Familienbande - Mit Liebe gerettet (6-teilige Serie) - Susan Mallery - E-Book
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Familienbande - Mit Liebe gerettet (6-teilige Serie) E-Book

Susan Mallery

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Beschreibung

NIE VERGAß ICH DEINE LIEBE Der Job in Jack Hansons Firma ist für Samantha eine große Chance: Nach einer schweren Enttäuschung und ihrer Scheidung will sie ein neues Leben beginnen! Aber denkt Jack noch an die einzige süße Nacht, die sie vor Jahren miteinander verbracht haben? Samantha versucht sie zu vergessen! Doch mit jedem Tag in der Nähe ihres charmanten Chefs werden ihre Erinnerungen an jene leidenschaftliche Begegnung wieder stärker ... EIN TRAUMHAFTES ANGEBOT Wie wird es sein, wenn sie Tür an Tür mit diesem blendend aussehenden Mann schläft? Nina ahnt, dass aufregende Nächte vor ihr liegen, als sie in das Luxusapartment des Unternehmers David Hanson zieht. Tagsüber nimmt sie an seiner Seite geschäftliche Termine wahr, aber nachts liegt sie in ihrem Bett und träumt vom großen Glück. Und mit jeder Stunde in Davids Nähe wächst die Versuchung. Trotzdem zögert sie, seinem leidenschaftlichen Werben nachzugeben: Will David nur Sex? Oder sehnt er sich wie sie nach der Liebe für ein ganzes Leben? TRAUMURLAUB MIT SÜSSEN FOLGEN Eine Nacht voller Leidenschaft - das ist der perfekte Abschluss ihres Traumurlaubs auf Tahiti: Die hübsche Firmenchefin Delia McCray genießt jede Sekunde in den starken Armen des braungebrannten Surfers Andrew. Schon am nächsten Morgen fliegt sie nach Chicago zurück - und erlebt bald eine Überraschung: Sie erwartet ein Baby! Und dann trifft sie Andrew wieder. Er kennt offensichtlich nur ein Ziel: ihr Herz zu erobern! Delias Entschluss, ihr Kind alleine großzuziehen, gerät ins Wanken. Doch Andrew ist viel jünger als sie. Kann ihre Liebe den Altersunterschied überbrücken? KÜSS MICH, HALT MICH, LIEBE MICH Das ist die Chance für Evan Hanson! Als er nach Chicago zurückkehrt, übernimmt er im Familienkonzern einen wichtigen Posten! Allerdings aus einem einzigen Grund: Meredith Waters, seine einstige große Liebe, arbeitet hier. Evan kennt nur ein Ziel: Er möchte die hinreißende Frau zurückgewinnen. Und sein sinnliches Werben hat Erfolg - wieder liegt Meredith in seinen Armen. Evan träumt von einem neuen Glück mit ihr, da erfährt er: Meredith soll Werksspionage betreiben ... EIN LIEBESLIEBE FÜR JENNY Jenny genießt den prickelnden Flirt mit dem faszinierenden Anwalt Richard Warren. Obwohl ihr Verstand sie warnt, noch einmal auf einen so blendend aussehenden Mann "hereinzufallen". Doch beim romantischen Sightseeing in Tokio kommen sie sich gefährlich nah - und dann singt er bei einem Karaokeparty nur für sie ein Liebeslied: Jenny wird schwach. Süße Stunden der Leidenschaft erlebt sie in seinen Armen. Als Richard ihr jedoch am nächsten Tag gesteht, dass er sich nie wieder fest binden kann, trifft Jenny eine überstürzte Entscheidung ... LIEBE IM LAND DES LÄCHELNS Zärtlich blickt der attraktive Top-Manager Tom Taka die hübsche Helen an, und plötzlich klopft ihr Herz schneller! Dabei hat sie überhaupt nicht an einen Flirt gedacht, als sie zu Geschäftsverhandlungen nach Tokio gekommen ist: Nach einer glücklosen Ehe kann sie sich nicht mehr vorstellen, sich noch einmal zu verlieben. Doch dann zieht Tom sie bei einem romantischen Ausflug in seine Arme, und plötzlich weiß Helen: Jetzt geht es nicht mehr allein um die Zukunft ihres Verlags. Es geht um ihre eigene Zukunft mit dem faszinierenden Mann aus dem Land des Lächelns ...

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Seitenzahl: 1181

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Susan Mallery, Wendy Warren, Victoria Pade, Elizabeth Harbison, Brenda Harlen, Allison Leigh

Familienbande - Mit Liebe gerettet (6-teilige Serie)

IMPRESSUM

Nie vergaß ich deine Liebe erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© by Susann Mallery Originaltitel: „Prodigal Son“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCABand 1587 - 2007 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Stefanie Rudolph

Umschlagsmotive: GettyImages / jacoblund

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733735111

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Eigentlich hatte Samantha Edwards mit Vorstellungsgesprächen kein Problem. Dass sie ihren zukünftigen Chef schon nackt gesehen hatte, machte die Sache allerdings etwas kompliziert.

Zum Glück war nicht damit zu rechnen, dass Jack Hanson auf ihre einzige Liebesnacht zu sprechen kam, denn die lag fast zehn Jahre zurück. Wahrscheinlich erinnerte er sich nicht einmal mehr daran.

Samantha dagegen hatte nicht einen Augenblick dieser atemberaubenden Nacht vergessen – was sicher auch daran lag, dass Jack Hanson ein unglaublich guter Liebhaber war.

„Miss Edwards, Mr. Hanson erwartet Sie jetzt.“

Samantha stand auf und nickte der älteren Sekretärin hinter dem modernen Schreibtisch zu, bevor sie durch den Empfangsraum auf Jacks Bürotür zuging. Sie zog noch einmal ihren kurzen taillierten Blazer glatt. Für das Vorstellungsgespräch hatte sie sich bewusst konservativ gekleidet – für ihre Verhältnisse zumindest – und trug eine schwarze Hose und einen beige-schwarz karierten Blazer über einer cremefarbenen Seidenbluse.

Es war ihr schwergefallen, mit so wenig Farbe auszukommen, aber vor zehn Jahren war Jack Hanson das Paradebeispiel eines zugeknöpften Konservativen gewesen – außer natürlich im Bett.

Der frivole Gedanke kam ihr ausgerechnet in dem Moment, als sie die Bürotür öffnete, und sie gab sich große Mühe, ihn zu ignorieren, tief durchzuatmen und selbstbewusst auf den Mann zuzugehen, der hinter dem Schreibtisch stand.

„Hallo, Jack“, sagte sie und schüttelte ihm die Hand. „Lange her, was?“

„Samantha, wie schön, dich zu sehen.“

Er betrachtete sie so eingehend, dass sie unbewusst den Atem anhielt. Studierte er nur eine Bewerberin, oder dachte auch er dabei an ihre Vergangenheit?

Da er sich Zeit ließ, beschloss sie, die Gelegenheit für eigene Betrachtungen zu nutzen. Jack war größer, als sie ihn in Erinnerung hatte, und er strahlte noch immer Macht und Selbstbewusstsein aus. Für jemanden aus reichem Elternhaus war das vielleicht normal, doch Samantha hatte immer das Gefühl gehabt, dass Jack auch ohne diesen Vorteil Erfolg gehabt hätte. Er war einfach ein Gewinnertyp.

Die zehn Jahre waren fast spurlos an ihm vorübergegangen. Seine markanten Gesichtszüge zeigten lediglich eine neue Reife, die ihm gut stand.

Typisch, dachte Samantha und unterdrückte einen Seufzer. Ihn hat die Natur mit breiten Schultern und einem umwerfenden Lächeln gesegnet, und ich muss mich immer noch mit diesen wilden roten Haaren herumschlagen, die sich kaum bändigen lassen. Obendrein bin ich flach wie ein Brett, und das sowohl am Busen als auch am Po. Ist das fair?

„Bitte, setz dich doch“, sagte Jack.

„Danke.“

Auch er ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder. Der Chefsessel stand ihm gut, doch Samantha wusste zufällig, dass er den Job erst vor Kurzem übernommen hatte.

„Ich habe gelesen, dass dein Vater vor ein paar Monaten gestorben ist“, sagte sie. „Mein Beileid.“

„Danke. Deshalb arbeite ich jetzt hier. Der Aufsichtsrat hat mich gebeten, eine Zeit lang die Führung der Firma zu übernehmen.“

„Ich hatte mich auch schon gewundert“, erwiderte Samantha. „Als ich das letzte Mal von dir hörte, warst du Anwalt.“

„Das gefällt mir auch viel besser.“

„Aber du warst in Betriebswirtschaft so gut“, sagte sie. Das wusste sie aus erster Hand, schließlich hatten sie zusammen studiert und dabei im freundschaftlichen Wettstreit um die Bestnote gelegen – oft, indem sie sich gegenseitig halfen. Er war der Akkurate, Organisierte in ihrem Team gewesen, sie die Kreative und manchmal etwas Chaotische.

„Und trotzdem habe ich Betriebswirtschaft gehasst“, gab er zu. „Dabei wurde mir erst richtig klar, dass mir Jura viel mehr liegt.“

„Dann hat der Tod deines Vaters deine Pläne ganz schön durcheinandergebracht“, sagte Samantha.

Jack nickte. „Meine Kanzlei hat mich für drei Monate freigestellt. Diese Zeit werde ich ganz der Hanson Media Gruppe widmen.“

„Bist du sicher, dass du danach nicht doch bleiben willst?“

„Ich eigne mich nicht als Firmenchef.“

„Unterschätz dich nicht. Wie man hört, stellst du jetzt schon eine Menge neue Leute ein.“

„Das stimmt. Meinem Vater widerstrebte es zu delegieren, deshalb hat er bis zum Schluss mindestens drei Abteilungen selbst geleitet. Bei einer so großen Firma wie dieser halte ich das für unmöglich, wenn man gleichzeitig den Überblick über das Gesamtgeschäft behalten will. Deshalb suche ich die besten Kandidaten, um das Team zu verstärken.“

„Wie schmeichelhaft.“

„Es stimmt aber. Du bist nur hier, weil du gut bist. Ich brauche kreative Leute, das ist meine schwache Seite.“

Samantha lächelte. „Ein Mann, der zu seinen Schwächen steht. Wie ungewöhnlich.“

„Samantha, ich habe meine Prüfung im Fach Marketing nur bestanden, weil wir ein Team waren. Du hast mich durch den ganzen Kurs geschleppt.“

„Dafür hast du mir Nachhilfe in Buchhaltung und Controlling gegeben. Wir sind quitt.“

„Warum hast du New York verlassen?“, fragte Jack.

