Ey hör mal! - Gulraiz Sharif - E-Book

Ey hör mal! E-Book

Gulraiz Sharif

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Beschreibung

Die Jugendbuch-Sensation aus Norwegen - ausgezeichnet mit dem LUCHS des Jahres 2022 (DIE ZEIT/Radio Bremen) Es sind Sommerferien und der fünfzehnjährige Mahmoud stellt sich auf lange Tage außerhalb seines Plattenbau-Viertels am Rand von Oslo ein. Norwegische Norweger verreisen in den Sommerferien, aber was machen mittellose Ausländer? Doch dieser Sommer wird anders. Denn die Familie erhält Besuch von Onkel Ji aus Pakistan und Mahmoud soll ihm die Stadt zeigen. Onkel Ji ist fasziniert von dem fremden Land, doch dann beginnt auch er sich zu fragen, ob mit Ali, Mahmouds kleinem Bruder, etwas nicht stimmt. Denn Ali spielt mit Puppen und benimmt sich nicht so, wie ein Pakistani-Junge sich benehmen sollte …

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Seitenzahl: 248

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Gulraiz Sharif

Ey hör mal!

Aus dem Norwegischen von Meike Blatzheim und Sarah Onkels

© Atrium Verlag AG, Imprint Arctis, Zürich 2024

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © CAPPELEN DAMM AS2020

Übersetzung: Meike Blatzheim und Sarah Onkels

Sensitivity Reading: Marius Schaefers

Covergestaltung: Helene Brox

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

ISBN978-3-03880-154-5

 

www.arctis-verlag.com

Folgt uns auf Instagram unter www.instagram.com/arctis_verlag

 

 

 

Für Huma, Maira und Ismail

 

 

 

So, Sommerferien. Super für norwegische Norweger, aber glaub mir, Alter, für uns Ausländer ohne Asche gar nicht super! Was solln wir denn schon machen? Die so: Hütte am See, Hütte in’n Bergen, Hütte am Meer, Hütte auf’m Land, Hütte an ’ner Küste, so was lernen wir in der Schule, ja sogar ’ne Hütte in den Schären, Mann! Plus eine in Schweden und, du glaubst es nicht, in Nesodden. Die haben echt ’ne Hütte gleich bei Oslo! Nicht dass alle norwegischen Norweger in Oslo wohnen, schon klar, aber als ich das gehört hab, wär ich fast umgekippt. Halt so: Haste Bock auf Plumpsklo? Fährste kurz raus aus Oslo zum Plumpsklo. Und da bleiben sie dann wochenlang. Platzieren ihre weißen und rosa Ärsche auf so creepy schwarzen Löchern und so unter ihnen ’ne Fuhre Scheiße. Ich krieg ’nen Herzinfarkt von diesen Klos, voll die Paranoia halt.

Bruder, ich denk mir einfach Folgendes, wie’s in gutem Norwegisch heißt: Bro, mein Vater ist doch nicht mit Zug und Container durch Deutschland und Dänemark nach Norwegen getrampt, um draußen zu scheißen. In so ’nem Plumpsklo mit schiefen Holzwänden. In ’nem Haus, das fast umkippt! Er ist ins schöne, lang gestreckte Norwegen gekommen, um drinnen zu scheißen. Wenn er unbedingt draußen scheißen wollte, hätten wir mehr als genug, und ich meine, MEHR als genug, Landschaft in Pakistan. Das Problem ist nur, in Pakistan gibt’s übelst giftige Schlangen, Mann. Und in Norwegen halt bloß so süße, kleine kreuzige Ottern mit so Fangzähnen. Dass ich nicht lache, Alter!

Die hab ich schon hundertmal gesehn, wenn ich mal wieder um den Grorud-See latsche, um mich selber zu finden oder innere Ruhe vor meinem kleinen Bruder und meinen Eltern. Die sind echt so was von ungefährlich. Jetzt nicht meine Familie, die Kreuzottern, mein ich. Die schleichen über die Wege, voll gechillt, denen geht’s gut, weil die leben in Norwegen. In Pakistan bekomm ich bei jeder Schlange, die ich seh, Eierklappern. In Pakistan wär ich gar nicht erst um den See gelatscht, um mich selber zu finden! Die Norweger haben uns beigebracht, uns selber zu finden. Pakistanische Eltern nehmen ’nen Schlappen und scheuern dir eine, dass du nicht mal mehr die Wohnungstür findest, wie zur Hölle sollst du da dich selber finden?

 

Einmal hat Papa mir nach ’nem Spaziergang um den Grorud-See halb zum Spaß ’nen Klaps auf den Hinterkopf gegeben und gefragt: »Oie, Mahmoud, hast du dich selbst gefunden?«

Ich hab Nein gesagt, also aus Versehn, weil ich nicht richtig zugehört hab. Echt jetzt, Bro, Papa hat Mama den Besen holen lassen und gerufen: »Ich bin nicht nach Norwegen gekommen, damit du durch den Wald spazierst und dich selbst suchst.«

Ich schwör, seitdem sag ich nicht mehr, ich geh spazieren, um mich selber zu finden, ich sag, ich treff ’nen Kumpel, auch wenn ich gar nicht so viele Kumpels hab.

