Faszination Dominikanische Republik - Gerhard Gross - E-Book

Faszination Dominikanische Republik E-Book

Gerhard Groß

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Beschreibung

Als Entwicklungshelfer jahrelang in verschiedenen tropischen Ländern u.a. auch in der Dominikanischen Republik unterwegs. Einen Teil seiner Eindrücke schreibt er in diesem Werk nieder. Als promovierter Botaniker lässt er den geneigten Leser teilnehmen an einer Reihe von Streifzügen, wo eine Vielzahl von unterschiedlichen Landschaftselementen und ihrer arten- und formenreichen Flora beschrieben werden.

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Gliederung

Vorwort

So fing es an

Santo Domingo und seine Umgebung

Teil I: Der Westen

Der südwestliche Teil

Die Trockenwälder und die Dünen von Bani

Azua und Puerto Viejo

Reisen in die Sierra Martin Garcia

Eine Reise zur Bucht von Neiba

Reise zur Laguna Rincon de Cabral

Barahona

Ein botanischer Streifzug zum Rio Baoruco

Von Barahona bis Oviedo

Auf in Richtung Haiti und zu den Baoruco-Bergen!

Der Lago Enriquillo

Die Insel Cabritos

Der lange Marsch vom Markt von Jimani zum See

Eine Exkursion in die Sierra de Neiba

Der Nordwesten

Von Moca nach Monte Cristi

Von Monte Cristi nach Dajabon

Teil II: Der Osten

Nagua

Die Halbinsel Samana

Sanchez

Die Stadt Samana

Vom Strand von Las Caleras nach „Madame I“

Laguna Redonda und Laguna del Limon

Isla Saona

Der Nationalpark Los Haitises

Mit der Fähre von San Pedro de Macoris nach Puerto Rico

Teil III: Perlen des Landesinneren

Erforschung der Feucht- und Regenwälder der Nord-Kordillere

Leben und Überleben im Regenwald

Von Nagua zum Loma Guaconejo: Eine beschwerliche Reise

Ein wahrhaft dunkler, denkwürdiger Tag

Der Tod des Urwaldriesen

Die Graue Eminenz der Nordkordillere ist Cyrilla racemiflora

Reise zum Pico Duarte

Die Reise von San Juan über Las Matas der Farfan nach Elias Pinas

Die Pflanzenwelt der Cuenca Rio Ocoa

Jimenoa

Quo vadis, Insel Hispaniola?

Vorwort

Der Autor setzte im Januar 1985 seinen Fuß zum ersten Mal als Entwicklungshelfer des Deutschen Entwicklungsdienstes auf die Insel. Er arbeitete jahrelang in der Naturschutz-Abteilung des Landwirtschaftsministeriums und später bei einer regierungsunabhängigen Institution. Begeistert von der botanischen Vielfalt, die charakteristisch ist in den vor allem feuchten Tropen, beschreibt er Streifzüge, die ihn und seine Begleiter in entlegene, zum Teil vorher noch nie erforschte Regionen führten.

Die vorliegenden Ausführungen basieren auf umfangreichen Aufzeichnungen, die im Jahr 1985 im Südwesten des Landes begannen und gegen Ende der neunziger Jahre mit der Erforschung von Feuchtwäldern der „Cordillera Septentrional“ ihren Höhepunkt erreichten. Der geneigte Leser ist eingeladen, teilzunehmen an den Reisen in eine fremde, wunderschöne Welt. Vielleicht lässt er sich verzaubern von der Vielfalt und Schönheit der tropischen Flora.

Aber auch dieses schöne und liebenswerte Land ist von den Schattenseiten des modernen Fortschrittsdenkens und einer für Schwellenländer nicht immer förderlichen Globalisierung nicht verschont geblieben. Massentourismus und industrielle Landwirtschaft haben ihre Spuren hinterlassen. Umweltschäden haben örtlich zu gravierenden Veränderungen geführt. Der Einfluss fremder Industriestaaten mit ihren spezifischen Interessen ist inzwischen deutlich sichtbar.

Dennoch gibt es für den aufgeschlossenen und an der Natur interessierten Wanderer überraschend viele Zonen, deren biologische Vielfalt noch berauschend ist. Und ein Grund, immer wieder zurückzukehren in dieses wunderschöne Land.

Poetische Formulierungen wurden nicht selten von der Kraft der Meereswoge beflügelt und stammen ausschließlich aus der Feder des Verfassers. Die geografische Darstellung erfolgte unter Verwendung von Google Maps.

Kehl am Rhein, anno 2023

Gerhard Groß

So fing es an...

Wir schreiben das Jahr 1985. Ein Regierungswechsel im Nachbarstaat Haiti alarmiert die Offiziellen der Dominikanischen Republik. Die Grenze wird gesperrt. Das schießwütige dominikanische Militär meuchelt haitianische Kuhhirten, weil sie offensichtlich Milchkannen transportieren und Milch über die Grenze schmuggeln. Die Grenze ist der „Rio Masacre“ bei Dajabon, der ohnehin, zu Trujillos Zeiten, eine makabre Rolle im Geschichtsbuch der Dominikanischen Republik spielt. Diktator Trujillo, der damals seinem Gesinnungsgenossen Hitler den Krieg erklärte, worauf dieser angeblich sich auf der Weltkarte die Insel zeigen ließ und sie wütend mit einem Stift ausradierte.

