Freundeskrise - Louise Roholte - E-Book

Freundeskrise E-Book

Louise Roholte

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Beschreibung

Es ist nicht immer leicht, 13 Jahre alt zu sein undMichelle zu heißen. Findet Michelle jedenfalls. Wenn die eigene Mutter so viel arbeitet und nie wirklich Zeit für einen hat, kann es ganz schön einsam sein. Die Schule ist auch nicht wirklich leichter. Es ist wichtig, smart zu sein und gut auszusehen. Gemeinsam mit ihrer Freundin Signe gibt Michelle ihr Bestes.Michelle hat ein Auge auf Oliver, den am besten aussehenden Typen der Klasse, geworfen und es scheint so, als ob er sie auch mag ... aber nicht, wenn andere dabei sind! Er simst ihr und besucht sie, aber in der Schule ignoriert er sie total.Was soll das? SIND sie nun zusammen oder nicht? Wie in aller Welt soll man das rausfinden?DIE AUTORINLouise Roholte ist in der kleinen Stadt Præstø aufgewachsen und wohnt nun nahe Kopenhagen in Dänemark. Sie hat Englisch und Kommunikation an der Copenhagen Business School studiert, aber wusste nicht so richtig, was sie damit anfangen wollte. Ihre Mutter Dorte Roholte ist Autorin und hat mehr als 50 Bücher für Jugendliche geschrieben – und so kam es, das Louise auch angefangen hat sich Geschichten für Mädchen im beginnenden Teenageralter auszudenken und diese in mitreißenden Büchern umzuwandeln. Heute ist sie eine oft rezensierte und gefeierte Autorin in Dänemark. "GEFÄHRLICHE FOTOS" und "FREUNDESKRISE" sind ihre ersten Bücher auf Deutsch. LEKTORAT:Noch ein Mädchenbuch in der beliebten Verlagsserie, das mit zwei Schmetterlingen für die Zielgruppe zwischen 12 und 14 Jahre gedacht ist. Die Autorin hat u.a. Gefährliche Fotos veröffentlicht, ein Buch desselben Genres: Ein Mädchenleben mit Freundinnen, Schule und Flirts und ein bisschen Moral zum Nachdenken. In diesem Buch ist die Hauptfigur die 13-jährige Michelle. Sie lebt alleine mit ihrer etwas verlotterten Mutter, die sich nicht um ihr Kind kümmert. Glücklicherweise wird sie von ihren Brüdern und ihrer Freundin Signe unterstützt. Aber warum will ihr Freund nur mit ihr zusammen sein, wenn sie allein sind, und warum kehrt ihr Signe plötzlich den Rücken zu? Die Erklärung bekommen wir am Ende, wo Michelle klar wird, dass sie sich genauso dumm gegenüber der jüngeren und pferdenärrischen Liva aufgeführt hat, auch wenn sie sie mag. Fazit: Ein Buch, das man guten Gewissens jedem Mädchen geben kann, das nach etwas Schnellem und Realistischem fragt." - Lektorat: Elisabeth Bennetsen-

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Louise Roholte

Freundeskrise

 

 

 

Lindhardt & Ringhof

Vorbemerkung der Übersetzerin:

Die Währung in Dänemark ist die Dänische Krone.

7 dänische Kronen entsprechen ca. einem Euro.

In Dänemark ist es üblich, die Lehrer mit Vornamen anzusprechen.

Die Schmetterling-Serie richtet sich an Mädchen zwischen 9 und 14 Jahren. Themen, Sprache und Gefühle sind exakt an die Leser der Zielgruppe angepasst, und bei der Auswahl der Geschichten für die Serie wird Wert auf die Qualität gelegt. Da die Zielgruppe dieser Serie verhältnismäßig breit ist, sind die Titel in zwei Gruppen eingeteilt. Ein Schmetterling bedeutet, dass sich der Titel an den jüngeren Teil der Zielgruppe (9-11 Jahre) richtet, zwei Schmetterlinge verweisen darauf, dass der Titel für den älteren Teil der Zielgruppe (12-14 Jahre) gedacht ist.

1. Kapitel

Der Ball saust an Michelles Ohr vorbei. Sie wirft sich auf den Boden, als Emilie ruft, dass sie sich ducken soll.