 

Die Sache ist die: Nach ’nem Urlaub in Pakistan fühlste dich wie ’n verdammter Marvel-Held. Da haste alles überlebt, kein Scheiß! Eidechsen, Frösche, Schlangen, Echsen, Kakerlaken, riesige Monsterspinnen, alles! Plus alle möglichen Krankheiten, Typhus, Herpes, das ganze Alphabet! Du überlebst tödlichen Dünnschiss, wo du vierzig Mal am Tag auf Klo rennst und kein Wasser mehr im Körper hast. Und Straßenköter! In Norwegen fressen die Hunde so Pedigree und kauen auf Spielzeug, die sitzen rum und schaun Polit-Talkshows mit ihren Herrchen und Frauchen, die kriegen mit, was auf der Welt abgeht. Glückliche Köter, die mit hübscher rosa Zunge und ordentlichen Zähnen lächeln, amüsieren sich wie die Kreuzotterchen. Weißte, was ich mein? In Pakistan fressen die Köter Mist und Dreck, tote Tierleichen, kein Plan, was die in sich reinschaufeln! Die trotten den ganzen Tag so entspannt durch die Gegend wie die Ausländer in Oslo-Grønland oder die Kurden in der City, die ’ne Freundin suchen. Und wenn sie was sehn, schlagen sie zu. Nicht die Kurden, mein ich, die Köter. Wie zum Beispiel, als mich im Urlaub mal so ’n kläffender Bastard verfolgt hat. An dem Tag hatte ich Megadünnschiss, weil ich hatte massig Chilicurry gegessen. Der Scheißköter hat meinen Hintern abgeleckt, der war irre hungrig, für den war alles Essen. Die andern Jungs aus dem Dorf haben mich ausgelacht.

Danach hab ich extra viel Naan gegessen, um Verstopfung zu kriegen. Die letzten drei Wochen in Pakistan musste ich bloß zweimal auf Klo, zum Glück beide Male in so ’nem feinen Restaurant mit westlicher Toilette.

Aber ischwör, Alter, sobald wir auf dem Flughafen Gardermoen gelandet sind, hab ich das Örtchen da gesprengt wie im Dritten Weltkrieg. Der Typ, der nach mir dran war, bekam ’n Erlebnis und ’nen Duft serviert, das vergisst der so schnell nicht, dieser arme norwegische Norweger. Mann, die Scheiße von drei Wochen konzentriert im Magen. Der Norweger wollte sich entspannen, vielleicht den Pondus-Comic in der Zeitung lesen oder seine Wetter-App checken. Der hat sicher heute noch Albträume. Armer Robert, der nach mir kacken wollte.

Ich seh ihn vor mir, er rollt das R, weil er kommt aus Südnorwegen. Nach dem Klobesuch hat er bestimmt die Rechten gewählt. Der so: »Solches Drecksvolk will ich nicht in meinem Land haben!« Jetzt hat Robert ’ne Facebook-Gruppe: »Asylanten überrennen unser Land! Erstes Zeichen: Brrrutaler Gestank nach Exkrrrementen!« Er sitzt in seiner Kellerwohnung vor dem hell erleuchteten Bildschirm und schreibt Bullshit über uns Einwanderer, während er tausend Likes von andren Norwegern kriegt, die auch in Kellerwohnungen im Dunkeln vor leuchtenden Screens hocken.

Bruder, unsre Mägen sind so voller Chili, Kebab und Limo, wie solln wir das Land erobern? Mit Furzen und Rülpsen?

Norwegen erobern ist nicht ohne, so viel Wald hier, Alter! Wie erobert man das Nordkap? Welcher Paki geht schon dahin und sagt: ›So, meine Brüder, ich hab das Nordkap eingenommen‹? Wer traut sich, bis nach Svalbard zu reisen? Und dann so: ›Hier steh ich, Toofiq, und nehm Svalbard ein, Brüder!‹ Die haben da doch weiße Eisbären!

Die Somalis kauen den ganzen Tag lang Khat, dürre Teufel, wie solln die was erobern? Abdi mit Khat im Rucksack zieht los und nimmt die Stadt Bergen ein? Die Somalis blödeln mit ihren Kumpels rum und tragen richtig nice Blazer, ihre Frauen solln möglichst viele Kinder kriegen, die haben keine Zeit, Norwegen zu erobern. Die Irakis nuckeln in ihrem Lieblingscafé stundenlang am selben Kaffee. Die Marokkaner müssen qualmen, die haben keine Zeit, das Land zu erobern. Die Türken kümmern sich um ihre Gemüseläden und gucken Galatasaray gegen Fenerbahçe im Türkencafé, die haben keine Zeit. Die Pakistanis müssen Taxi fahren, ihre Kinder solln Ärzte, Anwälte oder Ingenieure werden, die haben auch keine Zeit.

