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Zum Buch Persönlichkeitsentwicklung ist eine Lebensaufgabe und in Zeiten des Umbruchs, in denen wir heute zweifellos leben, eine ganz besondere Herausforderung. Dieser müssen wir uns stellen, indem wir uns ändern und gleichzeitig versuchen, uns treu zu bleiben. Das Buch » »Faust-Therapie« - Selbstcoaching und Persönlichkeitsbildung mit Goethes Faust und Methoden der Schauspielkunst« möchte Leser und Leserinnen auf diesem Weg begleiten und unterstützen. Dazu greift die Autorin Szenen und Themen aus Goethes Faust-Drama auf, die aktuelle Bezüge zu heute aufweisen und beziehungsweise oder Allgemeinmenschliches verhandeln. Der Stoff wird dabei meist humorvoll und mit Augenzwinkern vermittelt. Beim praktischen Umgang mit dem jeweiligen Thema steht der psycho-physische Zusammenhang im Mittelpunkt, der den meisten Schauspielmethoden zugrunde liegt. So ist eine ganzheitliche und gleichzeitig künstlerisch-spielerische Ausrichtung der Übungen gewährleistet. Mit dem zweifachen theatralen Ansatz - Werk und Schauspiellehre - beschreitet dieses Buch neue Wege zur bewussten Persönlichkeitsbildung. Zur Autorin Schon während des Germanistik-Studiums hat sich Ulrike Auras besonders für Dramen und Dramentheorien interessiert und sich in Psycholinguistik-Seminaren mit Textwissenschaft und Sprachwirkungsforschung auseinandergesetzt. So zeichneten sich schon zu dieser Zeit ihre beruflichen Lebensthemen »Buch und Bühne« oder »Text und Theater« ab (www.ulrike-auras.de). Nach einem kurzen Ausflug in die wissenschaftliche Dokumentation einer psychiatrischen Klinik hat sie in einer Verlagsredaktion angeheuert und sich dann bald als freiberufliche Lektorin selbstständig gemacht. Sie ist bis heute in diesem Beruf tätig. Ihre thematischen Schwerpunkte sind Psychologie, Pädagogik und Lebenshilfe. Daneben ist Ulrike Auras seit fast 30 Jahren als Schauspielerin und Regisseurin tätig (www.tollhaus-compagnie.de). Sie hat sich in diesem Bereich durch zahlreiche Workshops und Seminare aus- und fortgebildet. Seit einigen Jahren widmet sie sich vor allem der Chekhov-Methode. Darüber hinaus hat sie 2023 eine Ausbildung zur Trainerin für »Alba Emoting« absolviert, eine Atemtechnik, die zur Gefühlsregulation und für den schauspielerischen Ausdruck eingesetzt werden kann.
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Seitenzahl: 346
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VORWORT
TEIL I: THEATER ALS SCHULE FÜR DAS LEBEN
MIT SCHAUSPIELKUNST ZU MEHR PERSÖNLICHKEIT
Lernen durch Handeln
Klassiker der Schauspiellehre
Körper-Geist-Seele-Sprache: die KGSS-Formel
Faust
im Überblick
GOETHES
FAUST
, EIN DRAMA FÜR HEUTE
Zeiten des Umbruchs
Lebensstil à la Faust
Das Faustprinzip infrage stellen
HEINRICH FAUST, EIN ANTIBUDDHIST
Teufelspakt wider die Achtsamkeit
Fausts trüber Blick
Der große Ichling
Kleiner Leitfaden für die »Faust-Therapie«
TEIL II: VORHANG AUF FÜR DAS FAUST-COACHING
DER HELD, EIN SELBSTERNANNTER TOR WAS DENKEN BEWIRKEN KANN
Die Gedankenfabrik im Kopf
Das Hirn voller Wertungen
Gehirnwäsche mal positiv betrachtet
IM GEWÜHLE DER GEFÜHLE DAS EMOTIONALE SPEKTRUM AUSTARIEREN
Vom Gelehrten zum Geliebten
Zeit und Raum für die Gefühle
Kleiner Werkzeugkasten für die Emotionen
AM ENDE GERETTET DIE REISE DER HELDIN
Sich selbst er-fahren
Von der Kirche in den Kerker
Spielerisch reisen
DES PUDELS VIELGESTALTIGER KERN SICH ÄNDERN OHNE IDENTITÄTSVERLUST
Trickreiche Verwandlungskünstler
Das Ich und seine flexible Persönlichkeit
Wie viel Mephisto steckt in uns?
Homunkulus und Helena
VOM STREBEN ZUM STERBEN VERANTWORTUNGSVOLL UND GLAUBWÜRDIG HANDELN
Selbstverwirklichung und ihre Kollateralschäden
Dimensionen statt Schubladen
Zielvereinbarung mit sich selbst
Danke!
Theaterzettel
Schreibweisen und Erklärungen
Zitat- und Literaturnachweis
Vor einigen Jahren fand in München ein großes Faust-Festival statt. Es bot über siebenhundert Veranstaltungen rund um Goethes weltberühmtes Drama. An zweien davon – beides Produktionen der Tollhaus Theater Compagnie – war ich selbst beteiligt: als Schauspielerin an Goethes Fäuste – stark gekürzt, bei Faust im Ring als Autorin und Regisseurin.
Was meine Mitstreiter und ich am Anfang bereits ahnten oder vage wussten, bestätigte sich im Lauf unserer Arbeit: Es handelt sich bei diesem Werk nicht um einen verstaubten Klassiker. Im Gegenteil, die hier verhandelten Themen sind äußerst aktuell und die Figur Faust erweist sich als ziemlich moderner Charakter. Auch sein Alter Ego und Gegenspieler Mephisto sowie seine Partnerin Margarete haben uns heute noch viel zu sagen. Goethes Faust lädt also förmlich dazu ein, sich mit der Welt, in der wir leben, vor allem aber mit sich selbst auseinanderzusetzen – und so ganz nebenbei die eigene Persönlichkeit unter die Lupe zu nehmen.
Damit es aber nicht beim theoretischen Sinnieren bleibt, sind die Ausführungen in diesem Buch mit zahlreichen praktischen Übungen angereichert. Und was läge näher, als ein Drama mit der Schauspielkunst zu verbinden und deren Methoden für ein Selbstcoaching zu nutzen? Egal ob es um negative Gedanken oder überbordende Gefühle geht, um den bisherigen und künftigen Lebensweg, die Vielfältigkeit unserer Individualität oder die eigenen Schattenseiten – die von Schauspieltechniken abgeleiteten Übungen zeigen Ihnen neue Möglichkeiten, die eigene Persönlichkeit bewusst zu bilden und weiterzuentwickeln.
(Theaterdirektor im Vorspiel auf dem Theater)
Ich lade Sie herzlich ein, mit mir Goethes weltberühmtes Drama zu durchstreifen und sich an seinen fiktiven Figuren zu messen und zu reiben. Und sich Schritt für Schritt auf die alltagstauglich aufbereiteten künstlerisch-spielerischen Aspekte verschiedener Schauspielmethoden einzulassen. Auf diesem zweifach theatralen Coaching-Weg können Sie reifen und wachsen, innere Stärke und äußere Präsenz gewinnen.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und Ausprobieren!