Ich arbeite seit etwa einem Monat als Entwicklungshelfer des Deutschen Entwicklungsdienstes im “Departamento Vida Silvestre“, das ist eine dem Landwirtschaftsministerium untergeordnete Abteilung, die sich der Erforschung schutzwürdiger Räume widmet. Die Arbeit ist sehr komplex. Man erwartet eine, wie der Bayer sagt, eierlegende Milchsau, die den vielfältigen Aufgaben gerecht werden soll. Zum Glück habe ich als Vorgänger den Deutschen Jürgen, dessen jahrelange Erfahrung sehr hilfreich ist. Dazu kommen liebenswürdige einheimische Kollegen aus der Fachabteilung des botanischen Gartens, dessen umfangreiches Herbarium Seinesgleichen im karibischen Raum sucht.

So eine Arbeit im Landwirtschaftsministerium ist aus vielerlei Aspekten äußerst interessant. Man lernt schnell, dass Etikette und Kleiderordnung mindestens so wichtig sind wie fachliche Kompetenz. So ist es der ältere Daniel, der mich auf meinen fehlenden Hosengürtel aufmerksam macht. Und auch die nicht glänzenden Schuhe beanstandet. Und trotzdem lädt er mich ein in sein “Patio“, was man mit einem fast schrebergartenähnlichen Geländestück vergleichen könnte, wo die Ehefrau meist das Zepter führt. In seinem Falle hat er sich der Leidenschaft der Kaninchenzucht gewidmet. Er hat einen Teil seines Eigentums mit Maschendrahtzaun abgesperrt. In seiner Freizeit setzt er sich genüsslich in einen ausladenden Ohrensessel innerhalb des Auslaufs und füttert die Kaninchen. Eine Idylle mit glücklichem Mann in einer lauten Umgebung, die von eng aneinandergeklebten Häusern und Blechkarawanen in einem meeresnahen Stadtteil von Santo Domingo umgeben ist.

Die Damenwelt im Ministerium lässt sich so Manches an „outfit“ einfallen. Dies betrifft Kleider, Schminke und Rosendüfte in allen erdenklichen Varianten, die von Jüngeren wie Älteren gleichermaßen getragen und aufgetragen werden. Manchmal erinnern sie an in Bändern eingewickelte, gepuderte Pralinenschachteln, wo das Gehirn nur eine sekundäre Rolle spielt. Aber man gewöhnt sich gerne daran und passt sich so gut wie möglich an. Und so entdeckt man im Laufe der Zeit zahlreiche liebenswerte Menschen, an die man sich immer wieder gerne erinnert.

Da ist der Ornithologe Thomas. Er wohnt mit seiner Mutter in einem abrissfähigen Hochhaus am Rande des „Rio Ozama“. Das ist der Fluss im Ostteil der Altstadt von Santo Domingo, wo einst Kolumbus mit seinen Gefährten den Anker warf. Thomas ist der einzige Frühaufsteher unseres Kollegiums, mit dem ich, nicht selten mit der betagten amerikanischen Misses Dod, in der Morgendämmerung Vögel im Umland von Santo Domingo beobachten darf. Da ist der kompetente Botaniker Ricardo des hiesigen botanischen Gartens, der mich unermüdlich in die Geheimniswelt der dominikanischen Flora einführt. Zahlreiche neu entdeckte Pflanzenarten tragen seinen Namen. Unser Chef ist Emilio, der seine Kinderzeit im haitianischen Grenzgebiet Elias Pinas verbrachte und die haitianische Sprache beherrscht. Ein harmonisch wirkender Familienmensch, der versucht, die Mannschaft zusammenzuhalten. Betrachten wir den dicken Freddi, der sich der Untersuchung von Reptilien und Amphibien widmet. Sein Konterfei hängt wie ein stattliches Gemälde im Saal seiner Wohnung und wird von Frau und Kindern bewundert. Bemerkenswert sind seine nächtlichen, melodischen Schnarchtöne während unserer zahlreichen Exkursionen, die ich wie eine von Mozart entworfene Nachtmusik empfinde. Eine von Puerto Viejo aus geplante Bootsfahrt zu einem entlegenen Gebiet der Bergregion Sierra Martin Garcia wurde abgesagt. Auch deshalb, weil „Uns Freddi“ nicht schwimmen konnte. Nicht zuletzt erwähnenswert ist der alte Manuel mit seinen im Gegensatz zu seiner Haut perlweißen Zähnen. Er ist stolzer Vater von zahlreichen Kindern, aus der man lässig zwei Fußballmannschaften ausstatten könnte. Ein kleines Männlein, dessen Frauen zum Teil als Putzhilfen im Departamento arbeiten. Soweit die Beschreibung eines Teiles meines Kollegiums, mit dem ich die folgenden Arbeitsjahre verbringe. Unsere Tätigkeit liegt vor allem in der floristischen Erforschung schutzwürdiger Zonen im ganzen Land. Ausgestattet mit zwei Geländefahrzeugen, Zelten und Kochgeschirr sind wir unterwegs.

Es ist Frühjahr im Jahre 1985. In Haiti rumort es wieder einmal. Das permanent unter Armut lebende Volk ehemaliger Sklaven ist nicht mit der Politik einverstanden, deren Drehbuch von Frankreich und Nordamerika geschrieben wird. „Baby Doc“, der in die Fußstapfen seines Vaters „Papa Doc“ trat, muss abdanken. Das Volk hat wieder einmal genug von der Korruptionsphilosophie dieses Familienclans. Nun, in Frankreich wird er diplomatische Aufnahme erhalten und wie ein König in einem der zahlreichen Schlösser an der Loire unterkommen.