Norwegische Frauen müssen also mehr Kartoffelkinder kriegen. Solche Emils, Theos, Lukasse und Sindres, weißte, was ich mein? Emmas, Noras und Saras. Sogar die Mutter der Nation, Erna, hat in so ’ner Neujahrsansprache appelliert: »Liebe Frauen, ihr müsst mehr Kinder kriegen.«

Wahrscheinlich hat Siv Jensen von den Rechten zu ihr gesagt: »Erna, sag den Norwegern, sie müssen mehr ashko sein, also so leidenschaftlich oder wie das heißt, nicht nur Brunost und Goji-Beeren und Quinoazeug essen. Ihr müsst weniger auf dem Laufband rennen, mehr Kinder bekommen. Sonst haben wir irgendwann einen somalischen oder nordafrikanischen Ministerpräsidenten.«

Wallah, Erna hat bestimmt geantwortet: »Siv, du alte Psycho-Bitch! Ich bin aus Bergen, ich regiere das Land mit ruhiger Hand. Wenn was ist, kannst du es mir aber ins Ohr flüstern, oder wir machen eine WhatsApp-Gruppe, in der du mir sagst, was ich sagen soll.«

Stell dir vor, Asker heißt plötzlich Askerbaidschan, Bro. Bærum wird zu Bærut. Bææærut. Kapierste, Bro?

Aber norwegische Kinder werden mit Skiern an den Füßen geboren, die stehn weit auseinander, diese Skier, deshalb trauen sich Linda, Mari und Kari nicht, zu gebären. Abdi wird nicht mit Skiern an den Füßen geboren, deshalb kriegt Khalida Kinder über Kinder.

Ich weiß noch, wie wir mal ’ne Tante besucht haben, also, weil alle pakistanischen Frauen, die so alt sind wie deine Mutter oder älter, sind Tanten, sonst bist du respektlos. Wir also los, die Tante besuchen, sie hatte grade ’ne Tochter bekommen. Sie teilte ihr Zimmer im Krankenhaus mit so ’ner Ausländermutti, die selber grad ’n Kind bekommen hatte, und alle andren sieben zu Besuch, Alter! Die waren alle grad mal ’n Jahr auseinander, so ungefähr zumindest. Die Brut hat das Krankenhaus in Schutt und Asche gelegt. Echt mal, die armen norwegischen Krankenschwestern waren voll geschockt. Weil in Norwegen ist ja immer alles nett und gemütlich. Deshalb will Siv Jensen nicht zu viele von uns, denn dann ist es nicht mehr so gemütlich. Und wenn’s ungemütlich wird, werfen einem die norwegischen Norweger so ’nen strengen Blick zu, irgendwie so pikiert oder wie das heißt. Sie zeigen einem mit den Augen: »Das ist jetzt ungemütlich. Gunnar und Karin gefällt die Situation nicht.«

 

Oft sitz ich auf der Bank unten vor unserm Wohnblock und träum einfach nur davon, dorthin zu ziehen, wo was los ist. Rein in die Stadt, weg von den hässlichen U-Bahn-Stationen hier, die keiner mal richtig in Schuss bringt. Ich hab so voll das Oslo-Feeling und will die Hauptstadt erobern. Aber um die Hauptstadt zu erobern, braucht man Kohle, Cash, Zaster, Geld in der Tasche, Mann! Nicht super für uns Ausländer ohne Asche, die hier die Bänke platt sitzen. Ich sag’s dir, nicht mal die Bänke wolln uns hier. Die nur so: »Hey, Jungs, habt ihr in den Sommerferien nichts zu tun? Alle sind verreist und tanken Vitamin D in der Sonne, wir Bänke strecken mal ’n bisschen die Gelenke aus, lassen das Holz ruhen. Müsst ihr eure schwarzen Ärsche unbedingt auf uns platzieren, stundenlang bleiben und über euer verdammtes Loserleben ablästern?«

Das Einzige, was ich an diesem ersten Tag der Sommerferien hör, ist meine Mutter, die wie ’ne Irre aus der elften Etage vom Balkon runterschreit, als ob wer aus der Familie oder der Verwandtschaft gestorben wär.

»Oieee, Mahmoud! Kannst du vier H-Milch und drei Brote holen? Und bring Kefir mit!«

Und dann schmeißt sie das Geld in ’ner alten Rema-1000-Tüte runter, Kleingeld, das Papa bei seinem Taxijob nicht loswird, weil fast alle bezahlen mit Karte oder per App. Glaub mir, Bruder, jedes Mal, wenn du diese Tüte siehst, verfluchst du dein Leben. Die bist nämlich du, aber mit ohne Geld drin, weißte, was ich mein? Wie die Tüte schwebst du durch die Luft und träumst von besseren Zeiten. Und jedes Mal wachst du davon auf, dass die Tüte auf den Boden knallt und deine Mutter schreit: »Oieee, Mahmoud, hast du die Tüte? Hat sie keiner geklaut?«

»Hab sie«, antworte ich, während ich zu der Frau hochguck, die mich geboren hat.