Samantha dachte an ihre Scheidung, beschloss jedoch, dieses Thema nicht mit Jack zu besprechen. „Ich brauchte mal einen Tapetenwechsel, schließlich habe ich seit dem Abschluss ununterbrochen dort gearbeitet. Und das hier ist ein Traumjob: die kreative Leitung der Internetentwicklung mit einem Budget in Millionenhöhe. Das ist unwiderstehlich, zumindest für mich. So sieht für mich das Paradies aus.“

„Sehr gut, für mich klingt es nämlich eher nach Hölle.“

Samantha lächelte verschmitzt. „Du hattest immer schon Angst vor einer leeren Seite“, bemerkte sie.

„Und du hast Regeln immer schon gehasst“, gab er zurück.

„Ich?“ Sie hob die Augenbrauen. „Du warst doch der Erste, der Regeln gebrochen hat, wenn es dir in den Kram passte.“

Jack hob die Schultern. „Was immer nötig ist, um das zu bekommen, was ich will. Und im Moment will ich eine fähige Mannschaft und eine Firma, die gut läuft. Lass uns über die Details reden.“

Er informierte sie über die bestehenden Internetauftritte verschiedener Zweige der Hanson Media Gruppe. Nachdem Samantha das Material überflogen hatte, sprachen sie über mögliche Wachstumschancen.

„Kinder“, erklärte Samantha nach einer Weile. „Das ist eine Zielgruppe, für die wir unglaublich viel tun könnten. Internetprogramme, die sie nach der Schule ansteuern – nicht nur mit Hausaufgabenhilfen, sondern auch mit interaktiven Angeboten, um Kinder im ganzen Land zusammenzubringen. Außerdem könnten wir im Rahmen bekannter Fernsehsendungen oder Kinderfilme als Sponsor auftreten. Und das wäre nur für die jüngeren Kinder. Für Teenager habe ich noch viel mehr Ideen.“

„Also bist du an dem Job interessiert“, sagte Jack.

„Ich habe nicht übertrieben, als ich sagte, für mich wäre er das Paradies.“

„Du hast ihn, wenn du möchtest“, sagte er. „Morgen bekommst du von der Personalabteilung die offizielle Bestätigung.“

„Im Ernst?“, fragte Samantha ein wenig überrumpelt.

„Wieso überrascht dich das? Du bist talentiert, qualifiziert und jemand, mit dem ich gerne arbeiten möchte.“

„Das klingt, als wäre ich ein Rettungshund.“

Jack grinste. „Wenn ich einen finden könnte, der auch einen Computer bedienen kann …“

„Also schön, ja, ich bin sehr interessiert“, sagte sie und lachte. „Aber ich muss dich warnen. Ich bin sehr kreativ, und ich möchte mein Team selbst leiten.“

„Einverstanden.“

„Wir werden keine Nadelstreifenanzüge tragen.“

„Solange ihr den Job gut macht, könnt ihr meinetwegen Froschkostüme anziehen.“

Warum überzeugte sie seine Antwort nicht wirklich? „Das ist nicht wie bei den Rechtswissenschaften, Jack. Man findet die Lösung nicht immer in einem Buch.“

„Kannst du nicht warten, bis ich mich wirklich danebenbenehme, bevor du mir einen Vortrag hältst?“, fragte er, aber es klang amüsiert. „Ich hab’s ja schon kapiert, kreative Menschen sind anders. Kein Problem.“

„Na gut.“

Samantha stand auf, und auch Jack erhob sich. Mit ihren hohen Absätzen war sie nur ein paar Zentimeter kleiner als er.

Er kam um den Schreibtisch herum und streckte ihr die Hand hin. „Hinterlass bei Mrs. Wycliff deine Nummer. Morgen früh bekommst du dann Nachricht von der Personalabteilung. Wann kannst du anfangen?“

„Anfang nächster Woche.“

„Gut. Dienstags halte ich immer eine Teambesprechung ab. Ich freue mich darauf, dich dort zu sehen.“

Mit klopfendem Herzen ging Samantha zur Tür. Eigentlich war alles gesagt. So ganz konnte sie es noch nicht fassen, dass sie diesen Traumjob wirklich an Land gezogen hatte – aber es gab noch etwas anderes, was sie auf einmal dringend klären musste.

„Das ist wirklich eine einzigartige Chance, Jack“, sagte sie. „Ich werde mein Bestes geben und dein Vertrauen in mich rechtfertigen.“

„Davon bin ich überzeugt.“

Beherzt blickte sie ihm in die Augen. „Ich war nicht sicher, dass du mir den Job geben würdest. Wegen unserer Vergangenheit.“

Er hob die Augenbrauen. „Warum sollte es etwas ausmachen, dass wir zusammen studiert haben?“, fragte er unschuldig.

„Das meinte ich nicht.“

Schweigend wartete er. Wusste er wirklich nicht, worauf sie hinauswollte, oder ließ er sie absichtlich zappeln? Sie spürte, wie sie rot wurde, aber sie hielt seinem Blick stand. „Ich meinte diese Nacht, in der wir … du weißt schon …“

„Schnee von gestern“, sagte er leichthin, mehr nicht.

Samantha war sich nicht ganz sicher, ob sie erleichtert oder enttäuscht sein sollte. Aber immerhin wusste sie jetzt, was sie hatte wissen wollen.

Als sich die Tür hinter Samantha geschlossen hatte, veränderte sich Jacks Gesichtsausdruck, und er setzte sich wieder an den Schreibtisch. Es war ihm nicht schwergefallen, vor Samantha professionell aufzutreten, doch er musste zugeben, dass ihr Wiedersehen größeren Eindruck auf ihn gemacht hatte, als ihm lieb war.

Nicht, dass er ihr den Job nicht sowieso gegeben hätte. Auch die anderen Bewerber waren hoch qualifiziert gewesen, doch Samantha war als Einzige nicht in einem Anzug erschienen. Obwohl die Farben, die sie gewählt hatte, für sie ungewöhnlich dezent waren, konnte sie ihre kreative Ader doch nicht verbergen. Vielleicht lag es an der grünen Papageienbrosche, die sie am Revers trug, oder an den langen Ohrringen, die ihr fast bis auf die Schultern reichten. Vielleicht war es auch ihr feuerrotes Haar, das ein Eigenleben zu führen schien, jedenfalls strahlte sie eine Unabhängigkeit aus, die er bewunderte.

Bei der Diskussion der Internetprojekte hatte sie eine Energie versprüht, die er für die Firma dringend benötigte, und wenn sie lächelte … Jack schüttelte unwillig den Kopf. Ihm war nicht entgangen, wie der weich fließende Stoff ihrer Hose ihre schlanken Beine umschmeichelte. Oder wie voll und rot ihre Lippen waren.

Auch nach zehn Jahren reagierte er noch immer auf ihre Reize. Natürlich würde er das ignorieren und sie auf keinen Fall wissen lassen, wie sie auf ihn wirkte – schließlich hatte er sie gerade eingestellt. Trotzdem …

„Herein“, sagte er, aus seinen Gedanken gerissen, als es an der Tür klopfte. Mrs. Wycliff kam herein, die auch schon die langjährige Sekretärin seines Vaters gewesen war.

„Hier sind die Tagesberichte“, sagte sie und legte ihm mehrere Akten hin.

„Danke.“

Stirnrunzelnd betrachtete er den hohen Stapel, der seine Abendlektüre sein würde. Theoretisch wusste er eine ganze Menge darüber, wie man eine Firma führt, aber leider hatten Theorie und Praxis in diesem Fall nicht viel gemeinsam. Wenn einer seiner Angestellten des Mordes angeklagt worden wäre, hätte er sofort gewusst, was zu tun war. Die Vorgänge in einer Aktiengesellschaft dagegen erschienen ihm diffus und schwer in den Griff zu bekommen.

„Wie ist die Stimmung unter den Angestellten?“, fragte er Mrs. Wycliff.

„Sie vermissen ihn“, erwiderte sie. „Ihr Vater war in der Firma sehr angesehen. Er war ein guter Mensch.“

Jack bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck. George Hanson war ein Vollblutgeschäftsmann gewesen, der sein ganzes Leben der Firma gewidmet hatte, während seine Kinder eine Nebenrolle gespielt hatten. Nicht unbedingt das, was Jack als „guten Menschen“ bezeichnet hätte.

„Ja, es kommt mindestens einmal am Tag jemand vorbei, um mir zu sagen, wie sehr er vermisst wird“, erwiderte er. Die passende Antwort darauf war ihm trotzdem noch nicht eingefallen.

Mrs. Wycliff lächelte. „Wir wissen es alle zu schätzen, dass Sie eingesprungen sind, um Hanson Media zu führen. Für viele von uns ist die Firma wie ein Zuhause, es wäre schrecklich, wenn etwas passieren würde.“

„Was soll denn passieren?“ Jack war erst wenige Wochen hier, und bisher war es ihm lediglich problematisch erschienen, dass sein Vater zu viele Abteilungen selbst geleitet hatte. Nach der Einstellung der richtigen Leute würde alles wieder glattlaufen.