Da die Grenze hermetisch abgeriegelt ist und nur wenige Zuckerrohr schneidende Arbeiter aus Haiti mit entsprechenden Papieren die Ernte einbringen können, muss gemäß Beschluss der Regierung zunächst die Arbeit beispielhaft von Vertretern des Landwirtschafts-Ministeriums ausgeführt werden. Sozusagen als Nachahmungsempfehlung für die dominikanische Bevölkerung. Es fahren also Busse vor, die Herren und Damen vor allem unserer Abteilung aufnehmen und sich in Richtung der Küstenstraße begeben. Dabei wissen es wohl nur die „Höheren“, wohin es geht und was der Zweck dieser Reise sein soll. Im Raum Bani steigen wir aus. Dort breiten sich üppige Zuckerrohrfelder bis nach Barahona und noch viel weiter aus. In der Nähe werden wir Zeuge eines Vorganges, der sicherlich gewöhnlich im hier alltäglichen Tagesverlauf ist: ein Ochse liegt fast regungslos im Feld und ist ein Teil von Zugtieren, die einen mit Zuckerrohr beladenen Karren ziehen sollen. Der Ochse wird mit einer lanzenartigen Stange malträtiert. Er steht auf und zieht mit seinen Artgenossen den Karren. Zwanzig Haitianer und ihr hellhäutiger dominikanische Boss, der eine Pistole trägt, betrachten mit uns das ungewohnte Schauspiel. Er gibt den Haitianern zu verstehen, dass jetzt gearbeitet werden muss.

Was sich dann vor unseren staunenden Augen abspielt, ist ein Tanz von schwarzen Pantern in der Mitte eines riesigen Zuckerrohrfeldes. Die zum basalen Teil der Zuckerrohrpflanze führende Armbewegung mit der schlagenden Machete folgt dem Rhythmus der Hüfte. Zuckerrohr (Saccharum officinalis, Poaceae) ist ein Hochgras. Die Pflanze lagert Stärke ein und wandelt diese, insbesondere in den unteren Teilen, in Saccharose um. Nach oben hin nimmt der Zuckergehalt ab. Das Kappen der oberen Pflanzenteile erfolgt durch das Auspendeln der zunächst nach unten gerichteten Drehbewegung.

Während der französischen Kolonialzeit wurde Haiti in ein riesiges Zuckerrohrfeld verwandelt. Der ausgepresste Saft wurde in mit Holz befeuerten Trocknungsanlagen raffiniert. Rumfabriken mit großen Schloten entstanden. Durch den riesigen Bedarf an Brennholz wurden ganze Waldlandschaften gerodet. In den Regenzeiten führten Wassererosionen zu irreversiblen Schäden, deren Spuren bis heute zu erkennen sind. Zucker ist süß für feine Gesellschaften. Er ist bitter für jene tropische Länder, in denen er in übertriebenem Maße angebaut und exportiert wird.

Jeder von uns bekommt eine Machete in die Hand. Dabei werden wir informiert, wie man Zuckerrohr schneidet, ohne sich selbst oder andere zu verletzen. Nach weniger als einer Stunde lässt die Begeisterung nach. Die Sonne brennt auf eine eher dem Schatten angepasste Kleidung. Die Stöckelschuhe der Damen kneifen und bohren sich in den Ackerboden. Viele setzen sich ob der ungewohnten Arbeit schon nach wenigen Minuten in den wohltuenden Schatten, aus dem unser Chef Emilio nunmehr heraustritt. Unter dem Blitzlicht von Reportern erschlägt er eine einzige Zuckerrohrpflanze. Seine Aktion erscheint später in einer Tageszeitung. Nach dem Motto: die dominikanische Nation kann ihre Zuckerrohrernte selbst bewältigen.

Nach einer Stunde, als nur noch wenige Idealisten von uns die Machetenhand schwingen, kommt ein Militärfahrzeug und versorgt uns mit Essen und Trinken. In den gewohnten Plastikbehältern wird Reis mit Bohnen und Hähnchen angeboten. Dazu bekommt jede Person eine Flasche Trinkwasser. Natürlich kümmert sich kein Mensch um die Entsorgung. Der Abfall verbleibt im Meer der Zuckerrohrfelder. Zucker ist süß. Aber seine Geschichte ist bitter. Mit gemischten Gefühlen reisen wir ab, zurück nach Santo Domingo.

Die karibische Insel Hispaniola mit Haiti und der Dominikanischen Republik

Santo Domingo und seine Umgebung

Es handelt sich um eine der ältesten Städte in der Karibik. Sehenswert ist die Altstadt (Zona colonial ) mit zahlreichen Gebäuden aus dem 16. Jahrhundert. Für den Reisenden am Tag ist ein Gang durch die „Conde“ zu empfehlen. Die Straße beginnt am „Parque Independencia“ mit einem Denkmal der Honoratioren der Staatsgründung und einem adulten Exemplar des Kanonenkugelbaumes (Couroupita guianensis, Lecythidaceae) und endet am Fluss Ozama. Dort hatte Kolumbus im Jahre 1492 seine Schiffe angetäut. In der Nähe liegt die große, alte Kathedrale. Die erste, die in der Neuen Welt errichtet wurde. Sehenswert hier sind auch die Jahrhunderte alten Gummibäume mit Tausenden von Luftwurzeln. Es handelt sich um Ficus religiosa, eine Moraceae. Seine endemische Heimat ist Indien, und er wird dort als Götterbaum verehrt. Diese imposanten Persönlichkeiten unter den alten Bäumen kann man auch an anderen kirchlichen Bauten in der Altstadt bewundern. Angehörige ihrer Familie finden sich in recht unterschiedlichen Arten in den montanen Feuchtwäldern und im Nationalpark „Los Haitises“. Einige von ihnen sind als Würgefeigen bekannt, die mit ihren zunehmend dem sekundären Dickenwachstum unterliegenden Luftwurzeln andere Bäume umarmen, um diese langfristig zu erwürgen.