Aber diese Nation braucht nicht mich, norwegische Norweger braucht das Land. Mama schreit wieder, obwohl ich gesagt hab, dass keiner das Geld aus der Tüte genommen hat. Wer auch, der schnellste Dieb der Welt, oder was?

»Bring Bullet-Chilis mit. Und vergiss den Naturjoghurt nicht. Dein Vater kackt Blut, wenn ich Chili pur ins Essen mach. Ich muss Joghurt untermischen, für die Balance im Magen. Und hol zwei große Coca-Cola mit Zucker und eine große Sprite. Dein Onkel trinkt nur Sprite.«

Balance im Magen, leck mich an meinem haselnussbraunen Arsch! Mein Vater trinkt so viel Joghurt, so viel Actimel, der leert den ganzen Laden. Ich glaub, sein halber Taxilohn geht dafür drauf, sein System von innen zu schmieren, echt jetzt! Dabei lässt er echt giftige Fürze fahren, die sind brutal, Alter. Die Grünen sollten ihn dafür anzeigen, sie sollten ’ne Mautstation um seinen Arsch bauen! Während die norwegischen Norweger versuchen, den CO2-Ausstoß zu senken, pumpt Papa noch mehr CO2 in die Atmosphäre! Eigentlich ist er derjenige, der die Ozonschicht kaputt gemacht hat, glaub ich, womit solln die Norweger schon die Luft verpesten? Mit Kartoffeln, Lachs und saurer Sahne? No way, Bruder, deren Essen ist viel zu mild. Sieh sie dir an, die Armen essen fast nur gelben Käse auf Brot, oder weißen, obwohl ich den Unterschied noch nie gecheckt hab, oder Polarbrød mit was drauf. Die einzigen Gewürze, die die haben, sind halt so Salz und Pfeffer.

Um richtig exotisch zu sein, tun sie Curry in die Fischbällchensoße! Oder sie essen so Fertig-Tikka-Masala.

Der Onkel, von dem Mama redet, ist Papas großer Bruder, Onkel Ji halt. Das ist höflich auf Urdu, das heißt so was wie ›lieber Onkel‹.

Onkel Ji glaubt, Sprite zu trinken reinigt ihn innerlich, ich hoffe, er furzt nicht so viel wie sein kleiner Bruder. Sonst haben wir bald so ’n brutales pakistanisches Furz-Orchester mit zwei Brüdern, die beide ’n Loch im Arsch kriegen, sobald sie Chili essen.

Onkel Ji kommt mit so ’nem Zweimonatsvisum zu Besuch. Alter, ich sag’s dir, Siv Jensen und ihre Partei haben so Schiss, dass er den Staat verarscht und länger bleibt, er musste durch siebzehn Interviews mit der Polizei! Sie haben ihn die dämlichsten Sachen gefragt, er war ganz verwirrt. Papa musste garantieren, dass er die finanziellen Mittel hat, den Onkel zu versorgen, und dass er nicht versuchen wird, ihn im Land zu behalten. Wo sollten wir ihn denn auch verstecken? In unsrem Kellerkabuff?

»Ja, ja«, antworte ich, während ich die Tüte aufheb, die schon bessere Tage erlebt hat und eigentlich mal ausgewechselt werden müsste. Aber dann fällt mir die Regel ein, die Papa mir genauestens erklärt hat. Dabei hat er mir so tief in die Augen geguckt, als wär’s die höchste Philosophie: »Ich bin nicht nach Norwegen gekommen, um jedes Mal eine neue Tüte zu kaufen, wenn ich einkaufen geh, Mahmoud. Eine Tüte kann so lange benutzt werden, bis sie nicht mehr wie eine Tüte aussieht.«

Meine liebe Mutter ruft schon wieder und das Ganze wird noch peinlicher.

»Aber beeil dich, den Kefir muss ich über die Kräuter und Gewürze gießen. Verquatsch dich nicht mit diesem Esel Arif.«

