Forschungsreisen in früheren Jahrhunderten - Band 124 in der maritimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski - Jürgen Ruszkowski - E-Book

Forschungsreisen in früheren Jahrhunderten - Band 124 in der maritimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski E-Book

Jürgen Ruszkowski

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Beschreibung

Leif Eriksson gilt er als Entdecker Neufundlands um das Jahr 1000, bevor sich Columbus in westlicher Richtung über den Atlantik wagte, um "Indien" oder China zu erreichen, nachdem die Berichte des Venezianers Marco Polo die damalige Welt von dem dort angeblich unermesslichem Goldreichtum in Atem hielt. Weitere Themen des Buches: Vasco da Gama findet 1498 für Portugal den Seeweg nach Indien – Die Besiedelung Nordamerikas durch Europäer – Georg Wilhelm Steller entdeckt Alaska für den russischen Zaren – James Cook's Südseereisen – Alexander von Humboldt reist durch Südamerika und Russland – Eduard Vogel erforscht Nord- und Zentral-Afrika – David Livingstone Missionar und Forscher in Afrika – Karl Gottfried Semper erforscht die Palau-Inseln im Pazifik – Sven Hedin erforscht Zentralasien. - Rezension zur maritimen gelben Reihe: Ich bin immer wieder begeistert von der "Gelben Buchreihe". Die Bände reißen einen einfach mit. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechslungsreiche Themen aus verschiedenen Zeitepochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlicht hat. Alle Achtung!

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Jürgen Ruszkowski

Forschungsreisen in früheren Jahrhunderten - Band 124 in der maritimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski

Band 124 in der maritimen gelben Buchreihe

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Herausgebers

Leif Eriksson

Marco Polo

Marco Molo‘s Vater und Onkel

Christoph Columbus

Die Entdeckung des südlichen Seewegs nach Indien durch Vasco da Gama

Die Besiedelung Nordamerikas durch Europäer

Georg Wilhelm Steller

James Cook

Erste Südseereise (1768–1771)

Zweite Südseereise (1772–1775)

Dritte Südseereise (1776–1779/1780) und Tod

Alexander von Humboldt

Humboldts südamerikanische Forschungsreisen

Humboldts Russland-Forschungsreise

Eduard Vogel – Reisen in Zentral-Afrika

David Livingstone

Dr. Karl Gottfried Semper

Rückkehr nach Manila

Die Katastrophe

Über das Aussterben der Palau-Insulaner und dessen mutmaßliche Ursachen

Sven Hedin

Zu Pferd durch Persien

Gesandtschaftsreise zum Pfauenthron

Die Todeskarawane

Stromfahrt durch die Wüste

Transhimalaja

Ein Volk in Waffen

Der letzte Entdeckungsreisende

Die maritime gelbe Buchreihe

Weitere Informationen

Impressum neobooks

Vorwort des Herausgebers

Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche, ein Hotel für Fahrensleute mit zeitweilig 140 Betten.

In dieser Arbeit lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.

1992 begann ich, meine Erlebnisse bei der Begegnung mit den Seeleuten und deren Berichte aus ihrem Leben in dem Buch ‚Seemannsschicksale’ zusammenzutragen, dem ersten Band meiner maritimen gelben Reihe „Zeitzeugen des Alltags“.

Insgesamt brachte ich bisher über 3.800 Exemplare davon an maritim interessierte Leser und erhielt etliche Zuschriften zu meinem Buch.

Ein Schifffahrtsjournalist urteilte über Band 1:  „...heute kam Ihr Buch per Post an - und ich habe es gleich in einem Rutsch komplett durchgelesen. Einfach toll! In der Sprache des Seemannes, abenteuerlich und engagiert. Storys von der Backschaftskiste und voll von Lebenslust, Leid und Tragik. Dieses Buch sollte man den Politikern und Reedern um die Ohren klatschen. Menschenschicksale voll von Hochs und Tiefs. Ich hoffe, dass das Buch eine große Verbreitung findet und mit Vorurteilen aufräumt. Da ich in der Schifffahrtsjournalistikbranche ganz gut engagiert bin, ...werde ich gerne dazu beitragen, dass Ihr Buch eine große Verbreitung findet... Ich bestelle hiermit noch fünf weitere Exemplare... Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit dem Buch, - das wirklich Seinesgleichen sucht...“ Uwe V.

Diese Rezension findet man bei Amazon: Ich bin immer wieder begeistert von der „Gelben Buchreihe“. Die Bände reißen einen einfach mit und vermitteln einem das Gefühl, mitten in den Besatzungen der Schiffe zu sein. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. Danke, Herr Ruszkowski.

Diese positiven Reaktionen auf den ersten Band und die Nachfrage ermutigen mich, in weiteren Bänden noch mehr Menschen vorzustellen, die einige Wochen, Jahre oder ihr ganzes Leben der Seefahrt verschrieben haben.

Diese Zeitzeugen-Buchreihe umfasst inzwischen über 120 maritime Bände.

In diesem Band 124 wird über Forschungsreisen in der Geschichte berichtet. Dank sei Herrn Christoph Gäbler für seine Einwilligung zur Verwendung seiner Texte.

Hamburg, 2020 Jürgen Ruszkowski

Ruhestands-Arbeitsplatz

Hier entstehen die Bücher und Webseiten des Herausgebers

im Internet:

www.maritimbuch.de

https://sites.google.com/site/maritimegelbebuchreihe/home

Leif Eriksson

Leif Eriksson

https://de.wikipedia.org/wiki/Leif_Eriksson

Leif Eriksson wurde um 970 als Sohn Eriks des Roten und seiner Frau Thjodhild (womöglich vor der Taufe Thorhild) geboren. Da die Landnahme in Grönland um 986 begann, ist bei dem vermuteten Geburtsdatum von einer Geburt auf Island auszugehen.

Urheber: Finn Bjørklid

Die Entdeckung Amerikas durch Leif Eriksson wird in den beiden „Vinland-Sagas“ unterschiedlich geschildert:

Gemäß der Eiríks saga rouða fuhr er um das Jahr 1000 von Grönland nach Norwegen, um dort am Königshof aufgenommen zu werden. Nachdem dies gelungen war, entdeckte er auf der Rückreise nach Grönland unbekanntes Land, rettete überdies noch Schiffbrüchige und bekehrte nach seiner Ankunft die Grælendingar zum Christentum.  Bei einer weiteren Fahrt nach dem neu entdeckten Land erkundete Leif mit anderen weitere Gebiete an der nordamerikanischen Küste, darunter Helluland, Markland und schließlich auch Vinland.

Leif Eriksson vor Vinland – Neufundland

Die geographische Zuordnung dieser Gebiete ist umstritten. Aufgrund der Funde in L’Anse aux Meadows wird Vinland häufig mit Neufundland gleichgesetzt.

Gemäß der Grælendingar saga (Grönland-Saga) entdeckte Bjarni Herjólfsson diese Gebiete, als er nach Grönland suchte, wobei ihm auch letzteres nur aus Beschreibungen bekannt war. Er ging in den neu entdeckten Gebieten jedoch nicht an Land. Nachdem Leif Eriksson von den Gebieten erfahren hatte, unternahm er eine Fahrt dorthin und überwinterte dort. Da er das Land im Gegensatz zu Bjarni Herjólfsson auch betreten und erforscht hat, gilt er als Entdecker dieser Gebiete.

