Finsterbaum - Lukas Katzmaier - E-Book

Finsterbaum E-Book

Lukas Katzmaier

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Beschreibung

Geh nicht in die Louringlands.

Betritt nicht jene verfluchte Landschaft, sonst wirst auch du verschwinden und niemals wiederkehren.


Fae weiß nicht, warum sie den als verflucht geltenden Nationalpark betreten hat. Vor allem hat sie keine Ahnung, wie sie von dort wieder entkommen konnte.

Sie weiß nur eins: Ihr Bruder war bei ihr und ist nun verschwunden.

Von Albträumen geplagt, steht für Fae bald schon fest: Sie muss erneut in die Louringlands, um ihren Bruder zu finden.

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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Lukas Katzmaier

Finsterbaum

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Vorwort

Alle Ereignisse, Charaktere und Orte sind fiktiv.

Falls Verbindungen zu realen Personen bestehen sollten, so sind diese nicht beabsichtigt und rein zufällig.

 

»Verschwunden und Vergessen«

Der Regen holte sich,

was nie ihnen gehörte,

die Pflanzen schlangen dicht,

weil Steine sie störten,

Finsteres versenkte Licht,

weil sie alles empörte.

Die Ranken nahmen mit,

was nicht bleiben sollte,

sie versuchten den Schnitt,

doch blieb nur das, das wollte,

verschwunden und vergessen,

der Regen ihnen zollte,

Narben und Schreie.

 

Sie wusste nicht, wie sie da herausgekommen war. Auch nicht was sie dazu bewegt hatte, überhaupt erst dort hinein zu gehen. Da war nur dieses Gefühl, dass irgendetwas Schlimmes passiert sein musste. Und etwas war mit ihm passiert. Er war verschwunden. Fae war untröstlich. An etwas jedoch erinnerte sie sich ganz genau: An den entsetzlichen Schrei von Flint, ihrem Bruder.

Verwirrt und wie benommen taumelte sie die schmale Straße entlang, am Friedhof vorbei in Richtung der Häuser, Richtung ihres Zuhauses. Es war Herbst. Es war Nacht. Die Straßenlaternen flackerten. Kein Mensch war unterwegs. Ihr war kalt. Alles in ihr fühlte sich so … leer an.

Zuhause angekommen wartete bereits ihr Vater an der Türe und empfing sie sofort mit seiner tiefen, lauten Stimme: »Oh mein Gott. Was ist passiert? Wo bist du gewesen? Du warst doch nicht etwa ...«,

»Keine Ahnung«, sagte Fae. Niemals hätte sie diese verfluchte Landschaft betreten und jetzt wo sie sie anscheinend betreten hatte, konnte sie sich nicht einmal daran erinnern.

Fae kannte das Ganze bisher nur aus Erzählungen: Im Norden der Stadt, wo sich die Ruinen von ehemaligen Fabriken befinden, die seit einem Tsunami vor über hundert Jahren von der Natur eingeholt worden waren, war inzwischen alles zum Naturschutzgebiet erklärt worden: die Louringlands. Das Betreten ist strengstens verboten, vor allem weil es dort so gefährlich ist. Dort hatte sich ein regelrechtes Moor gebildet, dann waren da die baufälligen Ruinen und die vielen abschüssigen Stellen. Nur ein Ranger traute sich hin und wieder dort hinein. Doch das war nicht das, was die Leute in Panik versetzte. Viel mehr war es der Fluch, der diese Landschaft anscheinend beherrschte. Angeblich gingen dort die seltsamsten Dinge vor sich und immer wieder verschwanden dort Leute, die sich doch hinein wagten.

Nie im Leben konnte sie sich vorstellen, warum ausgerechnet ihr Bruder und sie dem Fluch dieser Landschaft verfallen sein sollten.

»Was heißt das: Du hast keine Ahnung? Und wo ist schon wieder dein Taugenichts von Bruder?«, fragte ihr Vater. Er klang noch ärgerlicher und aufgekratzter als sonst.

