Forever Nomad - Catalina Cudd - E-Book

Forever Nomad E-Book

Catalina Cudd

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Beschreibung

Die Geschichte um Frenchman und Juli geht weiter, aber auch Nuts gerät diesmal in Schwierigkeiten der besonderen Art… Auf der Suche nach ihrer verschwundenen Freundin landet die streitlustige Jungjournalistin Bobby im Revier einer berüchtigten Bikergang und pfuscht zwei Outlaws ins Handwerk, die den Ausschluss aus ihrem Club und ihr Leben riskieren, um einem ausgestoßenen Biker zu helfen. Während French, der die eigenwillige Juli nicht aus seinem Kopf bekommt, auf dem besten Wege ist, zum Verräter zu werden, sieht sich Bobby mit dem einschüchternden, zornigen und erschreckend anziehenden Nuts konfrontiert, der ein ganz persönliches Problem mit Journalisten hat. Wild entschlossen, sich den gefährlichen Mann vom Leib zu halten, gerät sie immer tiefer in den Sumpf von Menschenhandel, Korruption und Auftragsmord… FOREVER NOMAD ist eng verzahnt mit den Ereignissen in LUCKY BASTARD und setzt an jenem fatalen Morgen ein, als French sich so feige davongemacht und Juli zurück gelassen hat. Zum Verständnis der Ereignisse ist es daher von Vorteil, Band eins der Bullhead MC-Serie, LUCKY BASTARD gelesen zu haben.

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Seitenzahl: 1182

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FOREVER NOMAD

BULLHEAD MC-SERIES II

CATALINA CUDD

INHALT

Vorwort

I. Prolog

II. Clubangelegenheiten

III. Hafenromantik

IV. Zeitvertreibe

V. Partytime

VI. Bitterschokolade

VII. Treibjagd

VIII. Rauch Und Regen

IX. Epilog

Anhang

Nachwort

Danksagung

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Bücher von Catalina Cudd

VORWORT

Forever Nomad ist eng verzahnt mit den Ereignissen in Lucky Bastard und setzt an jenem fatalen Morgen ein, als French sich so feige davongemacht und Juli zurück gelassen hat. Zum besseren Verständnis der Ereignisse ist es daher von Vorteil, Band eins der Bullhead MC-Serie, Lucky Bastard, gelesen zu haben.

Die bisher erschienen Teile der Bullhead MC-Serie in ihrer Reihenfolge:

I – Lucky BastardII – Forever NomadIII – Brother's KeeperIV – Naughty Night (Kurzroman)V – Demon InsideVI – Seven Sinners (Kurzroman)VII – Summer HazeVIII – Dominos Game (Novelle)

Dies ist ein fiktiver Roman. Jede wie auch immer geartete Ähnlichkeit zu tatsächlich existierenden Personen, Clubs oder Institutionen ist rein zufällig und von mir nicht beabsichtigt.

TEILI

PROLOG

Lügenskandal um Van Welden - ABENDBLATT rudert zurück

Eine Woche nach Bekanntwerden des Verleumdungsskandals um die Unternehmerfamilie Van Welden hat sich das renommierte ABENDBLATT zu einer öffentlichen Entschuldigung durchgerungen und sämtliche Behauptungen der Journalistin Roberta Morgenroth widerrufen. »Frau Morgenroth ist eine engagierte junge Reporterin, dennoch hat sie die wichtigsten Regeln unseres Berufsstandes ignoriert: Objektivität, Neutralität und nachweisbare Fakten«, heißt es in dem Widerruf. »Fälschlicherweise hat unsere Redaktionsleitung darauf vertraut, dass Frau Morgenroth ihre Informationen vor Veröffentlichung gründlich auf deren Wahrheitsgehalt überprüft. Wir bedauern zutiefst den Schaden, der dem Textilunternehmen Van Welden und insbesondere Herrn Raphael Van Welden durch Frau Morgenroths Artikel entstanden ist.« Die Redaktion habe sich mit sofortiger Wirkung von der Journalistin getrennt.

Roberta Morgenroth hat in einem Artikel die Unternehmerfamilie beschuldigt, ihre Produkte unter menschenverachtenden und ausbeuterischen Bedingungen herstellen zu lassen. Die Anwälte der Van Weldens widerlegten sämtliche Behauptungen durch Gutachten und eidesstattliche Versicherungen. »Frau Morgenroth hat ihre Tätigkeit schamlos ausgenutzt, um der Familie Van Welden aus niederen Rachegründen großen Schaden zuzufügen«, heißt in einer öffentlichen Erklärung. Die attraktive Jungjournalistin habe eine Affäre mit dem Erben Raphael Van Welden gehabt, die dieser jedoch beendete, als er sie auf der Party eines Freundes beim Sex mit mehreren Männern ertappte. Frau Morgenroth gab an, unter Drogen gesetzt worden zu sein und sich an nichts erinnern zu können. Partygäste widersprachen ihren Behauptungen.

Der gute Ruf der Unternehmerfamilie Van Welden ist damit wiederhergestellt, doch die Karriere der jungen Journalistin dürfte beendet sein, noch bevor sie begonnen hat.

[…]

Verfahren gegen Rotlichtkönig Brunner eingestellt

Das Verfahren wegen Zwangsprostitution und Menschenhandel gegen den schillernden Bordellkettenbesitzer Amadeusz Brunner (56) wurde gestern aus Mangel an Beweisen eingestellt.

Die geladenen Zeuginnen widerriefen vor Gericht sämtliche Beschuldigungen und gaben an, von den Ermittlungsbeamten unter Druck gesetzt worden zu seien. Auch die angeblichen Kontakte zur Unterwelt, insbesondere zum gefährlichen Rockerclub Dirty Demons, der seit Jahren wegen Drogen- und Menschenhandels sowie Schutzgelderpressung im Fokus der Behörden steht, konnten Brunner nicht nachgewiesen werden.

Brunner, der bundesweit zahllose Bordelle und Nachtclubs der gehobenen Klasse besitzt, wurde in der Vergangenheit immer wieder mit Beschuldigungen konfrontiert, die von Zwangsprostitution bis zur Erpressung von Freiern reichten. Brunner werden außerdem regelmäßig enge Kontakte zur organisierten Kriminalität und zu lokalen Politikern unterstellt. Der Unternehmer sieht die Vorwürfe gelassen. »Das Geschäft mit käuflicher Liebe ist allen Vorurteilen zum Trotz eine Dienstleistung wie jede andere. Die Moralapostel können sich gerne weiterhin empören, aber Prostitution ist nicht ohne Grund das älteste Gewerbe der Welt.«

[…]

TEILII

CLUBANGELEGENHEITEN

BOBBY

»O nein, liebes Schicksal, tu mir das bitte nicht an«, stößt Bobby hervor.

Ihre aufgerissenen Augen kleben an dem jungen Mann im silbergrauen Anzug, der eben die Dance Hall des Pulverturms betritt. Unter dem edlen Stoff – seidig schimmernd und maßgeschneidert – trägt er ein T-Shirt mit irgendeinem modischen Aufdruck. Eine atemberaubende Platinblonde hat sich bei ihm eingehängt. Wahnsinnslippen, Wahnsinnsfigur, wahnsinnig große Brüste. Raphael steht auf große Brüste, auf Melonenobst, wie er mal sagte. Bobbys Brüste fallen eher in die Kategorie Äpfelchen. Raphael hat damals, als sie dachte, sie hätten eine Beziehung - haha! - die Bemerkung fallen lassen, dass man da was machen könne. Gott, sie erinnert sich noch, wie sehr sie sich geschämt hat. Er hat ihren Busen gemustert wie die heruntergesetzte Ware beim Obsthändler.

Wie blöd sie doch war!

»Seit wann treibt der sich denn im Pulverturm herum?« Sassy beugt sich über den Tresen und berührt Bobby am Ellbogen. »Starr ihn um Himmels Willen nicht so an! Beachte ihn einfach nicht!«

»Es ist ja nicht dein Leben, das von diesem Arschloch ruiniert wurde.« Sie merkt, dass sie die Fingernägel in den Stoff ihrer Jeans gebohrt hat. Mühsam lockert sie die Muskeln. »Ich denke, ich gehe mal rüber und kippe ihm meinen Caipirinha in seine selbstgerechte Visage.« Jetzt knirscht sie auch noch mit den Zähnen. »Verlogener Dreckskerl, dreimal verfluchter!« Die Worte kommen gepresst heraus.

Der überfüllte Club verwandelt sich in einen Tunnel, durch den Raphael schreitet, der König der miesen Arschlöcher. Er genießt seinen Auftritt, untermalt von dröhnendem Elektropop. Zu Bobbys Leidwesen sieht er immer noch erschreckend gut aus. Die Blicke vieler Frauen heften sich auf ihn. Die Platinblonde an seinem Arm hat ein Von-oben-herab-Lächeln aufgesetzt, das deutlich sagt: Dieser heiße Typ gehört mir, ihr armseligen Verliererinnen.

Bobby trägt ihre Alltagskleidung – Jeans, T-Shirt und Parka – und ihr Haar ist noch feucht. Sie ist nach dem Tanzunterricht nur kurz unter die Dusche gehüpft und direkt hierher gekommen, um ihrer Freundin und Mitbewohnerin den Hausschlüssel vorbeizubringen. Sassy ist ganz groß darin, ständig ihren Schlüssel zu vergessen.

»Mach keinen Unsinn, Bobby«, mahnt Sassy. »Wenn du hier Streit mit Raphael anfängst, bekommst du bloß Hausverbot.«

Bobby gibt ein Brummen von sich. »Wenn schon. Ich bin nicht hergekommen, um mich zu amüsieren.« Ihre Muskeln sind noch gummiweich nach dem anstrengenden Tanztraining, doch ihr Herzschlag beschleunigt sich und schickt Adrenalinwellen durch ihre Glieder.

Ihre Freundin seufzt.

