zu schweben. Das Innere des Hauses ist makellos sauber und schlicht möbliert, unter anderem mit einem großen, grünen Sofa und einem bequemen, braunen Liegesessel in der Ecke. Die Räume haben eine einladende, warme Atmosphäre mit einem großen, gemauerten Kamin und einem im frühen amerikanischen Stil möblierten Essbereich.
Die Gedanken meiner Mutter füllen meinen Geist. „Das Leben ist perfekt hier.“ Sie führt mich zu einem blassgrünen Polstersessel und sagt: „Ich weiß, das ist eine große Veränderung für dich; so vieles, was du erst mal aufnehmen musst.“
Wir sitzen eine Weile, während ich versuche, meine neue Umgebung zu verarbeiten. Meine Gedanken laufen auf Hochtouren. Die überwältigende Wahrheit sackt immer mehr ins Bewusstsein: Ich bin im Himmel. Die Chemo, die Übelkeit, all die Schmerzen und das Elend der physischen Welt liegen hinter mir. Eine Welle von Hochgefühl umflutet mich, als mir klar wird, dass ich es endlich nach Hause geschafft habe. Ich platze zwar fast vor Fragen, aber ich fühle mich noch geschwächt vom Übergang.
„Wir haben später noch genug Zeit, um alles zu besprechen; du bist sicher erschöpft.“ Sie spürt mein Ruhebedürfnis und führt mich durch einen Flur zu einem unbenutzten Schlafzimmer. Als ich eintrete, werden meine Kindheitserinnerungen lebendig. Die Wände sind mit einer blauen Tapete mit schmalen, gelben Streifen bedeckt. Mein liebstes Science-Fiction-Filmposter aus meiner Kindheit, Der Tag, an dem die Erde stillstand, hängt neben einem Einzelbett, das verblüffend demjenigen ähnelt, in dem ich als Junge schlief. Auf einer alten, braunen Kommode steht das Modell eines Spitfire-Kampfflugzeugs aus dem Zweiten Weltkrieg, das ich als Zehnjähriger gebaut habe.
„Ich habe dir ein Zimmer vorbereitet, von dem ich dachte, dass es dir gefällt“, erklärt meine Mutter, als sie meine Verwirrung bemerkt.
„Es ist großartig“, sage ich, während ich ein Bilderbuch aufhebe und darin herumblättere.
„Freut mich, dass es dir gefällt.“ Sie wartet, während ich weiter das Zimmer begutachte. „Die Veränderung ist anstrengend, du solltest jetzt schlafen.“ Sie küsst meine Wange und schließt die Tür hinter sich. Eine Welle von Müdigkeit fegt durch meinen Körper und ich lasse mich auf die blau karierte Decke meines Kinderbettes fallen. Als ich mich auf dem Bett ausstrecke, kehren meine Gedanken zurück zu meiner Frau und meinen Kindern. Wie geht es ihnen? Wie soll Tracy es schaffen, unsere Kinder ganz ohne meine Hilfe großzuziehen? Ich würde sie alle so gern wiedersehen.
Als ich die Augen schließe, spüre ich ein intensives inneres Ziehen von der Mitte meines Rumpfes her. Ich steige vom Bett nach oben auf, parallel zur Bettdecke. Ebenso schnell wechselt die Umgebung und ich stehe im Schlafzimmer meiner Töchter. Meine kleinen Mädchen schlafen in ihren identischen Betten. Sie sehen wie wundervolle Engel aus. Mit einem sanften Kuss auf ihre Stirnen flüstere ich: „Daddy liebt euch mehr, als ihr euch vorstellen könnt. Es tut mir leid, dass ich weggehen musste.“
Maggie spürt meine Anwesenheit und öffnet die Augen. „Daddy, bist du jetzt in Ordnung?“
„Ja, es geht mir viel besser.“
„Ich bin traurig.“
„Sei nicht traurig. Ich bin jetzt im Himmel bei Oma.“
„Wann werde ich dich wiedersehen?“
„Das kann ein bisschen dauern, Schatz, aber eines Tages werden wir wieder zusammen sein.“
„Ich vermisse dich.“
„Sei ein großes Mädchen – für deine Mutter.“ Ich versuche, ihr die Decke zum Kinn hochzuziehen.
„Okay, Daddy. Ich liebe dich.“
Eine Welle von Schmerz durchfährt mich. „Ich werde dich immer lieben.“
„Mit wem redest du, Maggie?“, höre ich Lizzie mit schläfriger Stimme fragen.
„Es ist Daddy. Es geht ihm jetzt viel besser.“
„Ich vermisse ihn.“
„Ich auch – geh wieder schlafen.“
„Okay. Gute Nacht, Maggie.“
Maggie lächelt und sinkt wieder in den Schlaf.