Dass jenes fruchtbare Land, das die Grælendingar im Westen entdeckten und Vinland nennen, auf dem nordamerikanischen Kontinent lag und die Skandinavier somit Amerika, genauer Neufundland, erreichten, ist inzwischen archäologisch gesichert. Davon zeugen die Reste einer skandinavischen Siedlung auf Neufundland bei L’Anse aux Meadows.

* * *

Marco Polo

Marco Polo

1254 – 1324

https://de.wikipedia.org/wiki/Marco_Polo

Marco Polo war ein venezianischer Händler, der durch die Berichte über seine China-Reise bekannt wurde. Motiviert wurde er durch die Berichte seines Vaters und Onkels, die bereits vor ihm China bereist hatten.

http://gaebler.info/ahnen/paul/johannes-polo.htm

San Giovanni Chrisostomo war der Stadtteil von Venedig, wo im späten Mittelalter viele der reichen Kaufleute wohnten. Im Jahre 1295 spielte sich hier eine seltsame Szene ab, die sofort die Aufmerksamkeit der müßigen Passanten erregte und rasch zum Stadtgespräch wurde.

Vor einem der Patrizierpaläste, der von Mitgliedern der Familie Polo bewohnt wurde, kamen drei Reisende an, deren gesamte Erscheinung selbst in einer Stadt wie Venedig, die Fremde aus vielen Ländern kommen und gehen sah, auffallen musste. Ihre Kleidung aus grobem Stoff war abgetragen, fast schäbig, dazu von hier kaum gesehenem Zuschnitt. Sie sprachen zwar venezianisch, aber ungelenk und vermischt mit vielen fremdartigen Worten, als ob sie es im Ausland erlernt hätten. Diese drei Männer verlangten Eintritt in das Haus mit der höchst überraschenden Behauptung, dass sie die rechtmäßigen Besitzer des Palazzo seien.

Wohl hatte es drei Angehörige der Familie Polo gegeben, die Brüder Nicolo und Maffeo und des Nicolo Sohn Marco, die vor etwa einem Menschenalter zu einer Reise nach Asien aufgebrochen waren. Aber man hatte nie wieder etwas von ihnen vernommen; sie galten seit zwei Jahrzehnten für verschollen, und ihr Besitz war schon längst unter die anderen Mitglieder der Familie verteilt. War es denkbar, dass man in den drei Reisenden hier, die kaum der heimischen Sprache mächtig waren, die längst Totgeglaubten vor sich hatte? Niemand schenkte ihren Angaben Glauben, und so teilten sie jetzt das Schicksal des Odysseus, als er nach zwei Jahrzehnten von seinen Irrfahrten in die Heimat zurückkehrte: Keiner erkannte sie wieder, selbst der Eintritt in das eigene Haus wurde ihnen verwehrt.

So waren die Polos gezwungen, zuerst eine andere Unterkunft zu suchen. Hier veranstalteten sie ein glänzendes Fest, zu dem sie die vornehmsten Familien Venedigs einluden. Alles war mit größter Sorgfalt vorbereitet. Erst nachdem die Geladenen vollzählig beisammen waren, betraten die drei Gastgeber die Festräume. Jetzt trugen sie nicht mehr ihre Reisekleider, sondern lange Gewänder aus karmesinrotem Atlas. Während des Mahles verschwanden sie und kamen wieder in Kleidern von rotem Damast und schließlich in noch prächtigeren aus dunkelrotem Samt. Jedes Mal beim Wechseln wurden die abgelegten Gewänder in Stücke zerschnitten und die kostbaren Stoffe unter die Dienerschaft verteilt.

Nach Schluss des Mahles erschienen sie dann in der üblichen Kleidung, wie sie auch die Gäste trugen. Jetzt erhob sich Marco als der Jüngste von ihnen und holte die abgetragenen Kleider aus grobem Stoff herbei, von denen sie während ihrer ganzen Reise nicht gelassen hatten. Mit einem scharfen Messer begann er geschickt die Nähte und Säume aufzutrennen. Da rollten ganze Haufen von edlen Steinen hervor, Saphire und Rubine, Diamanten und Smaragde, die so geschickt darin verborgen waren, dass niemand sie dort vermuten konnte. Als die Polos das Reich des Groß-Khans verließen, hatten sie alle ihre dort erworbenen Reichtümer in Edelsteinen angelegt, weil sie glaubten, dass sie nur in dieser Form ihren Besitz über die weite und gefährliche Reise glücklich bis nach Hause bringen könnten.

Die ganze Szene wird uns von dem ersten Biographen Marco Polos, Ramusio, mit breitem Behagen geschildert. Nun war mit einem Schlag der Bann gebrochen. Vor dem Anblick solch unerhörten Reichtums schwand jeder Zweifel dahin. Alle Gäste, auch die eigenen Verwandten, waren jetzt überzeugt, dass sie in den Heimkehrern wirklich die ehrenwerten und edlen Herren aus dem Hause Polo vor sich hatten. Mit Windeseile verbreitete sich die Nachricht in ganz Venedig. Unaufhörlich strömten nun die Besucher bei ihnen ein und aus. Alle, besonders die jungen Venezianer, denen selbst der Sinn nach ähnlichen Abenteuern stand, bestürmten sie mit Fragen und wollten immer mehr Einzelheiten wissen. Marco mit seinem einzigartigen Erzählertalent gab ihnen geduldig und immer freundlich jede gewünschte Auskunft. Er wurde nicht müde, den Glanz und die Üppigkeit der Hofhaltung des Groß-Khans zu schildern. Und ob er nun von den Steuereinnahmen des Herrschers sprach oder vom Reichtum und der Bevölkerungszahl der großen Städte und Provinzen, immer wusste er von Millionen und Abermillionen zu berichten. Seitdem nannten ihn die Venezianer Messer Marco Milioni, und sein Haus in San Giovanni Chrisostomo hieß fortan Corte del Milioni.

* * *

Marco Molo‘s Vater und Onkel

Marco Molo‘s Vater und Onkel

Der Weg nach Cathay

Die Brüder Nicolo und Maffeo Polo hatten sich im Jahre 1260 nach einem längeren Aufenthalt in Konstantinopel auf die Halbinsel Krim begeben. Sie wollten dort ihre Faktorei in Soldaja aufsuchen und neue Handelsbeziehungen anknüpfen. Zu diesem Zweck reisten sie in das Gebiet der unteren Wolga, das schon unter tatarischer Oberherrschaft stand. Sie machten dort gute Geschäfte und blieben etwa ein Jahr lang. Dann aber hinderten kriegerische Verwicklungen sie an der Heimkehr und drängten sie immer weiter nach Osten bis Buchara.

Eines Tages erschien hier eine Gesandtschaft, die der tatarische Herrscher von Persien an den Oberherrn aller Tataren-Khane, Kublai Khan, geschickt hatte.