Fae antwortete ihm nicht, streifte sich ihre total verdreckten Schuhe an der Fußmatte ab und ging einfach an ihm vorbei. Sie schleuderte ihre Schuhe beiseite und schleppte sich die Treppen hoch, in die erste Etage des Hauses, dort wo sich ihr Zimmer befand.

»Bleib stehen junge Dame. Ich rede mit dir!«, rief Vater, rannte ihr hinterher.

Sie schaffte es nicht mal in ihr Zimmer, da hatte er sie schon beim Kragen gepackt und sie grob umgedreht. Er starrte sie mit seinen blass grünen Augen – die sie von ihm geerbt hatte – an und schüttelte sie. »Jetzt sag schon«, sagte er, klang schon beinahe verzweifelt. Dabei redete sie sonst auch nie viel – erst recht nicht mit ihm.

»Na schön. Du lässt mir keine Wahl. Deine zerrissene Kleidung und all der Dreck sprechen irgendwie auch für sich. Was auch immer mit dir passiert ist: Ich werde dich wohl besser zum Arzt fahren.«

»Nein Vater. Ich rede ja schon. Das ist nichts. Mir geht es gut. Es ist nur … Flint.«

»Was ist mit ihm?«

»Ich glaube … ihn hat der Fluch getroffen.«

»Du meinst er ist in den Louringlands gewesen. Trotz des Verbotes. Hat einfach diese verfluchte Landschaft betreten? Und ist verschwunden? Das ist jetzt nicht dein Ernst!«

»Doch. Und ich glaub ich war auch dort. Er … er hat so fürchterlich geschrien.«

Jetzt sah sie Tränen in Vaters Augen. Er ließ sie los und verstummte. Fae ging in ihr Zimmer, machte sich - so gut sie noch konnte - bettfertig, warf sich aufs Bett und schloss die Augen.

 

Am nächsten Morgen fühlte Fae sich, als hätte sie ein Lastwagen überfahren. Stöhnend reckte sie ihre Glieder. Doch dann war da wieder dieser Schrei. Tief in ihrem Gedächtnis. Der Schrei ihres Bruders. Was war nur geschehen? Das muss alles ein Albtraum gewesen sein, dachte sie. Vorsichtig schob sie ihre Pyjamahose etwas nach oben, denn ihre Beine brannten auf einmal so fürchterlich. Zahlreiche Kratzer zeigten ihr den Schrecken auf, den sie erlebt haben musste. Es ist geschehen. Das alles ist wirklich geschehen.Was genau auch immer, dachte sie, merkte wie Tränen in ihre Augen stiegen. Flint. Flint. Warum nur?

Dann sah sie ihren Vater. Er stand in ihrer Zimmertüre.

»Fae, Schatz. Wie geht es dir? Weißt du wieder was passiert ist?«

»Nein. Ich weißt nur: Wir waren dort. In der verfluchten Landschaft. Flint und ich. Er hat geschrien und ist dort verschwunden. Ich bin irgendwie da raus gekommen. Mehr weiß ich wirklich nicht. Ich weiß nicht einmal, wie es dort ausgesehen hat.« Sie sah, wie Vater schluckte und immer wieder den Kopf schüttelte. Dann drehte er sich weg von ihr und starrte ihre Zimmerwand an. »Alles klar. Wir gehen zur Polizei. Wir müssen deinen Bruder als vermisst melden.«

Stumm zog sie sich an. Folgte ihrem Vater nach unten. Ohne Frühstück drängte ihr Vater sie ins Auto und fuhr umgehend in Richtung der kleinen Polizeistation.

 

»Das erste Blatt«

Ein leichter Hauch, bläst den Rauch,

des ersten Falls, weg vom Boden,

ein sanfter Stoß, weht es groß,

in den Kasten, Zeichen von Toten,

ein erstes Blatt, das sich wendet,

zum ersten Bild, schwächt das Schild,

nur Unheil und Trauer spendet.

 

Sie wurden zu einem Mann mit Glatze geleitet, der sie unfreundlich anstarrte und sie bat sich zu setzen.