Und dann legt Mama plötzlich mit Papas Magen- und Arschlochproblemen los, alle Nachbarn auf den Bänken vorm Haus und auf den Balkonen beim Wäscheaufhängen hören zu. Jetzt kommen sie alle zusammen, um auf gebrochenem Norwegisch, Urdu oder Punjabi Alte-Weiber-Weisheiten aus ihrer Heimat hochzuplärren. Wie bei so ’nem UN-Meeting, Alter, aber es geht nicht um Hunger, Not und Klimawandel, sondern ums Arschloch meines Vaters! Sie rufen tausend Ratschläge nach oben, was Mama tun kann, damit Papa weniger Blut kackt von all den Chilis. Es ist so cringe, dass ich am liebsten rauf in den elften Stock, rein in die Wohnung und raus auf den Balkon gelaufen wär, um vor Mamas Augen runterzuspringen, während das Gelaber über Papas Furzerei hinter mir immer leiser wird. Boah, was da für Ratschläge kommen! »Massier seine Pobacken mit eiskaltem Senföl.« Eine andre Nachbarin mit kurdischem Akzent rät: »Unten im Rücken ist der Furzkanal, Schwester, stich ihm Nadeln da rein, die du vorher in Olivenöl von schwarzen Oliven und in Eiweiß erhitzt!«

Alter, meine unschuldigen Ohren müssen sich die dämlichsten Ratschläge anhören, alle machen einen auf Arzt oder Physio. Der Arsch meines Vaters kostet mich alle Selbstachtung, die ich mir in fast sechzehn langen Jahren im Viertel aufgebaut hab. Sogar die Sechsjährigen gucken mich grinsend an, so ’n Hosenscheißer ohne Schneidezähne fragt: »Ssstimmt das, Mahmoud, dein Papa hat Ssschmerzen im Po?«

Ich schau zu Mama rauf, die wie ’ne Irre alles auf ’nem DIN-A4-Blatt notiert. In der Hand halte ich hart verdientes norwegisches Geld in ’ner zerschlissenen Tüte. Viele hätten es gern. ’ne Tante wollte das norwegische Geld sogar so sehr, dass sie was davon mit nach Pakistan genommen hat. Sie hat kleine Päckchen draus gemacht und die mit jeder Menge Plastikfolie um ihren Oberkörper gebunden. Vorher hatte sie jedes Päckchen sorgfältig in Folie eingepackt und es mit Tamarinde und Kurkuma eingeschmiert. Aber sie wurde von irgendwelchen Kötern geschnappt, die kapiert haben, dass ihr Bauch zu stark nach Geld roch. Die Hundenasen haben einfach an der Currymischung der Tante vorbeigeschnüffelt.

Jetzt sitzt die Tante irgendwo weit weg in ’nem Frauengefängnis und schickt mir und meinem kleinen Bruder zweimal im Jahr selbst gestrickte Socken mit hässlichen Mustern drauf. Einmal hat sie mir ’ne Mütze geschickt mit so ’nem idiotischen Marius-Muster drauf, oder wie das heißt, so in den norwegischen Nationalfarben, die Mütze hab ich irgendwo ganz tief unten im Schrank vergraben. Falls ich irgendwann mal reich werd und ’ne fette Wohnung im Zentrum hab, dann kauf ich mir ’nen Marius-Pullover und die passende Marius-Mütze. Echt mal, dann zieh ich voll den Marius ab. Nur, wenn ich hier im Viertel zu viel Marius spiel, verprügeln mich die Jungs. Von daher ist’s für alle Parteien das Beste, wie die norwegischen Norweger so schön sagen, der zu sein, der man ist, nämlich Mahmoud. Mein Ziel ist, dass die norwegischen Norweger eines schönen Tages in Mahmoud-Pullovern rumspazieren. Mit Currymuster und so gestricktem weißen Knoblauch überall drauf. Ein paar rote Zwiebeln hier und da, ganz unten ’ne Reihe grüne Chilis und in der Mitte ’n paar rote Chiliflöckchen. Mahmoud-Pulli, Bruder! Der wird weggehn wie warmes Naan. Einer meiner feuchten Träume ist es, dass unsere Ministerpräsidentin Erna Solberg so ’nen Mahmoud-Pulli im Öffentlich-Rechtlichen trägt, während sie zum Volk über die Lage der Nation spricht. Alter, stell dir vor, Knoblauch und Chilis wanken und schwanken auf ihren Brüsten! Die Zwiebeln tänzeln auf ihrem Bauch rum, während sie im Fernsehn spricht, und ganz Norwegen sieht und hört es: »Dieser Pullover ist richtig bequem und von bester Qualität, dieser Mahmoud ist ein echter Pulli-Mogul.« Yes, Bro! Siv Jensen dagegen würde meinen Pullover sicher als Schleich-Islamisierung bezeichnen. In meinen Träumen flüstert sie mir ständig mit so ’ner creepy Stimme zu: »Nooorwegische Werte, Mahmoud, norwegische Weeeeeerte.«

Ich wach aus meinen Tagträumen auf, als ich Mama rufen hör:

»Oieee, Mahmoud, steh da nicht so rum, geh schon los. Dein Onkel kommt gleich. Du musst dich beeilen!«

 

 

 