Der Gesandte, der zum ersten Male „Lateiner“ zu Gesicht bekam, erzählte ihnen, dass sie unter seinem Schutz die Reise nach Cathay (d. i. China) in voller Sicherheit zurücklegen könnten und dass man sie am Hofe des Groß-Khans höchst ehrenvoll aufnehmen würde. Da ihnen ohnehin die Rückkehr in die Heimat auf unabsehbare Zeit verwehrt war, beschlossen die Brüder Polo, das Angebot anzunehmen. Wohl war der Weg weit und beschwerlich, aber unter dem Schutz der tatarischen Gesandtschaft kamen sie nach einer Reisezeit von einem Jahr wohlbehalten am Hofe des Groß-Khans an.

Der mongolische Herrscher Kublai Khan – ein Enkel Dschingis Khans

Kublai Khan empfing sie mit freundlicher Herablassung. Er erkundigte sich nach allen Herrschern des Abendlandes, nach der Größe ihrer Länder, der Art ihrer Rechtspflege und Kriegführung. Vor allem aber wollte er immer wieder vom Papst hören, von der christlichen Religion und der römischen Kirche. Da die beiden Polos welterfahrene Männer waren, zudem durch jahrelangen Umgang mit Tataren deren Sprache vollkommen beherrschten, war es ihnen leicht, die Wissbegierde des Herrschers zu stillen.

Als der Groß-Khan sie in zahlreichen Unterredungen gründlich ausgeforscht und alles, was er über das Abendland wissen wollte, erfahren hatte, beschloss er, sie als seine Gesandten nach Rom zu schicken. Er gab ihnen ein in tatarischer Sprache abgefasstes persönliches Schreiben an das Oberhaupt der Christenheit mit, worin er bat, der Papst möge ihm hundert Priester senden. Sie sollten vor allem die Kunst des Diskutierens beherrschen und in der Lage sein, vor Buddhisten und anderen Leuten mit überzeugenden Argumenten klarzulegen, dass die Lehre Christi die beste sei, alle anderen Religionen dagegen falsch und nichtig. Wenn sie das beweisen könnten, dann würde er selbst, der Groß-Khan, mit allen seinen Untertanen zum christlichen Glauben übertreten.

Über den Rückweg der Polos sind wir im Einzelnen nicht genauer unterrichtet. Wir wissen jedoch, dass sie trotz dieser bedeutenden Erleichterungen volle drei Jahre für die Heimreise gebraucht haben. Gewaltige Regenzeiten hinderten ihr Vorwärtskommen, reißende Ströme schwollen so an, dass sie lange Zeit unpassierbar waren, und im Winter mussten sie wegen mächtiger Schneefälle oft die Reise unterbrechen. – Sie erreichten schließlich das langersehnte Mittelmeer bei Acre in Palästina. Hier fühlten sie sich schon fast auf heimischem Boden, denn in dieser Stadt befand sich damals eine bedeutende venezianische Niederlassung. Nun erfuhren sie erst, dass inzwischen Papst Clemens IV. gestorben war. Sie berichteten dem in Acre amtierenden päpstlichen Legaten Theobald von Piacenza, woher sie kamen und welchen Auftragt sie auszuführen hatten. Der bestärkte sie in der Auffassung, dass ihre Mission für die ganze Christenheit von höchster Bedeutung sei. Er riet ihnen, zunächst in ihre Heimat zu reisen und dort die Wahl des neuen Papstes abzuwarten. Als sie in Venedig ankamen, fand Nicolo, dass seine Frau inzwischen gestorben, sein Sohn Marco aber, der im Jahre 1254 geboren war, zu einem stattlichen Knaben herangewachsen war. Er beschloss daher, ihn bei der Rückkehrt zum Hofe des Groß-Khans mit auf die Reise zu nehmen.

* * *

Ins Reich des Groß-Khans

Die Wahl eines Nachfolgers für Papst Clemens kam wegen anhaltender Uneinigkeit im Kardinalskollegium fast drei Jahre lang nicht zustande. Es war das längste päpstliche Interregnum, von dem man je gehört hatte. Nachdem zwei Jahre vergangen waren, meinten die Polos, dass sie Kublai Khan nicht länger ohne Nachricht lassen konnten. Sie beschlossen daher, auch ohne ihre eigentliche Mission erfüllt zu haben, erneut die Reise in das Tatarenreich anzutreten. Der siebzehnjährige Marco war jetzt mit ihnen. In Acre betrat er zum ersten Mal den Boden Asiens, nicht ahnend, dass er ihn nun fast ein Menschenalter lang nicht wieder verlassen sollte.

Zunächst reisten die Polos nach Jerusalem, da Kublai Khan sie dringend gebeten hatte, ihm Öl aus der Lampe des Heiligen Grabes mitzubringen. In Acre gab der päpstliche Legat ihnen einen Brief an den Groß-Khan mit, in dem er bezeugte, dass die Brüder sich ehrlich bemüht hatten, ihren Auftrag beim Papst zu erfüllen, dass jedoch das neue Oberhaupt der christlichen Kirche noch immer nicht gewählt sei. Als sie auf ihrer Weiterreise in der Hafenstadt Theobald von Piacenza in Anatolien angekommen waren, wo damals die Karawanenstraßen aus Innerasien das Mittelmeer erreichten, da bekamen sie die Nachricht, dass eben ihr Freund, der Legat Theobald von Piacenza, zum Papst gewählt worden war. Zugleich erhielten sie ein Schreiben von ihm, worin er sie – jetzt im Namen des Heiligen Stuhles – aufforderte, noch einmal nach Acre zurückzukommen.

So konnte der neue Papst ihnen doch noch seinen Segen für ihr Unternehmen erteilen. Zugleich gab er ihnen zwei italienische Mönche mit, die sich gerade in Palästina aufhielten und als gelehrte Männer und kenntnisreiche Theologen galten. Sie wurden feierlich mit besonderen Vollmachten ausgestattet, Priester und Bischöfe zu ernennen, auch alle sonstigen kirchlichen Funktionen auszuüben.

Kaum waren sie aber mit den Polos von Layas aus ins Innere aufgebrochen, da erfuhren sie, dass der Sultan von Ägypten das armenische Land mit einem mächtigen Heer überfallen und auf weite Strecken verwüstet hatte. Darüber erschraken die beiden Mönche gewaltig, und für ihr Leben fürchtend beschlossen sie umzukehren. Sie übergaben den Polos die Briefe und Geschenke, die der Papst auch ihnen anvertraut hatte, stellten sich unter den Schutz des Meisters der Tempelherren und reisten mit diesem eilig zur Küste zurück.

Die drei Polos begaben sich jetzt also ohne die vom Groß-Khan so dringend erbetenen geistlichen Begleiter auf jene denkwürdige Karawanenreise durch die weiten Landschaften Innerasiens; denkwürdig, weil zum ersten Male ein kluger und für alles Neue brennend interessierter Reisender, der junge Marco, die Fülle seiner Beobachtungen und Erkundungen sorgfältig sammelte und nach seiner Rückkehr ein Buch schrieb, das dem Abendland eine völlig neue Welt bildhaft lebendig machte.

Die erste Etappe der Reise führte durch die Länder Armenien, Mesopotamien und Persien. Sie ziehen vorbei am Ararat, „einem großen und hohen Berg, auf dem, wie man sagt, die Arche Noah nach der Sintflut stehen geblieben ist.“ Er ist so gewaltig, dass man zwei Tagereisen braucht, um ihn am Fuße zu umgehen. Hinaufsteigen kann man nicht wegen der ungeheuren Menge des Schnees, der oben liegt und nie schmilzt, sondern nach jedem Schneefall noch zunimmt.