Mrs. Wycliff strich sich über ihr graues Haar und steckte eine Strähne in den Dutt zurück. „Ihr Vater war sehr stolz auf Sie, wussten Sie das?“

Jack ließ sich von dem plötzlichen Themenwechsel nicht täuschen und nahm sich vor, seine Sekretärin in Sicherheit zu wiegen, bevor er auf ihre Bemerkung zurückkam.

„Danke, dass Sie mir das sagen“, erwiderte er.

„Er hat oft davon gesprochen, wie erfolgreich Sie in der Kanzlei sind. Natürlich hätte er es gern gesehen, wenn Sie hier im Familienunternehmen gearbeitet hätten, aber er meinte, wenn Jura Sie glücklich macht, wäre er auch zufrieden.“

Jack war total überrascht. Ihm fielen die wütenden Diskussionen ein, die er mit seinem Vater geführt hatte. George Hanson hatte versucht, ihn zu bestechen, und ihm sogar gedroht, ihn zu enterben, um zu erreichen, dass Jack für die Firma arbeitete.

Andererseits hatte Jack schon länger den Verdacht, dass sich sein Vater in der Öffentlichkeit anders gab als im Familienkreis.

„Wir hatten eine Abmachung“, sagte er schließlich. „Ich war einverstanden, nach dem Jurastudium den Betriebswirt zu machen und mich dann zu entscheiden, was mir besser gefiel.“ Er zuckte die Achseln. „Die Wahl fiel mir wirklich nicht schwer.“

„Sie sind Ihrem Herzen und Ihren Anlagen gefolgt“, sagte Mrs. Wycliff. „Als Sie in der Kanzlei zum Partner ernannt wurden, hat er Sekt ausgegeben.“

„Juniorpartner“, korrigierte Jack automatisch. Sekt? Er hatte an dem Tag seinen Vater nicht erreichen können und stattdessen seine Stiefmutter Helen gebeten, ihm die Neuigkeit auszurichten. Sie hatte eine Glückwunschkarte und ein Geschenk geschickt. Höflich wie immer hatte sie mit beiden Namen unterzeichnet, aber Jack wusste, dass diese Geste allein ihre Idee war. Sein Vater hatte ihn nicht einmal zurückgerufen.

„Er war ein guter Mensch“, wiederholte Mrs. Wycliff. „Was immer auch geschieht, daran müssen Sie denken.“

„Das ist jetzt das zweite Mal, dass Sie eine geheimnisvolle Andeutung machen“, bemerkte Jack. „Vielleicht drücken Sie sich mal etwas klarer aus?“

Die an die sechzig Jahre alte Frau hatte dunkelblaue Augen und Gesichtszüge, die verrieten, dass sie in ihrer Jugend eine Schönheit gewesen sein musste. Jack hätte vermutet, dass sie ein Verhältnis mit seinem Vater gehabt hatte, doch mittlerweile kannte er sie genügend, um zu wissen, dass ihre moralischen Grundsätze das niemals zugelassen hätten – auch wenn sein Vater sicherlich nicht abgeneigt gewesen wäre.

„Das kann ich nicht“, sagte sie leise.

„Können Sie nicht, oder wollen Sie nicht?“

Mrs. Wycliff blickte ihm direkt in die Augen. „Ich weiß nichts. Wenn ich etwas wüsste, würde ich es Ihnen sagen. Sie haben meine volle Loyalität.“

„Aber es gibt etwas, das ich wissen sollte?“

Sie zögerte. „Es ist nur so ein Gefühl. Es tut mir leid, aber Genaueres weiß ich auch nicht.“

Jack war sich ziemlich sicher, dass sie die Wahrheit sagte – oder sie war eine begnadete Schauspielerin.

Normalerweise misstraute er Gefühlen, es sei denn, es handelte sich eher um Instinkte. Schließlich hatte er auch als Anwalt schon gelegentlich seine vorbereiteten Fragen aus einem Bauchgefühl heraus geändert und damit richtiggelegen.

„Wenn Sie etwas wissen …“, begann er.

„Dann sage ich es Ihnen. Ich rede mit den Leuten und kann gut zuhören.“ Sie schluckte. „Ich habe vor ein paar Jahren meinen Mann verloren. Wir haben keine Kinder, und viele unserer Freunde sind nach Florida gezogen. Diese Firma ist alles, was ich habe. Ich würde alles tun, um sie zu schützen.“

„Danke.“

Sie nickte kurz und ging hinaus.

Geheimnisse und Intrigen – das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte. Zumal nicht einmal klar war, ob er und Mrs. Wycliff dasselbe Ziel hatten. Sie wollte, dass die Firma bis in alle Ewigkeit bestand, und er wollte so schnell wie möglich zurück in seine Kanzlei. Wenn es da jemals einen Interessenkonflikt gab, würde seine so loyale Sekretärin sich ganz schnell in einen erbitterten Feind verwandeln.

Zwei Tage später saß Samantha in einem leeren Büro und füllte endlose Formulare aus, um betriebliche Versicherungen, ihren Zugangspass, einen Parkplatz und ihre Kantinenkarte zu erhalten.

Noch immer konnte sie nicht ganz fassen, dass sie den Traumjob tatsächlich bekommen hatte, und war früher als vereinbart erschienen, um den Papierkram zu erledigen.

„Danke, Helen“, murmelte sie. Sie hatte es ihrer Freundin, der Witwe des verstorbenen George Hanson, zu verdanken, dass ihr Name auf der Liste der geeignetsten Bewerber gelandet war. Auf Helens Rat hin hatte sie das beim Bewerbungsgespräch allerdings nicht erwähnt. Aus unerfindlichen Gründen schienen Jack und seine Brüder zu glauben, dass Helen ein blondes Dummchen war, das George Hanson nur als Vorzeigeobjekt und Statussymbol geheiratet hatte.

Ich hoffe, dass ich dabei bin, wenn sie alle entdecken, dass sie nicht nur hübsch, sondern auch äußerst intelligent ist, dachte Samantha, während sie eins der Formulare schwungvoll unterschrieb.

„Guten Morgen.“

Als sie aufblickte, sah sie Jack in der offenen Tür stehen, der frisch geduscht und rasiert unerhört sexy aussah. Wieso reagierte ihr Körper, obwohl ihr Verstand absolut nicht interessiert war?

„Hi“, erwiderte sie.

„Ich hörte, dass du schon hier bist, um die Formalitäten zu erledigen“, sagte er und lehnte sich an den Türrahmen. „Danke, dass du angenommen hast.“

„Ich bin diejenige, die Grund zur Dankbarkeit hat“, erwiderte sie lachend. „Ich kann es gar nicht erwarten, endlich anzufangen. Aber zuerst muss ich mich hier durchkämpfen.“ Sie tippte auf die Formulare. „Man hat mir versprochen, dass ich noch heute meinen eigenen Firmenausweis bekomme, wenn ich alles richtig ausfülle – und den Schlüssel für mein Büro.“

„Ja, man hat mich schon vorgewarnt. Offenbar hast du sogar schon einen Termin für eine Besprechung mit mir. Meine Assistentin erwähnte so was.“

„Ja, Montagnachmittag. Ich werde mich am Wochenende vorbereiten, um auf dem Laufenden zu sein. Dann möchte ich mit dir die Eckpunkte besprechen, bevor ich mich mit meinem Team an die Arbeit mache.“

„Du brauchst nicht rund um die Uhr zu arbeiten“, sagte er.

„Ich weiß, aber ich freu mich wirklich drauf, und außerdem habe ich nichts anderes vor. Schließlich bin ich gerade erst nach Chicago gezogen und kenne mich hier überhaupt nicht aus.“

„Das ist doch erst recht ein Grund, das Wochenende zu nutzen, um die Gegend auszukundschaften.“

Sie legte den Kopf schräg. „Hmm, will mein neuer Chef mich etwa vom Arbeiten abhalten? Das wäre was Neues.“

„Ich will nicht, dass du dich an deinem ersten Wochenende schon völlig verausgabst. Ich brauche dich länger.“

Sie wusste, dass es scherzhaft gemeint war, und genoss es, dass Jack und sie so leicht zu ihrer früheren Freundschaft zurückkehrten. Aber musste ihr Köper so stark auf ihn reagieren?

Selbst jetzt, wo er ein paar Meter entfernt stand, glaubte sie, seine Atemzüge zu hören und die Wärme zu spüren, die er ausstrahlte.

So war es früher schon, dachte sie missmutig. Die zwei Jahre ihres Studiums hatte sie in ständiger sexueller Erregung verbracht – verursacht allein durch Jack. Doch sie hatte einen Freund gebraucht, keinen Liebhaber, und deshalb die körperliche Anziehungskraft zwischen ihnen ignoriert. Dabei war es ihr sogar gelungen, ihr Interesse vor ihm zu verbergen.

Bis zu jener Nacht, als sie es einfach nicht mehr länger ausgehalten hatte.

Sie verdrängte die Erinnerungen. „Ich verspreche dir, dass ich die Stadt später noch ausgiebig erkunden werde“, sagte sie so neutral wie möglich. „Aber im Moment will ich mich einfach nur an die Arbeit machen.“

Jack hob beide Hände. „Na schön, ich gebe auf. Lass dich vom Job völlig vereinnahmen, ich werde mich nicht beklagen.“ Er ließ die Hände wieder sinken. „Hast du dich in deiner neuen Wohnung schon eingerichtet?“

„Ich habe nur zwei Koffer in ein Hotelzimmer stellen müssen, das hat nicht sehr lange gedauert.“

„Willst du keine eigene Wohnung?“

„Doch, schon, aber im Moment habe ich keine Zeit, eine zu suchen.“

Das war nur die halbe Wahrheit. Wenn sie auf Wohnungssuche ging, würde sie Zeit zum Nachdenken haben, und genau das wollte sie möglichst vermeiden.

„In dem Hochhaus, in dem ich wohne, gibt es voll möblierte Manager-Apartments, die monatsweise vermietet werden“, sagte er. „So bin ich zu meiner Wohnung gekommen – ich habe ein kleines Apartment für zwei Monate gemietet, festgestellt, dass es mir dort gefällt, und eine größere Wohnung im selben Haus gekauft.“

„Klingt interessant“, erwiderte sie vorsichtig.