Ulrike Auras
Schauspielmethoden bauen auf dem engen Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele auf. Mit ihnen lassen sich nicht nur lebendige Figuren für die Bühne erschaffen, sie eignen sich auch, unsere Persönlichkeit und unsere Rollen im wirklichen Leben zu gestalten. Bei diesem Selbstcoaching begleitet uns kein geringeres als Goethes weltberühmtes Drama Faust. Denn es erweist sich – nicht zuletzt durch seinen Titelhelden – als hochmoderner Klassiker, der es vermag, auch uns Heutigen noch einen Spiegel vorzuhalten.
Goethe hat sich Zeit seines Lebens intensiv mit sich und der Welt, in der er lebte, auseinandergesetzt. Er war überzeugt davon, dass der Mensch seine persönliche Entwicklung bewusst beeinflussen kann – durch Lernen, Ausprobieren, Nachdenken, Scheitern, aus all dem wieder Lernen … Wie geeignet das Theater dafür ist, zeigt Goethe in seinen Wilhelm-Meister-Romanen. Hier lässt er den Protagonisten viele Jahre als Schauspieler und Regisseur am Theater verbringen, das zu einer wichtigen Station in dessen Bildungsprozess wird. Denn Wilhelm schult durch die Arbeit am Theater Präsenz und authentisches Auftreten, seinen Geist und sein ästhetisches Empfinden, eine normativ-ethische Einstellung, kurz gesagt: seine Persönlichkeit.
Den Zusammenhang von Theater und Persönlichkeitsbildung machen sich auch Pädagogik und Psychologie zunutze. Die Dramapädagogik etwa arbeitet mit Konzepten, in denen Schauspiel und andere performative Künste – etwa Tanz, Gesang, Geschichtenerzählen – für den Schulunterricht herangezogen werden. Vorteil eines solchen Ansatzes ist, dass der Mensch nicht auf seine Rolle des Lernenden reduziert wird, der Stoff in sich hineinpaukt. Aus der Neuropsychologie weiß man, dass Menschen nachhaltiger lernen, wenn verschiedene Sinne, Emotionen und Bewegung in den Lernprozess einbezogen sind. Dies ist unter anderem möglich durch szenisches Spiel. Neues wird auf dieser Basis der »multiplen neuronalen Vernetzung« zum einen leichter zugänglich, zum anderen besser behalten. Lernen durch Handeln ist also das Prinzip der Dramapädagogik. Und so erklärt sich auch die Bezeichnung: Das griechische Wort »dráma« bedeutet »Handlung«.
Der Lehrplan für die 9. Jahrgangsstufe der Gymnasien in Bayern sieht vor, dass Schüler und Schülerinnen sich den Formen- und Ausdrucksreichtum der Musik des 19. Jahrhunderts erarbeiten, also etwa eines Kunstlieds von Robert Schumann. In den Ohren von Jugendlichen dieses Alters klingen solche Lieder allerdings nicht gerade cool, sondern »opernhaft« und »gekünstelt«, der Sprachstil der Liedtexte ist weit entfernt vom Schülerjargon, und die im Text enthaltenen Gefühle zu erkennen und zu benennen fällt den Pubertierenden schwer. Ablehnung ist angesagt. Das wiederum kann ich, der diese Musik am Herzen liegt, schwer akzeptieren. Methoden aus der Fortbildung »Szenisches Spiel im Musikunterricht« halfen mir hier weiter.
Zunächst »übersetzen« die Schülerinnen und Schüler Textteile in eine jugendliche Whatsapp-Sprache. Aus »Ich grolle nicht …« wird dann zum Beispiel »Ich bin nicht angepisst …«. Zwei oder drei der Ergebnisse werden dann vorgetragen, die Klasse gibt Feedback und macht Verbesserungsvorschläge, etwa »Mehr Hass in die Stimme legen« oder »Das sollte monotoner, niedergeschlagen klingen«. Die Schüler diskutieren und probieren verschiedene Möglichkeiten aus.
Nun geht es an die Ausarbeitung eines Standbildes durch jeweils drei Jugendliche. Einer ist beispielsweise das Standbild, eine die Bildhauerin der dritte ist Beobachter. Die Bildhauerin bestimmt aus ihrer Interpretation heraus Körperhaltung, Gestik und Mimik der Statue. Der Beobachter kommentiert das Werk aus seiner Sicht. Eine Klasse von 27 Schülern erstellt so neun verschiedene Skulpturen.
Vorteil für die Jugendlichen ist: Wer die Statue darstellt muss nichts von sich preisgeben, sondern ist das Ergebnis der Baumeisterin. Diese und der Beobachter können sich ebenfalls hinter ihre Rolle – Bildhauerin und Kommentator – zurückziehen. Niemand muss sich als »gefühlsduselig« outen, alle sind aktiv und kreativ. Den eigenen Kunstwerken gegenüber sind Schüler und Schülerinnen offener. Wenn sie dann durch den Skulpturengarten wandeln und der Musik lauschen, achten sie auf die Emotionen, die in ihr schwingen, lassen sie auf sich wirken und vergleichen sie mit den Statuen. Die Statuenschüler wiederum schildern im Anschluss, ob sie Haltung und Mimik als stimmig empfanden oder ob sie etwas daran ändern würden. Bisher entstand so immer eine tiefe und differenzierte Diskussion über Affekte in der Musik – die Schüler und Schülerinnen wollen nun von sich aus wissen, warum Musik welche emotionale Wirkung erzielt.
Isabell Schlicht, Musiklehrerin und Tollhausschauspielerin
»Und was hat das Ganze mit mir zu tun?«, mögen Sie jetzt vielleicht denken. Nun, was für die Schule gilt, gilt auch für das Leben, etwa wenn wir etwas verändern und uns weiterentwickeln wollen. Denn Methoden, mit denen man gut lernen kann, eignen sich auch zum Umlernen.
Das könnte notwendig werden, wenn Veränderungen eintreten, denen Sie sich anpassen müssen – etwa wenn die Kinder aus dem Haus gehen. Dann hätte es keinen Sinn, an der alten Elternrolle festzuhalten. Vielleicht erkennen Sie aber auch, dass Sie mit bestimmten Verhaltensweisen immer wieder anecken und/oder sich selbst unnötige Schwierigkeiten bereiten. Vielleicht sind Sie beispielsweise wie Goethes Faust sehr ungeduldig und möchten ab jetzt lieber etwas gelassener durchs Leben gehen. In solchen Fällen kann es sehr hilfreich sein, die neuen Handlungen erst einmal zu proben – wie eine Theaterszene.
Lange bevor moderne Konzepte der Dramapädagogik ausgearbeitet wurden, hat der Arzt, Psychiater und Soziologe Jacob Levy Moreno (1889–1974) das Psychodrama entwickelt, einen – im Gegensatz zur Psychoanalyse oder Gesprächstherapie – handlungsorientierten Therapieansatz. Dieser hat nicht nur die Dramapädagogik mit beeinflusst, sondern auch viele Psychotherapieformen. Und Elemente des Psychodramas finden sich auch in der Team- und Unternehmensberatung.
