Fräulein Minna und der Reitknecht - Wilkie Collins - E-Book

Fräulein Minna und der Reitknecht E-Book

Wilkie Collins

0,0

Beschreibung

Für alle Liebhaber klassischer Literatur ist 'Fräulein Minna und der Reitknecht' ein absolutes Muss. Wilkie Collins' meisterhafte Erzählung bietet nicht nur Unterhaltung, sondern regt auch zum Nachdenken über gesellschaftliche Normen und menschliche Beziehungen an. Mit seiner packenden Handlung und seinen vielschichtigen Charakteren zieht das Buch den Leser von der ersten bis zur letzten Seite in seinen Bann. 'Fräulein Minna und der Reitknecht' ist ein zeitloses Werk, das auch heute noch relevante Themen behandelt und den Leser mit seiner literarischen Brillanz beeindruckt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 61

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Wilkie Collins

Fräulein Minna und der Reitknecht

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-2212-4
Inhaltsverzeichnis
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI

I

Inhaltsverzeichnis

Ich höre, dass die „anstößige Geschichte meiner Aufführung“ auf dem Balle allgemein verbreitet wurde und dass die öffentliche Meinung (unter den Damen) im ganzen Saale dafür hielt, dass ich mich entehrt hätte.

Aber in diesem Chore allgemeiner Verdammung gab es doch eine abweichende Stimme. Sie, gnädige Frau, sprachen mit dem ganzen Gewichte Ihres ausgezeichneten Rufes und Ihres hohen Ranges. Sie sagten: „Die junge Dame, die der Gegenstand tadelnder Bemerkungen ist, ist mir persönlich fremd. Wenn ich also mich einzumischen wage, so geschieht es nur, um Sie daran zu erinnern, dass jede Sache ihre zwei Seiten hat. Darf ich fragen, ob Sie gewartet haben, ein Urteil zu fällen, bis Sie gehört haben, was die Angeschuldigte zu ihrer eigenen Verteidigung zu sagen hat?“

Diese gerechten und edlen Worte brachten, wenn ich recht unterrichtet bin, eine Totenstille hervor. Nicht eine der Frauen, die mich verdammt hatten, hatte meine Verteidigung gehört. Nicht eine wagte, Ihnen zu antworten.

Wie ich in der Meinung von Leuten, wie diese, stehe, ist mir vollkommen gleichgültig. Mein einziges Bestreben ist, zu zeigen, dass ich Ihres rücksichtsvollen Eintretens für meine Person nicht ganz unwürdig bin. Wollen Sie mir die Ehre erweisen, zu lesen, was ich in diesen Blättern für mich selbst zu sagen habe.

Ich will so schnell wie möglich über die Verhältnisse meiner Familie hinweggehen und es aus Gründen der Dankbarkeit und Ehre unterlassen, in meiner Erzählung Zunamen zu nennen.

Mein Vater war der zweite Sohn eines englischen Edelmanns. Eine deutsche Dame war seine erste Frau und meine Mutter. Nachdem er Witwer geworden war, heiratete er zum zweitenmal; die zweite Frau war eine Amerikanerin von Geburt. Sie fasste die Abneigung einer Stiefmutter gegen mich – welche ich, wie ich gestehen muss, einigermaßen wenigstens verdiente.

Als das neuvermählte Paar nach den Vereinigten Staaten ging, ließ es mich nach meinem eigenen Wunsche in England zurück, um dort unter dem Schutze meines Oheims, eines Generals zu leben. Die Ehe dieses guten Mannes war kinderlos geblieben und seine Frau (Frau Claudia) war, vielleicht aus diesem Grunde, ebenso bereitwillig, wie ihr Gatte, mich in der Eigenschaft einer Adoptivtochter bei sich aufzunehmen. Ich darf hier noch hinzufügen, dass ich den Taufnamen meiner deutschen Mutter Wilhelmina führe. Alle meine Freunde pflegten zu der Zeit, da ich noch Freunde hatte, in Minna abzukürzen. Erweisen Sie mir die Freundschaft, mich auch Minna zu nennen.

Wollen Sie nach diesen wenigen einleitenden Worten sich gedulden, wenn ich versuche, Sie mit meinem Oheim und meiner Tante besser bekannt zu machen, und wenn ich auf Umstände anspiele, die mit meinem neuen Leben verbunden sind und die, wie ich fürchte, meinen Charakter zum Schlimmeren veränderten?

II

Inhaltsverzeichnis

Wenn ich an die väterliche Güte des guten Generals gegen mich denke, so bin ich in der Tat in Verlegenheit, so über ihn zu schreiben, wie es die Gerechtigkeit erfordert. Um die Wahrheit zu gestehen – die Tränen treten mir in die Augen und die Zeilen verschwimmen so wirr ineinander, dass ich sie selbst nicht lesen kann. Was meine Beziehungen zu meiner Tante betrifft, so ist es nur die Wahrheit, wenn ich sage, dass sie ihre Pflichten gegen mich ohne die geringste Anmaßung und in der liebenswürdigsten Weise erfüllte.