Mesopotamien durchziehen sie von Nord nach Süd entlang dem Tigris. In Mossul begeistert sich Marco an den herrlichen Stoffen aus Gold und Seide, die dort gewebt werden und unter der Bezeichnung Musselin in alle Welt gehen. Bagdad ist die größte und prächtigste Stadt, die er bisher gesehen hat. Ein großer Strom – der Tigris – fließt mitten hindurch; auf ihm führen die Kaufleute ihre Waren in achtzehn Tagen bis zur Mündung in den Indischen Ozean. Und was für kostbare Waren gibt es hier! Golddurchwirkte Seidengewebe, noch schöner als die in Mossul, ferner Samt, Damast und Goldbrokate, in die Figuren von Vögeln kunstvoll hineingewebt sind. Bagdad ist überhaupt der Umschlagplatz für viele Kostbarkeiten der Welt. Alle Perlen, die von Indien nach Europa kommen, werden hier durchstochen und gefasst. Aber auch der Gelehrte kommt in dieser Stadt zu seinem Recht. Man kann hier ebenso das mohammedanische Gesetz studieren wie Physik, Astronomie und sogar Magie.

Von Persien weiß Marco nicht viel Gutes zu berichten: „Es ist ein großes Land, das in alten Zeiten sehr berühmt und mächtig war. Aber jetzt haben die Tataren alles verwüstet und zerstört.“ Auch verknüpfen sich für ihn mit diesem Lande böse persönliche Erinnerungen. „Dort gibt es Banditen, die verstehen sich auf teuflische Zauberkünste, wodurch sie das Tageslicht verdunkeln können, so dass man kaum seinen Reisegefährten neben sich erkennt. Diese Dunkelheit können sie über eine Strecke von sieben Tagereisen erzeugen.“ Offenbar handelte es sich um eine Verdunkelung des Himmels durch Staub oder trockenen Nebel, worüber auch spätere Reisende aus diesen Gegenden berichten. „Marco wurde von diesen Banditen während einer solchen Verdunkelung gefangen genommen. Aber es gefiel Gott, dass er gerade noch davonkam und sich in eine benachbarte Ortschaft retten konnte. Er verlor dabei alle seine Begleiter bis auf sieben; die anderen wurden gefangen und teils als Sklaven verkauft, teils getötet.“ In der Hafenstadt Hormons hatten die Polos schwer unter der Hitze zu leiden. „Im Sommer weht dort oft ein so unerträglich heißer Wind, dass er jedermann töten würde, wenn die Leute nicht sofort bis an den Hals ins Wasser gehen würden. Dort bleiben sie, bis der Wind nachgelassen hat.“

Von Hormos aus durchqueren die Reisenden ganz Persien von Süd nach Nord. Sie lernen dabei zum ersten Mal alle Beschwerden einer Wüstenreise kennen: „Wenn man von der Stadt Kerman aufgebrochen ist, hat man sieben Tagereisen weit einen höchst mühseligen Weg. Während der ersten drei Tage findet man fast gar kein Wasser. Das wenige, das man trifft, ist bitteres grünes Zeug, so salzig, dass kein Mensch es trinken kann. Wenn man auch nur einen Tropfen davon zu sich nimmt, bekommt man üblen Durchfall, wenigstens zehnmal hintereinander.“ – Kurz danach müssen sie noch einmal ein Gebiet von ganz ähnlicher Beschaffenheit durchqueren, die berüchtigte persische Salzwüste. Auch hier sind die wenigen Wasserstellen für Menschen ganz unbrauchbar. „Das vom Durst gepeinigte Vieh trinkt freilich das Wasser so, wie es in der Wüste vorkommt. Seine Herren machen es ihm so schmackhaft wie nur möglich, indem sie es mit Blumen mischen.

* * *

Auf der Seidenstraße

Auf der Seidenstraße

Wir wissen nicht, was die Polos veranlasst hat, den weiten Umweg über Mesopotamien und Südpersien zu machen. Von Armenien aus wäre der direkte Weg nach der nordpersischen Provinz Khorassan am Südufer des Kaspisees viel kürzer gewesen. War es lediglich der Wunsch, diese Länder kennen zu lernen, von denen man sich märchenhafte Dinge erzählte? Haben sie unterwegs – wie aus einigen Andeutungen hervorzugehen scheint – gewinnreiche Geschäfte betrieben? Oder hatten sie ursprünglich gar die Absicht, wofür auch einige Anzeichen sprechen, von Hormos, dem Ausgangspunkt der persischen Schifffahrt nach Indien, die Reise nach dem fernen Osten zur See zu versuchen? Marco gibt uns in seinem Buch keine klare Auskunft darüber.

Marco Polo – © Christoph Gäbler

Die Polos befanden sich jetzt in Khorassan auf der großen Karawanenstraße, die im Westen in Layas am Mittelmeer und in Trapezunt am Schwarzen Meer begann, den Kaspisee südlich umging und dann durch West- und Ost-Turkestan in nahezu gleich bleibender Richtung nach Osten führte. Die Luftlinie hat eine Länge von rund 7.500 Kilometern, die tatsächliche Wegstrecke mit allen Windungen beträgt 10.000 Kilometer, also ein Viertel des Erdumfangs! Es war die berühmte „Seidenstraße“ Asiens, auf der schon seit vielen Jahrhunderten Waren aus China in das Abendland gebracht wurden. Mit der Konsolidierung des Tatarenreiches unter den Nachfolgern von Dschingis Khan entwickelte sich der Verkehr auf diesem Landweg zu solcher Blüte, dass er dem Seehandel über Indien und Alexandrien erhebliche Konkurrenz machte.

Ungewöhnlich enthusiastisch wird die sonst so sachliche Darstellung Marcos bei der Schilderung des Klimas in dem Bergland bei Badakshan (afghanische Provinz). Er kommt dabei – was in dem ganzen Buch nur selten geschieht – sogar einmal auf sich selbst zu sprechen, da er die Wirkung dieses heilkräftigen Klimas am eigenen Leibe verspürt hat. „Die Luft in diesen Höhen ist so rein“, berichtet Marco, „und der Aufenthalt dort so gesund, dass die Menschen, die in den dumpfen Städten der Täler und Ebenen unter bösem Fieber und allerlei Beschwerden leiden, rasch einmal zur Erholung in diese Berge gehen.“ Kaum sind sie zwei oder drei Tage dort, so bessern sie sich zusehends und werden wieder ganz gesund. Marco kann dies aus eigener Erfahrung bestätigen. Denn als er in die Gegend kam, war er schon etwa ein Jahr lang recht krank. Da riet man ihm, dieses Bergland aufzusuchen, und kaum war er dort, wurde er sofort gesund.