Jemand ruft »Hey, Sassy, wo bleiben unsere Coronas? Ich warte seit ner Ewigkeit!«

»Reiß dich bitte zusammen, ja? Ich kann keinen Ärger gebrauchen«, sagt Sassy eindringlich, bevor sie wieder an ihre Arbeit geht.

Bobby kann ihre Augen nicht von Raphael lösen. Er begrüßt irgendwelche anderen Überflieger in schicken Klamotten. Die Typen klopfen sich auf die Schultern, lachen und lassen ihre Blicke schweifen, um zu sehen, ob auch jeder das Zusammentreffen der Hot Guys mitbekommen hat. Die Frauen in ihrer Begleitung mustern sich gegenseitig mit biestigem Lächeln.

Ich bleibe ganz ruhig, betet Bobby sich stumm vor. Ich bin total cool. Die Geschichte ist Vergangenheit und ich werde nicht ausflippen. Ich werde nicht …

Raphaels Blick wandert durch den gut besuchten Club, streift Bobby, wandert weiter, kehrt abrupt zu ihr zurück. Sein Lächeln verbreitert sich.

… Ihr Bewusstsein kämpft sich aus dem zähen, bleischweren Nebel hoch. Der Druck auf die Schläfen ist unerträglich und ihre Zunge fühlt sich an wie ein trockener Frotteelappen. Sie blinzelt, sieht ein helles Oval dicht über sich. Das Gesicht eines Mannes, der durch sie hindurch starrt. Er bewegt sich, sein Mund steht offen, er grunzt. Sie kennt ihn nicht, hat ihn heute zum ersten Mal gesehen, auf dieser … dieser Party.

Ihr Körper vibriert rhythmisch. Ihr tut alles weh. Außerdem ist ihr kotzübel.

Geräusche dringen an ihr Ohr, gedämpft wie durch viele Schichten Watte. Lachen, anfeuernde Rufe, Beleidigungen.

Noch mehr Gesichter.

»Wow, du gibst es ihr aber richtig, Mann.« Ein Aufblitzen, ein Klicken. »Ich hab’s auf Handy.«

»Aber nicht mein Gesicht!«, keucht jemand. »Du hast nicht mein Gesicht drauf, Raphael, ja?«

»Mach dir nicht ins Hemd. Ich weiß, was ich tue.«

Sie schafft es, die Hände zu heben, berührt einen schweren Körper. Jemand ist auf ihr. In ihr …

»Hey, sie wird wach. Komm schon, Mann, zeig’s der Schlampe!«

Bobby stößt sich von der Theke ab und schiebt sich durch die Menge. Dicht vor Raphael bleibt sie stehen. Er riecht nach teurem Aftershave. Die Platinblonde an seinem Arm zieht die schmalen Brauen zusammen, während sie Bobbys unspektakuläre Jeans und das schlichte T-Shirt mustert. »Ich wusste nicht, dass dieses Jahr der Mauerblümchen-Look wieder in ist«, sagt sie mit frostigem Lächeln. »Haben sie dich wirklich in dem Outfit hier reingelassen?«

»Silvia«, sagt Bobby überaus liebenswürdig. »Fast hätte ich dich nicht wiedererkannt. Damals in der Schule warst du noch … flacher.«

Silvias Lächeln verändert sich nicht. »Tja, manche Menschen machen eben das Beste aus sich. Und andere Menschen wissen das zu schätzen.« Sie lässt einen Ring an ihrem Finger aufblitzen. Platin, passend zur Haarfarbe und natürlich mit Klunker. »Hübsch, nicht? Du darfst mir gerne zur Verlobung gratulieren.«

»Herzliches Beileid.« Bobby kriegt das mit dem kalten Lächeln leider nicht hin. Ihr Blut kocht zu sehr.

»Schau an, schau an, wenn das nicht die liebe Roberta ist.« Raphaels Zähne blitzen. »Jetzt weiß ich wieder, warum ich diesen schäbigen Laden immer gemieden habe. Hier treibt sich ja alles herum.«

»Stimmt. Die lassen sogar miese Hunde rein, die ihren Freundinnen«, sie spuckt das Wort aus, »auf einer Party K.O.-Tropfen in den Drink mixen.«

Silvia versucht ein Stirnrunzeln, was wegen der gestrafften Haut nicht recht funktioniert. Ihre langen dunkelroten Fingernägel kratzen über den Seidenstoff von Raphaels Anzugärmel. »Ach, du meine Güte, jetzt geht das wieder los! Langsam solltest du gelernt haben, dass Rafi sich mit einer kleinen Schlampe wie dir niemals ernsthaft einlassen würde.«

»Nun, wie ich sehe, ist sein Niveau inzwischen ein paar Stockwerke tiefer gerutscht«, entgegnet Bobby. »Hat er dich auch schon seinen Kumpels überlassen?«

Raphael lacht auf. »Oh Mann, Roberta, du hüpfst immer noch betrunken durch alle Betten und behauptest am nächsten Morgen, du wärst von meinen Freunden gegen deinen Willen gevögelt worden? Gib endlich auf, die Geschichte nimmt dir doch keiner ab.«

»Wir haben alle die Fotos gesehen, die Rafi mit seinem Handy geschossen hat«, säuselt Silvia. »Du sahst aus, als hättest du großen Spaß daran, es mit den drei Jungs zu treiben.« Ihr Lächeln ist von vergifteter Süße. »Ich kann ja verstehen, dass es dir peinlich ist, dass du dich so hast gehenlassen. Aber deswegen gleich eine Lügenkampagne zu starten …« Sie schüttelt den Kopf. »Das war wirklich das Allerletzte.«

»Er hat mir GHB untergejubelt«, sagt Bobby mit dünner Stimme. »Farblos, geschmacklos. Ich hatte einen Filmriss. Er hat …«

»Schon wieder die Blackout-Geschichte.« Raphael zuckt in einer ergebenen Geste die Schultern. »Roberta, kapier endlich, dass du gegen meine Familie nicht ankommst, egal, welche Storys du von dir gibst. Du hast dich unglaubwürdig gemacht, dämliche Schlampe.«

Schlampe.

Die Schlampe kriegt nicht genug.

Bobby spürt Hitze durch ihre Adern brodeln, ihre Wangen brennen. »Du kranker, hinterhältiger Lügner …«

»Du gibst wohl nie auf.« Er schüttelt milde den Kopf. »Dein kleiner Rachefeldzug ist nach hinten losgegangen. Dieser Artikel, den du letztes Jahr über das Unternehmen meiner Eltern geschrieben hast … die Zeitung hat dich direkt danach gefeuert, nicht wahr? Ich habe gehört, dass du jetzt über Baumarkteröffnungen berichtest. Gut so, da kannst du wenigstens keinen Unsinn verbreiten.« Er wendet sich von ihr ab und neigt sich seinen Freunden entgegen, als wolle er ein Geheimnis loswerden. »Roberta dachte damals wirklich, zwischen uns liefe etwas Ernstes. Ich stelle meinen Eltern doch keine Frau vor, die es mitten auf einer Party besoffen mit jedem Typen treibt.« Er setzt einen angewiderten Gesichtsausdruck auf. »Sie kann von Glück sagen, dass mein alter Herr von einer Klage abgesehen hat. Den Ärger ist sie nicht wert, meinte er.«

»Abservierte Affären können einem das Leben zur Hölle machen«, gluckst einer.

»Na, Roberta dürfte kapiert haben, dass meine Familie das Spiel erheblich besser beherrscht«, erwidert Raphael. »Sie ist nicht die Erste, die gedacht hat, die Van Weldens ficken zu können. Aber es läuft immer anders herum.«

»Du … ich …«, sie beginnt zu stottern. Ihr Herz rast, sie bekommt keine Luft und ihr Verstand brennt in lodernder Wut. Sie wirbelt herum und rennt raus, die Hände zu Fäusten geballt.

Die kühle Nachtluft trocknet die Feuchtigkeit auf ihren Wangen. Ihr verschleierter Blick verwischt die Parkplatzbeleuchtung zu grellen Schlieren. Bobby tritt gegen den Reifen ihres hellblauen Kleinwagens, wieder und wieder. Zu ihrem Verdruss tut es nur ihrem Fuß weh. Und ihr armes Auto kann ja auch nichts dafür. Sie sieht sich um, fragt sich, welcher von den teuren Schlitten wohl Raphael gehören mag. Das Mercedes Coupé? Nee, zu brav. Raphael fährt bestimmt einen italienischen Sportwagen.

»Hey«, sagt Sassy hinter ihr. Sie trägt ihre schwarze Schürze mit dem Pulverturm-Logo und eine Flasche Bier. »Beruhige dich, Bobby. Der Kerl ist es nicht wert …«

»Hast du gehört, was er gesagt hat?«, unterbricht sie ihre Freundin. Sie nimmt ihr die Flasche ab und und trinkt einen langen Schluck. Schokolade wäre ihr jetzt zwar lieber, aber man muss nehmen, was man kriegen kann. »Vor allen Leuten hat er mich als Lügnerin hingestellt! Und als Schlampe! Schon wieder!« Es fällt ihr schwer, ihren Atem zu beruhigen. Zornig wischt sie die Tränen fort. »Und wieso musste er diesen verdammten Artikel erwähnen? Und diese Fotos. O Gott, diese furchtbaren Fotos!« Ihre Stimme bricht bei dem letzten Wort weg. Sie hat die Bilder nie gesehen, wollte sie nie sehen. Sie will nicht die Frau auf den Bildern sein. Sie war doch gar nicht da, als es passierte! »Er sorgt dafür, dass ich mich wie ein Stück Dreck fühle.« Die Erniedrigung, die sie fast schon vergessen geglaubt hat, kriecht wieder hervor. Erstickend, vergiftend, tonnenschwer.