Die Methode greift auf die menschlichen Fähigkeiten zurück, szenische Als-ob-Situationen herzustellen und in Rollen zu schlüpfen, in Bildern und Symbolen zu denken sowie sich des eigenen Körpers bewusst zu sein. Sie eignet sich zum Beispiel, um problematische Beziehungen zu bearbeiten, Ursachen von Konflikten aufzudecken, Kränkungen zu überwinden oder neue Verhaltensweisen einzuüben. Auch für die Weiterentwicklung von (Arbeits-)Gruppen leisten psychodramatische Methoden einen wertvollen Beitrag, und durch die Variante Soziodrama werden gesellschaftliche Themen erfahrbar, wodurch neue Perspektiven entwickelt werden können.
Zwei Begriffe spielen in der psychodramatischen Theorie und Praxis eine wichtige Rolle: Spontaneität und Kreativität. Moreno ging davon aus, dass alle Menschen – nicht nur Universalgenies wie Goethe – Kreativität besitzen, also die Fähigkeit, Neues hervorzubringen. Eng damit verbunden ist die Spontaneität. Damit sind die Offenheit und die Bereitschaft für das Neue oder für eine Veränderung gemeint. Diesen beiden miteinander verwobenen Qualitäten stellt Moreno den Zustand der »Rollenkonserve« gegenüber. Darunter sind Handlungsmuster, Strukturen und Abläufe zu verstehen, die ein Individuum mit der Zeit erworben und entwickelt hat und die es bewahren (konservieren) will. »Rollenkonserven« helfen dabei, sich in der Welt zurechtzufinden, sich sicher zu fühlen. Wenn diese gewohnte Ordnung nicht mehr passt, wenn sie einengt, über- oder unterfordert oder wenn sich die Lebenswelt ändert – durch technischen Fortschritt, politische und gesellschaftliche Verwerfungen –, dann ist das Zwillingspaar Spontaneität/Kreativität gefragt, um sich selbst weiterzuentwickeln und, wo möglich, die eigene Umgebung neu zu gestalten.
Doch das ist nicht so einfach. Zum einen, weil die alten Muster und Strukturen meist sehr hartnäckig sind und einer Veränderung trotzen. Zum anderen, weil Veränderung – selbst, wenn sie gewünscht ist – immer auch mit Angst verbunden ist, die dem Neuen ebenfalls im Wege steht. Hier könnte eine psychodramatisch ausgerichtete Therapie ansetzen: Beispielsweise können durch Probehandlungen in inszenierten Situationen potenzielle Entwicklungsmöglichkeiten vorweggenommen werden. Eine derartige Beschäftigung mit der eigenen Zukunft kann Ängste vor Veränderung mindern und die Bereitschaft erhöhen, Konserven mit abgelaufenem Verfallsdatum auszusortieren. Umgekehrt ist es möglich, den bisherigen Lebensweg oder Teile davon in szenischen Stationen zu gestalten. Auf diese Weise lassen sich Stärken und Wünsche herausarbeiten, die als Basis für die weitere eigene Entwicklung dienen können.
Nach diesem Ausflug über die Pädagogik in die Psychologie komme ich nun zur Theaterarbeit und zur Schauspielkunst und will der Frage nachgehen, was »spielen« in diesem Zusammenhang eigentlich bedeutet.
Ein berühmter Schauspiellehrer, der heute noch maßgeblichen Einfluss auf die Ausbildung an vielen Schauspielschulen hat, war der russische Theaterleiter, Schauspieler und Regisseur Konstantin Sergejewitsch Stanislawski (1863–1938). Er entwickelte eine Schauspieltheorie und -methode, die eine naturalistische und authentische Darstellung auf der Bühne ermöglichen soll. Er geht davon aus, dass Körper und Seele miteinander korrespondieren, dass das, was ein Mensch fühlt, äußerlich in Haltung, Mimik und Gestik sowie im Verhalten sichtbar ist. Schauspielerinnen und Schauspieler müssten nun das Kunststück fertigbringen, als eine fremde Figur (also in ihrer jeweiligen Rolle) innerlich zu empfinden und das psychisch Erlebte nach außen sichtbar werden zu lassen.
Es geht also nicht darum, nur das äußere Erscheinungsbild innerer Regungen nachzuahmen, sondern diese so wahrhaftig zu erleben, als wäre der Schauspieler tatsächlich die gespielte Person. Doch wie soll nun eine Schauspielerin bei der Probe oder auf der Bühne authentisch erleben, was sie in diesem Moment selbst gar nicht fühlt – etwa den Triumph einer Elisabeth über Maria Stuart oder den von ersten sexuellen Regungen verursachten Aufruhr in der Gretchenseele? Wie versetzt ein Schauspieler sich in den Gemütszustand des Muttermörders Orest oder in die psychische Lage eines Faust, der an den Grenzen menschlicher Erkenntnismöglichkeit verzweifelt? Stanislawskis Lösung ist: Schauspieler sollen eigene emotionale Erfahrungen, die sich im Lauf des Lebens angesammelt haben, hervorrufen und für ihre Rolle nutzen. So erleben sie Szenen, als ob sie tatsächlich die jeweilige Dramenfigur wären.
Nun kann man sich als Zuschauer kaum etwas Langweiligeres vorstellen, als Schauspielern beim inneren Erleben zuzusehen. Stanislawski wusste das natürlich auch. Dementsprechend legte er nicht nur großen Wert auf Methoden, mit denen innere Prozesse in Gang gesetzt werden können. Ebenso wichtig war ihm die Ausbildung der sprachlichen und körperlichen Fähigkeiten seiner Schüler und Schülerinnen. Nur mit entsprechend geschulten Mitteln ist es (nicht nur) nach Stanislawski möglich, das innere Erleben auf der Bühne äußerlich sichtbar zu machen. Es gilt also nicht, sich auf das Psychische ODER das Körperliche zu konzentrieren, sondern am psychophysischen ZUSAMMENHANG anzusetzen.
Vor etwa 15 Jahren hatte ich eine Frau zu spielen, die im Lauf des Stückes ihren Liebhaber umbringt. Nicht auf der Bühne, sondern im Off. Sie kehrt dann aber wieder in die Szene zurück und gesteht zwei anderen Frauen den Mord. Aber was tun, wenn einem im wirklichen Leben die entsprechende emotionale Erfahrung fehlt? Ich konnte auch keine Situation finden, die der Tötung eines Menschen beziehungsweise irgendwelchen sich danach einstellenden Gefühlen so ähnlich gewesen wäre, dass ich für die Rolle daran hätte anknüpfen können. In diesem Fall half mir die Welt der Träume weiter, denn im Traum hatte ich mehrmals erlebt, wie sich die »Tatsache«, jemanden umgebracht zu haben, anfühlt. Es gelang mir in den folgenden Proben und bei den ersten Vorstellungen mithilfe meines erinnerten Alpdrucks den Zustand meiner Rollenfigur wahrhaftig zu erleben. Und dieses Erleben fand seinen Ausdruck in Stimme, Körperhaltung, Bewegungen … Im Lauf der weiteren Aufführungen allerdings ließ die Intensität des inneren Erlebens deutlich nach. Vielleicht hat sich meine Psyche durch das wiederholte Erleben des Schreckens von eben diesem Schrecken gereinigt?