Nicht immer folgten die Polos der großen Karawanenstraße. So zogen sie nach der Durchquerung West-Turkestans den Oberlauf des Amudarja (mündet in den Aralsee)  – im Altertum Oxus genannt – aufwärts und erreichten die westliche Abdachung jenes mächtigen Gebirgsmassivs, in dem die Bergketten Zentralasiens wie in einem Knoten zusammenlaufen. Marco Polo gibt diesem gewaltigen Hochland bereits den Namen, den es noch heute führt: Pamir oder das Dach der Welt. Selbst die Pässe liegen hier in einer Höhe von fast 5.000 Metern, und der Gipfel Mustag-Ata, der „Vater der Eisberge“, gehört mit 7.800 Metern zu den höchsten Bergen der Erde. Hier entdeckte Marco Polo das berühmte Wildschaf, das später nach ihm „Ovis Poli“ genannt wurde, und hier machte er auch die Beobachtung, dass Wasser in großer Höhe schwerer als sonst zum Kochen zu bringen ist. „Wenn man weiter nach Nordosten reitet, kommt man auf ein gewaltiges Hochland. Da gibt es wilde Tiere in Menge. Unter anderem leben hier Wildschafe; die sind sehr groß, ihre Hörner sind gut sechs Handbreit lang. Aus diesen Hörnern machen die Hirten große Ess-Schüsseln. Marco erfuhr auch, dass Wölfe hier sehr häufig sind und viele dieser wilden Schafe töten. Daher kommen die Massen der Hörner und Knochen, die man überall sieht. Sie werden am Wege zu großen Haufen aufgeschichtet, damit die Reisenden auch im tiefen Schnee den Weg finden können. Dieses Hochland wird Pamir genannt; man braucht zwölf Tagereisen, um es zu überschreiten. Das ganze Gebiet ist so hoch und so kalt, dass man nicht einen einzigen Vogel trifft. Wegen der großen Kälte brennt das Feuer sehr schlecht und gibt nicht so viel Hitze wie gewöhnlich, so dass man hier nur schwer kochen kann.“

Vom Pamir-Hochland bis zum Ziel ihrer Reise war es noch ein weiter Weg. Sie erreichen die große Karawanenstraße wieder bei Kaschgar und folgen ihr über die Kette der berühmten Städte Ost-Turkestans wie Yarkand und Khotan weiter nach Osten, das Tarimbecken mit der gefürchteten Wüste Takla-Makan im Süden streifend.

Für Marco Polo, der vor Antritt seiner großen Reise wohl kaum über den engeren Umkreis seiner Vaterstadt hinausgekommen war, hat das Erlebnis der Wüstenlandschaft einen unwiderstehlichen Reiz. Sorgfältig sammelt er seine eigenen Erfahrungen und trägt alle Berichte zusammen, die ihm zu Ohren kommen. In der Nähe des Lop Nor,  jenem seltsamen wandernden See mitten im Herzen Asiens, erlebt er mit seinen Begleitern noch einmal die bedrohliche Majestät der Wüste, die den Reisenden mit magischer Gewalt in ihren Bann zieht: „Eine höchst merkwürdige Sache wird von dieser Wüste berichtet. Wenn von einer Reisegesellschaft, die nachts unterwegs ist, ein Mann zurückbleibt oder einschläft und dann versucht, seine Leute wieder zu erreichen, so hört er Geisterstimmen, die ihn beim Namen rufen. Im Glauben, dass es seine Kameraden sind, wird er in die Irre geführt, so dass er die Karawane niemals wieder findet und elend zugrunde geht. Auch das Getrappel großer Reiterscharen hört ein verirrter Reisender manchmal abseits vom Wege. Das hält er dann für das Geräusch seiner Gefährten; er folgt dem Klang, und erst bei Tagesanbruch merkt er, dass er genarrt wurde. Daher ist es üblich, dass sich die Reisenden auf dieser Strecke dicht beisammen halten. Auch haben alle Tiere große Glocken um den Hals, damit sie sich nicht so leicht verirren können. Nur auf diese Weise kann man die Große Wüste durchqueren.“

* * *

Kublai Khan – der Herr der Erde

Kublai Khan – der Herr der Erde

Dschingis Khan

Das Tatarenreich war entstanden aus der Vereinigung zahlreicher Stämme in der Mongolei unter dem so gewalttätigen wie genialen Herrscher Dschingis Khan. Diese junge Staatenbildung, die auf streng militärischer Grundlage beruhte, zeigte von Anfang an eine außerordentliche Expansionskraft. Noch zu Lebzeiten ihres Begründers wurde 1215 Peking erobert und Turkestan unterworfen. Die Russen, die sich dem Ansturm entgegenstellen wollten, wurden bei Mariupol am Asowschen Meer geschlagen. Erst die Schlacht bei Liegnitz verhinderte 1241 das weitere Vordringen der Tataren nach Europa.

Kublai Khan, der Enkel Dschingis Khans, begründete dann die mongolische Dynastie Chinas und machte Peking zu seiner Residenz. Das Mongolenreich hatte damals eine ungeheure Ausdehnung. Es erstreckte sich von Sibirien bis Südchina und von Korea bis tief hinein nach Europa an die Grenzen Ungarns und Polens. Damit hatte es Anteil an drei grundverschiedenen großen Kulturkreisen: dem chinesischen, dem mohammedanischen und dem christlich-abendländischen.

Der Groß-Khan hatte die Stadt Kemenfu nördlich der großen chinesischen Mauer am Rande der Mongolensteppe zu seiner Sommerresidenz gemacht. Dreieinhalb Jahre waren die Polos auf ihrer beschwerlichen Reise unterwegs gewesen, als sie sich dieser Stadt näherten. Durch den hervorragenden Nachrichtendienst seines Reiches hatte Kublai Khan die Kunde von ihrem Kommen schon lange vorher erhalten. Vierzig Tagereisen weit schickte er ihnen Boten zur Begrüßung entgegen und gab Befehl, dass ihnen an allen Orten, die sie noch durchreisen mussten, jede Bequemlichkeit zuteilwerde. – Kaum waren sie in der Residenzstadt angekommen, begaben sie sich sogleich zum Kaiserpalast. Dort fanden sie den Groß-Khan umgeben von vielen Würdenträgern. Sie erwiesen ihm die übliche Reverenz, den Kotau, indem sie auf die Knie fielen und sich bis zum Boden verneigten. Aber der Khan bat sie aufzustehen und begrüßte sie freundschaftlich.

Er zeigte große Freude über ihre Ankunft und stellte viele Fragen nach dem Verlauf der Reise. Nun überreichten sie ihm die Schreiben und Geschenkte des Papstes und das Öl vom Heiligen Grabe, über alles war er hoch erfreut. Schließlich bemerkte er den jungen Marco und fragte, wer er sei. Nicolo antwortete, es sei sein Sohn und er habe den Wunsch, ein Diener und Lehnsmann Seiner Majestät zu werden. Da nahm der Groß-Khan ihn unter besonderen Schutz und ernannte ihn zu einem seiner Ehrenbegleiter.