»Tut mir leid, Bobby, aber du kannst nichts mehr rückgängig machen.« Sassy tätschelt ihren Arm. »Nimm den Kopf hoch und geh ihm aus dem Weg. Die Leute hecheln längst andere Skandale durch. Raphael wollte dich nur in Rage bringen.«

»Das ist ihm gelungen.« Verdrossen kickt Bobby ein weiteres Mal gegen den Reifen. »Warum habe ich den Arsch überhaupt angesprochen? Ich bin so eine Idiotin!«

»Du musst lernen, dein Temperament zu zügeln, Bobby.« Sassy ist drei Jahre jünger als Bobby, aber sie benimmt sich manchmal wie eine Oberlehrerin. »Nach fast einem Jahr sollte dich die Sache nicht mehr so mitnehmen.«

»Tut sie aber.« Sie gibt ein Lachen von sich, das eher wie ein Schluchzer klingt. »Weißt du, das Schlimmste ist, dass die Leute mir wirklich zutrauen, so etwas getan zu haben. Ausgerechnet ich! Die paar One Night-Stands in meinem Leben kann ich an einer Hand abzählen.« Sie lässt den Blick über die parkenden Wagen schweifen. »Ich könnte ihm einen freundlichen Gruß in seinen Lack kratzen. Welcher Wagen gehört ihm, was meinst du? Der weiße Porsche da drüben?«

»Finger weg von dem Porsche! Das ist Devids Auto.« Sassy greift nach dem Bier. »Vergiss die ganze Sache endlich. Du hast Wichtigeres zu tun.«

»Oh ja, investigative Artikel über Schützenfeste und Möbelhausjubiläen schreiben. Wirklich wichtig«, murmelt sie und betrachtet ihre Chucks. »Wie soll ich etwas vergessen, an das ich mich nicht einmal erinnern kann?« Einzig die abgrundtiefe Demütigung, als sie aus der Bewusstlosigkeit auftauchte, hat sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis gebrannt. Das allmähliche Verstehen. Die Satzfetzen und das Gekicher. Ihre Klamotten, durch den ganzen Raum verteilt. Die befremdeten Gesichter der anderen Partygäste. Der gallenbittere Geschmack auf ihrer Zunge. Sie wusste nicht, was sie zuletzt getrunken hatte.

Dann, viel später, die Erkenntnis, dass sie damit durchkamen.

Nicht mit mir!, hat sie damals gedacht. Nicht mit Bobby Morgenroth!

Jedes Großunternehmen hat Dreck am Stecken. Die Van Weldens bilden keine Ausnahme und Bobby, frischgebackene Volontärin beim Abendblatt, würde Raphael und seiner Familie schon zeigen, dass nichts ungesühnt bliebe.

Gute Idee. Miserable Ausführung.

Gedämpft schallt die Musik nach draußen. Aus den schattigen Kronen der Platanen, die den Parkplatz säumen, ist das Gezirpe eines Nachtvogels zu hören. Die Straßen sind leer, die Silhouetten der Häuser nur mit wenigen Lichtflecken geschmückt.

»Du bist eben sehr emotional, was ja grundsätzlich kein Fehler ist«, sagt Sassy diplomatisch. »Aber zukünftig solltest du um den Arsch einen Riesenbogen machen. Das Leben geht weiter. Schau nach vorn und hak die Sache ab unter Schlechter Erfahrung.«

»Ein verdorbener Magen ist eine schlechte Erfahrung, aber das … ist etwas anderes«, knirscht Bobby. »Nur, weil sie Geld und Macht haben, können sie tun, was sie wollen. Das ist so ungerecht!«

»Willkommen in der Realität, Schatz.« Sassy hebt die Schultern. »Wenigstens hat Raphael dich nicht betrogen so wie dein Ex-Exfreund.«

»Und schon geht es mir besser. Männer können mir allesamt gestohlen bleiben! Apropos …« Sie starrt mit gerunzelter Stirn den Porsche an. »Wer ist noch mal Devid? Der Typ, den du vor Kurzem im Mephisto kennengelernt hast?«

»Guck mal, was er mir mitgebracht hat.« Sassy hält einen winzigen Plüschhasen mit aufgesticktem roten Herzchen hoch. »Ist das nicht süß? Er ist vorhin aufgetaucht und hat gesagt, dass er wartet, bis ich Feierabend habe. Dann fahren wir …«

»Lass die Finger von dem Kerl«, fährt Bobby dazwischen. »Mit dem stimmt etwas nicht.«

Sassy keucht überrascht auf. »Was soll das denn jetzt? Devid ist nicht Raphael. Du kennst ihn doch gar nicht!«

Das stimmt. Bobby hat ihm bisher nur ein höfliches »Hallo« zugemurmelt. Sie und Sassy waren im Mephisto verabredet und Bobby hatte sich verspätet, weil ihr ehrenamtlicher Job im Frauenberatungszentrum sich einen feuchten Kehricht um pünktlichen Feierabend schert. Zu Bobbys Überraschung fand sie ihre beste Freundin im Gespräch mit einem gut aussehenden jungen Mann mit kohlschwarzen Augen, den sie noch nie hier gesehen hat. Sassy kicherte und hatte süße rote Wangen. Die Art, wie sie den Typen anschmachtete, grenzte an Albernheit. Bobby hatte Schwierigkeiten, ernst zu bleiben, als sie zu den beiden trat. Sie deutete Sassys flehende Blicke richtig und obwohl sie ein wenig eingeschnappt war – das war schließlich ihr Mädelsabend –, ließ sie die beiden allein. Sie trieb eine Weile durchs Mephisto, quatschte mit einigen Kommilitonen und verschwand dann nach Hause. Ihr war nicht wohl bei der Geschichte; Sassy ist süß und naiv, noch ein halbes Kind, wenn es um Männer geht. Aber sie kann tun und lassen, was sie will. Sie hat lange genug gestrampelt, um sich aus der Überfürsorge ihres prügelfreudigen älteren Bruders zu lösen.

Wenn Sassy und Bobby ausgehen, dann ins Mephisto, einem alternativen Club im Untergeschoss eines brüchigen Gründerzeithauses, der bei den Studenten sehr beliebt ist. Aber dieser Devid passt nicht wirklich dort hinein. Bobby kann nicht sagen, was ihr an ihm nicht gefällt. Er sieht nicht aus wie der verwöhnte Sohn stinkreicher Eltern, auch nicht wie ein ehrgeiziger junger Mann, der irgendwas mit Medien studiert. Der smarte Devid weiß genau, dass er gut aussieht. Er trägt teure, lässige Markenklamotten und ein angenehm duftendes Aftershave. Seine Haare sind akkurat kurz geschnitten, seine Schultern breit, aber nicht zu breit. Schüchtern ist er nicht, aber auch keiner von der lauten Sorte. Und er hat Manieren. Doch ihm haftet etwas Ruchloses an, das sich nicht greifen lässt, wie ein Rauchschleier, den man nur aus den Augenwinkeln wahrnimmt.

»Versprich mir, dass du mit dem Kerl nirgendwohin fährst«, sagt sie jetzt.

»Sag mal, spinnst du total?« Sassy wird laut. »Du bist fast schlimmer als mein Bruder! Dank Tiny traut sich seit der Schulzeit kein Junge in der Stadt, mich anzusprechen. Ich bin heilfroh, dass hier mal ein neuer Kerl aufkreuzt, der meinem Bruder noch nicht über den Weg gelaufen ist.«

»Hast du Tiny von Devid erzählt?«

»Ich bin doch nicht verrückt.« Sassy leert die Flasche und knibbelt an dem Etikett herum. »Wenn es nach Tiny ginge, würde ich den Rest meines Lebens im Kloster verbringen. Und jetzt fällst du mir auch noch in den Rücken. Ich mag Devid. Er ist cool und aufmerksam und er sieht hölleheiß aus.«

Das stimmt allerdings. Devid würde sich auch in einem Männermodemagazin gut machen. Im Mephisto hat er jedenfalls jede Menge Aufmerksamkeit auf sich gezogen. »Versteh das bitte nicht falsch, aber der Typ könnte jede kriegen. Was will er ausgerechnet …?«

Sassy presst die Lippen zusammen. »Vielleicht steht Devid auf mich, weil … er eben auf mich steht.« Sie fixiert Bobby. »Ist das ein Problem für dich oder darf ich auch mal eine Beziehung haben?«

»Oh, gerade wart ihr noch beim Daten und jetzt ist es schon eine Beziehung. Das geht ja echt rasant bei dir«, giftet Bobby zurück.

»Herrgott, nur weil du das Pech hattest, an zwei ausgemachte Arschlöcher zu geraten und zur Männerhasserin mutiert bist, musst du mir doch nicht alles verderben!«

»Das tu ich doch nicht. Ich will nur nicht, dass du auf einen falschen Fünfziger reinfällst!«

»In deinen Augen ist doch jeder Mann ein falscher Fünfziger. Du und Tiny, ihr seid echt krank! Warum lasst ihr mich nicht einfach in Ruhe?« Sassy drückt ihr die leere Flasche gegen die Brust, wirbelt herum und stapft zum Hintereingang des Pulverturms zurück.

Na klasse, jetzt hat sie auch noch ihre beste Freundin gegen sich aufgebracht.

Bobby starrt in den wolkenverhangenen Nachthimmel. Sie könnte jetzt wirklich etwas Schokolade gebrauchen.

Erst Thomas, der sie monatelang mit ihrer Cousine betrog, dann Raphael, der sie für etwas Partyspaß unter Drogen gesetzt hat. Bobby hat beschlossen, keinen Kerl mehr an sich heranzulassen. Ist sicherer so. Wenn es um Männer geht, versagt ihr Urteilsvermögen. Anschließend darf sie die Scherben ihres Selbstbewusstseins aufsammeln und zusammenkleben.

Nicht einmal One-Night-Stands kommen für sie mehr in Frage, obwohl sie zu ihren früheren Singlezeiten durchaus Interesse an Abenteuern hatte. Aber jetzt? Die Leute würden noch schlechter über sie reden.