Jack grinste jungenhaft. „Keine Sorge, es ist ein sehr geräumiges Hochhaus, wir würden uns so gut wie nie zufällig im Flur begegnen.“

Glaubte er, das wäre ein Problem für sie? Na ja, vielleicht war es eins. Tatsächlich hatte sie das Gefühl, dass es zu Komplikationen führen könnte, wenn sie Jack außerhalb der Firma traf. Möglicherweise war es sogar gefährlich für ihr inneres Gleichgewicht. Andererseits hatte sie sich geschworen, das Leben bei den Hörnern zu packen und vor der Wahrheit nicht mehr die Augen zu verschließen.

„Ich würde es mir gern ansehen“, sagte sie. „Hast du eine Kontaktperson oder Telefonnummer für mich?“

„In meinem Büro liegt eine Visitenkarte. Ich hole sie schnell.“

Während Jack den Flur hinunterging, widmete sich Samantha wieder den Formularen, doch statt der Fragebögen sah sie auf einmal die leere Wohnung vor sich, die sie vor drei Wochen in New York verlassen hatte.

Sie hatte einmal gedacht, dass sie für immer in New York bleiben würde, hatte sich eingeredet, dass sie ungefähr wüsste, wie ihr Leben verlaufen würde. Vor allem hatte sie gehofft, dass sich ihre Träume irgendwann erfüllen würden. Welche Ironie, dass die Trümmer dieser Illusion in sechs Umzugskisten passten und dass der Mann, der geschworen hatte, sie für immer zu lieben, sich als Lügner und Dieb entpuppt hatte.

2. KAPITEL

„Im Augenblick arbeiten wir an, äh, Upgrades“, sagte Arnie und rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. „Die erste Stufe sollte, äh, Ende des Monats, äh, fertig sein.“

Jack fühlte mit dem jungen Mann, einem Computergenie aus der EDV-Abteilung, den das erste Treffen mit seinem neuen Chef offenbar äußerst nervös machte. Er studierte den Bericht vor sich und lächelte Arnie aufmunternd an. „Dann sind Sie ja völlig im Zeitplan“, sagte er freundlich. „Sehr gut.“

Arnie schluckte. „Danke. Wir haben uns große Mühe gegeben. Roger, äh, mein Chef, sagte, wir müssen das. Oh, aber natürlich nicht im negativen Sinn.“

„Ich weiß Ihre Bemühungen zu schätzen“, erwiderte Jack und wünschte sich zum wiederholten Male, dass Arnies Chef Roger ebenfalls zu der Besprechung gekommen wäre. Arnies Unbehagen war schwer zu ertragen.

„Sie werden mit Samantha Edwards zusammenarbeiten“, fuhr er fort. „Sie hat heute angefangen und ist sehr kreativ. Ich bin sicher, dass ihre Ideen Sie beeindrucken werden.“

Und nicht nur ihre Ideen, dachte Jack. Samanthas gertenschlanke Figur und ihr ansteckendes Lächeln hatten schon ganz andere Männer schwachgemacht. Arnie dagegen sah aus wie der Junge, der nie ein Mädchen abbekam, so herzlos das auch klingen mochte. Er war blass, hatte dünnes braunes Haar, das bereits eine Glatze erkennen ließ, und hellbraune Augen hinter einer dicken Brille. Zu Jeans trug er ein kariertes T-Shirt, und seine ganze Haltung schien zu sagen „Bitte tu mir nichts“.

Arnie verzog das Gesicht, als wäre er nicht sicher, ob er lächeln sollte oder nicht. „Wie ich höre, soll es Erweiterungen im Bereich Internet geben. Das ist gut für meine Abteilung.“

„Jedenfalls wird es viel Arbeit geben.“

„Das schaffen wir, da bin ich sicher.“

„Ich auch“, erwiderte Jack. „Sobald Samantha ihre Pläne ausgearbeitet hat, wird sie sich mit Ihnen und Ihren Leuten zusammensetzen, um die Details zu besprechen. Möglicherweise gibt es ein Kapazitätsproblem beim Server, aber mit den technischen Dingen kenne ich mich nicht aus, dazu brauche ich Sie. Und Ihre Erfahrung, was den Starttermin der neuen Seiten angeht. Wir wollen so bald wie möglich loslegen.“

Arnie nickte heftig. „Okay. Klar. Das kann ich alles machen. Aber, äh, wissen Sie, George hat sich nie fürs Internet interessiert. Er hielt das Zeitschriftengeschäft immer für viel wichtiger.“

Einer der Gründe, warum die Hanson Media Gruppe in Schwierigkeiten steckt, dachte Jack. Zeitschriften zu produzieren war teuer.

„Ich sehe die Erweiterung des Internetauftritts als eine schnelle und kostengünstige Möglichkeit für das Firmenwachstum“, sagte Jack. „Nach dem Start der Website werden die laufenden Kosten sehr viel niedriger sein.“

„Oh, das sehe ich auch so“, erwiderte Arnie schnell. „Ich halte es für eine tolle Idee, und die meisten in meiner Abteilung auch. Aber nicht jeder denkt so.“

Die Bemerkung gefiel Jack ganz und gar nicht. „Wer denn zum Beispiel?“

Arnie wirkte wie ertappt. „Oh, ich meinte nur …“

„Wir sind ein Team“, erwiderte Jack. „Und nur so stark wie unser schwächstes Mitglied.“ Hoffentlich war das die größte Plattitüde, die ich diese Woche von mir geben muss, dachte er missmutig. Aber wenn es funktioniert …

Arnie wand sich noch ein wenig länger, zog den Kopf ein, seufzte und sagte dann: „Es ist Roger, mein Chef. Er hält nicht viel von Veränderungen.“

„Interessant“, bemerkte Jack und fragte sich, wie so jemand dazu kam, die EDV-Abteilung zu leiten. Andererseits hatte George Hanson ihn vielleicht absichtlich an diese Position gesetzt, weil er selbst von Hightech nichts hielt. „Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit“, sagte Jack. „Ich werde Roger gegenüber nichts davon erwähnen, das verspreche ich Ihnen.“

Arnie seufzte. „Danke. Ich mag meinen Job wirklich, und ich würde nicht gerne, äh, gefeuert werden.“ Er verzog schmerzlich das Gesicht und fügte hinzu: „Ihr Vater war ein großartiger Mann.“

„Danke“, erwiderte Jack.

„Er war geduldig und freundlich und machte sich um seine Angestellten wirklich Gedanken. Wir haben alle so gern für ihn gearbeitet, und sein Tod war ein großer Schock für uns.“

Jack nickte. Wie immer war er unsicher, wie er auf solche Lobeshymnen reagieren sollte, zumal sie einen Mann beschrieben, den er so nicht kannte.

„Darf ich stören?“

Als er aufblickte, sah er Samantha in der Tür stehen, die von ihm zu Arnie blickte. „Bin ich zu früh oder zu spät?“

„Weder noch“, sagte er. „Du kommst genau richtig.“

Da sie den Job nun bekommen hatte, erschien es ihr offensichtlich nicht mehr nötig, sich konservativ zu kleiden. Keine Spur mehr von Beige und Schwarz – stattdessen trug sie einen langen Rock mit ineinanderlaufenden Rot-, Grün- und Lilatönen, darüber einen dunkelgrünen Pullover. Über eine Schulter hatte sie einen gemusterten Schal drapiert, und ihre langen Ohrringe klingelten mit den Dutzenden von Armreifen an jedem Handgelenk um die Wette.

„Das hier ist Arnie aus der EDV“, stellte Jack vor. „Er wird mit dir bei der Interneterweiterung zusammenarbeiten. Du sagst ihm, was du haben willst, und er sagt dir, ob es machbar ist. Arnie, darf ich Ihnen Samantha vorstellen?“

Arnie stand auf und wischte sich die Handflächen an der Hose ab, streckte Samantha dann die Hand hin. Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder, setzte ein zweites Mal an. „Äh, hi“, brachte er schließlich hervor, worauf er sofort flammend rot wurde.

„Guten Morgen“, strahlte Samantha ihn an. „Sie werden also mein neuer bester Freund sein, ja? Und sicher werden Sie nie ‚Nein‘ sagen, oder?“

Arnie stotterte etwas, ließ sich dann wieder auf seinen Platz sinken. Jack unterdrückte ein Lächeln. Wieder hatte Samantha eine Eroberung gemacht.

Kein Wunder, dachte er. Wenn sie einen Raum betrat, lagen ihr die Männer sofort zu Füßen, er selbst eingeschlossen. Er hatte eine Schwäche für sie, das ließ sich nicht leugnen. Selbst jetzt hätte er sie am liebsten in die Arme geschlossen und seine Hände in ihren roten Locken vergraben. Er wollte ihr in die Augen schauen und sie unter seinen Berührungen lustvoll erschauern spüren.

Aber das würde ein Traum bleiben. Sie war vor zehn Jahren nicht an ihm interessiert gewesen, und daran hatte sich wohl kaum etwas geändert.

Nun ja, bis auf diese eine Ausnahme, diese eine wunderbare Nacht … Aber einmal hatte ihr wohl gereicht, jedenfalls hatte sie ihm deutlich gezeigt, dass sie an einer Wiederholung nicht interessiert war.

„Lassen Sie sich von Samantha nicht herumkommandieren“, sagte er zu Arnie. „Das macht sie nämlich gerne.“

Samantha hob die Augenbrauen. „Ich? Soll das ein Witz sein? Ich bin ein Paradebeispiel für perfekte Zusammenarbeit.“

„Genau. Bis jemand sich dir in den Weg stellt. Dann trampelst du ihn gnadenlos nieder.“

Samantha, die sich neben Arnie an den Konferenztisch gesetzt hatte, tätschelte dem EDV-Mitarbeiter die Hand. „Hören Sie nicht auf ihn. Wir haben zusammen studiert, und offenbar hat er daran ganz andere Erinnerungen als ich. Ich habe noch nie jemanden niedergetrampelt.“ Sie zögerte kurz, lächelte dann. „Na ja, jedenfalls nicht sehr oft. Aber wenn ich etwas wirklich will, kann ich hartnäckig sein. Und aus Ihrer Abteilung habe ich sehr unterschiedliche Berichte gelesen, Arnie. Offenbar drängt die EDV schon länger auf die Erweiterung.“

„Das wusste ich nicht“, sagte Jack überrascht.