 Zwischen dem damals schon sechzigjährigen Herrscher dieses Weltreiches und dem zwanzigjährigen Venezianer entspann sich jetzt eine wirkliche Freundschaft. Denn es war von Seiten Kublai Khans mehr als nur Interesse an einem klugen und begabten Höfling, wenn er den jungen Ausländer unter Nichtachtung des Hof-Zeremoniells und Übergehung zahlreicher anderer Anwärter zu seinem vertrauten Privatsekretär, Mitglied des Geheimen Staatsrats und Sonderbeauftragten in wichtigen Reichsangelegenheiten machte. Ebenso ist es bei Marco Polo offensichtlich nicht Byzantinismus, sondern Ausdruck seiner ehrlichen Überzeugung, wenn er den Groß-Khan nicht nur als den reichsten und mächtigsten Herrscher des Erdkreises schildert, sondern auch als den wahrhaft weisen und hervorragenden Menschen, dem kraft seiner Persönlichkeit das Recht zukommt, über ungezählte Millionen zu herrschen.

Fast feierlich wird Marco, als er zum ersten Male von ihm spricht: „Nun komme ich zu dem Teil unseres Buches, in dem über die Größe und Herrlichkeit des jetzt regierenden Groß-Khans berichtet werden soll. Sein Name ist Kublai Khan. Khan ist sein Titel, der bedeutet ‚Herr über alle Herrscher‘ oder auch ‚Kaiser‘. Er hat gewisslich ein Recht auf diesen Titel, denn wie jedermann weiß, ist er nach Zahl der Menschen und Länder, die er beherrscht, wie auch durch seine Schätze der mächtigste Herrscher, der in der Welt lebt oder seit Adams Zeiten gelebt hat. Wenn man alle Christen der Welt mit ihren Kaisern und Königen zusammen nimmt und dann zu der gesamten Christenheit noch alle Sarazenen hinzufügt, so haben sie insgesamt noch nicht so viel Macht wie dieser einzige Kublai Khan.“

Marco nahm begierig alles in sich auf, was er von den Gewohnheiten des Herrschers, den Sitten der Tataren und anderen Einwohnern des Reiches, den Verwaltungs- und Regierungsgeschäften in Erfahrung bringen konnte. In kurzer Zeit beherrschte er mehrere Sprachen, die am Hofe gesprochen wurden, vier davon auch schriftlich. – Bei verschiedenen Gelegenheiten hatte er gemerkt, dass der Herrscher über die Berichte seiner Gesandten und Beauftragten, die aus den verschiedensten Teilen des Reiches oder den angrenzenden Ländern zurückkamen, oft sehr ärgerlich wurde. Er nannte sie Narren und Tölpel; sie verstünden immer nur von ihren trockenen Dienstgeschäften zu berichten, schienen aber nichts von den Merkwürdigkeiten und Gewohnheiten all der Völker und Menschen zu sehen, denen sie auf ihren Reisen begegnet waren. Für Marco, der einen stets wachen Instinkt, geradezu eine Witterung für solche Dinge hatte, war es ein leichtes, nach seiner ersten Reise in der gewünschten Weise zu berichten. Der Herrscher war darüber sehr erfreut und sagte ihm eine große Zukunft voraus.

Siebzehn Jahre lang blieb Marco nun im Dienste des Groß-Khans. Meist war er auf Reisen in dessen Auftrag, manchmal auch in privaten Geschäften. Er gewann die Zuneigung, ja Liebe Kublai Khans immer mehr und wurde öfter mit höchst gewichtigen Missionen betraut. Wenn er in der Residenz war, behielt ihn der Khan stets in seiner engsten Umgebung; es konnte nicht ausbleiben, dass er dadurch Neid und Eifersucht zahlreicher Würdenträger am Hofe erregte. „So kam es“, schließt Marco das Kapitel, „dass Marco Polo mehr Länder der Welt zu sehen bekam als irgendein anderer Mensch.“

 Über die äußere Erscheinung Kublai Khans macht Marco nur wenige Angaben. Die Charakterisierung menschlicher Individualitäten – sei es nun die eigene oder die von Fremden – ist nicht seine Stärke. „Der Groß-Khan ist gut gewachsen, von mittlerer Größe, mäßigem Leibesumfang und wohlgestaltet an allen Gliedern. Er hat eine helle Gesichtsfarbe, von leichtem Rot überzogen wie der liebliche Schein der Rose, was seinem Wesen viel Anmut verleiht. Seine Augen sind dunkel und klar, die Nase wohlgeformt.“

Weit ausführlicher, viele Seiten seines Buches füllend, schildert Marco das Privatleben des Herrschers und das Leben am Hofe. Kublai Khan hatte vier legitime Frauen. Sie führten alle den Titel Kaiserin, jede hatte ihre eigene kostspielige Hofhaltung. Daneben hat er aber auch eine große Anzahl von Konkubinen. Der Tatarenstamm Ungrat ist bekannt für die Schönheit seiner Frauen. Jedes Jahr werden hier hundert der schönsten Mädchen ausgesucht. Zunächst übergibt man sie einigen älteren Damen im Kaiserpalast zur Betreuung. Die Mädchen müssen nun in den Räumen dieser Palastdamen schlafen; dabei wird festgestellt, ob sie einen reinen Atem haben, nicht schnarchen und gesund an allen Gliedern sind. Dann erst werden diejenigen, die alle Proben überstanden haben, zur Bedienung des Kaisers bestimmt. „Jeweils sechs von ihnen übernehmen den Dienst für drei Tage und drei Nächte. Sie warten ihm in seinen Privatgemächern auf, und wenn er zu Bett geht, stehen sie ihm jederzeit und in jeder Weise zur Verfügung.“

Der Herrscher scheint sich jedoch keineswegs mit den Schönheiten dieses Stammes begnügt zu haben. Wie Marco an anderer Stelle berichtet, schickt er Beamte in verschiedene Provinzen, die bei der Auswahl der Mädchen eine regelrechte Schönheitskonkurrenz veranstalten. Die Beauftragten versammeln bei ihrer Ankunft alle Mädchen der Provinz um sich, und zwar in Anwesenheit von besonders für diesen Zweck bestimmten Taxatoren. „Die legen sehr sorgfältig die Punktzahl fest, die jedes Mädchen für sein Haar, die Gesichtsfarbe, Augenbrauen und Mund, die Lippen und das Verhältnis aller Glieder zueinander bekommt. Sie setzen die Gesamtwertung der einen mit sechzehn, anderer mit siebzehn, achtzehn oder zwanzig Punkten fest, jeweils entsprechend der Gesamtsumme ihrer Vorzüge oder Nachteile.“

Die großen Feste am Hof des Kaisers werden von Marco mit nie ermüdender Ausführlichkeit geschildert. Die Tafel des Herrschers bei einer solchen Festlichkeit sieht so aus: Der Tisch des Groß-Khans ist ein gutes Stück über alle übrigen erhaben. Er selbst sitzt am Nordrand der Halle und blickt nach Süden. Links von ihm sitzen seine Gemahlinnen, rechts seine Söhne und Neffen und wer sonst königliches Blut hat, aber viel tiefer, so dass ihre Köpfe in einer Höhe mit des Kaisers Füßen sind. An noch tieferen Tischen sitzen dann die sonstigen Großen des Hofes. Alle Tische sind so aufgestellt, dass der Kaiser sie vom einen Ende der Halle bis zum anderen übersehen kann, so viele es auch sind.