Schlampe …

Bobby hat heute den ganzen Spätnachmittag und den größten Teil des Abends damit verbracht, die Datenbank im Computer der Frauenberatungsstelle zu aktualisieren und die Handschriften ihrer Kolleginnen zu entziffern, bevor sie zu ihrem Tanztraining gefahren ist. Zweimal pro Woche arbeitet sie ehrenamtlich im BASTA, erledigt den Papierkram, tätigt langweilige Anrufe bei den Behörden und schreibt Pressemitteilungen, die niemand liest. Es ist zermürbend, Stunde um Stunde die Schicksale fremder Frauen, hastig niedergekritzelt von einer der Sozialarbeiterinnen, mit nüchternen Worten in die Tastatur zu hämmern. Danach braucht sie den Tanzunterricht umso dringender, um den Geschmack von Angst und Hoffnungslosigkeit loszuwerden, der im BASTA die Luft schwängert.

Sie hat das Frauenberatungszentrum damals wegen der Sache mit Raphael aufgesucht. Die Leute im BASTA haben ihr zwar keine Rechtshilfe bieten können, sie aber dabei unterstützt, den Kopf aus dem Sand zu nehmen und zumindest einen Teil ihrer Würde zurückzuerlangen. »Eine Klage gegen Raphael Van Welden kannst du nicht gewinnen, nicht ohne handfeste Beweise«, hat Carina, die Leiterin, gesagt. »Es wird Aussage gegen Aussage stehen. Seine Freunde und er werden sich gegenseitig schützen. Du wirst in den Fokus der Öffentlichkeit geraten und die Van Weldens werden eine Menge übler Scheiße über dich verbreiten, um dich unglaubwürdig zu machen. Sie werden dich ein zweites Mal demütigen, weil sie es können. So sieht’s aus.«

»Soll das heißen, er kommt einfach so davon mit dem, was er getan hat? Und mein Leben ist ruiniert?«

»Dein Leben ist nicht ruiniert! Es hat einen schmerzhaften Einschnitt bekommen. Du kannst vor der Kluft stehenbleiben und jammern oder sie irgendwie überwinden und weitermachen.« Carinas nüchterne Art, die Dinge zu sehen, hat Bobby mehr geholfen als alle Mitleidsbekundungen, von denen wahrscheinlich die Hälfte eh geheuchelt war. Seitdem hilft sie im BASTA aus und fühlt sich nicht mehr ganz so überflüssig.

Ob sie mit Tiny reden soll wegen Sassys Verehrer?

Tiny, der große Bruder, ist ein tätowierter großmäuliger Macho, der kein Hehl daraus macht, dass er Bobby ebenso wenig ausstehen kann wie sie ihn. Zum Frühstück rührt sich das Muskelgebirge bestimmt Eisenspäne ins Müsli, bevor er rausgeht und Leute verprügelt, weil die ihn schief ansehen. Er treibt sich seit seiner Jugend in der Rockerszene herum - saufen, vögeln, in Schwierigkeiten geraten. Vor einem halben Jahr hat er sich einer berüchtigten Bikergang angeschlossen, für die er Dinge erledigt. Illegale Dinge, möchte Bobby wetten. In den Medien steht doch immer wieder zu lesen, womit diese Rockerclubs ihr Geld verdienen. Sie ist überzeugt, dass er eines Tages im Gefängnis landen wird. Und aus diesem Grund sollte Tiny seine Schwester in Ruhe lassen, bevor sie in seine schmutzige Welt hineingezogen wird. Leider sieht Tiny das anders. Obwohl sein ganzes Dasein sich um diesen Bikerclub dreht, findet er Zeit genug, Sassy das Leben schwer zu machen mit seiner Überfürsorge. Tiny hat sich nach dem Tod ihrer Mutter um Sassy gekümmert, aber nun ist sie erwachsen und braucht ihn nicht mehr.

Wann immer er an der Tür klingelt, fleht Sassy: »Sag ihm, dass ich nicht da bin, bitte, Bobby!« Es funktioniert nie. Tiny lässt sich nicht verjagen. Würde man die Tür vor seiner Nase schließen, würde er sie einfach eintreten. Seine Begrüßung an Bobby besteht in der Regel aus einem herablassenden Grunzen, manchmal gefolgt von einem »Verzieh dich, ich will mit meiner Schwester reden«.

Nein, sie wird den Teufel tun und ihm von Devid erzählen. Sassy würde es ihr nie verzeihen, wenn ihr hübscher Devid auf dem Parkplatz zusammengeschlagen wird, nur weil er die Schwester eines aggressiven Bikers datet.

Seufzend lässt Bobby sich an der Tür ihres Auto herabsinken und zieht die Beine an. Die Kälte des Asphalts kriecht durch den Jeansstoff.

Sassy hat ja Recht. Sie sollte sich für ihre Freundin freuen, dass so ein ansehnlicher Kerl wie Devid ein Auge auf sie geworfen hat. Sassy leidet unter ihrem niedlichen Aussehen, das sie gute fünf Jahre jünger wirken lässt. Ständig wird sie nach ihrem Ausweis gefragt, weil man ihre Volljährigkeit anzweifelt. Auf ältere Männer übt sie eine fatale Anziehungskraft aus mit ihrem kindlichen Puppengesicht, aber die jungen Typen wollen lieber eine sexy, erwachsene Freundin. »Ich krieg nur die widerlichen Pädophilen ab«, hat Sassy einmal geklagt, als sie ein bisschen zu viel getrunken hatte. »Dicke alte Kerle in hellblauen Oberhemden – bah!« Und dann war sie in verzweifeltes Lachen ausgebrochen. »Um dich schwirren die Jungs rum wie Motten ums Licht, aber du beißt sie alle in die Flucht, während ich vertrockne. Das ist so ungerecht!«

Eine Bewegung im Augenwinkel schreckt Bobby aus ihren düsteren Gedanken. Sie stemmt sich hoch und linst über die Motorhaube.

Devid ist aus dem Vordereingang des Clubs getreten, schaut sich kurz um, dann zieht er ein Handy aus der Tasche. Er geht ein paar Schritte über den Parkplatz, während er auf dem Display herumtippt. Blassblaues Licht verleiht seinen symmetrischen Gesichtszügen einen gruseligen Schimmer.

Sie hört ihn unverständliche Worte ins Telefon murmeln. Russisch vielleicht oder Rumänisch. Ein kurzes spöttisches Auflachen löst bei ihr spontane Antipathie aus. Meine Güte, darf er nicht mal lachen? Er hat dir doch gar nichts getan! Aber das ändert nichts daran, dass sie ihn nicht mag. Er ist zu perfekt. Ja, das ist es. Er ist wie Raphael, nur in anderer Verpackung.

Devid wechselt das Handy ans andere Ohr und strafft sich leicht. »Mozart? Ja … wir haben jetzt eine komplette Lieferung … sie werden euch gefallen, es ist Sugardaddy-Material darunter …«

Ihre Nackenhärchen richten sich auf. Wusste ich’s doch!, flüstert die Rasende Reporterin in ihr.

Er wendet sich ab und wandert zwischen den Autos herum. Bobby kann nur Fetzen verstehen. »… Hat Ewigkeiten gedauert, aber sie … na klar, du kannst dich auf uns …« Er redet eifrig, beinahe ehrerbietig. »… Ein paar Tage, schätze ich.«

Vorsichtig geht sie auf alle Viere und krabbelt vorwärts. Sie hört Devids Absätze auf dem Pflaster, dahinter das Wummern des elektronischen Basses aus dem Pulverturm.

Die nächsten Worte sind wieder in einer Sprache, die sie nicht versteht. Jetzt spricht er lockerer, lacht ein-, zweimal. Dann herrscht Stille. Ihre Augen suchen den Parkplatz ab. Devid stößt die Tür zum Pulverturm auf und verschwindet im Innern.

Bobby wartet, bis er im Club verschwunden ist, dann kommt sie auf die Füße.

Unschlüssig fährt sie sich durch die schwarzen Haare. Alles, was sie gehört hat, sind Wortfetzen, die alles und nichts bedeuten können. Ihre Aversion gegen Devid macht einen Elefanten aus einer Mücke.

Andererseits … Sugardaddy.

Bobby wandert um ihr Auto herum, macht dabei ein paar Tanzschritte, versucht, nachzudenken. Eine kühle Windböe bringt die Pappeln zum Flüstern. Fröstelnd eilt sie zurück in den Pulverturm.

Elektrobeats und stickige Luft schlagen ihr entgegen. Sie drängelt sich zwischen den tanzenden, lachenden, schwitzenden Leuten zur Theke durch und hält vergeblich nach Sassy Ausschau. »Hey«, ruft sie Ellen zu, die hinter dem Tresen Strohhalme in bunte Drinks steckt. »Wo ist Sassy?«

Ellen deutet mit dem Daumen auf die Uhr an der Wand, ohne den Kopf zu heben. »Feierabend. Hat pünktlich auf die Minute alles stehen und liegen gelassen und sich nicht mal verabschiedet. Sie ist vor zwei Minuten mit diesem süßen Kerl abgehauen.«

Mist.

Bobby bahnt sich ihren Weg zur Garderobe, holt ihre Jacke und verlässt den Club. Der weiße Porsche auf dem Parkplatz ist verschwunden.

»Sassy?«, ruft sie, kaum dass sie die Tür zur WG aufgeschlossen hat. Keine Antwort. Die Wohnung liegt im Dunkeln und atmet Stille.

Trotzdem klopft Bobby an die Zimmertür ihrer Freundin und wirft einen Blick hinein. Auf der penibel gefalteten Bettdecke liegt ein Stapel Fachbücher, der Schreibtisch ist aufgeräumt wie immer, der Boden frisch gewischt. Es riecht nach Zitronenreiniger.

Sassy ist zwanghaft ordentlich, vermutlich, weil ihr Bruder, bei dem sie aufgewachsen ist, Geschirrspülen für eine Zumutung hält und Staubsaugen als Schikane empfindet. »Tiny wohnt nicht, Tiny haust«, hat Sassy einmal gesagt.

Bobby schließt die Zimmertür und angelt das Festnetztelefon aus der Dockingstation. Sie klickt sich durch das Telefonbuch bis zu Tinys Eintrag, zögert kurz, dann drückt sie die Anruftaste.

Nach dem zweiten Klingeln nimmt er ab. »Sassy? Was ist los?« Er klingt trotz der späten Stunde alarmiert. Kein Wunder. Sassy ruft ihren Bruder nie an.