»Hallo. Officer Harlow mein Name. Was kann ich für sie tun?«, brummte er, seufzte dann lautstark und sichtlich genervt.

Vater schien es zu ignorieren. »Wir wollen meinen Sohn als vermisst melden. Er war wohl mit meiner Tochter...«

Sofort hatten sie die gänzliche Aufmerksamkeit des Polizisten. Dieser starrte nun Fae genau an und wurde urplötzlich laut:

»Ihr wart doch nicht etwa im Naturschutzgebiet, oder?«, fiel er ihrem Vater ins Wort. »Herrgott wie oft muss man euch Gesindel es noch sagen: Haltet euch davon fern, verdammt!«

»Hey! Kein Grund sie so anzuschreien. Sie macht sich schon genug Vorwürfe«, sprang Vater ein. »Gut. Ich könnte der jungen Dame dafür nämlich eine Strafe aufbrummen, nur dass das klar ist.«

Jetzt wandte er sich wieder direkt an Fae, lehnte sich in seinem Stuhl zurück, seufzte erneut und schien sich nun zu bemühen, freundlicher zu sein. »Es ist hoffentlich in Ordnung, dass ich dich duze, ja?«

Fae nickte nur. Spürte wie sich die altbekannte Angst, die sie so häufig begleitete, wieder in ihr aufbaute.

»Du warst also wirklich im Louringlands Nationalpark? Wie hast es denn da heraus geschafft? Du kannst wirklich von Glück sprechen, dass du nicht auch verschwunden bist. Was genau ist denn geschehen?«

»Ja. Ich war da. Ich weiß nicht was passiert ist. Ich weiß nur noch, dass mein Bruder geschrien hat. Sonst nichts.«, flüsterte sie, blickte bestürzt zu Boden, dann wieder auf.

Der Polizist beugte sich vor zu ihnen und runzelte die Stirn und schien irgendwie … bedrückt.

»Hm. Hätte mich auch gewundert. Wissen Sie, ich will ganz offen mit Ihnen sprechen: Wir werden den Ranger bitten nach ihm zu suchen, aber bisher ist nie jemand gefunden worden, der dort verschwunden ist. So leid es mir tut.«

Vater stand auf und wandte dem Polizisten trotzig den Rücken zu. Er schien verzweifelt zu sein. So hatte Fae ihn schon lange nicht mehr gesehen. Sie verkniff sich ein Schluchzen, stand ebenfalls auf, näherte sich vorsichtig ihrem Vater und flüsterte:

»Komm, lass uns gehen. Das bringt doch sowieso alles nichts.«

Fae wandte sich zur Türe. Vater folgte ihr sogleich.

»Halt! Warten Sie noch! Sie müssen für mich noch die Vermisstenanzeige ausfüllen. Ich werde sofort den Ranger verständigen. Wenn Sie psychologischen Beistand gebrauchen, kann ich das für Sie ebenfalls in die Wege leiten«, sagte der Polizist, der sich nun um ein mitleidiges Lächeln bemühte.

 

Als sie die Wache wieder verlassen hatten, blickte Vater sie an, packte sie am Arm und sagte: »Wir beide müssen jetzt stark sein und hoffen, dass dieser Ranger doch mal Erfolg hat. Du hast es ja auch aus dieser verfluchten Landschaft geschafft. Komm, ich fahr dich zur Schule.«

»Aber Vater...« »Keine Widerrede! Komm schon. Das wird dich ablenken.«

Die Schule lag am anderen Ende der kleinen Stadt. Es ging dabei über die viel befahrene Hauptstraße, vorbei am Einkaufszentrum, dem einzigen Highlight des Ortes.

Flint, ihrem Bruder, gefiel nicht mal das. »In unserem Kaff gibt es einfach nichts was wirklich Spaß macht«, hatte er immer wieder gesagt und war so oft es ging mit dem Bus in die Großstadt, die 30 Kilometer entfernt lag, gefahren.