Mehrere hohe Hofbeamte bedienen den Groß-Khan bei Tisch. Sie haben Mund und Nase mit einer seidenen Serviette verbunden, damit ihr Atem nicht mit den Speisen und Getränken in Berührung kommen kann. Wenn der Herrscher trinken will, schlagen die Harfenspieler und andere Musikanten, die in großer Zahl zugegen sind, ihre Instrumente an. Auf dieses Zeichen fallen die Hofherren und alle sonstigen Anwesenden auf die Knie und machen eine tiefe Verbeugung. Dann erst trinkt der Kaiser. Das ganze Zeremoniell wird wiederholt, so oft er zum Becher greift.

Die besondere Leidenschaft des Groß-Khans gilt der Jagd. Er hat dazu zahlreiche wilde Tiere wie Luchse, Leoparden und angeblich sogar Tiger dressieren lassen. Ferner besitzt er Tausende von Falken, Sperbern und Habichten, die zur Beize abgerichtet sind. Bei der Schilderung einer Jagdszene entschlüpft Marco die fast schüchtern vorgebrachte Bemerkung, dass der Hohe Herr erheblich an Gicht leidet. Der Kaiser sitzt oder liegt auf der Jagd in einem aus Holz geschnitzten zierlichen Pavillon, der manchmal auf dem Rücken von nur einem, mitunter aber auch auf vier zusammengeketteten Elefanten ruht. „Das Innere ist mit goldenem Tuch ausgeschlagen, die Außenseite ist mit Tigerfellen bedeckt. Diese bequeme Einrichtung ist aber für den Kaiser auf seinen Jagdzügen auch sehr nötig, denn er wird übel von der Gicht geplagt.“

Die Frage der Stellung Kublai Khans zur Religion und besonders zum Christentum hat Marco Polo immer wieder beschäftigt. Einmal, so berichtet er, blieb der Kaiser in seiner Residenz Cambaluc bis zur Feier des christlichen Osterfestes.

Es gab damals in seiner Umgebung schon eine beträchtliche Anzahl nestorianischer Christen. Aus Anlass dieses Festes befahl er ihnen, vor ihm zu erscheinen und das Evangelienbuch mitzubringen. Er ließ es feierlich mit Weihrauch beräuchern, küsste es ehrfürchtig und verlangte dasselbe von allen Großen seines Gefolges. „So macht er es immer bei unseren großen Feiertagen wie Ostern und Weihnachten“, erzählt Marco; das Gleiche tut er freilich auch bei den großen Festen der Mohammedaner, Juden und Buddhisten. Als man ihn nach dem Grunde fragte, antwortete er: „Es gibt vier große Propheten, die in aller Welt verehrt und angebetet werden. Die Christen betrachten Jesus Christus als ihren Gott, die Sarazenen Mohammed, die Juden Moses und die Heiden Sogomombarkhan (Buddha). Ich achte und verehre sie alle vier und bitte, dass derjenige, der in Wahrheit der Größte unter ihnen ist, mir beistehen möge.“ Aber der Groß-Khan ließ dabei wohl erkennen, meint Marco, dass er den christlichen Glauben für den wahren und besten hielt, denn er verlange nichts, – so sagte der Khan, – was nicht gut und heilig sei. Auch wollte der Kaiser auf keinen Fall erlauben, dass die Christen bei ihren Prozessionen das Kreuz vorantragen ließen, weil ein so großer und erhabener Mensch wie Jesus Christus daran gekreuzigt worden sei.

Man hat oft gefragt, warum Kublai Khan bei so weitgehender religiöser Toleranz und deutlicher Zuneigung zum Christentum nicht selbst den christlichen Glauben angenommen hat. Marco ist der Ansicht, dass daran allein der Papst schuld sei. Hätte dieser damals bei der Ausreise der Polos die vom Kaiser erbetene Anzahl christlicher Missionare mitgeschickt, so würde der Herrscher mit seinen Untertanen zweifellos zum Christentum übergetreten sein, da er das Verlangen danach oft und deutlich gezeigt habe.

Ein nüchterner Beobachter wird heute freilich zu der Überzeugung kommen, dass die religiöse Toleranz des Kaisers wie auch seine Einstellung zum Christentum im Wesentlichen eine politische Angelegenheit war. Wie die Menschen Gott verehren, ist ihm gleichgültig, solange sie nur dem Groß-Khan gehorsam sind. Das war schon die Religionspolitik seiner Vorfahren. Freilich scheint Kublai Khan der erste in dieser Herrscherreihe gewesen zu sein, dem die primitive Religion der Tataren nicht mehr genug war. Wahrscheinlich hielt er anfangs eine weitere Ausbreitung des Buddhismus in der tibetanischen Form für das geeignetste Mittel, um seine Völkerschaften stärker der Zivilisation zuzuführen. Später mag er dann auch ganz ehrlich zu der Überzeugung gekommen sein, dass diese Aufgabe ebenso gut oder besser vom Christentum durchgeführt werden könnte, denen Überlegenheit in vieler Beziehung er anerkannte. Seine Toleranz war nicht Gleichgültigkeit, aber sie entsprang wohl auch nicht einer tieferen religiösen Überzeugung. Sie war ein Stück seiner Politik.

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Das Wunderland Cathay

Das Wunderland Cathay

Marco Polo kennt keinen einheitlichen geographischen oder politischen Begriff China, auch keinen zusammenfassenden Namen für die Chinesen. Wenn er den Namen Cathay gebraucht, so meint er damit das für ihn weitaus wichtigere Nordchina, während das Land südlich des Gelben Flusses Manzi genannt wurde. Wir wissen, dass Marco mindestens zweimal das riesige Reich durchquert hat. Die eine Reise führte ihn von der Hauptstadt Cambaluc – das ist das heutige Peking – tief ins Innere bis Szechuan, Jünnan, Tibet und Ober-Burma, die andere durch die Küstenprovinzen Nord- und Südchinas bis zum südchinesischen Meer. Dazu kommt eine nicht zu übersehende Zahl von kleineren Reisen in Cathay und Manzi, deren Verlauf im Einzelnen wir nur noch teilweise feststellen können. So konnte er sich mit Recht rühmen, besser als alle anderen hohen Beamten des Kaisers das wunderbare Reich der Mitte zu kennen, von dessen Existenz bisher nur ganz unklare Kunde bis nach Europa gedrungen war.

Im Winter, von Dezember bis Februar, residiert der Groß-Khan in der Hauptstadt Cambaluc. Dort steht ein großer Palast; Marco nennt ihn eine Sehenswürdigkeit, wie es auf der Welt keine zweite gibt. Die Wände der großen Halle und der zahllosen Zimmer schmücken Drachen in vergoldetem Schnitzwerk, Figuren von Kriegern, Vögeln und allerlei Tieren sowie Darstellungen von Schlachten. Die Fensterscheiben sind durchsichtig wie Kristall.

In der großen Halle, die für Gastmähler und Feste bestimmt ist, finden ohne Schwierigkeit sechstausend Personen Platz. Das hohe Dach leuchtet in den verschiedensten Farbtönen wie Zinnober und gelb, grün und blau. Die Falben sind mit einem kostbaren Lack aufgetragen; dadurch erhalten sie besondere Leuchtkraft und verleihen dem Palast, wenn man ihn von weitem sieht, einen schimmernden Glanz. – Der hintere Teil des Hauptpalastes umfasst große Gebäude mit vielen Zimmern, in denen der persönliche Besitz des Kaisers untergebracht ist. Hier liegen auch die Räume der Kaiserinnen und der Konkubinen sowie die privaten Gemächer des Herrschers, wo er in stiller Zurückgezogenheit, vor jeder Störung geschützt, seine Geschäfte erledigen kann.