»Ich bin es. Bobby.«

Ein genervtes Knurren, eine Pause, dann: »Erwarte bloß kein höfliches Hallo, Giftspritze.« Jepp, sie und Tiny können sich echt gut leiden. »Hat Sassy dich wieder vorgeschickt, um mir zu sagen, dass ich mich aus ihrem Leben raushalten soll? Vergiss es, meine Schwester …«

»Tiny, könntest du mir einen Augenblick zuhören?«, unterbricht sie ihn und fügt leise »du Riesengebirge von einem Straßenschläger« hinzu.

»Ich bin nicht schwerhörig, du bescheuerte kleine Möchtegern-Emanze! Noch so ein Spruch und ich komme vorbei und bläue dir Respekt gegenüber einem Bullhead-Anwärter ein«, grollt er. »Warum zum Henker rufst du mich an?«

Sie schluckt die beleidigenden Worte runter, die ihr auf der Zunge liegen. »Ich glaube, Sassy hat sich mit dem falschen Mann eingelassen.«

FRENCH

Mai - Clubhaus des Bullhead MC

Sehr vorsichtig zieht French seinen Arm unter Weeds’ Körper hervor. Sie gibt ein Seufzen von sich und dreht sich zur Seite, ohne aufzuwachen. Durch den halb geschlossenen Vorhang fällt schwaches Licht in das Gästezimmer des Clubhauses und legt einen sanften Schimmer auf ihre Züge. French glaubt, ein leichtes Lächeln zu erkennen. Er schiebt eine Haarsträhne hinter ihr Ohr, streicht mit den Fingerspitzen über die Schläfe. Die Berührung ihrer Haut schickt einen Stromschlag direkt in seinen Unterleib hinunter. Sein Schwanz zuckt auf. Echt verrückt. Gefährlich. Ihre Lippen öffnen sich ein wenig. Sofort erstarrt er. Doch sie erwacht nicht und er rückt sacht von ihr ab. Erleichterung vermengt sich mit Schuld zu einem brennend sauren Cocktail. Sein Herz krampft sich zusammen.

Verflucht, hau endlich ab, bevor es zu spät ist! Die Matratze bewegt sich kaum, als er das Bett verlässt. Ihr Duft kitzelt seine Nase, diese zarte und dennoch bildhafte Erinnerung an eine verwilderte Blumenwiese, durchsetzt mit Walderdbeeren. Der Geruch von Sex mischt sich darunter. Er schluckt, es fühlt sich an, als bestünde seine Kehle aus Sandpapier. Hastig sammelt er seine Kleidung ein und verschwindet im Bad.

Keine Viertelstunde später durchquert er den großen Schankraum im Erdgeschoss des Bullhead MC-Clubhauses. Bad Religion hämmern Give you Nothing aus den Boxen. Es ist merklich leerer geworden im Gebäude. Die Party zu Ehren von Dogs Vollmitgliedschaft und zugleich die Abschiedsparty für die Nomads nähert sich allmählich dem Ende. Ein paar Gäste haben sich in die Ecken verzogen, um zu schlafen, die anderen halten sich an halb geleerten Bierflaschen fest, lachen und lallen. Auf dem Billardtisch vögelt ein Paar träge vor sich hin, beobachtet von einem Dritten, der an seinem Hosenstall herumfummelt. Der Boden klebt unter den Sohlen von Frenchs Boots; jeder Schritt verursacht ein leises Knirschen. Aus der Küchentür wabert der Duft frischen Kaffees. Übernächtigte Biker und Mädchen mit verschmiertem Makeup hocken an der Theke.

Er ignoriert Nuts’ »Hey, Boss, so früh habe ich nicht mit dir gerechnet« und verschwindet im Lagerraum, um sein Gepäck zu holen, das er bereits am Nachmittag dort deponiert hat. Du elender Feigling hast alles sauber geplant, hm?, flüstert sein Unterbewusstsein ihm zu. Er ignoriert die ätzende Stimme, wirft sich den Seesack über die Schulter und kehrt zur Bar zurück.

»Anscheinend hast du es eilig, von hier wegzukommen.« Finn mustert ihn. Die wilden Locken, auf die die Frauen so abfahren, verdecken nur teilweise die wachen Augen des jungen Nomads. »Will dein Mädchen sich nicht von uns verabschieden?«

»Hab sie schlafen lassen«, brummt French mit Blick zur Wanduhr. Kurz vor fünf Uhr morgens. Draußen herrscht das kobaltfarbene Dämmerdunkel, das einen wolkenlosen Tag ankündigt. French liebt die Momente, bevor die Sonne aufgeht; die friedliche Stille der weichenden Nacht und die Geräusche der langsam erwachenden Natur. In diesen Augenblicken gehört die Welt sich selbst und folgt ihrem eigenen uraltem Herzschlag, bevor sich das moderne Leben einmischt und alles unter Hektik, Lärm und Schaffenszwang begräbt.

»Dein Mädchen weiß aber schon, dass du gleich weg bist?« Nuts beäugt seinen Anführer über den Rand des Kaffeebechers hinweg. »Kommt sie klar damit?«

»Ich habe ihr von Anfang an nichts vorgemacht. Sie ist ein großes Mädchen.« French weicht dem Blick seines besten Freundes aus, als er den Seesack neben dem Barhocker abstellt. »Wo stecken die anderen?«

»Sind gleich soweit.« Nuts blickt auf seine Finger. »Wenn alles okay ist, frage ich mich, warum du es so verflucht eilig hast.«

Bossy Boots erscheint in der Küchentür und trocknet sich die Hände an einem Geschirrtuch ab. Die lange Partynacht scheint spurlos an ihr vorbeigegangen zu sein. Ihre dramatisch geschminkten Augen strahlen auf. »Frenchyboy«, sagt sie lächelnd, »du siehst aus, als könntest du einen Kaffee gebrauchen. Wollt ihr noch ein anständiges Frühstück, bevor ihr euch auf den Weg macht, Jungs?«

»Unbedingt«, sagt Finn und French gleichzeitig: »Nein.«

Bossy zieht die Brauen zusammen. »Habt ihr Jungs einen Termin oder was soll diese Hektik?«

»Ich will endlich auf die Straße kommen«, murmelt French. »Bin schon viel zu lange in dieser verfluchten Stadt.«

Bossy stellt einen gefüllten Kaffeebecher unter seine Nase. »Weeds schläft noch?«, fragt sie leise.

»Ja, verdammt!«, gibt er heftiger als beabsichtigt zurück. »Tut mir einen Gefallen und lass sie ausschlafen, okay? Sie hat einiges hinter sich.«

»Mir scheint, das Schlimmste steht ihr noch bevor«, murmelt Nuts.

Bossys Augen verengen sich zu Schlitzen. »Frenchman, das ist nicht dein Ernst.«

Er gibt ein Knurren von sich. Obwohl er die Augen beharrlich auf die Thekenplatte gerichtet hält, entgeht ihm der stumme Austausch von Botschaften nicht, den seine Brüder so gut beherrschen.

Der Kaffee schmeckt so widerlich wie erwartet. French hasst Kaffee, aber irgendetwas sagt ihm, dass es keine gute Idee wäre, Bossy nach frisch aufgebrühtem marokkanischen Pfefferminztee zu fragen. Ihre abgehackten Bewegungen verraten deutlich ihre Aufgebrachtheit. Bossy hat Weeds von Anfang an in ihr Herz geschlossen, warum auch immer. Die beiden sind so unterschiedlich, wie es nur sein kann.

Dog gesellt sich zu ihnen, kaum in der Lage, seine Augen zu öffnen. Er gähnt herzhaft und lässt sich auf einen Barhocker fallen. »Alter Schwede, was für eine Nacht.« Er dünstet eine Mischung aus Bier und süßem Parfum aus. Auf dem Rücken seiner Kutte leuchtet das dreiteilige Colour der Bullheads. Anscheinend hat sich eine der Bitches erbarmt und die Aufnäher gleich nach der Übergabe auf das Leder genäht.

Nuts grinst. »Sieht aus, als hättest du deinen Einstand ordentlich genossen, Fullmember.«

»Ich bin noch lange nicht fertig. Brauchte nur mal eine Pause von meinen beiden Mädels.« Der breitschultrige Kerl bekommt kaum die Zähne auseinander. »Gibt’s schon Kaffee?«

»Aber selbstverständlich, der Herr. Kommt sofort, der Herr.« Bossy rammt einen Porzellanbecher in den Kaffeeautomaten und drückt den Knopf. Harte Kerben rahmen ihre Mundwinkel ein.

Dog blinzelt verwirrt. »Hab ich was Falsches gesagt?«

»Nein, du nicht. Du hast Glück, dass du die Nomads noch antriffst, um dich zu verabschieden. Unsere Helden haben es aus unerfindlichen Gründen eilig.« Der Blick, mit dem sie French bedenkt, erweckt in ihm das Bedürfnis, sich zu ducken. Nur Bossy, die Frau von Preacher, dem hiesigen Bullhead-Präsidenten, kann es wagen, so mit Fullmembers zu reden.

»Wo zum Henker steckt Crush, diese verfluchte Schnarchnase?«, bellt er. Seine Stimme hallt durch den Clubraum, ein paar verkaterte Gestalten schrecken auf.

»Schon da«, sagt Crush hinter ihm und lässt sein Gepäck zu Boden fallen. »Musste mich noch gebührend von meiner Süßen verabschieden.« Auf seiner Wange ist ein Hauch rosafarbenen Lippenstifts zu sehen.