Ich denke an Tracy und stehe plötzlich neben unserem Bett, in dem sie schläft. Sie sieht so schön aus. Ich setze mich neben sie und streiche ihr sanft mit den Fingern durchs Haar. Ich kann mich nicht zurückhalten und lehne mich ein wenig hinüber, um ihre Lippen zu küssen. „Ich vermisse dich.“
Sie seufzt leise und betastet ihren Mund. „Frankie“, murmelt sie und dreht sich auf die andere Seite.
Ich frage mich, ob sie sich an diesen Moment erinnern wird.
Nachdem ich – meinem Gefühl nach – tagelang geschlafen habe, öffnen sich langsam meine Augen und eine ungewohnte Energie strömt durch meinen Körper. Als ich vollständig erwacht bin, fühle ich mich erfrischter, als ich mich seit Jahren gefühlt habe. Als ich meine Gedanken sammele, überfällt mich eine plötzliche Panik: War die ganze Erinnerung, in den Himmel gekommen zu sein, nur ein grausamer Traum? Ich springe aus dem Bett und starre in den Ankleidespiegel auf der Innenseite der Schlafzimmertür. Ein junger Mann schaut zurück und ich weiß, dass ich es bin. Es ist kein Traum; ich bin lebendig und wieder voller Energie. Mein Körper ist leicht wie eine Feder und ich kann sehen, dass ich etwa fünfundzwanzig Jahre alt bin. Zum ersten Mal seit langer Zeit umrahmt dichtes, dunkles Haar mein junges Gesicht im Spiegel. Ich muss laut auflachen, denn jetzt weiß ich, dass es alles echt ist – das muss der Himmel sein. Eine Welle der Erleichterung durchflutet mich; ich fühle mich neu geboren.
Der Duft von frischem Kaffee und das Geräusch von brutzelndem Speck durchbrechen meine Konzentration und führen mich in die Küche. Meine Mutter ist ein strahlender Sonnenschein, als sie ihr traditionelles Sonntagsfrühstück vorbereitet. Sie dreht sich um, begrüßt mich mit einem Lächeln und reicht mir ein Glas frisch gepressten Orangensaft. Meine Sinne sind geschärft; jede Farbe und jeder Duft ist so intensiv; ich kann sogar die Süße des Saftes riechen.
Als wir uns beim Frühstück unterhalten, wird mir schnell klar, dass es eine spannende Welt zu entdecken gibt. Es gibt so viel zu sehen und zu tun und ich brenne darauf, meine neue Heimat hier im Himmel zu erkunden. Ich überschütte meine Mutter mit Fragen, und manchmal überraschen mich die Antworten. Die Persönlichkeit und der Humor meiner Mutter sind erstaunlich unverändert geblieben. Mit einem breiten Lächeln reicht sie mir einen Teller mit Speck und Spiegeleiern. Beim Essen erzähle ich ihr von meinen Erlebnissen der vergangenen Nacht.
„Letzte Nacht habe ich Tracy und die Mädchen besucht.“
„Das ist gut. Seine Lieben zu besuchen ist normal; die meisten von uns kehren direkt nach ihrer Ankunft hier noch einmal zurück, um sich zu verabschieden. Es ist schwer, die Menschen loszulassen, die man liebt.“
„Ich war überrascht, dass Maggie meine Anwesenheit bemerkt hat.“
„Manche Menschen sind einfach sensitiver als andere. Kinder sind besonders offen“, sagt sie, während sie mein Saftglas nachfüllt.
„Also werde ich sie wiedersehen?“
„Natürlich. Und eines Tages wirst du vielleicht ein Haus für deine Familie aussuchen, in der sie dann leben kann, so wie ich es getan habe. Vielleicht direkt hier in der Nachbarschaft.“
„Woher weißt du das?“, frage ich, während ich weiter mein Frühstück verschlinge.
„Weil ich dich besucht habe, nachdem ich gestorben war. Vielleicht hast du es als Traum in Erinnerung behalten.“
„Stimmt, ich erinnere mich, dass ich von dir geträumt habe. Es wirkte so real.“
„Es war real – und jetzt bist du hier, wieder zu Hause bei mir.“
Meine ersten Wochen im Himmel widme ich der Erkundung dieser Welt von endloser Schönheit. Spektakuläre Wasserfälle, kristallklare Seen und fantastische Sonnenuntergänge gehören zum täglichen Programm. Jeder Baum, jede Blume und jeder Grashalm scheinen von vibrierender Lebendigkeit zu sein und formen eine faszinierende Landschaft. Jede Lebensform schimmert vor Energie und Leben. Mir war nie klar, dass es so viele Farben geben kann. Einige dieser atemberaubenden Anblicke ähneln Orten, die ich in meinem alten Leben besucht habe, aber hier ist alles so viel perfekter, als ich es mir je hätte ausmalen können.