Ich beweg meinen Hintern zum Mini-Markt, zu dem langen Regal mit Brot. Dort stoß ich auf ’ne Seele, genauso verloren wie ich. Das ist der Kerl, vor dem Mama mich gewarnt hat, der, mit dem ich nicht so viel rumhängen soll. Der Esel, wie sie sagt, der einäugige Arif. Den Namen hat er, weil seine Mutter ihm ’ne leere CD-Hülle ins Auge geworfen hat. Sie so: »Hörst du auf deine Mutter oder auf die dummen, rappenden Idioten da?« Und dann, bäm, bevor er antworten kann, feuert sie die Hülle auf ihn wie so ’nen Ninja-Stern, während »Ain’t no mama like your mama« in voller Lautstärke durchs Zimmer dröhnt. Statt Arif zu trösten, hat sie gesagt: »Das wirde schon, Arif. Ich hab acht andre Kinder, die können sehen. Was macht also, wenn du nicht kannst sehen mit die eine Auge? Wir haben Sozialamt, die helfen dich mit Geld. Norwegen hilft die, die nicht sehen können. Wenn du verlierst beide Augen, dann ich und dein Vater machen noch eins, kein Broblem.«

Wir trösten Arif damit, dass er wie ’n eeechter somalischer Pirat aussieht, so einer, der raubkopierte CDs aus dem Somali-Shop hört. Er ist der somalische Jack Sparrow der Hood, bloß der Papagei fehlt, aber den kriegt er auch noch, ’nen echten Kakadu, dann ist er der King.

Jetzt steht er im Mini-Markt und sucht nach Weißbrot und stellt sich an wie ’n Köter, der seinen Schwanz sucht, Mann. Ich nehm vier Brote und leg sie in seinen Einkaufskorb. Kein Plan, ob das ’ne Träne in Arifs einem Augenwinkel ist oder ob er plötzlich ’ne Pollenallergie gekriegt hat, wie oft die Norweger, aber er weiß, dass wir Partners in Breadshopping sind, ein Leben lang. Jeden einzelnen beschissenen Tag.

Das Ding mit unserm Laden ist, dass man morgens hingehn muss, wenn man Graubrot und Weißbrot will! Du musst beide Augen offen halten, also wenn du jetzt nicht grad Arif bist. Nur wenn du wie ’ne Mischung aus Lightning McQueen und The Flash zum Laden rast, kriegst du richtig frisches Brot für deine Mutter. Sonst scheuert sie dir dermaßen eine, das glaubste nicht. Keine norwegische Ohrfeige, nein, das ist echte ausländische Power, Alter. Sie nennt dich ’nen unehelichen Hundesohn und verkloppt dich für’n beschissenes Brot. Alle DNA-Tests beweisen, dass du ihr leibliches Kind bist, und trotzdem nennt sie dich ’nen Bastard, ich kapier’s nicht. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich schon wegen billigem Graubrot Dresche gekriegt hab, Mann! Die andren Brote sind viel zu teuer. Solln wir etwa Brot für 38 Kronen essen? Papa sagt immer: »Ich bin nicht nach Norwegen gekommen, um die Körner im Brot selbst zu zerbeißen, Graubrot ist schon grob genug.« Kein Wunder, dass wir Blut kacken.

Wartet nur ab, bis Mahmoud reich wird, dann kauf ich das beste, beeeste Graubrot der Welt. Bro, ich fahr mit meinem Tesla zum Mini-Markt, nee, zu so ’nem Feinkostladen, und kauf das beste Brot mit den besten Ballaststoffen und den besten Körnern. So eins, das von blinden Nonnen aus Valencia geknetet und gebacken wird, Bruder. Und wer hat es mit Körnern bestreut? Yo, sexy Mamacitas Chiquitas aus Kuba! Falls ich nicht ganz so reich bin, nur so mittelreich, kauf ich halt so No-Carb-Haferbrot von irgend’ner Bio-Marke oder so ’n Petter-Northug-Brot.

Der einäugige Arif und ich bezahlen und hängen unten vorm Wohnblock rum. Arif hat immer Bock zu chillen, ihn fuckt das ständige Geplärre seiner Geschwister ab und das seiner Hijab tragenden Mutter, die nonstop über Lautsprecher mit irgendwelchen Verwandten in Somalia quatscht.

Und ja, Mama und Papa trinken halt immer so Doodh Pati Chai, pakistanischen Tee, der bis zum Verrecken totgekocht wird. Wetten, dass der Onkel auch massig Chai trinkt? Das heißt, wir brauchen mindestens jeden zweiten Tag neue Milch, und das heißt viele, viele Wege zum Mini-Markt für mich. Ich seh meine Sommerferien vor mir. Während Peder und Filip vom Fünfer ins Becken springen, spring ich nur in den Laden.

Papa ist mit dem Taxi los nach Gardermoen, um den Onkel einzusammeln. Ich steh mit meinem einäugigen Somalibruder vorm Block, wir stehn so rum und genießen die Wärme des Sommers auf der Haut. Wir werden zwar nicht brauner und schwärzer, als wir sind, aber etwas Vitamin D schadet nicht, Digga. Meistens sagen wir nicht viel. Aber das ist voll okay. Ich denk so über dies und das nach, philosophier ’n bisschen übers Leben, weil ich frag mich halt vieles, weißte, was ich mein? Mama nennt mich ’nen Philosophen, einen Sohn von Ghalib, das ist so ’n Alkoholiker, der früher mal in Indien Gedichte geschrieben hat. Sie sagt, ich denk zu viel nach.