Dog beäugt die Nomads. »Also seid ihr gleich wieder unterwegs. Wo geht’s hin?«

French macht eine vage Handbewegung. »Nach Süden. Macs Chapter braucht Unterstützung.«

»Was ist mit Weeds?«

Er stößt ein Knurren aus. »Warum zum Teufel mischt sich neuerdings jeder in Privatangelegenheiten ein?«, grollt er. »Weeds führt ihr eigenes Leben und ich meines. Ich habe keinen Bock auf kuschelige Zweisamkeit in einem verfickten Vorort. Ende der romantischen Story.«

Dog murmelt etwas Unverständliches und schließt die große Hand um den Kaffeebecher. »Wenn du nichts dagegen hast, schau ich ab und zu nach ihr«, sagt er nach einer Weile. »Schätze, das ist das Mindeste, was wir tun können.« Die Art, wie er das Wort wir betont, gefällt French ganz und gar nicht.

»Preacher sorgt bereits dafür, dass der Club ein Auge auf sie hat, falls die Grave Digger sich noch mal regen sollten. Kümmere du dich um deinen Kram, Dog.«

»Oh, das tu ich, Kumpel.« Der Hüne fixiert ihn. »Wieso sitzt du überhaupt noch hier rum? Hast du nichts Wichtigeres zu tun?«

»Wichser!« French stößt sich von der Theke ab, greift seinen Seesack und stapft zum Ausgang. Auf der Schwelle dreht er sich um. »In zehn Minuten brechen wir auf, Jungs.« Er wartet die unmutigen Erwiderungen seiner Freunde nicht ab.

Draußen empfängt ihn belebende Morgenluft, geschwängert vom Geruch des erkaltenden Lagerfeuers im hinteren Bereich. Die Toreinfahrt steht offen, die beiden wachhabenden Prospects unterhalten sich leise. French wirft seine Last auf den Gepäckträger seines Bikes und zurrt die Riemen mit mehr Kraft als nötig fest. Die Maschine schwankt auf ihrem Ständer. Seine Kiefer schmerzen. Er wagt nicht, den Kopf zu heben und zu den Fenstern des Gästetraktes hinaufzuschauen. Irgendwo dort oben schläft Weeds friedlich, eine Hand unter die Wange geschoben, ein Knie angewinkelt. Vielleicht erwacht sie in gerade diesem Augenblick und tastet auf der Suche nach ihm über das kalte Laken.

Seine Eingeweide krampfen sich zusammen. Er zieht die Handschuhe über und bindet sich das Halstuch um die untere Gesichtshälfte.

Eine Gestalt schlendert aus der Dämmerung auf ihn zu. »Verabschiedest du dich nicht mehr von deinen Brüdern?« Shades Stimme ist heiser, seine Augenlider hängen auf Halbmast. Er trägt nur T-Shirt und Jeans und sieht aus, als sei er eben erst aus dem Bett gefallen. »Speedy und ich pennen oben, gleich neben eurem Zimmer. Hab gehört, wie du nach unten gestampft bist.« Er mustert French, dann wandert sein Blick zum Obergeschoss des Clubhauses. »Gibt’s einen Grund, warum Weeds sich nicht verabschiedet?«

French zieht ruckartig das Tuch von seinem Mund herab. »Was soll der Scheiß, Bruder?«

»Wollte nur mal frische Luft schnappen.« Shade reckt sich und gähnt herzhaft. »Du weißt hoffentlich, was du tust.«

»Ich bin ein gottverdammter Nomad! Ich fahre mit meinen Jungs wieder raus und halte meinen Kopf für unseren Club hin, während ihr Residents nichts Besseres zu tun habt, als herumzuschmusen und euch in anderer Leute Leben einzumischen.«

Shade grinst. »Wow, da ist wohl jemand mit dem falschen Fuß aufgestanden.«

Sehr beherrscht atmet French ein und wieder aus. Ihm ist danach, den anderen am Kragen zu packen und zu Boden zu schleudern, ihm die Scheiße aus dem Leib zu prügeln … »Shit, verfluchter«, murmelt er, dann sagt er zu seiner eigenen Überraschung: »Dieses Bike mit dem hübschen grünen Airbrush … hast du es schon verkauft?«

Verwirrt starrt Shade ihn an, bevor er den Kopf schüttelt. »Nein, es steht noch in der Club-Werkstatt. Wollte es gründlich überholen und neue Reifen aufziehen, bevor ich es anbiete.« Er betrachtet Frenchs bullige mattschwarze Breakout. »Erzähl mir jetzt nicht, du willst dir einen neuen Bock zulegen. Verspielte grüne Schnörkel stehen dir nicht, Bruder.«

»Verkauf es nicht, ohne vorher mit mir geredet zu haben«, knurrt French.

Shade öffnet den Mund, schließt ihn wieder. Die Müdigkeit in seinem Gesicht weicht kurz einem wissenden Lächeln. »Meine Fresse, dein schlechtes Gewissen muss gigantisch sein.«

Als seine fünf Kameraden sich zu ihm gesellen, sitzt er bereits im Sattel und spielt mit dem Zündschlüssel herum. »Jetzt schwingt endlich eure verdammten Ärsche in die Sättel«, murrt er.

»Lass deine miese Laune nicht an uns aus, Boss.« Ungerührt schnallt Dobie sein Gepäck fest, wischt Feuchtigkeit vom Tank seiner Maschine und schließt sorgfältig die Lederjacke. »Verstehe nicht, warum wir nicht mal vernünftig frühstücken können. Sind wir auf der Flucht oder was?«

»Sieht so aus«, grollt Nuts mit finsterer Miene und zerrt den Reißverschluss bis unters Kinn hoch.

Dobie grunzt. »Oh Mann, sag nicht, wir veranstalten die ganze Hektik nur wegen Weeds. Ich hab von Anfang an gesagt, dass das Mädchen …«

»Halt einfach dein Maul, Bruder!« French startet den Motor und erlaubt sich ein Aufatmen, als die Maschine unter ihm dröhnend zum Leben erwacht. Das Bollern des Auspuffs schneidet jede weiteres Wort ab.

Erst, als sie die Stadtgrenze hinter sich lassen, entspannen sich seine Schultern. Stur blickt er auf das graue Asphaltband vor sich, sieht zu, wie sein Vorderrad Kilometer um Kilometer frisst. Es tut gut, wieder unterwegs zu sein. Er hat das Richtige getan. Es fühlt sich scheiße an, aber es ist richtig. Alles andere hätte geradewegs in eine Katastrophe geführt.

Obwohl French seinen Nomads nur kurze Pausen gönnt, erreichen sie das Clubhaus von Macs Bullhead-Chapter erst am Abend des folgenden Tages. Das Fachwerkgebäude liegt idyllisch am Rand einer verschlafenen Universitätskleinstadt. Butzenscheiben, Lattenzaun und ein übermannsgroßes Wegekreuz vor der Toreinfahrt – nichts deutet darauf hin, dass hier ein MC residiert. Aus dem Dunst ragen Berge auf, die Luft duftet nach Nadelwald und umgepflügter Erde. Ein Fluss rauscht im Hintergrund, aus der Ferne ertönt der Klang einer Kirchenglocke.

French kann seinen Atem in kleinen Wölkchen aufsteigen sehen. Er schließt die Augen und genießt die Stille. Noch immer dröhnt es in seinen Ohren. Seine Muskeln zittern unmerklich von den Vibrationen des starken Motors, denen sie stundenlang ausgesetzt waren. Es wird eine Weile dauern, bis seine Gliedmaßen sich gelockert haben, weiß er aus Erfahrung.

»Gottverflucht, ist das romantisch hier.« Crush streckt seinen Rücken. Das Tor der Scheune neben dem Clubhaus steht weit offen, Maschinen reihen sich im Halbschatten auf, flankiert von einem altertümlichen Traktor. »Hoffentlich servieren die uns hier keine frischgezapfte Milch zum Einstand.«

»Yo, Brüder!«, brüllt jemand vom Eingang des Hauses. »Seid ihr hierher geflogen? Wir haben euch erst morgen erwartet.« Mac, der President des hiesigen Chapters stapft mit langen Schritten auf sie zu. Mit breitem Grinsen zieht er French in eine kameradschaftliche Umarmung. Unter seinem Auge prangt eine frische Narbe. »Wie findet ihr unsere neue Bleibe?«

»Schnuckelig. Habt ihr hier ein Häkelkränzchen aufgezogen?« French deutet mit dem Kopf auf das Kruzifix am Straßenrand, dessen Fuß von frischen Topfblumen gesäumt wird. »Du verlangst hoffentlich nicht, dass wir unsere Sünden beichten, bevor wir euer Haus betreten.«

»Shit, nein! Dann stünden wir morgen noch hier draußen herum.« Mac lacht. »Wir wollen keinen Stress mit der Bevölkerung. Die Gegend hier ist erzkatholisch, aber solange sie nicht mit Mistgabeln und Fackeln vor unserem Tor auftauchen, können sie ihre Kreuze meinetwegen rund um unser Clubhaus aufstellen.« Er winkt den Nomads, ihm zu folgen.

Im Innern des Fachwerkhauses stehen Umzugskartons und Möbelstücke herum, die Wände sind jungfräulich weiß. Der Geruch nach frischer Farbe kitzelt Frenchs Nase. Im hinteren Teil reihen sich Farbeimer und ein Malergerüst vor einer halb gestrichenen Wand auf. Ein Teil des Bodens ist mit Folie abgedeckt. Aber die Regale hinter dem Tresen sind bereits mit Flaschen gefüllt. Zwei Anwärter wuchten eben ein Sofa in den Clubraum. Ein Stierschädel hängt an der Wand über einem Blechschild mit dem Logo des MC. Auf dem nagelneuen Tresen stapeln sich Ersatzteil-Kataloge und Merchandise-Kram des Clubs: Tassen, Aufnäher und T-Shirts mit dem Aufdruck Support your local Chapter unter einer fetten 2 mit Hörnern. Die Ziffer steht für den zweiten Buchstaben im Alphabet. Das eigentliche Bullhead-Logo darf nur von Vollmitgliedern und ihren Princesses getragen werden.