In dem Maße, in dem es mir immer weniger gelang, das Traumgefühl tatsächlich zu erleben, ließ ich mich auf den umgekehrten Weg ein: Im Lauf der Zeit hatten sich die Reaktionen auf den psychischen Zustand dem Körpergedächtnis eingeprägt. Indem ich nun nicht mehr das Gefühl reproduzierte, sondern die körperlichen Reaktionen darauf (etwa ein Zittern des Unterkiefers), war es möglich, den schon verloren geglaubten Zustand wieder anzufachen. Auch diese Richtung – das schauspielerische Arbeiten von außen nach innen – ist in Stanislawskis Schauspielmethode angelegt.
Allerdings funktioniert das innere Erleben beim Erarbeiten einer Rolle für mich nicht immer oder grundsätzlich. Vielleicht passt die Methode aber auch einfach nicht immer und grundsätzlich. Und mit der Zeit habe ich auch gelernt, dass intensives inneres Erleben nicht zwingend eine Garantie für gutes Schauspiel ist, jedenfalls nicht für Bühnenschauspiel.
Michael Alexandrowitsch Chekhov (1891–1955) – Schauspieler und Schüler von Stanislawski – geht ebenfalls von dem engen Zusammenhang zwischen Körper und Seele aus. Doch empfand er es als Einschränkung, bei der Gestaltung von Theaterfiguren auf persönliche Erfahrung beziehungsweise damit verknüpfte eigene Gefühle angewiesen zu sein. Diese Herangehensweise bringe, so Chekhov, noch keine Kunst hervor. Schauspieler und Schauspielerinnen seien aber Künstler. Ihre Aufgabe ist es, etwas Neues, Originelles zu schaffen, das über die eigene Individualität hinausgeht. Um wirklich kreativ tätig zu sein, bedarf es nach Chekhov der Imagination, also der bildhaften Vorstellungskraft. Künstlerinnen und Künstler im Allgemeinen, egal ob Dichter, Bildhauer oder Bühnenkünstler, lassen ihre Figuren nach und nach aus dem Unbewussten heraus vor ihrem geistigen Auge entstehen. Diese Figuren entwickeln mit der Zeit ein Eigenleben und geben dann selbst weitere Impulse für ihre Ausgestaltung. Schauspieler gestalten – nach Chekhov – eine Gestalt, indem sie diese in sich entstehen lassen und mit ihr in den Austausch treten.
VERS 12 (ZUEIGNUNG)
Nun wäre das allein für das Publikum einer Theateraufführung mäßig spannend und selbstverständlich geht es nach der Imagination um die Verkörperung. Nach Chekhovs Methode geschieht dies unter anderem durch »psychologische Gebärden«. Er versteht darunter Körperhaltungen, die weder individuell noch durch einen Zeitgeist geprägt sind. Sie gehen vielmehr auf allgemeine urmenschliche Erfahrungen zurück. Ausgehend von solchen Gesten – etwa für Schmerz oder Überraschung – kann dann die jeweilige Dramenfigur ihre äußerlich sichtbare Gestalt gewinnen. Meine heutige Erfahrung mit der Chekhov-Ausbildung hat mich gelehrt, dass dieses Repertoire an Urgesten erweitert werden kann und muss, und zwar durch die individuelle Ausprägung, die ich ihnen gebe, und dass ich auch selbst psychologische Gesten für eine Figur, eine Szene oder eine Dramenhandlung in mir finden kann.
Ich möchte Sie an dieser Stelle schon zu ersten kleinen Übungen einladen, mit denen Sie den Zusammenhang von Innen und Außen an sich selbst erkunden und sich so ein Stück weit besser kennenlernen können.
Schritt 1:
Legen Sie, wenn Sie diesen Abschnitt gelesen haben, das Buch zur Seite und machen Sie sich bewusst, wie Sie sich im Moment gerade fühlen. Neugierig, gelangweilt, ärgerlich, überrascht? Wenden Sie nun Ihre Aufmerksamkeit Ihrem Körper zu: Erkunden Sie, wie sich Ihr Zustand körperlich äußert. Sind sie an einer Stelle besonders angespannt oder kribbelt es? Empfinden Sie eine große Schwere auf den Schultern oder eine Leichtigkeit im Bauch? Sie können dabei systematisch vorgehen und Ihren Körper von den Zehen bis zum Kopf »durchscannen«. Oder Sie richten Ihre Aufmerksamkeit zuerst dorthin, wo Sie am deutlichsten etwas spüren, und wenden sich dann den weniger klaren Empfindungen zu. Wenn Sie nun einen guten Eindruck davon haben, wie sich Ihr Zustand körperlich äußert, können Sie versuchen, das Ganze zu vergrößern. Stellen Sie sich vor, wie die Last auf Ihren Schultern noch schwerer wird oder die Leichtigkeit im Bauch mehr Platz einnimmt. Beobachten Sie, was sich körperlich dadurch verändert und welchen Einfluss es auf Ihren psychischen Zustand hat.
Schritt 2:
Diesmal gehen Sie nicht von Ihrer momentanen Gefühlslage aus, sondern suchen sich Gefühle oder Zustände, die Sie kennen. Erinnern Sie sich an einen Moment großer Freude oder tiefer Enttäuschung. Sie werden vermutlich durch diese Erinnerung auch das entsprechende Gefühl in sich hervorrufen. Beobachten Sie nun wieder, was genau Sie dabei empfinden, und vergrößern Sie Ihre körperliche Reaktion. Bei Freude spüren Sie vielleicht den Impuls, in die Hände zu klatschen, bei Vorfreude wollen Sie womöglich unwillkürlich die Arme nach vorne strecken. Bei Enttäuschung verschließen Sie sie eng vor Ihrer Brust. Bei Traurigkeit lassen Sie vermutlich Kopf und Schultern hängen, vielleicht spüren Sie auch einen Kloß im Hals. Nehmen Sie sich immer wieder neue Zustände und Gefühle vor. Ich stelle Ihnen eine Liste zusammen. Manches werden Sie leicht und schnell erkunden, anderes wird Ihnen schwerer fallen. Das gehört zur Selbsterkenntnis dazu. Hier meine Vorschläge: Überraschung, gespanntes Erwarten, Trauer, Ekel, Euphorie, Angst, Ekstase, Verliebtheit, Schwäche, Freude, Gereiztheit, Ungeduld, Zufriedenheit, starkes Verlangen, Depressivität, Tatendrang, Eifersucht, Glücksempfinden, Rastlosigkeit, Überheblichkeit, Dankbarkeit … Selbstverständlich können Sie die Liste nach Belieben fortsetzen. Nehmen Sie sich täglich oder alle zwei Tage ein Gefühl vor und arbeiten Sie in der beschriebenen Weise damit.
Variante: Wenn es Ihnen schwerfällt, ein Gefühl nachzuempfinden, dann können Sie einen passenden Satz mehrmals wiederholen, etwa »Ich will das« für Verlangen oder »Ich fühle mich geborgen« für Zufriedenheit. Beobachten Sie, was sich zuerst einstellt – das Gefühl oder eine körperliche Reaktion. Oder beides gleichzeitig? Und beeinflusst das eine das andere und umgekehrt? Beobachten Sie auch, ob Ihre Stimme und Ihre Art zu sprechen sich verändern.