Plötzlich bricht Arif die Stille.

»Brudi?«

»Was los, Brudi?«, antworte ich.

»Weißte, ich denk, so ’n Sommerjob wär echt nice, aber ich seh halt nicht so gut mit’m einen Auge.«

»Such einfach weiter, selbst wenn es scheißzuspät ist, Mann! Um ’nen Sommerjob musst du dich echt früh kümmern, Bro. Nicht erst so mitten in den Sommerferien, du Freak, du verpeilter Somali!«

»Verdammter Paki! Ich brauch ’ne voll gute Bewerbung, wie mach ich das beim Vorstellungsgespräch, Bro? Du bist doch ’n kluger Typ!«

Arif guckt mich so gespannt an, als hätt ich die Lösung für alle Rätsel der Welt, jedenfalls dafür, wie man ’nen Job kriegt.

»Hör zu, Bruder, spiel norwegischer Norweger. Sprich so posh so, weißte, was ich mein? Keine Wörter von der Straße, okay? Sprich wie ’n Olav oder ’n Preben oder, noch besser, wie ’n Axel. Fließend, Bro, bleib im Flow. Der norwegische Norweger muss glauben, dass du ’n norwegischer Norweger bist, bloß mit der falschen Hautfarbe, er muss denken, du bist adoptiert, Bro. Du musst zeigen, dass du hart arbeiten kannst, sonst denkt der, du machst so einen auf krank, sobald du deinen ersten Lohn hast, das steckt dir so im Blut! Faulheit, weißte. Du bist der erste Somali, der freiwillig arbeiten will, Erna Solberg müsste eigentlich ’ne Runde Marzipantorte im Parlament schmeißen, Digga!«

Ich zwinker ihm zu.

»Halt’s Maul, Alter!«

»Ey hör mal! Du musst dich vom einäugigen Arif in ’nen einäugigen Kurt Bjarne Fredriksen verwandeln!«

Ich hätt mir selber ’nen Job gesucht, aber ich hab so ’n Schiss vorm Vorstellungsgespräch, da hab ich’s gelassen, Mann. Denn ich bin sicher, wenn Astrid oder Sigrid oder irgend’ne andre Tussi im Betrieb ’nen Blick auf meine Bewerbung wirft, wird sie die zu ’nem Ball zusammenknüllen und mit spitzen Fingern in den Müll werfen, sobald sie meinen Namen sieht. Mahmoud Mahroff, echt jetzt? Ischwör, ich hab schon öfters überlegt, meinen Namen zu ändern. Ich würd mich lieber Jørn oder Bjørn nennen und sagen, dass ich adoptiert bin, aus Indien, Bangladesch oder dem Iran. Weil man muss die Norweger ’n bisschen an der Nase rumführen, das musst du, um zu überleben, erzählst ihnen Storys, die die Seele in ihnen erschüttern, weißte? Die wecken so sehr den Menschen in ihnen, dass sie dich mit nach Hause nehmen und dir Kakao kochen wolln, Bruder, und dir zwei Butterbrote schmieren mit gelbem Käse oder mit weißem, mit Paprika oder Gurke!

Auch wenn ich noch zur Schule geh, weiß ich, eines Tages muss ich hart arbeiten. Alle müssen das. Sonst läuft das System nicht mehr rund und nichts klappt mehr. Bald solln wir Pakistanis sogar zu so ’ner Ehrung ins Rathaus, jetzt, wo wir fünfzig Jahre in Norwegen gelebt haben! Fünfzig Jahre lang haben wir hart gearbeitet, Mann, aber klar, bei uns gab’s auch Probleme, Zwangsehe und die Taxi-Affäre mit Steuerhinterziehung und all so Geschichten. Aaaallter, noch fünfzig Jahre und wir sind anerkannte Minderheit wie die Sami und die Sinti und Roma! Bestimmt nimmt Siv Jensen Schlaftabletten, um das zu verdrängen, Mann.

Aber Bruder, wenn ich mal Kinder krieg, geb ich denen Namen aus dem Koran, der Thora oder der Bibel, ich nenn die so, wie Leute in allen drei großen Religionen heißen können. Jakob, Michael, Gabriel oder Daniel. Bloß Ismail geht nicht, das ist zu muslimisch, und Isaak auch nicht, das ist zu jüdisch. Dann kriegen sie vielleicht Jobs! Da steht die Hautfarbe nämlich nicht im Namen! Wenn du willst, dass dein Sohn Arbeit kriegt, gib ihm keinen krass arabischen Namen.