„Chill doch mal!“ schreit Michelle. „Das ist nur Völkerball und du kriegst keinen Preis dafür, dass du am meisten zerdepperst.“

Emilie hört sie nicht, sie hat nur Augen für die Gegner. Eine Sekunde später feuert Sofie den Ball von der anderen Seite des Strichs auf Michelle. Er trifft sie am Oberschenkel und darum ist sie gar nicht böse, jetzt nicht mehr die Zielscheibe sein zu müssen.

„Das hättest du echt vermeiden können“, motzt Emilie. „Jetzt sind nur noch ich und der König im Spiel.“

„Oh neiiiin, was für eine Katastrophe“, zieht Michelle sie auf und tut so, als ob sie in ihre Nägel beißt. „Glaubst du, wir schaffen das?“

Jytte schnappt sich die Pfeife und pustet fest hinein. „Ganz ruhig, Mädels. Seid nett zueinander.“

Signe sitzt auf dem Boden mit dem Rücken an der Sprossenwand und betrachtet den dunkelblauen Lack auf ihren Zehennägeln. Ihr Ball ist vor Kurzem gefangen worden, aber das war mit Absicht, weil sie ihn Sofie direkt in die Arme geworfen hat. Sie wechseln einen Blick und Signe tippt sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe um zu zeigen, dass Emilie nervt. Da hat sie so was von Recht. Michelle setzt sich mit einem lauten Seufzer neben Signe und schaut aus den großen Fenstern um zu sehen, ob sie einen der Jungs erspähen kann. Sport ist Zeitverschwendung, und heute ist es noch langweiliger als sonst, weil die Jungs draußen Fußball spielen. Wenn es nicht die ungeschriebene Regel gäbe, dass Mädchen lieber Handball, Völkerball oder Brennball drinnen spielen, wäre sie mit raus gegangen. Dann hätte sie mit Oliver in eine Mannschaft kommen können und vielleicht hätte er sie süß gefunden, wenn sie einen Patzer machen oder über den Ball fallen würde. Jytte steckt wieder die Pfeife in den Mund und pustet, als Emilie einen Ball fängt. Sie winkt in Richtung Sprossenwand, eine von ihnen soll rein gehen.

„Hopp, hopp!“ ruft sie.

Emilie schaut Michelle und Signe irritiert an, aber die beiden tun so, als ob nichts wäre. Es gibt eine unangenehme Pause, bis endlich ein Mädchen aus der Parallelklasse aufsteht.

„Ich hab mir was überlegt“, sagt Michelle. „Wie wär’s, wenn wir uns ein eigenes Wort ausdenken?“

Signe hört auf, an ihrem Nagellack rumzupulen und dreht sich neugierig um.

„Was für eins?“

„So was wie ’cool’, ’fett’, ’king’ oder das bescheuerte ’swag’. Dann könnten wir das immer sagen, ohne dass die anderen wüssten, was es heißt.

„Wir könnten bestimmt was anderes als ’king’ finden“, meint Signe nachdenklich. Zum Beispiel ’kaiser’ oder ’cäsar’.

„Wenn das Spiel noch kämpferischer wäre, würde ich ’cäsar’ nehmen“, versucht Michelle es und rückt zur Seite, als der Ball zu nah kommt. „Hey, was ist mit ’ballig’?”

Signe grinst.

„Wenn die Stunde jetzt vorbei wäre, sollten wir das nehmen, finde ich.“

„Dafür.”

Michelle schaut auf die große Uhr, die über dem einen Handballtor hängt.

„Nur noch zehn Minuten”, flüstert sie. „Wollen wir uns ins Bad verdrücken?“

Signe nickt und steht auf.

„Jytte wird’s nur merken, wenn Emilie uns verpetzt, und ich glaub nicht, dass sie sich das traut.“

Sie schleichen zum Ausgang. Niemand schreit rum, als sie die Tür zur Umkleide öffnen und reinhuschen. Mathilde sitzt auf der Bank und kämmt sich die Haare, Aisha reibt gerade ihre Arme mit Bodylotion ein.

„Na, hattet ihr auch keinen Bock mehr?“ grinst Mathilde.