Zwischen der äußeren und der inneren Mauer, die den Palast umgeben, liegt ein Park, dessen Bäume köstliche Früchte tragen. In einem Tiergehege findet man weiße Hirsche und Damwild, Gazellen und Rehböcke, auch Eichhörnchen und Moschustiere. Die Wege sind gut gepflastert und etwas erhöht; so können sie niemals schmutzig werden, und das Regenwasser fließt sogleich von ihnen ab. – Nicht weit von dem Palast ist ein künstlicher Berg angelegt, gut hundert Schritte hoch und vollkommen mit Bäumen bepflanzt, die das ganze Jahr über grün bleiben und niemals ihre Blätter verlieren. Wenn der Kaiser erfährt, dass irgendwo ein besonders schöner oder seltener Baum wächst, lässt er ihn mit dem ganzen Wurzelballen ausgraben und durch seine Elefanten zu diesem Berg schaffen, der überall als der Grüne Berg bekannt ist, denn selbst der Erdboden ist noch mit grünem Mineralgestein bestreut, und oben auf dem Gipfelt steht ein zierlicher grüner Pavillon. Der Zusammenklang von Berg, Bäumen und Gebäude sowie die Abstimmung der Farben ist ganz wunderbar, sagt Marco, und jeder Beschauer ist entzückt.

Die Residenzstadt Cambaluc ist die erste chinesische Großstadt, die Marco zu sehen bekommt. Kostbare Waren und seltene Dinge, überhaupt alles, was gut und teuer ist, findet man in keiner Stadt der Welt häufiger und besser als hier. Sie macht einen gewaltigen Eindruck auf ihn, und er wird nicht müde, sie aufs Genaueste zu schildern.

Die Innenstadt ist ein vollkommenes Viereck von sechs Meilen Seitenlänge. Sie ist mit Erdwällen umgeben, die unten zehn Schritte breit und ebenso hoch sind. Breite Straßen durchziehen sie schnurgerade, so dass man trotz der großen Entfernung von einem Ende bis zum anderen sehen kann. Alle Grundstücke sind rechteckig und von hübschen Seitenstraßen begrenzt. Die Zahl der Häuser und erst recht die der Einwohner – erklärt Marco – ist so gewaltig, dass man es einfach nicht für möglich hält. Es gibt zwölf Stadttore, und vor jedem liegt eine besondere Vorstadt. Sie sind so ausgedehnt, dass in ihnen zusammen mehr Menschen leben als in der eigentlichen Innenstadt. In den Vorstädten befinden sich auch viele schöne Gasthöfe. Besucher aus dem Ausland müssen in dem jeweils für ihr Land bestimmten Gasthaus Wohnung nehmen; so ist der Fremdenpolizei die Arbeit sehr erleichtert.

Von allen Merkwürdigkeiten, die Marco in Cathay zu sehen bekommt, beschäftigt ihn am meisten das Papiergeld, das dort schon seit Jahrhunderten in Gebrauch war. Der Groß-Khan ist wahrhaft im Besitz des Steines der Weisen, meint er, da er die Kunst versteht, auf solche Weise Geld zu machen.

Zur Herstellung gebraucht man den feinen Bast, der sich zwischen der rauen Borke und dem eigentlichen Holz des Maulbeerbaumes befindet. Das daraus gewonnene Papier ist ganz schwarz. Es wird in Stücke von verschiedener Größe zerschnitten, meist quadratisch, zuweilen etwas länger als breit. Das kleinste gilt einen Pfennig, das nächstgrößere einen venezianischen Silbergroschen, und so geht es weiter bis zu Scheinen im Werte von zehn Goldbyzantinen. Auf jedes einzelne Stück schreiben mehrere Beamte, die besonders dazu angestellt sind, ihren Namen und drucken ihren Stempel darauf. Schließlich taucht der oberste Münzmeister das allein ihm anvertraute Siegel in Zinnober und drückt es auf das Papierstück. Damit ist der Geldschein gültig. Jeder, der einen solchen Schein nachzumachen versucht, wird mit dem Tode bestraft.

Mit diesem Papiergeld werden alle Zahlungen für den Kaiser geleistet. Er verschafft ihm allgemeine Gültigkeit, soweit seine Macht reicht. Niemand wagt es – bei Gefahr für sein Leben – diese Scheine abzulehnen. Man kann darum mit ihnen alle Geldgeschäfte ebenso gut abwickeln, als ob es Münzen aus reinem Gold wären. Dabei sind sie so leicht, dass die Scheine im Wert von vielen Goldbyzantinen noch nicht einmal das Gewicht einer einzigen kleinen Goldmünze haben.

Zur Aufrechterhaltung des Wertes dieser Papierwährung wird vom Khan eine strenge Außenhandelskontrolle durchgeführt. Kaufleute aus Indien und anderen fremden Ländern, die Gold und Silber, Edelsteine oder Perlen bringen, dürfen all dies nur unmittelbar an den Groß-Khan verkaufen, der dafür zwölf erfahrene Sachverständige hat. Die taxieren die verschiedenen Waren, und der Kaiser zahlt dann einen reichlichen Preis dafür in Papiergeld. Die fremden Kaufleute nehmen dies auch bereitwillig an, denn von niemand anderem würden sie so viel bekommen, und sie können mit den Scheinen nun im ganzen Reiche alles kaufen, was sie wollen. Wenn einer dieser Geldscheine beschädigt ist, – sie sind übrigens keineswegs besonders empfindlich – dann bringt sie der Besitzer zur Münze und bekommt dort gegen Zahlung eines Betrages von drei Prozent einen neuen Schein ausgehändigt.

Ein großartig organisiertes Verkehrswesen verbindet die entlegensten Teile des Reiches miteinander und ermöglicht Reisegeschwindigkeiten über große Entfernungen, wie sie damals im Abendland kaum bekannt waren. An allen großen Hauptstraßen findet man in Abständen von etwa dreißig Meilen Rasthäuser mit vielen Zimmern und allen Bequemlichkeiten. Auf jeder dieser Stationen wird stets eine Anzahl Pferde in Bereitschaft gehalten, so dass die Kuriere des Kaisers ihre müden Tiere sofort durch frische ersetzen können. Zwischen diesen Rasthäusern gibt es in weit kürzeren Abständen kleinere Stationen, die sind für die Laufkuriere des Herrschers bestimmt. Diese Eilboten tragen einen mit Schellen besetzten Gürtel, damit man auf der nächsten Station ihr Kommen schon von weitem hören kann. Durch diese Schnell-Läufer erhält der Kaiser Neuigkeiten von einem hundert Tagereisen entfernten Ort in nur zehn Tagen, und oft geschieht es, dass in der Erntezeit Früchte, die am frühen Morgen in Cambaluc gepflückt wurden, schon am Abend des folgenden Tages an der Tafel des Groß-Khans in Ciandu gereicht werden, obwohl die Entfernung zwischen beiden Orten allgemein als zehn Tagereisen angegeben wird.