Stellen wir uns die Altstadt in den achtziger Jahren im Küstenbereich am Wochenende vor: Die Nacht bricht an. Der „Malecon“, die Küstenstraße, schäumt. Autos fahren im Schritt-Tempo, weil die Gehsteige für die wachsende Menschenmenge zu klein sind. Autos, das waren damals meist fahrende Blechdosen mit oder ohne Türen und abgefahrenen Reifen. Dazwischen immer wieder Pferdekutschen für den zahlenden Touristen, wie in Wien. Nur, in Wien riechen die Pferde anders.

In dieser Zeit konnte auch der bescheidene Mittelstand sich noch einen fahrbaren Untersatz mit oder ohne Schutzblech oder Scheinwerfern leisten. Er konnte teilnehmen an den Musikfestivals zwischen „Feria“ und dem Hafenbereich im Südosten der Stadt. Die kleinen Restaurants mit ihren flinken Kellnern waren gut besucht und erfreuten die Gäste mit kleinen Orchestern und gut aussehenden Sängerinnen. Für weniger Betuchte sorgten die Würstchenverkäufer mit ihren „Jimmi Churys“ auf den Gehsteigen. Fliegende Händler mit Dreirädern verkauften Wasser, Bier und Rum. Die Küstenstraße war der Versammlungsort für lachende und tanzende Menschen am Wochenende. Lachen und Tanzen als Ausdruck für das Bejahen des Lebens, welches das Joch der Arbeit der vergangenen Tage abstreifen möchte. Die Rumflasche und das Domino-Spiel, Musik und Tanz als Medium, wenigstens für das Wochenende die Härte des Arbeitsalltags zu verdrängen.

Wer sich als Tourist in solche lebensfrohen Massenveranstaltungen hineinstürzt, lässt sich gern anstecken von Musik und Lebenslust. Er labt sich an Sonne und Meer und lässt sich verzaubern vom Anblick lächelnder, farbiger Blumen, die mitunter mit schlanken Beinen und Armen ausgestattet sind. Das Nachtleben ist, insbesondere an den Wochenenden, sehr interessant. An der Küstenstraße gibt es zahlreiche Bars mit auch anspruchsvoller Klaviermusik und Sängern.

Wem es am Malecon zu laut, zu überschäumend ist, besucht eine nächtliche Merengue-Bar. Merengue, der klassische Tanz der Dominikanischen Republik. Ein Konglomerat von musikalischer Energie und Texten, mitunter voll von zweideutigem Schalk und Spott und philosophischer Nachdenklichkeit. Kein Tanz für junges Gemüse. Hier dominiert die reife Frau mit dem barocken Körperschwung, in engem Kontakt mit dem dickbauchigen Galan. Je imponierender die Körperfülle, desto mehr Beifall wird dieser wallende Tanz von seinem begeisterten Publikum erhalten. Da kann der Wiener Walzer, mit Verlaub, mit seinen steifen Etiketten nicht mithalten.

Jedoch betrachten wir einmal den Arbeitsalltag in einem der zahlreichen Läden, wo Verkäufer arbeiten und ihre hartes Brot verdienen müssen. Ohne den Schutz von Gewerkschaften, die auf Tarife und die Arbeitszeiten achten. Krank dürfen sie nicht werden ohne Versicherung und Kündigungsschutz. Wie aus dem Ei gepellt wartet der Schuhverkäufer mit seinem weißen Hemd am Eingang einer internationalen Schuhverkaufskette auf Kundschaft. Über zehn Stunden täglich einschließlich Samstag. Und wenn er keine Wohnung von seinen Vorfahren geerbt hat, haust er nächtens in einem Zimmer, nicht selten mit anderen, die sich eine Toilette mit Dusche teilen. Und in diesen Verhältnissen leben noch die Privilegierten in den vielschichtigen Lebensformen, die man als die luxuriösen Eingangspforten der Katakomben der Armut nennen kann. In den unteren Etagen, deren geheime Schächte virtuell ganze Kontinente verbinden, leben Unzählige in dieser Stadt. Tagsüber steigen die noch Fähigen hoch und nehmen – nicht selten als Tagelöhner – teil an der Sonne und den Klängen der Musik. Klänge der Musik und tanzende Menschenleiber. Sie sind die bezaubernde Tünche, die das Antlitz der Armut schminkt.

Armut

Tanz, Morena, tanz! Hinter dem dunklen Vorhang jammert das Kind und kann nicht schlafen. Der Freier lächelt und bringt Geld. Morgen, Morena, wird alles besser.

Trink, Morena, trink! Der Becher winkt und die Musik ist gut und laut; und verdrängt Hunger und Leid. Der Freier lächelt und bringt Geld. Morgen, Morena, wird alles besser.

Sing, Morena, tanze und sing! Träume von den weißen Schiffen im Hafen. Der Freier lächelt und bringt Geld. Morgen, Morena, wird alles besser.

Komm, Morena, komm, singe, trinke und tanze! Der Mond glänzt wie ein goldener Becher in der Lagune. Morgen, Morena, wird alles besser.

Aber in ihren finstersten Gewölben darben jene, deren Schicksale im Schmelztiegel vom Hammerschlag des täglichen Lebens zermalmt werden. Sie jammern und klagen nicht, niemand meißelt ihre Namen in einen Stein. Und die wirtschaftliche Situation dieser Menschen hat sich auch in den neunziger Jahren nicht verbessert, auch wenn das Stadtbild insbesondere im Osten ein völlig anderes geworden ist. Unter Präsident Balaguer wurden ganze Armenviertel, Barios genannt, abgerissen und mehrstöckige Häuser gebaut. Doppelstöckige Straßen nach amerikanischem Muster verbesserten die chaotische Verkehrssituation. Und mit welcher Arbeitskraft, welchem Schweiß wurde das Ganze realisiert? - Mit dem fleißigen, arbeitswilligen Haitianer.