Schritt 3:
Überlegen Sie, wie ein Mensch aussieht, der sich gerade riesig freut oder todtraurig ist. Greifen Sie auch auf eigene Erfahrungen zurück: »Wenn ich traurig bin, schnürt sich der Hals zu.« Oder »Vor Freude hüpft mir das Herz.« Versuchen Sie nun, die entsprechende Haltung, Mimik und Körperempfindung herzustellen, und schauen Sie, ob sich das entsprechende Gefühl einstellt. Auch hier können Sie Sätze zu Hilfe nehmen. Die Übung aus Schritt 1 können Sie problemlos im Alltag anwenden (in der U-Bahn, beim Spülen …). Die Schritte 2 und 3 machen Sie abwechselnd als Übungsprogramm zu Hause. So vergrößern Sie Ihr Bewusstsein über sich selbst – ein wichtiger Schritt, wenn es um Persönlichkeitsentwicklung und Selbstcoaching geht, und in jedem Fall spannend.
Die Methoden von Stanislawski und Chekhov (die natürlich wesentlich komplexer sind, als hier in Kürze dargestellt) sind darauf ausgerichtet, an eine Rolle nicht rein verstandesmäßig heranzugehen. Natürlich kann man eine Figur auch rational analysieren: »Aha, sie hat dies und jenes erlebt, deshalb ist sie wahrscheinlich sehr enttäuscht.« Oder: »Wenn alle anderen im Stück so schlimme Dinge über ihn sagen, dann ist er wohl ein ziemliches Ekelpaket.« Auf diese Weise würde ich vermutlich ein passendes Charakterprofil erstellen, die Vorgehensweise trägt aber wenig dazu bei, eine lebendige Figur für die Bühne zu gestalten.
Vor einigen Jahren hatte ich eine verschrobene ältere Dame mit politisch unkorrekten Ansichten zu spielen, die dennoch liebenswerte Seiten an den Tag legte. Sie tauchte zwar relativ schnell bildhaft vor mir auf, aber es fiel mir schwer, mit ihr in einen Dialog zu treten und sie mehr und mehr auszuformen.
Schließlich stellte ihr mein Regisseur ein, zwei Fragen, die ich als die alte Dame aufgriff. Ich begann zu erzählen, genauer gesagt, sie erzählte. Immer mehr wurde ich im Lauf der Zeit zu der Figur – meine Stimme änderte sich, auch die Körperhaltung, und es kamen Dinge aus mir heraus, die niemals durch reines Nachdenken aufgetaucht wären. So entstand in einer Probe die wichtigste Grundlage für alles Weitere. Man könnte die Methode »Die Verfertigung einer Figur beim Sprechen« nennen.
Eine andere Gestalt wollte sich zunächst gar nicht aus meinem Unterbewusstsein herausbemühen – eine meiner literarischen Lieblingsfiguren aus der Mythologie, mit der ich mich schon während des Germanistikstudiums (textanalytisch) beschäftigt hatte und über die jede Menge (männlich geprägte) Klischeevorstellungen im Umlauf waren. Beides zusammen ergab wohl eine ziemlich hohe Barriere. Um mir doch noch einen kreativen Zugang zu meiner Figur zu verschaffen, zog ich einige Tarotkarten. Natürlich nicht, um in die Zukunft zu sehen. Die Bilder regten aber mein Vorstellungsvermögen an und setzten so den Gestaltungsprozess in Gang. Zwei der hilfreichen Karten waren der Wagen – er steht unter anderem für widersprüchliche Zugkräfte – und der Turm. Der wird vom Blitz getroffen, eine Krone wird abgeworfen, Menschen stürzen herab und letztlich bricht alles zusammen. Diese Bilder führten mich zu meiner Figur.
Während ich mich also im ersten Fall in die Figur hineinerzähle, nehme ich im zweiten Fall Bilder und Symbole zu Hilfe, die als Initialzündung oder auch als Katalysator wirken können.
Es ist mittlerweile viel Zeit vergangen, seit Stanislawski und Chekhov als Theaterkünstler und Schauspiellehrer tätig waren. Ihre Methoden wurden weiterentwickelt, und es sind andere Theaterformen entstanden, die auch eine andere Art Schauspielerei erfordern. Für sein episches Theater etwa konnte Bertolt Brecht (1898–1956) kein inneres Erleben gebrauchen. Zwar gab es nach wie vor Rollen, ihnen gegenüber sollten Schauspieler und Schauspielerinnen aber eine kritische Distanz wahren. Sie treten immer wieder aus den Figuren heraus, um die Handlung zu unterbrechen und das Geschehen zu kommentieren. Dennoch bleiben sie Schauspieler – die allerdings auf unterschiedlichen Ebenen agieren. Das Publikum sollte so auf gesellschaftliche Widersprüche und Missstände aufmerksam gemacht und zum Mitdenken aufgefordert werden. Gefühle haben nach Brecht im Theater nichts zu suchen. Ihm war es wichtig, vermeintlich Selbstverständliches infrage zu stellen und Veränderungspotenzial aufzuzeigen.
Seit Brechts Zeiten haben sich die Anforderungen an Schau spielerinnen und Schauspieler immer wieder gewandelt. Die in Israel geborene, seit einigen Jahren im deutschsprachigen Raum arbeitende Autorin und Regisseurin Yael Ronen etwa erarbeitet Stücke zusammen mit einem Ensemble. Die Schauspieler bringen ihre Gedanken zu einem – häufig politischen – Thema und/oder ihre Lebensgeschichte in den Entstehungsprozess ein. Ein Text entsteht so erst im Lauf der Probenarbeit. Die Schauspieler und -spielerinnen geben viel von sich preis und sind bei Proben und Aufführungen immer ein Stück weit mit sich selbst konfrontiert, schlüpfen nicht oder nicht permanent in eine fremde Figur.
Die österreichische Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek dagegen schreibt – ganz klassisch als Autorin – Texte für das Theater, doch liefern diese nicht die von Stücken gewohnte Dialogform oder nachvollziehbare Handlungen und psychologisch begründete Figuren. Ihre umfangreichen Textflächen werden von Dramaturgie und Regie für das Theater aufbereitet. Ein Vorgehen, das von Jelinek so gewollt ist. Es sollen dabei aber keine realistischen Menschen herausgearbeitet werden. Schauspieler und Schauspielerinnen sollen sich weder mit sich selbst noch mit einer fiktiven Person identifizieren. Sie schreibt dazu: »Figuren treten auf, ich habe sie mir nicht ausgedacht, bei mir muß immer ein andrer sie erschaffen, ein Regisseur, eine Regisseurin, ich gebe nur mein Chaos her […] Es klafft auf, das Chaos, und spuckt etwas aus, aber Menschen sind es nie. Es ist Sprechen und aus.«
Ronen und Jelinek markieren nur zwei Eckpunkte des zeitgenössischen Bühnenschaffens, die auch Einfluss auf die Schauspielerei nehmen: Einmal werden individuelle Erfahrungen der Schauspieler Teil des Stückinhaltes, das andere Mal verschwinden Schauspielerinnen und Figuren hinter der Sprache. Tatsächlich ist die Theaterlandschaft im deutschsprachigen Raum noch wesentlich vielfältiger. Eine Strömung möchte ich noch kurz noch anreißen: Immer wieder finden sich in neuerer Zeit auch echte Obdachlose, Geflüchtete oder Polizisten und Polizistinnen et cetera auf der Bühne ein – oft auch in anderen, alternativen Räumlichkeiten beziehungsweise Spielstätten. Professionelle Schauspielerinnen und Schauspieler kommen zusätzlich oder auch gar nicht zum Einsatz. So wird die Grenze zwischen Theater und Alltagsleben weitgehend verschoben, was als zeitgemäße, demokratische Art, Theater zu machen, verstanden werden kann. Ganz aufgehoben wird die Grenze allerdings nicht, denn es gibt als zentrales theatrales Element ja immer noch – in der Regel zahlendes – Publikum.