„Das liegt an Arnies Chef“, erwiderte Samantha. „Ich habe auch Memos gelesen, in denen Roger erklärt, warum er dagegen ist. Und darin wurde er offenbar unterstützt.“

Sie musste nicht sagen, von wem, das erriet Jack auch so. „Das war gestern“, erklärte er. „Lasst uns nach vorne blicken. Ihr zwei solltet euch zusammensetzen und über die Details reden.“

Samantha machte sich eine Notiz, sagte dann: „Ich werde Ihnen eine Mail schicken, Arnie, dann sagen Sie mir, wann es Ihnen am besten passt. Ich arbeite oft bis spätabends, ich hoffe, das ist in Ordnung.“

Arnies Wangen glühten. „Natürlich. Kein Problem. Ich werde da sein.“ Er stand auf und nickte ihr zu. „Jederzeit. Mailen Sie mich einfach an.“

„Danke für Ihre Hilfe“, sagte Jack.

Als Arnie gegangen war, wandte Jack sich Samantha zu. „Jetzt hast du einen Freund fürs Leben.“

„Arnie? Wie ich höre, soll er ein netter Kerl sein. Ich denke, dass wir gut zusammenarbeiten werden.“

Ihre Antwort versetzte Jack trotz besseren Wissens einen Stich. Samantha würde sich niemals für einen Mann wie Arnie interessieren, und wenn, sollte es ihm auch egal sein. Und doch …

„Und was hast du für mich?“, fragte er.

„Jede Menge fantastischer Ideen“, sagte sie und lächelte. „Mein Wochenende war sehr ergiebig. Ich habe mir die bestehenden Webseiten angeschaut, und die sind alles andere als toll. Es gibt jede Menge Verbesserungsmöglichkeiten. Ich würde gerne mit Seiten für Kinder bis zwölf anfangen, und ich möchte, dass sie hingerissen sind.“

Sie legte eine Aktenmappe auf den Tisch. „Zu den Teenagern kommen wir später, aber zuerst müssen wir für Furore sorgen. Ich will, dass es die Kinder gar nicht abwarten können, auf unsere Website zu gehen, wenn sie aus der Schule kommen. Wir müssen ihnen mehr bieten als Hausaufgabenhilfe und die coolste Adresse im Internet werden. Wir sollten ihnen die neuesten Trends vorstellen, von Sport bis Mode und Musik. Film-Trailer, Fernsehtipps. Außerdem sollten wir eine Art ‚Dr. Sommer‘ haben.“

Jack blickte sie verständnislos an. „Wer ist Dr. Sommer?“

Sie lachte. „Ich meine ein Beratungsforum. Der Name spielt keine Rolle. Aber das Geniale ist, dass es in Echtzeit und interaktiv ablaufen wird. Wie beim Chatten, die Kids bekommen sofort Antwort. Dafür habe ich schon eine Menge Ideen. Aber das Wichtigste ist die Sicherheit. Da müssen wir wirklich mit den neuesten Techniken arbeiten, damit die Kinder auf der Website geschützt sind.“

„Gefällt mir.“

„Gut.“ Wieder lächelte sie strahlend, und er hätte sie küssen können, so einladend fand er ihre roten Lippen.

„Du musst das aber nicht alles jedes Mal von mir absegnen lassen. Ich habe vollstes Vertrauen in dich.“

„Ich weiß, aber das hier sind wirklich große Änderungen.“

„Deshalb habe ich dich eingestellt.“

Sie betrachtete ihn prüfend. „Du überlässt das wirklich alles mir?“

„Natürlich.“

„Wow. Klasse. Dann werde ich mit meinem Team alles vorbereiten, und zum Schluss gibt es dann eine große Präsentation.“

„Ich freu mich schon drauf. Das ist mein Führungsstil, Samantha. Solange jemand nicht einen wirklich großen Fehler gemacht hat, kann er schalten und walten, wie er will.“

„Ich hätte gedacht, dass du mehr auf Kontrolle aus bist.“

„Weil ich einen Anzug trage?“

„Auch. Aber vor allem, weil du Anwalt bist.“

„Und wenn ich mich für Umweltrecht entschieden hätte?“

Sie grinste. „Hast du denn?“

„Nein. Strafrecht.“

„Ah, also trägst du nicht nur Anzüge, sondern Designeranzüge.“

„Meistens. Aber selbst in der Kanzlei gebe ich meinem Team genügend Raum, um eigene Erfahrungen zu machen. Wo gearbeitet wird, passieren Fehler. Davon geht die Welt nicht unter.“

Samantha strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. „Das klingt sehr ausgeglichen.“

„Ja, dafür halte ich mich auch.“

„Im Studium warst du noch nicht so. Eher …“

„Ein Erbsenzähler?“

Sie unterdrückte ein Lächeln. „Das wollte ich nicht sagen.“

„Aber du hast es gedacht.“

„Na ja, ein bisschen vielleicht. Du hattest einen Lernplan.“

„Damit ich meine Zeit unter der Woche nicht vertrödelte und dafür die Wochenenden freihatte. Damit blieb mir jede Menge Freizeit.“

„Ja, ich weiß“, sagte sie und lachte. „Also gut, ich habe übertrieben. So steif warst du gar nicht. Aber trotzdem so viel besser organisiert als jeder andere Mann, den ich kannte. Du warst mir richtig unheimlich.“

Er fragte sich, ob das stimmte. Hatte er sie unbewusst erschreckt? Aber das spielte jetzt wohl keine Rolle mehr.

„Dafür warst du der chaotischste Mensch, den ich je getroffen hatte“, erwiderte er.

„Es war eine verrückte Zeit“, gab sie zu. „Ich bin jetzt auch etwas ausgeglichener.“

„Hoffentlich nicht. Ich mochte deine Verrücktheiten. Erinnerst du dich daran, wie wir Weihnachten in einem Stall verbrachten, weil du wissen wolltest, wie das ist?“

Sie lachte. „Ja, und du hast mir die ganze Zeit erzählt, welch wichtige Rolle die Geografie dabei spielt.“

„Und ich hatte ja auch recht. Schließlich war in Pennsylvania tiefster Winter, das hatte nicht viel Ähnlichkeit mit Bethlehem.“

Trotz der Kälte hatten sie eine Menge Spaß gehabt. Die Verzweiflung, mit der er Samantha wollte, hatte ihn mehr zum Zittern gebracht als die Kälte, vor allem, als sie sich Wärme suchend an ihn gekuschelt hatte. Am nächsten Morgen hatte er sie zum Flughafen gebracht, damit sie die Feiertage mit ihrer Mutter verbringen konnte.

„Wie geht es eigentlich deiner Mutter?“, fragte er, als er an die alte Dame dachte.

Samanthas Lächeln verflog. „Sie ist vor drei Jahren gestorben.“

„Oh, das tut mir leid. Ich mochte sie wirklich gern.“

„Danke. Ich vermisse sie schrecklich. Sie war zwar schon eine Weile krank, also war es kein plötzlicher Abschied, aber es war trotzdem schlimm, sie zu verlieren.“ Sie sammelte ihre Blätter ein. „Gut, dann halte ich dich jetzt nicht länger von der Arbeit ab. Und ich muss an meiner Präsentation feilen, damit du begeistert bist. Und das wirst du sein.“

„Zweifellos.“

Er brachte sie zur Tür und setzte sich dann wieder an den Schreibtisch. Nur ein Verrückter oder ein Idiot würde sich weiterhin nach etwas sehnen, was er definitiv nicht haben konnte. Offenbar war er beides.

Ihr nächstes Opfer würde Arnie sein, der Jack jetzt schon leidtat. Der Unterschied zwischen ihnen beiden war, dass Arnie vermutlich von einem ‚Und-sie-lebten-glücklich-bis-ans-Ende-ihrer-Tage‘ träumen würde, während er selbst mit Samantha nur das Bett teilen wollte. Er hatte schon lange gelernt, Gefühle außen vor zu lassen und sich rein auf das Körperliche zu konzentrieren. Es hatte keinen Zweck, sein Herz aufs Spiel zu setzen, denn seiner Erfahrung nach war Liebe nie von Dauer.

Samantha war sich nicht sicher gewesen, was sie in einem „Manager-Apartment“ erwartete, doch alles in allem war ihre neue Wohnung eine angenehme Überraschung. Sie bestand aus einem großen Wohnzimmer, einem Essplatz und einer brauchbaren Küche, vor allem, wenn man, wie Samantha, nicht oft kochte. Im Schlafzimmer gab es außer dem riesigen Einbauschrank ein breites Doppelbett, eine Kommode und einen Fernsehschrank mit Fernseher.

Einer ihrer Lieblingsplätze war jedoch das Badezimmer mit seiner luxuriösen Whirlpool-Badewanne – und natürlich der voll ausgestattete Arbeitsplatz mit einem Schreibtisch für ihren Laptop, guter Beleuchtung und einem schnellen Internetzugang.

Der einzige Nachteil bestand eigentlich darin, dass ihre Wohnung nicht wirklich zu ihr passte. Die funktionellen Möbel waren in neutralen Farben gehalten, und es gab nichts Außergewöhnliches oder Peppiges. Trotzdem war die Wohnung besser als ein Hotelzimmer und fast doppelt so groß wie ihr altes Apartment in New York.