Der Malecon wird zunehmend von riesigen Hotelbauten mit Casinos geprägt, aus denen der Mittelstand herausgeprügelt wurde. Der fliegende Händler und das Kutschenpferd, die Musikantengruppen und der Jimmi Chury, alles, was einer aufkommenden Geschäftslobby Konkurrenz macht, wurde von der einst so malerischen und vielschichtigen Straßenszene verbannt. Noch bevor die Engländer Hongkong verließen, kam eine große Einwanderungswelle von Chinesen in das Land. Überall wurden chinesische Küchen aus dem Boden gestampft. Mittlerweile ist die Hauptstraße „Duarte“ im Bereich des Enriquillo-Parkes zu einem Geschäftsviertel angewachsen, das man in Amerika „Chinatown“ nennt. Diese Entwicklung ist inzwischen auch in anderen Städten festzustellen. Und für den Dominikaner wird es schwieriger, noch einen Krämerladen, hier „Colmado“ genannt, zu finden, wo er klönen und seinem geliebten Domino-Spiel nachgehen kann.

Die Touristenstraße Conde liegt zwischen dem Unabhängigkeitspark und dem Mündungsgebiet des Rio Ozama. Folgt man dem Fluss gegen die Strömung, so erreicht man bald die alte Stadtmauer mit dem „Plaza de Espana“ mit dem „Alcazar de Colon“, einem Gebäude, das der Sohn von Kolumbus erbauen ließ. Von hier aus geht der Blick über den Fluss und bleibt in der Ferne an einem gewaltigen Bauwerk hängen, welches Präsident Balaguer im Jahre 1992 einweihen ließ: dem „Pharo Colon“. Ein monumentaler Leuchtturm mit gewaltigen Laser-Kanonen, deren Strahlung nächtens – man erzählt es – manchmal selbst von der nicht weit entfernt liegenden Insel Puerto Rico noch zu sehen ist. In einem feierlichen Akt wurden die Gebeine von Kolumbus, die in der Kathedrale lagerten, zum Leuchtturm überführt. (Wobei das in Südspanien gelegene Sevilla auch behauptet, den kühnen Seefahrer in seinen Kirchenmauern zu beherbergen). Während der Zeremonie tauchten kleine Boote im Rio Ozama auf, mit halbnackten Studenten, die Maniok und Süßkartoffeln mit sich führten und an die Schaulustigen verteilten. Sie wollten auf die traurige Geschichte der Tainos, der Urbevölkerung, aufmerksam machen. Eine Demonstration, die viel spontanen Beifall bei der Bevölkerung hervorrief. Aber die Aktion wurde schnell von der Polizei gestoppt. Das steife Protokoll, an dem viele Honoratioren aus zahlreichen Ländern teilnahmen, duldete keine Störenfriede.

Passiert man die über den Rio Ozama führende Brücke, kann man nach einer kleinen Stunde Fußmarsch das große Salzwasser-Aquarium mit Fischen der Karibik besuchen, welches direkt am Meer angrenzt. Oder „Los tres ojos“. Es sind drei von Meerwasser ausgespülte Höhlen, Habitat von Fledermäusen, Weberknechten und – selten – Vogelspinnen. Diese interessanten Naturschöpfungen erinnern uns daran, dass Santo Domingo auf Korallenriffen steht, die, vom Meer aus betrachtet, in mehren Stufen nach oben gehen. Im Stadtpark „Mirador“ kann man die Oberfläche dieser Jahrmillionen Jahre alten Formationen bewundern.

Der botanische Garten

Es lohnt sich, diese vor allem im großzügigen Eingangsbereich gestalterisch wunderschöne Anlage im nördlichen Teil von Santo Domingo zu besuchen. Hier kann sich der interessierte Besucher vom Zauber der tropischen Flora verwöhnen und berauschen lassen. So bleibt er sicherlich staunend am vermeintlichen Stamm einer Palme stehen, die nach oben hin mit abgestorbenen Blattresten garniert ist, sich dann fächerartig aufteilt und mehrere Meter lange Blattstiele mit Blättern entfaltet, die an riesige Bananenstauden erinnern. Es handelt sich um Ravenala madagascariensis aus Madagaskar, die wegen ihres außergewöhnlichen Wuchses in vielen repräsentativen Zierpflanzenanlagen der feuchten Tropen anzutreffen ist. In ihrem Schatten entfalten sich örtlich üppige, artverwandte Heliconiengewächse, denen auch Banane und Strelitzie angehören. Ihre vielfarbigen Fruchtstände sind wahre Augenweiden und betören in imponierenden Größen und Formen. Ein weiterer Höhepunkt ist die Orchis-Abteilung. Sie beherbergt fast ausschließlich epiphytisch wachsende Arten, die hier aus den einzelnen Landschaftsteilen Hispaniolas zusammengetragen worden sind. Ein Herzstück bildet das Herbarium. In gekühlten Schränken befindet sich – streng nach Familien geordnet – die umfangreichste Pflanzensammlung der Karibik.

Boca Chica

Für manche einst so romantische Fischerdörfer wie Boca Chica gilt der Satz: „Kehre niemals zu dem Ort, von dem Du dereinst schwärmtest, wieder zurück“. Dennoch möchte ich ein paar Eindrücke wiedergeben, die erklären sollen, warum man als Einwohner von Santo Domingo so manches Wochenende hier verbrachte. Und dabei genügt es oft, nur am Meeresstrand zu sitzen und die Seele baumeln zu lassen.