VERS 231–232 (THEATERDIREKTOR)
Und hier noch ein Beispiel aus der unterhaltsamen Theaterecke: Beim Improtheater werden Handlung, Text und Figuren während des Spielens erfunden, oft auf der Basis von Vorschlägen aus dem Zuschauerraum. Während die Erarbeitung einer Rolle nach den Methoden von Stanislawski und Chekhov viel Zeit in Anspruch nimmt, muss hier alles sehr schnell gehen. Und – es kann auch schiefgehen. Perfektion kann, muss aber nicht erreicht werden. Das Risiko des Scheiterns auf offener Bühne wird bewusst in Kauf genommen.
Es sind natürlich nach wie vor auch klassische Dramen zu sehen, bei denen ein Stücktext von der Regie in den Bühnenraum umgesetzt wird, sprich: die konventionell erarbeitet werden. Ich persönlich finde die Grabenkämpfe zwischen traditionell und innovativ arbeitenden Theaterleuten interessant und bereichernd. Letztlich freue ich mich aber, wenn niemand gewinnt und die Theaterlandschaft im deutschsprachigen Raum so vielfältig bleibt, wie sie derzeit ist. Wenn aber das Theater und die Schauspielkunst so mannigfaltig und abwechslungsreich sind, warum greifen wir hier auf die Schauspielklassiker Stanislawski und Chekhov zurück? Zum einen sind sie in der Ausbildung nach wie vor von Bedeutung. Und zum anderen: Neben ihren interessanten Ausführungen zum psycho-physischen Zusammenhang ist es vor allem ihre Kunst der Selbstbeobachtung, die man sich auch als Nichtschauspieler zunutze machen kann.
Es war bei den Schauspielmethoden fast ausschließlich vom Körper-Seele-Zusammenhang die Rede. Doch sowohl Stanislawski als auch Chekhov haben für ihre Arbeit und ihre Methode immer auch noch einen Dritten im Bunde: den Geist. Beide haben nämlich eine intensive Selbstanalyse betrieben, um die Prinzipien dessen, was sie als Schauspieler tun, herauszuarbeiten. Auf diese Weise verbanden sie Praxis und Theorie und ergründeten den Ablauf und die Prinzipien des schöpferischen Prozesses. Sie haben sich also sehr genau selbst beobachtet, was ohne ihren Geist beziehungsweise ihr Bewusstsein nicht möglich wäre. Es geht also um den Köper-Geist-Seele-Zusammenhang. Mit der – kurz gesagt – »KGS-Formel« kann ich an meinen Bühnenfiguren arbeiten, aber auch an mir selbst.
In den Dreiklang von KGS lässt sich aber auch noch die Sprache beziehungsweise das Sprechen einbeziehen. Wie ein Mensch spricht und was er oder sie sagt, ist ebenfalls Ausdruck psychischer Regungen, und umgekehrt ist es möglich, mit Ausdrucksweise und Aussagen das Befinden zu beeinflussen. Auf diesem Prinzip beruhen verschiedene Meditationen, insbesondere die Herz- oder Mettameditation zur Schulung des Mitgefühls (siehe Seite → – →). Für die »Faust-Therapie« habe ich die KGS-Formel deshalb um die sprachliche Dimension zur KGSS-Formel erweitert. Das Selbstcoaching setzt also an vier Punkten an, die sich miteinander verbinden lassen:
Körper:
Bewegung, Haltung, Mimik, Gestik
Geist:
Vorstellungskraft, Erinnerungsvermögen, Selbstbeobachtung, Bewusstsein, Denken
Seele:
Gefühle/Emotionen, psychische Zustände, Stimmungen, Unbewusstes
Sprache:
Sprechweise, Aussagen, Stimme
Die verschiedenen Aspekte von KGSS einzeln zu betrachten ist sinnvoll, um deren Zusammenhänge darstellen zu können. Die Aufzählung oben lässt aber auch auf einen Blick erkennen, dass eine hundertprozentige Trennung schwer möglich ist. Die Stimme zum Beispiel habe ich der Kategorie Sprache zugewiesen, da Menschen ohne Stimme nicht lautlich artikulieren könnten. Sie könnte aber ebenso beim ersten Punkt, bei Körper, stehen, da Stimme mit dem Körper erzeugt wird. Denn sie ist der Schall, den die Stimmlippen hervorbringen. Wir verwenden diesen Schall aber nicht allein zum Sprechen, auch Gefühlsäußerungen wie Weinen, Lachen oder Schreien benötigen die Stimme. Sie hängt also auch mit der psychischen Verfassung zusammen – was sich nicht zuletzt an der gemeinsamen Wurzel der Wörter Stimme und Stimmung zeigt.
Noch schwieriger als das Auseinanderklamüsern körperlicher, seelischer, geistiger und sprachlicher Prozesse wäre es, alle Verbindungen und Wechselwirkungen, die bereits erforscht wurden, in einem KGSS-Netzwerk nachzuzeichnen. Auf einen einzelnen Zusammenhang möchte ich aber noch eingehen, durch den die KGSS-Formel meines Erachtens noch runder wird.
Bei der Aufzählung oben hat sich unmerklich der Begriff »Denken« eingeschlichen, auf den ich bisher noch nicht eingegangen bin. Auch das Denken und unsere Gedanken hängen mit unseren Gefühlen und Stimmungen zusammen. Wenn ich beispielsweise in meiner Stadt zum XY-Platz fahren muss – sei es aus beruflichen Gründen oder weil ich einen Arzt aufsuchen sollte oder eine Freundin besuchen möchte – werde ich im Stadtplan nach der besten Verbindung suchen, werde verschiedene Optionen abgleichen und entscheiden, ob ich lieber den kürzeren oder den schöneren Weg nehme und ob ich, je nach Wetter, öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad benutze. Und je nachdem, ob ich gerne dorthin fahre oder nicht, werde ich all diese geistigen Leistungen sehr zügig vollbringen oder mich eher davon ablenken lassen. Positive Gefühle motivieren, negative bremsen mich. Letzteres kann so weit gehen, dass ich logische Argumente dafür suche und finde, das Treffen oder den Termin abzusagen.