Die wenigen anwesenden Biker heißen die Nomads mit rauen, aber herzlichen Umarmungen willkommen. Wer das Colour des Clubs trägt, gehört zu einer eingeschworenen Gemeinschaft, in der die Bezeichnung Bruder nicht nur eine hohle Phrase ist. French kennt kaum die Hälfte der Anwesenden, weiß aber, dass jeder von ihnen ohne zu zögern für ihn einstehen würde. Manche der Anwesenden tragen, ebenso wie die Nomads, Brother’s Keeper-Patches auf der Brust; die Träger haben ihre Loyalität bereits unter Beweis gestellt, indem sie ihr Leben für das eines Bruders riskierten.

Ein rothaariges Mädchen in knallengen Jeans und Silbersandalen räumt Gläser aus einem Umzugskarton und sortiert sie in die Spülmaschine. Ihre Augen scannen die Neuankömmlinge, bleiben erst an Finn hängen, verharren dann auf French. Sofort wird aus ihrem unverbindlichen Lächeln eine deutliche Einladung. Mit kokettem Schwung wirft sie ihre Mähne zurück und schiebt den Busen vor.

»Setzt euch, Jungs. Bier kommt sofort oder wollt ihr erst mal nen Kaffee? Oben sind zwei große Schlafräume, aber erwartet nicht allzu viel Luxus. Hoffe, das geht in Ordnung.« Ihr Gastgeber deutet mit dem Daumen zur Decke, die von alten Eichenbalken getragen wird. »Außerdem haben wir ein paar Privatzimmer, falls jemand von euch etwas Abgeschiedenheit braucht. Ihr versteht schon.«

Ah, die berühmten Biker-Schmuddelzimmer, hört French Weeds’ Stimme. Unwillkürlich blickt er sich um, aber natürlich ist sie nicht hier. Er fragt sich, was sie gerade tut. Was sie denkt.

Nein, das will er lieber nicht wissen. Allein die Vorstellung, wie ihr Lächeln in sich zusammengebrochen sein muss, als sie erfahren hat, dass er verschwunden ist, fühlt sich an wie ein Faustschlag in die Magengrube.

Er sieht das sonnenhelle Leuchten ihrer Augen so deutlich vor sich, als stünde sie vor ihm, sieht die feinen Mundwinkel, die sich wie Häkchen krümmen, wenn sie lacht, die gekrauste Nase mit den Sommersprossen. Gottverflucht, sie …

Aber sie wusste es, flüstert er sich ein. Sie wusste, dass ich nicht bleibe. Besser für sie und für mich. Sie wird ein paar Tage wütend auf ihn sein und anschließend ihr Leben weiterleben. Wahrscheinlich trifft sie sich genau jetzt mit diesem feigen Milchbrötchen, diesem Mick, dem sie die ganze Scheiße zu verdanken hat. Heult sich bei ihm aus.

Ich sollte Dog anrufen und ihm sagen …

»Hey, redest du nicht mehr mit uns, Prez?« Nuts stößt ihm den Ellbogen in die Rippen.

French schreckt auf. »Hm?«

»Wir können keine schlechte Presse gebrauchen«, sagt Mac gerade. »Andererseits können wir auch nicht stillhalten und gar nichts tun. Niemand tanzt den Bullheads auf der Nase herum!«

»Worum geht’s?« French nickt der kurvigen Rothaarigen zu, die ihm eine Flasche mit eiskaltem Bier über den Tresen reicht. Sie lächelt, ihre Zungenspitze huscht über die pralle Unterlippe. Süßlicher Duft umgibt sie; offenbar hat sie Parfum nachgelegt. French ist kein großer Freund von Parfum. Er bevorzugt den unverfälschten Geruch von Haut und Haar an einer Frau. Diese einzigartige Mixtur aus Leben und Leidenschaft, die nicht im Labor einer Kosmetikfirma zusammengepanscht wurde. Walderdbeeren und Wildblumenwiese.

Hitze schießt durch seinen Unterleib.

»Tiny, ein Prospect, hat uns den Ärger eingebrockt. Er war schon immer ein verdammter Hitzkopf, wenn es um seine Schwester geht.« Mac stützt sich mit den Ellbogen auf die Theke. »Letzten Monat ist er abgehauen, um eine Familienangelegenheit zu klären, wie er sagte. Nach ein paar Tagen kam er zurück, hat seinen Anschiss kassiert und sich wieder an die Arbeit gemacht. Keine Woche später, als er Thekendienst hat, tauchen drei oder vier Osteuropäer in unserem alten Clubhaus auf und knöpfen ihn sich vor. Und zwar so richtig.«

»Die feigen Schweine hatten Waffen dabei«, wirft jemand ein. »Haben den ganzen Laden gründlich auseinandergenommen.«

Die anderen Biker grollen Verwünschungen.

»Die Scheiben wurden zerschossen, das Mobiliar zerlegt und ein Kanister Benzin drübergekippt.« Mac presst seine Fäuste gegeneinander. »Man kann über die Saufbrüder von der hiesigen Freiwilligen Feuerwehr sagen, was man will, aber wenn die nicht gewesen wären, hätten wir Tinys verbrannte Knochen aus einem Aschehaufen ziehen dürfen.«

Nuts zieht scharf die Luft ein. »Da scheint euer Prospect wohl den falschen Leuten auf die Füße getreten zu sein.«

»Ach, nee, wirklich?«, bollert Mac. »An dem Tag waren nur Tiny und zwei Mädchen im Club. Entweder haben die Typen unseren Laden beobachtet oder es ist pures Glück, dass es keine Toten gegeben hat. Die Mädchen sind abgehauen, aber Tiny wurde übel zugerichtet. Er liegt im Krankenhaus.« Man sieht dem Prez an, dass ihm die Sache zusetzt. »Gottverfluchte Scheiße!«

»Die Kerle wissen anscheinend nicht, mit wem die sich angelegt haben!«, grollt ein Biker. »Ich sage immer noch, wir sollten den ganzen Club zusammentrommeln und …«

»Und was?«, bellt Mac. »Ein paar wahllose Vergeltungsmassaker in der Provinz veranstalten? Wir hatten bis vor dem Brandanschlag einen guten Ruf in der Region, aber jetzt stehen wir im Fokus der Behörden, Slot.«

»Scheiß auf den guten Ruf! Jeder weiß, dass wir Einprozenter sind.« Slot richtet sich auf seinem Stuhl auf. »Es geht mir am Arsch vorbei, was man in der Presse über uns schreibt …«

»Aber mir nicht, verflucht!« Mac hämmert die Faust auf die Theke. Flaschen und Kaffeebecher hüpfen. »Wenn wir hier in fünf Jahren noch unsere Kutten offen tragen wollen, müssen wir die Angelegenheit anders regeln. Ich will keine Rockerkrieg-Schlagzeilen über mein Chapter lesen! Es wird auch ohne einem Haufen neugieriger Bullen im Nacken ein verdammter Kraftakt werden, die Geschäfte wieder aufzunehmen.«

French und Nuts wechseln einen Blick. Kluger Mann, formen Frenchs Lippen.

Nuts grinst. »Klingt nach einem Job für diskrete Nomads. Wie gut, dass wir zufällig Zeit mitgebracht haben.«

»Osteuropäer also. Mit was für einer Bande hat euer Prospect sich genau angelegt?«, sagt French.

Mac hebt die Schultern. »Wahrscheinlich weiß er es selber nicht. Niemand kennt die Typen.«

»Na klasse«, seufzt French.

»Morgen besuchen wir Tiny im Krankenhaus. Vielleicht ist ihm inzwischen etwas eingefallen, das uns weiterhilft.« Mac richtet sich auf. »Diese Kerle sind Nomaden wie ihr, möchte ich wetten. Tauchen auf, nehmen, was sie kriegen können und verschwinden auf Nimmerwiedersehen.«

Nomaden … Nehmen, was sie kriegen können. French gräbt die Zähne in die Unterlippe. Verdammte Scheiße, seit wann ist er so dünnhäutig?

»Heute Abend feiern wir erstmal gebührend eure Ankunft, Nomads. Wir sind zwar hier in der Provinz, aber unsere Mädels wissen, wie man einen Mann glücklich macht. Und das Bier stammt aus der örtlichen Brauerei.«

Dobie klatscht erwartungsvoll in die Hände. »Yeah, Bruder! Ein bisschen Ablenkung vor der Arbeit kann nicht schaden.«

Man kann über die hiesigen Bullheads und ihr romantisches Clubhaus sagen, was man will, aber ihre Partys sind alles andere als beschaulich.

Lange vor zweiundzwanzig Uhr platzt das Gebäude aus allen Nähten. Aus einem Umkreis von hundert Kilometern sind befreundete Clubs angereist und heißen die sechs Nomads auf ihre ganz spezielle Art willkommen. Ein Member schleppt eine Kiste mit Selbstgebranntem an, der es in sich hat. French braucht nur daran zu schnuppern, um zu wissen, dass er besser die Finger von diesem Teufelszeug lässt, wenn er an seinen Gehirnzellen hängt. Dobie hat da weniger Bedenken. Mit einer eleganten Handbewegung kippt er sich den vierten Shot in die Kehle und schüttelt sich, bevor er das Glas nachfüllt. »Komm schon, French. Lass uns auf die Freiheit anstoßen.« Er hält einladend die Flasche hoch.

»Du wirst nicht mehr viel von deiner Freiheit mitbekommen, wenn du dir weiterhin das Zeug in den Kopf schüttest. Andere Leute bauen daraus Brandsätze.«

Neben ihm unterhalten sich zwei Biker der Dead Jokers. Ihre Worte werden vom Lärm teilweise verschluckt, aber French versteht sie auch so. »Verstehe nicht, warum die hier ne Party veranstalten. Die Asche ist noch nicht mal abgekühlt und die Kerle, die dahinterstecken, sitzen irgendwo gemütlich herum und lachen sich tot.«

»Mh, wenn mit uns einer so ne Show abziehen würde, würden wir nicht lange fackeln. Mac wird alt.«

»Das hat nichts mit dem Alter zu tun. Den Bullheads sind die Eier abhanden gekommen.«

French tippt dem Kerl auf die Schulter. »He, Kumpel, wir zwei sollten mal nach draußen auf Eiersuche gehen«, sagt er überfreundlich und lässt seine Fingerknöchel knacken.