Der Blick geht über einen gelbblühenden Strauch mit einem eigentümlichen Vanillegeschmack, der betörend wirkt. Es ist zweifelsohne ein Familienangehöriger der salztoleranten Asterngewächse, wie sie auch am meeresseitigen Rande der Andelwiesen der Nordsee vorkommen. Hier ist es „Borrichia arborescens“. Der Blick schweift über das Flachwasser der wie eine riesige Badewanne wirkenden Lagune und bleibt am Riff hängen, wo sich eine mit Mangroven und Kokospalmen bewachsene Insel gebildet hat. Und wenn die Abenddämmerung kommt, taucht regelmäßig eine Schar von Fregattvögel auf. Sie kommen von irgendwo her, lösen sich aus den letzten Strahlen der untergehenden Sonne und fallen ein in das düstere Mangrovengewirr.

Am Korallenriff gibt es eine von Fischerbooten genutzte Passage zum Meer, die man natürlich auch als Schnorchler nutzen kann. Der Meeresboden ist nur wenige Meter tief. Es lohnt sich, parallel der üppigen Geweihkorallen außerhalb des Riffs zu schwimmen. Diese meterhohen Kalkgebilde sind nur noch örtlich mit einem samtigen, weichen Überzug versehen, was darauf schließen lässt, dass sie noch nicht völlig abgestorben sind, im Gegensatz zu einem Korallenriff in Strandnähe von Sosua im Norden des Landes.

Nimmt man sich ein Herz, um bis zur nächsten Abrisskante in Richtung offenes Meer zu gelangen, so kann man den Anblick größerer, grünfarbener Papageienfische genießen. Von dort aus geht es weiterhin stufenweise nach unten. Die Sicht wird trüber, und nur erfahrene Tauchergruppen, die sich in der Einsamkeit der Ozeane wohlfühlen, treffen sich dort.

Wie Treibholz liegst Du außerhalb des Riffs, dort, wo Korallentürme wie aus Märchenbüchern stehn. Versenkst den Blick in eine Wasserwelt, die langsam, wie ein Film, vorüberzieht. Unmöglich, dass das Augenpaar das Meer von Farb´ und Form in der erlebten Pracht so deutlich weitermelden kann, dass es wie Bilder in der Seele bleibt.

Dann, schemenhaft, verdunkelt sich der blaue Wasserhorizont: Ein Schwarm von Doktorfischen drängt herein, dort, wo die Korallenbank zur Tiefe flieht.

Und in den kraterart´gen Löchern, die, manchmal höhlengleich, den Blick nur mühsam in das Inn´re lenken, da glitzert es und blinkt. Und große Augenpaare leuchten im Dunkel dieser eigenart´gen, fremden Welt.

Aber auch in den ruhigen Zonen der Lagune kann man im Riffbereich auf seine Kosten kommen. Selbst der Skorpionfisch kommt hier vor und erinnert den Schnorchler daran, sich mit Schuhen ins Milieu zu begeben. Auch meterlange Seeschlangen kann man bisweilen beobachten, die, den Schwanzteil voraus, in Höhlen verschwinden. An Schnecken kommt hier die kleine, hellmarmorfarbene „Oliva“ vor. Und zwischen den Stelzwurzeln der Mangroven ist die Palette von kleinen Fischen und Krebstieren überraschend hoch.

Manchmal steht die Wolkenbank wie eine dunkle, drohende Barriere am Himmel. Eine frische, labende Brise lässt drüben am Riff die Schaumkronen tanzen. Die regenempfindlichen Menschen flüchten von den grün gestrichenen Holztischen, die unter den Kokospalmen stehen und drängen sich unter die schützenden Dächer der Strandrestaurants. Dann bricht die Sonne wieder durch, ohne dass sich die gewaltige Wolkenbank stärker verändert, und weiter geht das pulsierende Leben. Fliegende Händler verkaufen Holzgeschnitztes und Ketten aus winzigen Muscheln. In Eimern werden Krebse, Meeresschnecken und Tintenfisch angeboten. Merengue-Kapellen versuchen, ihre Musik an wohlwollendes Publikum zu verkaufen und kämpfen mühsam gegen die potenten Geräuschkulissen der zahlreichen Kofferradios an. Ein fast zahnloser Zauberer tritt auf und fasziniert das gaffende Publikum mit Fäden, die er sich durch die Nase zieht.

Die Wolkenbank verliert zunehmend ihre Konturen und löst sich in ein düsteres Grau auf. Aber nur landseitig. Dann kommt die Regenwand vom Meer heran. Die schweren Tropfen, einzeln zunächst als Vorhut, peitschen mehr und mehr die Wellen und erreichen den Küstensaum mit den nach Schutz suchenden Menschen. Und darüber am Riff stürzt ein mövenähnlicher Vogel senkrecht ins Meer.

Unvergesslich sind die romantischen Abend- und Nachtstunden abseits der lauten Szene in den zahlreichen Bars und Restaurants. Die laue Meeresbrise, die Musik der Baumfrösche und der glühenden Nachtinsekten unter der Kulisse der sich zum Meer neigenden Kokospalmen wirken seelentröstend und beruhigend. Kann man an so einem herrlichen Ort sich schlafen legen wie die Reiher und Fregattvögel? - Der nächtliche Strandwanderer genießt das beruhigende Geräusch der stetig auflaufenden Wellen und die kaum vernehmbaren spitzen Schreie der Fledermäuse.

Wenn im seichten Wasser der Lagune der Zauberer erscheint, dann kommt die Nacht. Und tausendfach dann funkeln sie, die Sterne und spiegeln sich im Widerschein des Schaums, der auf den Wellenkronen tanzt.

Sanft trägt der Südwind her den Rhythmus von der Trommel, von Gesängen. Es tanzt die Nacht. Noch tönt der Laut der Unke aus dem Mangrovenwald, in dem ein Heer von Musikanten spielt.