Eine Frau aus dem Viertel hat ihren Sohn Jihad genannt. Einmal fuhr sie mit ihm ins Einkaufscenter, vier U-Bahn-Stationen von hier, der kleine Scheißer flitzte um die Ecke und sie fand ihn nicht wieder. Sie lief durchs Einkaufscenter und rief nach ihm: »Jihaaaaad, Jihaaaaad! Wo bist du, Jihaaaaad? Komm her, Jihaaaaad!« Sie ist ’n bisschen pummelig, die Tante, sie hätte glatt ’ne Sprengstoffweste unterm langen Mantel haben können. Die armen Norweger, Alter, die wollten doch nur bei ’ner Tasse Kaffee und ’nem Stück Marzipantorte im Café chillen. Und dann gab’s Chaos statt Kuchen, alle rannten in verschiedene Richtungen weg, einige zu den Aufzügen, andre zum Parkplatz. Alte Frauen mit Rollatoren, alte norwegische Männer in so kleinen Elektromobilen mit null PS, ich hörte die Norweger schrein und kreischen. Da, plötzlich, entdeckte ich den kleinen Jihad, der mit ’ner roten Clownsnase in der kleinen Terroristenhand aus dem Billigladen kam und seiner Mutter zuwinkte! Ischwör, Digga, bei meiner Mutter und meinem Vater, meinem Großvater und meiner Großmutter! Echt, ich hatte sooo Angst, ich hätt mich fast bepisst, Alter. Wir wollten eigentlich nur ’ne Handyhülle für Papa kaufen, ich hab meinen Vater noch nie so schnell rennen sehn. Dabei sagt er sonst immer, seine Beine täten ihm weh, an dem Tag hab ich jedenfalls nichts davon gesehn, Mann, nur den Willen zu überleben.

Ich hab ihn rufen hören: »Ich bin nicht nach Norwegen gekommen, um bei einem Terrorangriff zu sterben, wir haben genug Terrorangriffe auf den Märkten in Pakistan, beim Orangenkaufen. Lauf, du undankbarer Sohn von vier Maultieren!«

Einer aus der Schule, den hat sein Vater Halim Ul Hassan Bin Talib Bin Khawaja Bin Kayyum Ul Khusri Al Daroori husne Kitaaba genannt. Mann, Alter, der wird’s schwer haben, ’nen Job zu kriegen!

Ich kann mir genau vorstellen, wie da ’n Norweger im Bewerbungsgespräch vor ihm sitzt, so ’n gechillter Typ mit Tommy-Hilfiger-Pullover und Hemd von Ralph Lauren, den Ehering aus echtem Gold am Ringfinger, und sagt: »Ja, Halim Ull Hassan Bin Talib, tja, Sie haben aber einen langen und exotischen Namen, höhö. Was, würden Sie sagen, sind Ihre Stärken, Halim Ull, ähm … hm … jetzt bin ich ein bisschen durcheinander. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich einfach Hassan sage, das klingt doch gut? Ansonsten sitzen wir hier noch bis heute Abend, mit Ihrem langen Namen, und kommen zu gar nichts. Höhöhö!«

Ich sag’s dir, Bro, um ’nen Job klarzumachen, darfst du nur zwei Namen haben, max. Wenn Mahmoud Mahroof nicht klappt, dann nenn ich mich eben Morten Martinsen.

Hoffentlich hat Arif das Wichtigste mitgekriegt. Wenn er zwischendrin was verpasst und sich seine eigene Version gebastelt hat, blamiert er sich nämlich beim Bewerbungsgespräch und haut den bekifftesten Scheiß raus, auf den sonst keine Sau käm.

Wir geben uns High Five, Low Five und Back Five wie echte Ghettokids. Das machen wir ’ne ganze Weile, denn wir wissen, die Sommerferien werden lang, kann ja nicht schaden, sich ohne Worte zu zeigen, dass wir beste Bros sind, indem wir die Hände auf verschiedene Weisen aneinanderschlagen.

»Ich muss los, Brudi, aber lass ma’ später snappen«, sag ich.

»Brudi, ich kann erst abends das Handy laden, Mann. Weißte doch, da sind noch acht andre, die ihre Handys laden wolln, wir ham ’ne Ladeliste, Bro. Aber sobald ich am Strom häng, hörste von mir.«

Ich geh den Blutberg hoch, wie wir ihn nennen, auf unsern Block zu. Dreh mich noch mal um und ruf Arif zu:

»Denk dran zu sagen, dass du nur Teilzeit arbeiten kannst!«

»Lass das Klugscheißen oder ich mach dich fertig, Mann!«

Arif hält seine Handfläche hoch.

»Bis später, Bro! Du weißt, ischliebdisch, du Fake-Kurt-Bjarne!«

Ich wink ihm mit der abgegriffenen Tüte zu. Hör ihn sagen:

»Wir sehn uns, Bruder! Ischliebdischauch, du Fake-Kartoffel!«

 

 

 

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