Samantha trat vor die Glasschiebetür, die auf den kleinen Balkon hinausging, und überlegte, in welchem Restaurant sie ihr Abendessen holen sollte. Insgesamt war sie sehr zufrieden mit ihrer Entscheidung, nach Chicago zu ziehen. Es war gut gewesen, New York und die Erinnerungen an Vance hinter sich zu lassen, sosehr sie die Stadt auch liebte. Hier hatte sie die Chance, neu anzufangen, und sie würde …

Ein Klopfen unterbrach ihre Gedanken, und sie ging zur Tür und schaute durch den Spion.

„Jack?“, fragte sie überrascht und öffnete.

„Entschuldige, dass ich mich selbst einlade“, sagte er und hielt zwei Papiertragetüten hoch. „Ich komme mit chinesischem Essen. Wein habe ich auch mitgebracht. Es soll eine Art Willkommen sein. Wie wär’s?“

Freudig überrascht trat Samantha einen Schritt zurück, um ihn einzulassen. Doch statt Jack drängte sich ein schwarz-weißer Border Collie durch die Tür.

„Das ist Charlie“, sagte Jack. „Magst du Hunde?“

Samantha streckte Charlie die Hand hin, damit er sie beschnuppern konnte, streichelte dann seinen Kopf. „Ich liebe sie.“ Sie ging vor dem Hund in die Hocke und kraulte sein Fell. „Du bist aber ein Schöner“, sagte sie und lachte, als er versuchte, ihr das Gesicht zu lecken.

„Er mag dich“, bemerkte Jack. „Schlauer Hund.“

„Kommt rein, ihr beiden.“

Sie führte Jack in die Küche, wo er den Wein öffnete und sie die Tüten auspackte. Zwischen den vielen Pappschachteln fand sie eine rote Plastikschüssel und einen Karton mit einem großen C darauf.

„Was ist das hier denn?“, fragte sie neugierig.

Jack grinste ein wenig verlegen. „Das ist für Charlie. Er liebt chinesisches Essen, und mein Stammrestaurant macht für ihn ein spezielles Reisgericht mit Rind, Huhn und Gemüse, aber weniger Salz und Gewürzen. Der Tierarzt hat nichts dagegen einzuwenden, also bekommt er es ab und zu als besondere Belohnung.“

Der steife Anwalt, den sie kannte, bestellte im Restaurant ein Spezialgericht für seinen Hund? Unglaublich. „Jetzt weiß ich, wer hier der Boss ist“, murmelte sie.

„Ja“, gab Jack bereitwillig zu. „Charlie.“

Als sie die Schachteln zum Tisch getragen hatten, bekam Charlie seine Schüssel, doch er wartete, bis Samantha und Jack sich gesetzt hatten, bevor er loslegte.

Jack prostete ihr mit dem Weinglas zu. „Willkommen im Haus. Ich hoffe, es gefällt dir.“

Sie stieß mit ihm an, trank dann einen Schluck. „Das ist sehr nett von dir.“

„Gern geschehen. Ich dachte mir, dass du dir vielleicht noch etwas fremd vorkommst.“

„Ein wenig. Ich mag die Wohnung, aber es fühlt sich komisch an, weil nichts hier mir gehört. Wie zum Beispiel die Teller hier.“ Sie hob den weißen schlichten Teller hoch. „So was käme mir nie ins Haus.“

„Weil sie zu normal sind?“

„Zu langweilig. Wie du weißt, liebe ich es bunt.“

„Stimmt. Aber wenn du mehr Zeit hast, kannst du dir ja immer noch was anderes suchen.“

„Eben. Und im Augenblick ist das hier eine gute Lösung. Alles in Reichweite.“

„Deshalb wohne ich ja auch hier. Eine Reinigung im Foyer, der Lebensmittelladen um die Ecke liefert nach Hause, mein Hundesitter wohnt gleich gegenüber. In der näheren Umgebung gibt es über zwanzig Restaurants und einen großen Park, den Charlie und ich am Wochenende unsicher machen.“

Samantha schaute auf den Hund, der seine Schüssel geleert hatte und nun den Boden nach vielleicht übersehenen Reiskörnern absuchte. „Er ist wirklich ein Prachtkerl. Aber braucht er nicht viel Bewegung und Zuwendung? Du arbeitest doch den ganzen Tag.“

„Oh, er kommt schon zurecht“, sagte Jack. „Ist es dir hier ruhig genug? Das ist mir gleich aufgefallen, man hört nichts von den Nachbarn. Solide Bauweise.“

Sie wollte schon zustimmen, als ihr auffiel, dass er das Thema elegant gewechselt hatte. „Ja, alles bestens. Und was wolltest du mir da gerade nicht erzählen?“

„Ich weiß nicht, was du meinst“, erwiderte er unschuldig.

„Über Charlie. Du hast das Thema gewechselt.“

„Worüber hatten wir denn gesprochen?“

„Darüber, dass er den ganzen Tag allein ist und trotzdem nicht deine Wohnung zerlegt.“

„Er beschäftigt sich eben anders.“

„Ach so? Schaut er Talkshows und löst Kreuzworträtsel?“

Jack seufzte. „Also schön, er geht in eine Hundetagesstätte. Ich weiß, es klingt albern, aber Border Collies sind Hütehunde und haben jede Menge Energie. Ich wollte nicht, dass er sich allein langweilt, deshalb bringe ich ihn dreimal die Woche dorthin. Dort kann er mit anderen Hunden spielen und sie zusammentreiben. Danach ist er so geschafft, dass er dienstags und donnerstags den ganzen Tag sowieso nur schläft. An den Tagen kommt dann die Hundesitterin und geht mit ihm spazieren.“

Seine Miene wirkte bei seinem Geständnis so angespannt, dass Samantha sah, wie schwer es ihm fiel, dieses Geheimnis zwischen Charlie und ihm mit jemandem zu teilen.

Sie bemühte sich sehr, nicht zu lächeln oder gar zu lachen. Das hätte er falsch verstanden, weil ihm vermutlich nicht klar war, wie attraktiv ein großer, starker, erfolgreicher Mann wirkte, der sich so viel Mühe mit seinem Hund gab.

„Du bist ein sehr verantwortungsbewusster Hundehalter“, sagte sie. „Das kann man leider nicht von allen behaupten.“

Offenbar wartete er auf die Pointe, denn er runzelte die Stirn, doch Samantha lächelte nur unschuldig und wechselte das Thema.

Nach dem Essen setzten sie sich ins Wohnzimmer, und Charlie stürzte sich auf den Sessel, gab aber auf, als Jack ihn zurückrief. Der Hund seufzte und ließ sich zu Samanthas Füßen auf dem Boden nieder.

Jack sah sich um, und sein Blick blieb an dem Bild über dem Kamin hängen. „Das ist so gar nicht dein Stil“, bemerkte er.

Samantha betrachtete die gedämpften Grün- und Blautöne. „Es ist sehr beruhigend.“

„Aber es gefällt dir nicht.“

„Na ja, es ist mir zu …“

„Normal?“

Sie lächelte. „Genau. Durchschnittlich. Keine interessanten Möbelstücke, keine Farbakzente.“

„Bei deiner nächsten Wohnung wirst du das nachholen.“

„Auf jeden Fall. Ich vermisse etwas Ausgefallenes.“

Jack verzog das Gesicht. „So wie diesen schrecklichen Überwurf, den du damals als Tischdecke in deiner Wohnung hattest? An den erinnere ich mich noch genau.“

„Er war wunderschön“, erklärte sie würdevoll. „Und die Farbauswahl war exquisit.“

„Er sah aus wie ein Albtraum aus einem Dalí-Gemälde.“

„Du hast einfach keinen Geschmack.“

„Dafür weiß ich, wann ich mich fürchten muss.“

Er grinste, und Samantha grinste zurück. So war es immer zwischen ihnen gewesen – sie waren selten einer Meinung und kamen trotzdem bestens miteinander aus. Dass es immer noch so war, gefiel ihr mindestens genauso gut wie der Mann selbst.

Er hatte den Anzug gegen Jeans und ein langärmliges Hemd getauscht und sah absolut sexy aus. Kontrollierter Sex-Appeal, dachte sie.

Schon immer hatte sie sich gefragt, was passieren würde, wenn er einmal seine kontrollierte Haltung aufgab und sich völlig gehen ließ. In ihrer Liebesnacht hatte sie einen Vorgeschmack darauf bekommen. Er war so leidenschaftlich gewesen, dass sie völlig überwältigt war und sich nach viel, viel mehr davon sehnte.

Schluss damit, sagte sie sich streng.

„Hast du keine Möbel und Bilder aus deiner New Yorker Wohnung?“, fragte Jack.

„Doch, einige Sachen habe ich einlagern lassen.“ Einige wenige. In seinem letzten Versuch, ihr seinen Willen aufzuzwingen, hatte Vance mit ihr über jedes Bild und jeden Teller gestritten. Am Ende war es einfacher und seltsam befreiend gewesen, ihm einfach alles zu überlassen.

In Jacks Augen glomm etwas wie Mitgefühl auf. „Ich weiß, dass du eine Scheidung hinter dir hast. Wie geht es dir damit?“

Sie hatte ihren Familienstand in den Formularen der Personalabteilung angeben müssen, also war sie nicht überrascht, dass Jack davon wusste. „Ganz gut. Am Anfang war es schwer. Zuerst kam diese ganze Litanei mit ‚Ich habe versagt‘, aber darüber bin ich hinweg. Jetzt fühle ich mich nur noch erleichtert.“

„Es ist eine harte Zeit“, sagte er.

Sie nickte. „Ich hatte wirklich gedacht, ich würde für den Rest meines Lebens mit diesem Mann verheiratet sein. Ich glaubte, ich hätte den perfekten Partner gefunden.“ Sie unterbrach sich. „Nicht perfekt an sich, aber genau richtig für mich. Aber da habe ich mich wohl getäuscht.“

Was eine Untertreibung war. „Wir wollten in fast allen Bereichen ganz unterschiedliche Dinge. Damit hätte ich leben können, aber er hat seine Meinung geändert, als es darum ging, Kinder zu haben.“

Bewusst behielt sie ihren Plauderton bei, weil sie wusste, dass die Bitterkeit sie überwältigen würde, wenn sie ihre wahren Gefühle zeigte. Sie hatte im Moment keine Lust auf diese Art von Energieverschwendung.