Dann, horch, wird’s still. Der Zaub´rer hat den Tanzstab abgebrochen und alles sinkt ins Nebelfeld des Schweigens, das bis zum grauen Morgendämmern reicht.

Und nur der Mond ist´s, der die Runde macht und wie ein Lampengott zur Erde grinst. Dann geht auch er.

Nun deckt das Schleiertuch des Schweigens und der Dunkelheit das Wellenfeld. Und auch der Zaub´rer schläft.

Aber paradiesisch anmutende Idylle verlieren, wenn sie von Immobilienbarschen und anderen Spekulanten entdeckt werden, schnell ihre Unschuld. In den achtziger Jahren sah man zahlreiche eingezäunte Grundstücke, die zum Verkauf angeboten wurden. Überall tauchten Schilder mit der Aufschrift „Se vende“ auf. Dabei gab es überhaupt nichts zu verkaufen, da die Anbieter keine Eigentümer waren. In diesem vermeintlichen Niemandsland wurden willkürlich Parzellen angelegt, viele davon mit kniehoch gemauerten Zementblöcken, die den Appetit zu einem Fortführen der Baukörper anregen sollten. Hochkonjunktur für dominikanische Bauernfänger, wo so mancher von einem Grundstück am karibischen Meer träumender Tourist wie ein hungriger Fisch ins Netz ging. Heute ist Boca Chica ein Touristenwimmelort. Die vom Korallenriff begrenzte Lagune wird als die größte Badewanne der Welt vermarktet. Aus dem früheren Naherholungsgebiet für viele einfache Familien aus der Hauptstadt ist eine Hochburg für Prostituierte und Touristen, Nepper und Taschendiebe geworden.

Teil I: Der Westen

Der südwestliche Teil

Die abenteuerliche Reise startet in Santo Domingo. Von dort aus geht es, in westlicher Richtung, immer an der Südküste entlang, nach Bani und seinen Dünen, bevor Azua erreicht wird. Dort verweilen wir nicht in der Stadt mit dem schönen Park, sondern streben dem nahen Meer zu. Danach besuchen wir das Fischerdorf Puerto Viejo und seine benachbarten Mangrovenzonen. Von dort aus genießen wir den Blick auf einen Höhenzug, der zwischen Azua und Barahona liegt: die Sierra Martin Garcia. Sie wird später ausführlich beleuchtet werden. Der Bucht von Neiba statten wir einen Besuch ab. Dann geht es weiter zur größten Lagune des Landes, Laguna Rincon de Cabral. Nach der malerischen Küstenstadt Barahona führt uns ein botanischer Streifzug zum Rio Baoruco mit seinem wilden Kerbtal, bevor wir uns auf die lange Reise nach Oviedo mit seiner in Meeresnähe gelegenen Lagune aufmachen.

Die Sierra Baoruco erobern wir, bevor wir in den tektonischen Graben mit seinem Salzsee, dem Lago Enriquillo, hineinstürzen, um seine vielfältigen Geheimnisse in den Bereichen der Biologie, Geologie und Naturhistorie zu erforschen. Nach einer Exkursion in die Sierra de Neiba schließt der südwestliche Teil.

Die Trockenwälder und die Dünen von Bani

Insbesondere der Westen der Dominikanischen Republik ist die Heimat der Trockenwälder. Sie kommen in unterschiedlichen Sukzessionsstadien und Erscheinungsformen vor. Vor allem aber sind sie gezeichnet von der Abholzung. Das heißt im Klartext, dass die dominikanischen Trockenwälder am Sterben sind. Da die ländliche Bevölkerung von Holz und Holzkohle abhängig ist, wirkt der fleißige Arm des Köhlers und ist dort an den schon in der Ferne unschwer sichtbaren zahlreichen Rauchsäulen zu erkennen. Wenn der Anteil von Sukkulenten wie vor allem Kaktusgewächse hoch ist, muss dies nicht zwangsweise als natürliche Entwicklung betrachtet werden. Vielmehr ist es das Fehlen des wachstumsgünstigen Mikroklimas, das einer Wiederbesiedlung der früheren natürlichen Vegetation im Wege steht und so die Entwicklung besser angepasster Pflanzenarten begünstigt. Eines von zahlreichen Beispielen dafür ist die Umgebung des Lago Enriquillo. Gab es in den neunziger Jahren noch zehn Meter hohe Bäume wie Catalpa altissima, eine Bignoniaceae und Simaruba berteroana (Simarubaceae), so findet man heutzutage vorwiegend noch Gebüsch-Stadien aus der Familie der Mimosaceae. Selbst die an der rötlichen Rinde unschwer erkennbare Bursera simaruba (Simarubaceae), ein Baum, den der Köhler früherer Zeiten hochnäsig stehen ließ ob seines geringen Brennwertes, ist aus vielen Trockenzonen verschwunden.

Dennoch gibt es für den Botaniker örtlich noch attraktive Zonen, die sich, von Santo Domingo her kommend, ab San Christobal mit ihren zunächst sanften Hügeln abzeichnen. Da ist der als „Eisenbaum“ bekannte Kleinbaum Guaiacum officinalis (Zygophyllaceae) zu erwähnen, der schon von weitem durch seine kugelförmige Krone und dem lebhaft grünen Laub zu erkennen ist. Jeder sechs Meter hohe Baum dieser Art müsste als mehrere Jahrhunderte alte Art als streng geschütztes Naturdenkmal gewürdigt werden. Es ist eine Tragödie, dass dieses edle und äußerst langlebige Gehölz lediglich als Objekt für Holzkohle oder schnöde Manufaktur betrachtet wird. Erschütternd.