Eingehend mit den komplexen wechselseitigen Zusammenhängen von Denken, Fühlen und Verhalten hat sich unter anderen der Schweizer Psychiater Luc Ciompi befasst. Er spricht von »Fühl-Denk-Verhaltensprogrammen«, die der Mensch im Lauf der Evolution und jeder Einzelne durch Erfahrung im Lauf seines Lebens entwickelt hat. Der Aspekt »Denken« ist in der KGSS-Formel beim G, dem Geist, aufgehoben. Das Verhalten hingegen sehe ich außerhalb der Formel, es stellt unsere Verbindung zur Außenwelt dar und es gehört zur Persönlichkeit, mit der sich die »Faust-Therapie« beziehungsweise das Selbstcoaching anhand der KGSS-Formel beschäftigt.
Damit es gelingt, mithilfe von KGSS eine überzeugende Figur auf die Bühne zu bringen, ist – nach Michael Chekhov – eine weitere wichtige Eigenschaft nötig, nämlich Konzentrationsfähigkeit. Konzentration im Sinn von Sich-Einlassen erfordern auch die Übungen in diesem Buch. Sie werden das beim »Sich-selbst-Erspüren« (Seite → – →) vielleicht bemerkt haben. Gleichzeitig können Sie Ihre Konzentrationsfähigkeit mit den Übungen auch schulen – indem Sie dranbleiben, auch wenn es schwierig ist, indem Sie, wenn Sie von der eigentlichen Aufgabe abschweifen, immer wieder zu ihr zurückkehren und sich nicht tadeln, weil sie unaufmerksam waren. Seien Sie nachsichtig mit sich selbst und nehmen Sie geduldig den Faden immer wieder auf.
Und noch ein Tipp: Wenn Sie sich weniger über Ihre eigene Unkonzentriertheit, sondern vielleicht über eine Übung ärgern und die total doof finden – dann lohnt es sich besonders, dranzubleiben. Denn wenn Sie hier über Ihren Schatten springen und sich aus Ihrer Komfortzone rausbewegen, können Sie unter Umständen besonders interessante Dinge über sich erfahren – und dann die gewonnene Erkenntnis für sich nutzen.
Wie die Ausführungen zu Dramapädagogik, Psychodrama und KGSS-Formel gezeigt haben, können wir also mit Methoden, die sich am Schauspiel orientieren, an uns selbst arbeiten. Es kommt deshalb auch nicht von ungefähr, dass Schauspieler und Schauspielerinnen teilweise als Coaches außerhalb von Theater- und Filmbetrieb tätig sind und Teams, Führungskräfte oder auch Privatpersonen trainieren – etwa hinsichtlich ihres Auftretens, ihrer Präsenz oder ihres Umgangs mit anderen. Schauspielmethoden können also nicht nur das Selbstcoaching bereichern, sondern werden auch im Coaching eingesetzt. Lesen Sie dazu den folgenden interessanten Beitrag, bevor es anschließend um Goethes Faust geht und um die Frage, was er uns heute noch zu sagen hat.
Seit vielen Jahren arbeite ich nicht nur als Schauspielerin und Schauspiellehrerin, sondern auch als Business Coach, wobei diese Tätigkeit auf den schauspielerischen Fähigkeiten und Fertigkeiten aufbaut.
Manche meiner Klientinnen und Klienten kommen zu einem Einzel-Coaching. Darüber hinaus bin ich immer wieder auch als Teil eines Consulting Teams tätig, das Führungsseminare und Teambuilding-Maß-nahmen anbietet und von Firmen engagiert wird, insbesondere um die Kommunikation nach oben, unten oder auf gleicher Ebene der Hierarchie zu verbessern. Hier trete ich als Sparringspartnerin auf und mache meinem jeweiligen Gegenüber die Hölle heiß, indem ich schwierige Mitarbeiterinnen oder Kollegen mime. Das führt im Übrigen viel leichter zum gewünschten Ziel als Rollenspiele der Mitarbeiter selbst. Denn als professionelle Schauspielerin habe ich gelernt, penetrant die frechsten oder ignorantesten Zeitgenossen zu verkörpern, ohne mich zu genieren. Die Coachees selbst können in der Regel nur schwer zwischen sich und der Rolle im Spiel trennen, haben Bedenken, zu viel von sich preiszugeben oder einen falschen Eindruck zu hinterlassen.
Während des circa fünf- bis fünfzehnminütigen Gesprächs merke ich mir zwei oder drei Besonderheiten meines Gegenübers, die ich ihm in der Feedbackrunde darlege – das kann Mimik und Gestik, Körperhaltung oder auch eine bestimmte Wirkung auf mich betreffen. In einer weiteren Runde probiert die betreffende Person sich erneut im Gespräch aus. Dadurch dass sie sich auf diesem Weg ihrer selbst – also darüber, wodurch sie wie auf andere wirkt – bewusst wird, kann sie auch bewusst etwas an sich ändern. Das Coaching mit Schauspielern bietet die Möglichkeit, sich erschwerten Situationen (im Sparring) zu stellen und sich im Spiel sowie später in Realsituationen auszuprobieren.
Bei meiner Arbeit als Coach fällt mir immer wieder auf, dass sehr viele Menschen, mit denen ich zu tun habe, über wenig Körperbewusstsein verfügen. Insofern können Schauspieler und Schauspielerinnen – wenn sie das möchten – gute Coaches werden, denn das Instrument des Schauspielers ist sein Körper.
Eine Klientin – einzige weibliche Führungskraft unter zahlreichen Männern – kam nur schwer damit klar, dass ihre Kollegen ein starkes Dominanzgebaren an den Tag legten. Dieses drückte sich vor allem über Körperhaltung aus. Ich gab ihr die Aufgaben, selbst die Körperhaltungen der Männer auszuprobieren – etwa breitbeiniges Sitzen, mit Armen und Ellenbogen Raum einnehmen. Über das körperliche Erspüren von Dominanz und das Bewusstsein, wie Dominanz sich körperlich ausdrückt, konnte sie gut selbst Gegenstrategien entwickeln, indem sie ihre eigene Körperlichkeit bewusster einsetzte. Beispielsweise probierte sie aus, mit einem Fuß an den Fuß ihres Gegenübers zu stoßen und so zu signalisieren, dass der andere zu viel Platz beansprucht. Ein zweiter Effekt war, dass sie durch ihr erweitertes (Körper-)Bewusstsein, vom Verhalten der Kollegen immer weniger genervt war – Wissen ist Macht! Sie konnte sich stärker auf ihre eigentlichen Anliegen und Ziele konzentrieren und lief vor allem nicht Gefahr, zur Jammersuse oder Zimtzicke zu werden – was ihr nicht genützt hätte und Wasser auf die Mühlen der anderen gewesen wäre.
Manche Männer und Frauen besuchen auch Schauspielkurse und spielen Theater, um auf diesem Weg ihre Stimme auszubilden, ihre Präsenz zu verstärken oder ihre Nervosität, die sich bei Präsentationen oder Vorträgen einstellt, zu reduzieren. All das lässt sich auf dem Weg des Amateurschauspiels erzielen. Darüber hinaus konnte ich beobachten, dass viele dabei sich persönlich weiterentwickeln, zum Beispiel selbstsicherer und offener werden.