„Das tut mir leid“, sagte Jack. „Ich weiß noch, dass du immer davon gesprochen hast, einmal Kinder zu haben.“

„Und das will ich auch immer noch. Ein paar Jahre bleiben mir ja noch.“

„Mehr als ein paar.“

Als ihre Blicke sich trafen, hatte Samantha Mühe, das Kribbeln in ihrer Magengegend zu ignorieren.

Es war Neugier gewesen, die Jack bewogen hatte, Samantha mit dem chinesischen Essen zu überraschen – aber auch das gute Gefühl, dass ihre Freundschaft all die Jahre überlebt hatte.

Jack mochte die Art, wie Samantha es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht hatte und dabei ein Bein herunterhängen ließ, um Charlie mit ihrem nackten Fuß zu kraulen.

Sie lackierte immer noch ihre Fußnägel, stellte er fest – und das nicht nur mit rotem Nagellack. Auf jedem großen Zeh prangte eine kleine Blume, außerdem schmückte sie sich mit einem Zehenring. Keine der Frauen, mit denen er sonst ausging, war der Typ für so was. Natürlich trug auch keine von ihnen Jeans mit aufgestickten Blumen auf den Seitennähten oder Pullover, die eher wie bemalte Leinwände aussahen als wie Kleidungsstücke.

„Genug von mir“, sagte sie. „Wie ist es denn bei dir in Liebesdingen gelaufen?“

„Nicht sehr spannend. Ich war nie verheiratet, aber eine Weile verlobt.“

„Oh. Und es hat nicht geklappt?“

„Sie ist gestorben.“

Samantha riss die Augen auf. „Lieber Himmel, Jack, das tut mir leid.“

„Es ist jetzt ein paar Jahre her. Shelbys Wagen kam auf einer vereisten Brücke ins Schleudern und stürzte ins Wasser. Sie hat es nicht geschafft herauszukommen.“

„Wie furchtbar.“

Samantha war, wie er wusste, ein mitfühlender Mensch, der aber lieber gar keine Worte machte, als Plattitüden von sich zu geben – wofür er dankbar war. Damals hatte er all die abgedroschenen Phrasen, die sowieso nichts änderten, zur Genüge gehört. Und für ihn war unwiderruflich eine Welt zusammengebrochen, als er Shelbys Brief fand, den sie vor ihrem Tod geschrieben hatte.

„Standet ihr kurz vor der Hochzeit?“, fragte Samantha.

„Ja, eine Woche, um genau zu sein. Wir wollten Silvester heiraten.“

Sie biss sich auf die Unterlippe. „Jetzt sind die Weihnachtsfeiertage für dich bestimmt die Hölle.“

„Es geht, ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Hauptsächlich macht es mich wütend, weil es so unnötig war.“

Er selbst hatte seine Trauer, so gut es ging, bewältigt, aber er wusste, dass Shelbys Eltern noch nicht über ihren Tod hinweggekommen waren.

Charlie nutzte die Gesprächspause, um sich auf den Rücken zu drehen und Samantha seinen Bauch hinzuhalten, die gehorsam begann, ihn mit dem Fuß zu kraulen. Er ließ einen genüsslichen Seufzer hören.

„Dieser Hund nutzt es schamlos aus, wenn er mal einen Wohltäter findet“, bemerkte Jack.

Samantha grinste. „Ja, klar, weil du ihn ja auch nie verwöhnst.“

„Ich? Nie im Leben.“ Jack nahm einen Schluck Wein. „Und, wächst dir die Arbeit schon über den Kopf?“

„Beinahe. Es gibt so viel zu tun, und deshalb ist es so spannend. Es ist wirklich ein tolles Projekt.“

„Hast du schon von der großen Feier für unsere Anzeigenkunden gehört, die in ein paar Wochen stattfindet? Wir halten sie jährlich ab und geben uns große Mühe dabei. Abendgarderobe und auch sonst alles nur vom Feinsten.“

„Wirklich? Heißt das, ich habe eine Ausrede, um mir ein neues Kleid zu kaufen und umwerfend auszusehen?“

Der Gedanke daran, wie Samantha in einem langen eng anliegenden Abendkleid aussehen würde, steigerte seine eher geringe Vorfreude auf die Feier beträchtlich.

„Von wegen Ausrede, du folgst damit einem Auftrag deines Chefs.“

„Und du wirst im Smoking kommen?“

Jack verzog das Gesicht. „Richtig, das hatte ich ja ganz vergessen.“

„Du siehst bestimmt fantastisch aus. Alle Frauen werden dir zu Füßen liegen.“

„Das wird mit der Zeit auch langweilig“, erwiderte Jack, bemüht, keine Doppelbedeutung in ihre Worte hineinzuinterpretieren. Er hätte gerne geglaubt, dass Samantha mit ihm flirtete, aber andererseits hatte sie ihn früher so oft abblitzen lassen, dass er sich lieber nicht noch einmal die Finger verbrannte.

„Dann bist du in diesem Bereich wohl voll beschäftigt“, witzelte Samantha, und ihre grünen Augen sprühten vor Humor.

„Ja, ich kann nicht klagen.“

„Und wie genau äußert sich das?“

Jack spürte, dass sie gefährliches Gebiet betraten, aber er hatte keine Ahnung, wie er da wieder herauskommen sollte.

„Na ja, ich treffe mich mit Frauen“, erwiderte er vorsichtig.

„Ich nehme mal an, sie stehen dafür Schlange“, sagte sie leichthin. „Du siehst gut aus, bist erfolgreich, wohlhabend und Single. Ziemlich unwiderstehlich also.“

Das hatte er eigentlich auch immer gedacht, doch auf Samantha wirkte diese Mischung offenbar überhaupt nicht – wenn überhaupt, bewirkte sie bei ihr das Gegenteil.

„Manche Frauen widerstehen mir trotzdem“, sagte er leichthin. „Und bei dir? Hast du schon wieder Lust, mit Männern auszugehen?“

„Nein, und das wird auch noch eine Weile so bleiben. Eine Scheidung ist ein großer Dämpfer fürs Selbstwertgefühl. Jedenfalls für meins.“

Gerade bei Samantha, die immer so selbstbewusst, clever, witzig und wunderbar gewesen war, fiel ihm das schwer zu glauben. „Davon merkt man aber nichts.“

„Danke. Ich versuche, es mir nicht anmerken zu lassen.“

„Das schaffst du ziemlich gut.“

Am liebsten hätte er ihr gesagt, dass sie so begehrenswert war wie früher und er es ihr jederzeit beweisen konnte.

Doch das war keine gute Idee, deshalb stand er auf. „Es ist ganz schön spät geworden, und Charlie und ich brauchen unseren Schönheitsschlaf.“ Er pfiff leise. „Komm, mein Junge.“

Charlie stand auf und reckte sich, leckte Samantha noch einmal die Hand und folgte Jack zur Tür.

Samantha begleitete die beiden hinaus. „Danke, dass du vorbeigekommen bist. Das Abendessen war wundervoll, genau wie die Gesellschaft.“ Sie ging in die Hocke und kraulte Charlie hinter den Ohren. „Du bist ein sehr attraktiver Kerl. Wir sollten uns bald mal wieder treffen.“

Charlie bellte zustimmend.

Na, das war ja klar, dachte Jack im Flur mit einem selbstironischen Lächeln. Jetzt kennen wir uns schon so lange, und sie verguckt sich in den Hund.

3. KAPITEL

Eine Woche später saß Jack am Schreibtisch seines Vaters und verfluchte den Tag, an dem er zugestimmt hatte, die Firma auch nur zeitweise zu leiten. Immer neue Krisen zeichneten sich ab, und ständig gab es schlechte Neuigkeiten. Im Augenblick wünschte er sich nur einen einzigen Tag, an dem einmal nichts schiefging.

Die Liste der Probleme schien endlos. Die EDV-Abteilung hatte ihm mitgeteilt, dass der verfügbare Webspace beinahe ausgeschöpft war und man mehr Serverkapazität brauchen würde, um den neuen Internetauftritt zu verwirklichen. Die Abonnementzahlen für die drei größten Zeitschriften waren im vergangenen Vierteljahr weiter gesunken. Etwa hunderttausend Zeitschriften waren bei einem Zugunglück auf dem Weg an die Westküste verbrannt. Und selbst Jack als Laie konnte erkennen, dass das Layout für das neue Haus- und Gartenmagazin stümperhaft gestaltet war.

Es wurde ihm einfach alles zu viel. Wie war sein Vater nur mit all diesen Problemen fertig geworden und hatte gleichzeitig noch mehrere Abteilungen geleitet?

Jack lehnte sich im Stuhl zurück und rieb sich die Schläfen. Die Antwort auf diese Frage kannte er bereits: George Hanson hatte seinen Job nicht gut gemacht. Einige Bereiche waren aus dem Ruder gelaufen, und niemand hatte sie korrigieren können, weil sich bereits die nächste Krise abzeichnete.

Soweit Jack das beurteilen konnte, gab es nur eine Möglichkeit, die Hanson Media Gruppe zu retten – er brauchte weitere Unterstützung, zusätzlich zu den bereits eingestellten neuen Abteilungsleitern.

Er ließ Mrs. Wycliff kommen und bat sie, sich zu setzen.