Küstenlandschaft zwischen Santo Domingo und Azua

An der Piste zwischen Bani und Azua gibt es Dörfer, wo das Jahrhunderte alte Holz dieser Baumart als „Pilon“, als Mörser hergestellt und gehandelt wird. Dabei wird das gedrechselte und ausgehöhlte Stammholz mit dem dazu gehörigen Stößel angeboten. Seit den neunziger Jahren steht die Baumart endlich unter strengem Schutz, vergleichbar mit dem Mahagoni-Baum. Diese Art, Swietenia mahagoni aus der Familie der Meliaceae, endemisch im Neiba-Gebirge, kommt dort, einst stolz großflächig ausgebreitet, heute nur noch in bescheideneren Zonen vor.

Im Areal findet sich, wohl verwildert, auch Anacardium occidentalis (Anacardiaceae). Die Frucht dieses kleinwüchsigen Kugelbaumes ist als Nuss unter dem Begriff „Cashew“ im Handel bekannt. Aber nur die Nuss. Sie findet sich unter einer apfelförmigen Scheinfrucht, die man wie einen saftigen, leicht säuerlich schmeckenden Apfel genüsslich essen kann.

Örtlich bemerkenswert ist das starke Auftreten der Sukkulenten als Folge zunehmender Zerstörung der Gehölzwelt. Als kleinwüchsige Kakteenart dominiert stellenweise in den unteren Krautschichten Cylindropuntia caribaeae. Ein nicht selten aufdringliches Gewächs mit roten, ovalen, stacheligen Früchten und vor allem mit winzigen Widerhaken versehen. Bei weidenden Ziegen, bisweilen auch Kühen, geraten sie an Füße und Fell und werden so weiter verbreitet. Säulenförmige Arten wie Cereus dif. spec. und eine baumartig wirkende Opuntie sind nicht selten. Die einem Schwiegermuttersitz optisch nahe kommende Art wie Melocactus mit langen Stacheln, mit Anpassung an heiße, trockene Zonen, tritt hier vereinzelt auf.

Die Vogelwelt ist erwähnenswert. Aber nicht für den geräuschvoll Durchstreifenden. Nur Jene mit den lautlosen Tatzen und dem Beobachtungsvermögen einer Wildkatze können die avifaunistische Vielfalt genießen. Sich hinsetzen, die Seele des Ambientes erkunden, den Blick auf die unmittelbare Umgebung konzentrieren: dann wird man fündig werden. Vögel, die zuvor durch den Schritt des Forschers aufgeschreckt wurden, finden sich wieder ein. Auch zahlreiche Anolis-Echsen huschen plötzlich die Gehölze hoch. Düfte, Geräusche werden nunmehr wahrgenommen und entführen den neugierigen Beobachter in diese geheimnisvolle Welt.

Fragmente von Trockenwäldern finden sich auch in den nahen Dünenfeldern von Bani. Aus ökologischer Sicht sind sie für die Stabilisierung der küstennahen Dünen wichtig. Um sie zu besuchen, nimmt man die von Bani aus gehende Nebenstraße in Richtung Las Calderas. Dort stößt man auch auf Salinen und benachbarte Mangrovenzonen. Im Jahre 1985 besuchten wir als Vertreter des Landeswirtschaftsministerium die Gegend und wurden von aufgebrachten Arbeitern mit Schaufeln bedroht, die um ihre Existenz als Tagelöhner im Dünen-Schaufelparadies fürchteten. Doch bald legte sich die Spannung, nachdem die von den Männern geschilderte Lage mit verständnisvollem Kopfnicken von unserer Seite zur Kenntnis genommen wurde. Lastwagen um Lastwagen wurde emsig beschaufelt. Der örtliche Stadtkommandant schwenkt hier als Lokalmatador und Politiker den Dirigentenstab. Unsere Naturschutzabteilung des Ministeriums hat das Recht auf wissenschaftliches Arbeiten. Auch dürfen wir bei schutzwürdigen Landschaftsteilen Empfehlungen in Form von Dekreten und Paragrafen formulieren. Mehr nicht.

Azua und Puerto Viejo

Azua ist eine der ältesten Siedlungsgründungen des Landes. Im Zentrum, vor Erreichen des städtischen Parks, führt eine Staubpiste ans Meer. Als Fußgänger überwindet man die von Trockenwaldresten und Zäunen umsäumte Strecke in einer guten Stunde, bis das malerische Gestade mit Übernachtungshütten und kleinen gemütlichen Strandbars erreicht wird. Ein traumhafter Strand entlohnt den Wanderer für das nur gelegentliche Angebot von Dusche oder elektrischem Strom. Ein herrliches Ambiente für zahlreiche Exkursionen. Nächtens, mit Taschenlampe bewaffnet, kann man in den von einzelnen Mangroven überstellten Flachwasserbereichen Kleinfische unterschiedlichster Arten beobachten. Diese Kinderstube beherbergt Pfeilhechte und Trompetenfische, die harmonisch mit zahlreichen anderen Arten in den nahe anstehenden Korallenzonen zusammenleben.

Nicht weit vom Küstensaum begrüßt uns eine sonnendurchglühte Trockenvegetation auf erhabenen, substratarmen Felsen, vorwiegend aus Kaktusgewächsen und Dornensträuchern. Anolis-Echsen huschen im Laub. Ein Kolibri sitzt in seinem aus Erdreich zusammengesetzten Nest, das in den Zweigachseln eines Plumeria-Strauches klebt. Hunderte von Schmetterlingen. In der Ferne, an einer schäumenden Riffkante im Meer, erkennt man schnorchelnde Fischer mit Harpunen, die dem Oktopus nachstellen.

Soweit der Stand im Jahre 1986. Es ist zu hoffen, dass der industrielle Tourismus nicht alle Orte, wo die Bevölkerung zusammen mit dem Einzeltouristen ihren Freizeitspaß verbringen kann, entdeckt.