Marlene Beck, Schauspielerin, Schauspiellehrerin (ARTEMiS Studio) und Business Coach
Prolog im Himmel: Mephisto und der Herr schließen eine Wette darüber ab, wer von beiden Faust am Ende bekommt.
Faust verzweifelt an sich selbst und der Welt. Er wendet sich der schwarzen Magie zu und gerät in einen Horrortrip.
Schließlich will er sich sogar das Leben nehmen.
Doch der Klang der Osterglocken hält ihn von diesem Schritt zurück. Faust unternimmt einen Osterspaziergang, ...
... da läuft ihm ein kleiner Pudel zu, dem schließlich Mephisto entschlüpft. »Das also war des Pudels Kern.«
Mephisto verspricht Faust das Blaue vom Himmel …
… und die beiden schließen einen Pakt, der sie aneinanderbindet, so lange Faust lebt.
Dann machen sie sich auf in die Welt.
Als erstes führt der Weg in eine wüste Studentenkneipe, wo es dem feinen Herrn Faust gar nicht behagt.
Nächste Station ist die Hexenküche, in der es brodelt und zischt, …
… Faust die schöne Helena in einem Zauberspiegel erblickt und …
… sich einer Verjüngungskur unterzieht
(Mephisto bekommt in unserem Fall auch etwas ab von dieser Hexerei).
Mithilfe von kostbarem Schmuck und Margaretes Nachbarin Marthe kriegen Mephisto und Faust die junge Frau schließlich rum ...
… Margarete und Faust werden ein Paar.
... leidet unter entsetzlichen Gewissensbissen und Wahnvorstellungen.
Faust besorgt ein Schlafmittel für Margaretes Mutter, damit die nichts mitbekommt vom Liebesleben.
Die Mutter stirbt daran, Margarete wird schwanger und ...
Unter dem Druck von Gesellschaft und Kirchetötet sie ihr Kind und soll dafür hingerichtet werden.Während sie, verrückt geworden, im Kerker schmachtet
… treiben sich Faust und Mephisto in der Walpurgis nacht mit den Hexen auf dem Blocksberg herum.
Nun hat Faust doch ein schlechtes Gewissen und will Margarete retten.
Sie will aber nichts mehr mit Faust und Mephisto zu tun haben und zieht es vor zu sterben.
»Du sollst leben!« Aber das bleibt ein frommer Wunsch.
Nach einer kurzen Erholungspause geht es für Faust weiter in der Tragödie zweitem Teil.
Anmutige Gegend: Faust erholt sich, auf blumigen Rasen gebettet, von den Strapazen im ersten Teil, um sich »frisch lebendig« in weitere Abenteuer zu stürzen.
Faust und Mephisto schleichen sich am Kaiserhof ein. Mit einem Finanztrick – sie erfinden das durch nichts gedeckte Papiergeld – füllen sie die leere Staatskasse. Damit lösen sie zunächst Feierlaune aus, schließlich aber Aufruhr und Krieg.
Mephisto kann es nicht fassen: Als Faust durch einen optischen Trick die schöne Helena wieder erblickt, fällt er liebeskrank in Ohnmacht.
Faust unternimmt eine Zeitreise in die Antike, zusammen mit Mephisto und einer von Fausts früherem Assistenten Wagner künstlich geschaffenen Kreatur ohne Körper. Dieser Homunkulus in einer Glasphiole zeigt ihnen den Weg.
Faust gründet mit Helena eine Familie, …
… während Mephisto auf erotische Abenteuer mit den thessalischen Hexen hofft …
… und Homunkulus versucht, durch einen Liebesakt mit der schönen Nymphe Galatee einen Körper zu erlangen – leider vergeblich; in einer orgiastischen Vereinigung von Feuer und Wasser verschwindet er im Meer.
Fausts Sohn Euphorion kommt ganz nach dem Herrn Papa: Er überschätzt sich selbst – will fliegen und stürzt ab. Damit ist Fausts Antikenphase beendet.
Zurück in der Wirklichkeit, muss Faust dem Kaiser helfen, den Krieg gegen einen Gegenkaiser zu gewinnen. Als Lohn für die erfolgreiche Niederschlagung des Aufstandes erhält er einen Streifen Land am Meer.
Während Faust sein Landgewinnungsprojekt verfolgt, rauben Mephisto und seine Helfer Raufebold, Habebald und Haltefest Handelsschiffe aus, die geraubte Schätze aus den Überseekolonien abtransportieren.
Faust ist unglaublich reich und mächtig geworden, …
… aber er will unbedingt auch noch das Fleckchen Land haben, auf dem seine Nachbarn Philemon und Baucis leben.
Da die beiden nicht freiwillig weichen und auch nicht in eine Neubauwohnung auf Fausts neuem Land ziehen wollen, fackelt Mephisto kurzerhand alles ab. Faust wäscht seine Hände in Unschuld.
Faust ist inzwischen uralt, kann sich aber nicht damit abfinden, dass das Leben endlich ist. In Gestalt der Sorge suchen ihn depressive Gedanken heim, die er aber altersstarrsinnig mit Verweis auf seine Leistungen abwehrt.
Ein letztes Aufbäumen gegen den nahen Tod: Faust gibt Befehl einen Sumpf trocken zu legen, während schon sein Grab ausgehoben wird; das eindringliche Klirren der Schaufeln schreibt er irrtümlich den Bauarbeiten zu.
Während er von seinem großen Sumpfprojekt träumt, das ihn unsterblich machen soll, bricht Faust tot zusammen.
Trotz der vielen Kollateralschäden, die er hinterlässt, und seines fragwürdigen Charakters darf Faust in die Ewigkeit eingehen. Die Himmelskönigin hat es erlaubt und Margarete wird seine Seelenführerin.
Goethes vielschichtige Tragödie in einem kurzen Überblick darzustellen ist eigentlich ein unmögliches Unterfangen. Konzentrieren wir uns aber auf die Frage, was uns heutige Menschen am Faust ansprechen kann – diese Frage leitete die Tollhaus Theater Compagnie auch bei ihren Inszenierungen – wird die Sache ein wenig einfacher.
Faust »entpuppt« sich – im wahrsten Sinn des Wortes – als moderner, selbstbestimmter Mensch, der sich am Anfang des Dramas von der Vorherrschaft der Religion emanzipiert. Nach einer Verjüngungskur und einer kurzen, ihn nicht befriedigenden Beziehung steigt er zusammen mit Mephisto in die Politik ein und erfindet ein krisenanfälliges Finanzwesen. Danach gründet Faust eine Familie, die aber keinen Bestand hat. Aus seiner früheren Politik-Connection zieht er unternehmerischen Vorteil, indem er einem unfähigen Kaiser im Krieg die Macht sichert und als Gegenleistung Land und Baurechte erhält. Schließlich stirbt er reich und mächtig, aber vereinsamt. Und weil er immer so schön fleißig war, kommt er in den Himmel, wo er endlich die wahre Liebe erfährt.
Der zeitlich-räumliche Bogen reicht von der noch mittelalterlich anmutenden Studierstube und Fausts alchemistischen Zauberversuchen bis zur Großbaustelle, an der über Nacht ganze Kanäle ausgehoben werden, und der Grundbesitzer und Bauherr Faust nimmt Züge eines kapitalistischen Ausbeuters und Immobilienhais an.