In einem Alter von nahezu fünfzig Jahren war Frau Claudia noch immer eine bewunderte Frau, obgleich sie den einen Reiz, der sie vor meiner Zeit auszeichnete – den Reiz einer vollendet schönen Gestalt – verloren hatte. Mit schönem Haar und ausdrucksvollen Augen war sie sonst eine einfache Frau. Ihre anspruchslose Gewandtheit und ihre bezaubernden Manieren waren ohne Zweifel die Eigenschaften, welche sie überall beliebt machten. Wir stritten niemals miteinander. Nicht dass ich immer liebenswürdig gewesen wäre, nein, deshalb nicht, sondern weil meine Tante dies nicht geduldet haben würde. Sie behandlete mich, wie sie ihren Gatten behandelte, mit vollendetem Takte. Mit gewissen gelegentlichen Zurechtweisungen leitete sie den General in unbeschränkter Weise. Die Eigenheiten seines Charakters machten ihn zu einem Manne, der sich von einer gewandten Frau leicht beherrschen ließ. Obwohl sie seiner Meinung dem Anscheine nach zustimmte, brachte es Frau Claudia am Ende doch gewöhnlich fertig, ihren eigenen Weg zu gehen. Ausgenommen wenn er in seinem Klub war, glücklich in seinem Klatsch, bei seinem guten Mittagsmahl und seinem Whist, lebte mein vortrefflicher Oheim unter einem Despotismus, aber in der glücklichen Täuschung, dass er Herr in seinem Hause sei.

So glücklich und angenehm mein Leben auch im Äußeren erschien, so hatte es für ein junges Mädchen doch auch seine düstere Seite.

Im gewöhnlichen Verlaufe unseres Lebens, demjenigen reicher Leute im höheren Stande, gab es nichts, was die Entwicklung besserer Fähigkeiten, die in mir vorhanden sein mochten, fördern konnte. So aufrichtig ich auch meinen Oheim liebte und bewunderte, so konnte er doch weder seinem Alter, noch seinem Charakter nach der erwähnte Vertraute meiner geheimsten Gedanken, der Freund meines innersten Herzens sein, der mir zeigen konnte, wie am besten und am meisten Vorteil aus meinem Leben zu ziehen sei. Unter Freunden und Verehrern in Menge hatte ich nicht einen gefunden, der diese Stellung zu mir hätte behaupten können. Mitten in der Gesellschaft war ich, ohne es zu wissen, ein einsames Wesen.

Wie ich mich erinnere, so waren die Stunden die glücklichsten, in welchen in Zuflucht zur Musik und zu meinen Büchern nahm. Außerhalb des Hauses war das Reiten meine einzige immer willkommene und immer neue Zerstreuung. Ohne falsche Bescheidenheit darf ich erwähnen, dass ich sowohl Liebhaber als auch Bewunderer hatte, aber nicht einer von ihnen machte einen Eindruck auf mein Herz.

In allem, was sich auf mein zarteres Gefühl, wie es genannt wird, bezog, war ich ein verschlossenes Wesen. Der Einfluss, den Männer auf Frauen haben, nur weil sie Männer sind, war mir wirklich und wahrhaftig ein Geheimnis. Ich schämte mich meiner eigenen Kälte – ich versuchte, ja ich versuchte es ehrlich, anderen Mädchen nachzuahmen, und mein Herz in der Gegenwart des einen auserwählten Mannes schlagen zu fühlen. Es war unmöglich. Wenn ein Mann mir die Hand drückte, fühlte ich es in meinen Ringen, nicht in meinem Herzen.

Nachdem ich diese Geständnisse gemacht habe, bin ich mit der Vergangenheit fertig und kann nun die Ereignisse erzählen, von denen meine Freundinnen behauptet haben, dass sie eine „anstößige Geschichte“ bildeten.

III

Inhaltsverzeichnis

Während der Saison waren wir in London. Eines Morgens ritt ich mit meinem Oheim wie gewöhnlich nach Hyde Park hinaus.

Der General hatte beim Heere in einem Reiterregiment gedient und sich so ausgezeichnet, dass seine Verdienste seine schnelle Beförderung zu den höheren Stellen seines Berufs rechtfertigten. Auf der Jagd war er als einer der verwegensten und tüchtigsten Reiter der Umgegend bekannt. Es machte ihm immer Vergnügen, junge und mutige Pferde zu reiten und dieser Gewohnheit blieb er auch in seinem späteren Leben treu, als er den aktiven Dienst bereits verlassen hatte. Niemals war ihm ein Unfall zugestoßen, der erwähnenswert gewesen wäre, bis an jenem unglücklichen Morgen, an dem er mit mir hinausritt.