Der Mann mustert Frenchs Kutte, dann verzieht er schlagartig das Gesicht, als habe er auf eine Zitrone gebissen. »Verdammt, du bist Frenchman! Hör mal, Bruder, das war nicht so …«

»Oh, ich habe sehr gut verstanden, wie es gemeint war. Du hast meinen MC beleidigt.«

»Äh, nein, ich …« Der Biker wirft seinem Freund einen Hilfe suchenden Blick zu.

Der weicht einen Schritt rückwärts. »Ist nicht meine Angelegenheit.«

Frenchs Ruf als hitzköpfiger Berserker hat sich also bis zu den Dead Jokers herumgesprochen. Auch gut. Sein Lächeln wird breiter, er deutet mit dem Kopf zur Tür. Der andere nickt unglücklich.

Nuts klopft ihm auf den Arm. »Lass gut sein, Boss. Die beiden wollen keinen Ärger. Das sind nur unbedeutende Supporter mit einem losen Maul.«

»Hab ein bisschen zuviel getrunken, da rede ich gerne Unsinn«, brummt der Dead Jokers-Mann. »Nichts für Ungut, Frenchman.«

»Siehst du? Problem gelöst, Boss.« Nuts schiebt French aus der Reichweite der beiden, die sich erleichtert davonmachen.

»Was soll der Scheiß, Nuts? Bist du jetzt unter die Pazifisten gegangen?«, faucht French.

Nuts drückt ihm ein gefülltes Whiskeyglas gegen die Brust und zieht sich auf den Barhocker. »Lass deinen persönlichen Frust nicht an zwei harmlosen Großmäulern aus. Trink einen, Bruder. Wir sind hier, um dem Club zu helfen und nicht, um ein paar betrunkene Supporter zu verdreschen.«

»Deine Vernunft macht mich wahnsinnig.« Er kippt den Whiskey hinunter und atmet durch, als sich die samtene Hitze ihren Weg durch seine Eingeweide brennt. Eine der Bitches schiebt sich mit einem leeren Tablett an den Platz, an dem eben noch der Dead Jokers-Mann gestanden hat. »Die Jungs in der Ecke wollen noch eine Runde«, ruft sie dem Prospect zu, der eben Frenchs Whiskeyglas nachfüllt. Sie schenkt den beiden Nomads ein kirschrotes Lächeln.

»Hübsche Titten«, sagt Nuts leise neben French, ohne die Augen von dem knappen Top der Bikerbraut zu lösen. »Ob die echt sind, was meinst du?«

»Das musst du schon sie fragen«, gibt er zurück. Die Blondine sieht sexy aus, keine Frage. Und sie ist ganz bestimmt keine kleine Miss Rühr-mich-nicht-an wie eine gewisse Zicke.

Sie dreht sich ihnen zu, beugt sich vor und gewährt einen tiefen Einblick auf die beiden deutlich sichtbaren Vorzüge, die sie mit sich herumträgt. »Kann ich euch was Gutes tun, Jungs?« Ihre rauchige Stimme klingt in Verbindung mit dem süddeutschen Akzent irgendwie surreal.

»Auf die Frage brauchst du doch keine Antwort, Süße.« Nuts klopft auf seinen Schenkel. »Komm her und lass dich anständig begrüßen.«

Mit einem mädchenhaften Kichern, das gut zu einer Sechzehnjährigen gepasst hätte, lässt sie sich auf Nuts’ Schoß ziehen. Er schickt sofort seine Hände und Lippen auf Wanderschaft. Sie lacht. »Ihr Nomads habt es immer eilig, was?«

»Verschwende niemals Zeit, wenn es um die wichtigen Dinge im Leben geht. Das ist mein Motto.« Er legt eine Hand auf ihre Brust. »Hier habe ich gerade zwei sehr wichtige Dinge entdeckt.«

»Sie gehören dir, hübscher Mann.« Sie schlingt die Arme um seinen Nacken. »Willst du mich deinem Kumpel nicht vorstellen?«

»Lieber nicht. Unser Boss ist heute nicht gesellschaftsfähig«, flüstert Nuts ihr ins Ohr.

French unterdrückt ein Stöhnen und stürzt den Whiskey runter, der nach bitterer Asche schmeckt. Vielleicht hätte er was Vernünftiges essen sollen. Aber der Klumpen in seinem Magen hat ihm jeden Appetit geraubt.

Nuts knabbert am Hals der Blonden herum und schiebt eine Hand unter ihr Top. »Yup, die sind echt«, sagt er mit halb geschlossenen Augen zu French.

»Freut mich für dich.« Frenchs Blick irrt über das Partygetummel, streift kurz eine Rothaarige mit unglaublich knappen Jeansshorts und hochhackigen Silbersandalen auf der anderen Seite des Raums. Er hat das Mädchen bei seiner Ankunft schon gesehen. Sie lehnt mit gelangweiltem Gesichtsausdruck zwischen zwei angetrunkenen Bikern an der Wand und nuckelt an einem Bier. Ihre Augen leuchten auf, als ihre Blicke sich kreuzen. Sie stößt sich von der Wand ab und schlängelt sich mit wiegenden Hüften durch das Gedränge. Die engen Shorts zeichnen ihre schön gerundeten Hüften nach; sie hat diese Art lasziven, verheißungsvollen Gang drauf, der nie seine Wirkung auf French verfehlt – normalerweise. Heute regt sich gar nichts bei ihm. Er sieht dem rothaarigen Mädchen unbeteiligt entgegen und alles, was er denken kann, ist: Was zum Henker mache ich hier?

Mit einem Mal ist ihm die Musik zu laut, das Gelächter zu schrill, die Luft zu stickig. »Shit, ich brauche Sauerstoff.« Er knallt sein Glas auf die Theke und drängelt sich zum Ausgang.

Hinter ihm fällt die Tür ins Schloss und dämpft den Lärm. Er atmet mehrmals durch, füllt seine Lungen mit kalter Nachtluft, bis sein Herzschlag sich verlangsamt.

Über ihm funkeln Sterne, die Umgebung liegt still und dunkel da. Das Licht des Mondes spiegelt sich auf dem Chrom der Harleys. Noch ist der Himmel wolkenlos, aber er kann den nahenden Regen schmecken. Ein trüber Tag steht ihnen bevor.

»Was ist los, Bruder?« Nuts taucht neben ihm auf.

»Der Whiskey ist nicht nach meinem Geschmack«, murmelt French, ohne ihn anzusehen.

»Klar doch.« Sein Kumpel spuckt im hohen Bogen zur Seite und deutet mit dem Daumen zurück zum Haus. »Da drin steht eine verflucht heiße Rothaarige mit enttäuschtem Gesichtsausdruck herum. Du solltest sie flachlegen, Boss. Ein guter Fick ist genau das Richtige zur Ablenkung.«

»Wer sagt, dass ich Ablenkung brauche?«

»Deine Scheißlaune sagt es. Und dein Blick.« Nuts beäugt ihn. »Du guckst aus der Wäsche wie ein waidwundes Reh.«

»Pass auf, was du von dir gibst, Bruder.«

»Scheißlaune, sag ich doch.« Nuts legt den Kopf in den Nacken. Er schwankt ein wenig, aber seine Stimme ist alles andere als verwaschen. »Hab dich noch nie so erlebt.«

»Wovon redest du?«

»Im Kopf bist du immer noch bei ihr. Die Sache ist ernster, als du dachtest, hm?«

»Bullshit!« French bohrt die Fäuste in die Hosentaschen. »Wir sollten lieber wieder reingehen und uns um die Bräute kümmern, bevor es jemand anderes tut.« Ohne seinen Freund weiter zu beachten, stapft er ins Clubhaus zurück.

Die Rothaarige freut sich aufrichtig, dass French sie zu sich heran winkt. Und sie ist alles andere als eine prüde Zicke. Sie streift sich das Top über den Kopf, schleudert es in die Menge und presst ihre Titten an seine Brust. Ihre Hand schiebt sich zwischen seine Schenkel. »Oh wow, du bist groß, Mann!«, haucht sie. »Den würde ich mir gern aus der Nähe ansehen.« Schon sinkt sie auf die Knie und öffnet seine Jeans. French lehnt sich an die Theke und lässt die Kleine machen. Ein paar Biker schauen mit feuchten Lippen zu, einer rückt seinen Schwanz in der Hose zurecht.

Verflucht, die Rothaarige weiß ihren Mund mit der gepiercten Zunge auf eine Weise einzusetzen, die die Muskeln jedes atmenden Mannes in Gelee verwandeln würde. Sein Schaft schwillt in ihrer Kehle an, während sie ihn tief einsaugt. Bevor er zum Abschuss kommt, schiebt er ihren Kopf fort und zieht sie auf die Füße. Er braucht mehr als einen Blowjob. Er braucht einen harten, wilden Fick, der ihm das Mark aus den Knochen saugt. »Lass uns nach oben verschwinden, Süße.« Vor einigen Wochen noch wäre es ihm schnuppe gewesen, ob man ihm beim Vögeln mit einer Biker Bitch zusieht und ihn anschließend ablöst. Aber aus Gründen, über die er nicht nachdenken möchte, behagt ihm heute Abend der Gedanke an Sex in der Öffentlichkeit nicht.

Die Bettdecken in dem kleinen Raum im Obergeschoss sind zerwühlt, der Geruch von Sex hängt in der stickigen Luft. Ein vergessener BH hängt an der Türklinke.

Unter der knallengen Short trägt die Rothaarige einen roten spitzenverzierten Tanga, dessen Bändchen in der Spalte ihres runden Arsches verschwindet. »Zieh das nuttige Ding aus«, sagt er. »Ich steh nicht auf diesen Fick mich-Look bei Frauen.« Ach ja? Seit wann das denn?, höhnt eine Stimme in seinem Hinterkopf.

Das Mädchen ist sichtlich getroffen, wagt aber keine bissige Bemerkung, die als Respektlosigkeit ausgelegt werden könnte. »Aber ich will doch, dass du mich fickst.« Schmollmündig streift sie den Tanga herab.