„Ich muss unbedingt meine Brüder erreichen“, sagte er. „Ich hab da ein Problem, das ich allein nicht gelöst bekomme. Wissen Sie zufällig, wo sich Evan und Andrew zurzeit herumtreiben?“

Falls Mrs. Wycliff überrascht war, dass er das nicht wusste, verbarg sie es gut. „Tut mir leid, nein“, erwiderte sie. „Soll ich sie für Sie finden?“

„Ja, bitte. Am besten lässt sich ihre Spur in den Kreditkartenabrechnungen verfolgen.“ Evan liebte Europa, wo er sämtliche attraktive Orte unsicher machte, und Andrew exklusive Sportarten, sodass er im Sommer an exklusiven Stränden und im Winter in teuren Wintersportorten zu finden war.

Jack kannte das Psycho-Geschwafel über Geschwister, nach dem jedes Kind auf seine eigene Weise die Aufmerksamkeit der Eltern zu erregen versuchte. Er selbst hatte es darauf angelegt, in allem, was er tat, der Beste zu sein.

Sein Vater hatte ihm früh erklärt, dass er die Firma übernehmen würde, und lange Zeit hatte er sich darauf vorbereitet. Doch am Ende hatte er das Familienunternehmen genauso im Stich gelassen wie seine Brüder. Stolz war sein Vater auf keinen von ihnen gewesen.

Ob Evan und Andrew je Schuldgefühle hatten? Jack hatte versucht, sich mit seinem Vater auszusöhnen, aber der alte Herr schien daran nie sonderlich interessiert zu sein. Er hatte immer nur davon geredet, dass Jacks Platz in der Firma war.

Jedenfalls machte es Jack viel mehr zu schaffen, dass der Kontakt zu seinen Brüdern verloren gegangen war, als dass er seinen Vater enttäuscht hatte.

„Ich kümmere mich sofort darum“, sagte Mrs. Wycliff. „Haben Sie schon mit Ihrem Onkel gesprochen?“

„Nicht über dieses Problem, aber das ist eine gute Idee“, erwiderte Jack. „Danke.“

Seine Sekretärin stand auf. „Ich werde Ihnen Bescheid sagen, sobald ich sie gefunden habe“, versprach sie und ging hinaus.

Jack wählte die Durchwahl seines Onkels. „Hallo, hättest du kurz Zeit?“

„Natürlich.“

Die PR-Abteilung befand sich einen Stock tiefer, und Jack nahm die Treppe. Sein Onkel David und sein Vater, die Brüder waren, unterschieden sich wie Tag und Nacht. Während George sein Leben der Firma widmete, hatte David immer Zeit für seine Neffen gehabt.

Davids Büro war so eingerichtet, dass es sowohl Besucher beeindruckte als auch eine entspannte Atmosphäre schuf. David stand auf, um seinem Neffen die Hand zu schütteln, und umarmte ihn dann kurz.

„Wie läuft’s?“, fragte er und bot Jack einen Platz auf der Couch am Ende des Raums an. „Gibt’s immer noch Probleme?“

„Jeden Tag neue“, seufzte Jack. „Es wird Zeit für ein paar gute Nachrichten. Wir könnten die Abwechslung alle brauchen.“

David war, wie alle Hansons, groß und hatte braunes Haar. Er war beinahe zwanzig Jahre jünger als sein Bruder George, was vielleicht erklärte, warum er seinen Neffen nähergestanden hatte als ihr eigener Vater.

„Wieso übernimmst du eigentlich nicht die Leitung?“, fuhr Jack fort. „Du weißt mehr über die Firma als sonst jemand hier. Du würdest das mit links machen.“

„Aber es ist nicht mein Ding“, sagte David. „Und selbst wenn ich mich dazu berufen fühlte, würde ich den Letzten Willen meines Bruders respektieren. Er wollte, dass einer seiner Söhne sie übernimmt.“

„Das wissen wir noch gar nicht“, sagte Jack. „Genaueres erfahren wir erst bei der Testamentseröffnung.“ Er fluchte halblaut. „Was hat sich Vater nur dabei gedacht, uns drei Monate warten zu lassen, bis das Testament verlesen wird? Das ist doch verrückt. Bis dahin kann niemand wirkliche Entscheidungen treffen. Ich kann nur hoffen, dass sich Evan und Andrew wenigstens zur Testamentseröffnung blicken lassen. Du hast auch keine Idee, wo ich sie finden kann, oder?“

„Leider nicht“, erwiderte David. „Es ist schade, dass wir uns so völlig aus den Augen verloren haben. Aber da fällt mir ein, ich habe eine Pressemitteilung über die neuen Angestellten herausgegeben, und einer der Namen kam mir doch sehr bekannt vor.“

„Samantha war die beste Bewerberin“, sagte Jack.

„Das bezweifle ich nicht. Aber es war interessant, ihren Namen zu lesen. Ich erinnere mich von früher an sie. Sie ist die Frau, die du haben wolltest, aber nicht gekriegt hast.“

„So war es nicht“, erklärte Jack.

„Aber so, wie du über sie gesprochen hast, klang es ganz danach.“

„Das ist lange her. Jetzt liegen die Dinge anders.“

„Ist sie verheiratet?“

„Nein.“

„Na, dann gibt dir das Schicksal ja vielleicht eine zweite Chance.“

Jack blickte seinen Onkel scharf an. „Ich glaube nicht an Schicksal. Und schon gar nicht an zweite Chancen.“

Davids Gesichtsausdruck wurde ernst. „Nicht jede Frau ist wie Shelby.“

„Das weiß ich.“ Jack stellte die Tasse ab und stand auf. „Mach dir um mich keine Sorgen, mir geht’s gut. Und Samantha ist eine Mitarbeiterin, sonst nichts.“

„Du lügst“, sagte David und grinste. „Aber wenn es dir so wichtig ist, tue ich so, als ob ich es nicht merke.“

„Super, danke. Und wenn du zufällig herausfindest, wo mein Brüder sich rumtreiben, lass es mich wissen.“

„Mach ich.“

„Ach du liebe Güte“, sage Helen Hanson, als sie sich in Samanthas Wohnung umsah. „Sehr …“

„Dezent? Beige? Langweilig?“, schlug Samantha lachend vor.

„Na ja, so könnte man es auch ausdrücken.“ Helen trat einen Schritt auf die Freundin zu und umarmte sie. „Jedenfalls bin ich froh, dass du hier bist.“

„Ich auch. Aus New York herauszukommen war wichtig für mich, und du hast das möglich gemacht.“

Helen ließ sich auf die Couch sinken und winkte ab. „Ach was, ich habe dir nur ein Vorstellungsgespräch besorgt. Den Job hast du ganz allein an Land gezogen.“

Samantha ließ sich neben Helen nieder und legte eine Hand auf ihren Arm. „Du siehst müde aus. Wie geht es dir?“

„Ich bin müde. Und noch immer fassungslos. Nach fast zwei Monaten sollte ich mich an den Gedanken gewöhnt haben, aber …“ Helen stiegen Tränen in die Augen, aber sie blinzelte sie weg. „Verdammt, ich wollte nicht mehr weinen.“

„Es gibt keine Zeitbeschränkung für Trauer.“

„Ich weiß. Es ist lieb von dir, dass du dir Sorgen um mich machst. Mir geht’s gut.“

„Nein, tut es nicht.“

„Also schön, ich tue so, als ob es mir gut ginge, und die meiste Zeit komme ich ja auch zurecht. Immerhin schaffe ich es jetzt schon ein oder zwei Stunden lang, nicht in Tränen auszubrechen. Am Anfang waren es nur Minuten. Aber ich vermisse ihn so sehr und fühle mich so einsam.“

Darauf gab es nichts zu sagen. Helen stand nach dem Tod ihres Mannes George wirklich ganz alleine da – eine eigene Familie besaß sie nicht, und seine Söhne hatten sie auch nicht gerade mit offenen Armen aufgenommen.

„Hast du schon mal mit Jack geredet?“, fragte Samantha. „Er trauert doch bestimmt genauso um seinen Vater.“

„Ich weiß“, sagte Helen und tupfte sich mit einem Taschentuch die Augen ab. „Er ist sehr höflich und besorgt, aber wir stehen uns nicht nahe. Ich habe es ja versucht, immer wieder, aber ganz gleich, was ich auch tat, ich kam an die Jungs einfach nicht ran.“ Sie schniefte. „Wahrscheinlich sollte ich sie auch nicht Jungs nennen, schließlich sind sie alle erwachsen. Aber George hat so von ihnen gesprochen, von seinen Jungs.“

Samantha schüttelte den Kopf. „Ich verstehe das nicht. Eigentlich hätten sie dich vergöttern müssen.“

„Tja, ich habe wirklich alles ausprobiert, was mir einfiel, und an guten Tagen redete ich mir ein, dass es gar nicht an mir lag. George war ein wunderbarer Mann, aber er hatte keinen engen Kontakt zu seinen Söhnen. Ich weiß nicht, woran das lag, die Probleme hatten sie schon, bevor ich ihn heiratete. Aber ich habe ihn so sehr geliebt.“

„Ich weiß.“

Helen versuchte ein Lächeln. „Also gut, genug davon. Ich bin nicht zum Weinen hergekommen. Lass uns von dir reden. Wie gefällt dir dein neuer Job?“

Da sie nicht wusste, wie sie ihrer Freundin helfen sollte, akzeptierte Samantha den Themenwechsel. Vielleicht konnte sie so Helen ein paar Minuten von ihrem Schmerz ablenken.

„Ich liebe ihn“, schwärmte sie. „Es gibt wahnsinnig viel zu tun, was mir gut passt, du weißt, dass ich gern ausgelastet bin. Ich habe so viele Ideen für die neuen Webseiten, dass ich schon einen Block und Stift auf den Nachttisch gelegt habe, weil ich nachts ein paarmal aufwache, wenn mir wieder etwas eingefallen ist.“

„Oha, da werden wir ja in ein paar Wochen darüber reden müssen, dass du auch mal Freizeit brauchst.“

„Vielleicht“, erwiderte Samantha und lachte. „Aber im Augenblick bin ich wirklich glücklich damit. Ich mag meine Mitarbeiter, und ich kann wirklich einen Beitrag leisten. Perfekt.“

„Vermisst du Vance?“