Auf dem Weg zur Schule fuhren sie auch an jenem Spielplatz vorbei, auf dem sich Flint einst den Arm gebrochen hatte. Fae merkte, wie Tränen in ihre Augen stiegen. Sie erinnerte sich noch ganz genau, wie er sie, als sie noch jünger waren, dort ständig mitgeschleppt hatte und sie zu allem möglichen Unsinn überredet hatte. Sie sah vor ihren Augen sein Lachen, seine blonden Locken, die im Wind wild durcheinander wirbelten. Er war schon immer so ... aktiv und überdreht gewesen. Da kam er ganz nach ihrer Mutter. Auch optisch. Ganz im Gegensatz zu ihr selbst. Auch ihre Mutter war viel zu früh gestorben. Nein, dachte sie. Flint ist nicht tot. Er ist noch dort. Irgendwo dort draußen.

Fae senkte von Trauer und Sorge niedergedrückt den Kopf und strich sich ihre dünnen, dunklen Haare vor ihr Gesicht. Sie verbarg sich dahinter, wie sie es gerne tat, da hielt der Wagen auch schon.

»Wir sind da, Schatz. Komm steig aus. Ich muss zur Arbeit«, sagte Vater, tat so als würde alles in Ordnung sein, doch Fae hörte genau das Zittern in seiner sonst so festen Stimme.

 

Fae wischte sich eilig die Tränen beiseite. Als sie die Schule betrat und auf die Uhr ihres Smartphones schaute, klingelte es gerade. Sie würde es noch pünktlich zur zweiten Stunde schaffen. Ihr Magen knurrte, aber sie hatte keinen Hunger.

Sie ging zu dem Raum, in dem sie als nächstes Unterricht hatte und ließ sich dort davor an der Wand zu Boden gleiten.

Ihre Gedanken kreisten immer noch um ihren Bruder. Verzweifelt versuchte sie weiterhin sich zu erinnern, was mit ihm und auch mit ihr selbst in der verfluchten Landschaft passiert ist, doch ihr wollte es einfach nicht einfallen.

Dann tippte jemand an ihre Schulter und warf sie aus ihrer Grübelei heraus.

Erschrocken zuckte sie zusammen und blickte auf.

Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass es kein Lehrer war, sondern nur Rubina, ihre einzige richtige Freundin. Auch wenn sie oft schon versucht hatte, auch mit anderen ins Gespräch zu kommen, sie war die einzige, die sie wirklich beachtete.

»Hey. Wo warst du vorhin? Die alte Taylor hat dich sehr vermisst«

»Ich … mir geht’s nicht besonders gut. Vater hat mich schließlich doch hier her gezerrt. Du weißt ja, wie er ist.«

Sofort wich Rubina zurück. »Hey. Steck mich ja nicht an«, sagte sie, funkelte sie mit ihren leuchtenden Augen an. Lachte kurz auf. Blickte sie dann jedoch wieder besorgt an.

»Ach da bist du«, rief jemand und sofort drehte sich Rubina um.

Fae stöhnte auf. Es war Conner, Rubinas idiotischer Freund. Captain der Footballmannschaft. Rubina schüttelte - wie sie es gerne tat – ihre rote Mähne und ging ihm entgegen.

»Ah. Fae. Hast es also doch noch hergeschafft?«, sagte Conner.

»Hm«, brummte Fae nur, blickte ihn gar nicht erst an, spielte nervös an ihren Haaren.

»Wo ist denn dein Bruder? John hat mich nach ihm gefragt.«

»Der ist krank.« War ja klar, dass der als erster nach ihm fragt, dachte Fae. John war noch viel schlimmer als Conner, obwohl er zwei Stufen unter ihnen war. Conner verhielt sich ihr gegenüber wenigstens nett, sei es auch nur wegen Rubina, aber John … John kannte so etwas wie »nett« nicht. Der war einfach ein Ekel. Warum Flint sich mit ihm abgegeben hatte, hatte Fae nie begriffen.

»Ist er etwa so krank wie du?«, fragte Rubina. Fae war klar, dass sie bereits etwas ahnte.