„Nee, das ist ja wohl mal total krank“, erwidert Michelle. „Dafür sein Leben aufs Spiel zu setzen ist es einfach nicht wert.“

Michelle streift das T-Shirt ab und legt es auf die Bank neben die Tasche. Es nervt voll, dass sie den ganzen Dienstag mit ihrem Sportbeutel rumrennen soll. Sie findet, es sieht total kindisch aus, aber da kann man nichts machen. Jytte nimmt ihren Job als Sportlehrerin sehr ernst, und diejenigen, die nicht zur Stunde erscheinen, werden hart bestraft. Anfang des Jahres hatte Mathilde versucht sich zu drücken, indem sie Bauchschmerzen vortäuschte. Das war an sich ganz clever, aber Jytte sagte laut zu allen anderen, dass Mathilde wegen Menstruationsbeschwerden verhindert sei. Danach hatte Mathilde es gelassen. Signe hat versucht, sich mit einem verstauchten Knöchel rauszureden. Michelle hat an Jyttes Vernunft appelliert, dass sie doch keine organisierte Bewegung bräuchten. Nichts davon hat geholfen. Das einzig Gute an Sport ist, dass man keine Hausaufgaben kriegen kann.

Michelle kramt Shampoo und Duschgel raus, trippelt neben Signe zur Dusche und macht das Wasser an. Es ist komisch, daran zu denken, dass sie mal gemeinsam mit den Jungs das Bad benutzt haben. Michelle kann sich gar nicht mehr erinnern, wie das war, aber sie weiß, dass sie das in den unteren Klassen gemacht haben. Damals waren sie bestimmt mit allem möglichen anderen beschäftigt wie Zookeksen und roter Limo. Jetzt ist das anders, und selbst wenn Michelle nicht direkt hinschaut, weiß sie genau, wie alle Mädchen in der 7A und B ohne Klamotten aussehen. Sie weiß zum Beispiel, dass Sofie hässliche Hammerzehen, Aisha Orangenhaut an den Oberschenkeln und Emilie ein riesen Muttermal auf der linken Pobacke hat. Es gibt eine Art kleinen Wettbewerb, wer den tollsten Körper hat. Emma und Mathilde teilen sich den ersten Platz, findet Michelle. Sie kann es nicht lassen, die Unterwäsche der anderen abzuchecken.

Emma hat immer stylische BHs mit Spitze und Blümchen in zarten Farben an. Ihre Unterwäsche sieht aus wie die, die in den teuren Geschäften am Marktplatz verkauft wird, und Michelle hat noch nie erlebt, dass das Ober- und Unterteil mal nicht zusammengepasst hätten. Michelle hat ihre Mutter schon mehrmals gefragt, ob sie ein Set aus dem Dessousladen haben darf, und jedes Mal hat sie ein klares Nein als Antwort bekommen. Ihre Mutter findet, dass sie nicht in einem BH rumlaufen soll, der mehr als ihre restlichen Klamotten zusammen kostet. Da könnte was dran sein. Die meisten haben Unterwäsche von H&M. Ihre kauft sie auch immer dort, wenn sie mit Signe shoppen geht.

„Waaah!“

Signe springt zur Seite und zeigt auf einige kurze, schwarze Haare, die auf der Wasseroberfläche herum und gegen den einen, blaulackierten Zeh schwimmen. Ein kleiner Haufen Haare treibt direkt auf Michelles Füße zu. Sie schreit und hüpft auf die trockenen Fließen um zu prüfen, ob welche davon auf ihr gelandet sind.

„Sind das eure Haare, die da rumschwimmen?“ fragt sie.

Aisha kommt mit einer Mascarabürste in der Hand auf sie zu und guckt, wo Signe mit ihrem Zeh hinzeigt.

„Hmm, kann schon sein, dass das meine sind, aber ich hab mir bloß die Achseln rasiert.“

Michelle und Signe schauen sich an und sind sich völlig einig, dass das eklig ist, egal wo die schwarzen Haare herkommen.

Sie beobachten die Haare, während sie das letzte Shampoo auswaschen. Als sie gerade damit fertig sind, kommen Emilie und Sofie hereingeplatzt.

„Das ist echt die feine Art, sich einfach so davonzumachen”, sagt Sofie sauer und wirft den Kopf zurück. „Supertoll, danke für die Hilfe.“

„Wir dachten, ihr kriegt das selbst hin, und hatten keine Lust, auf dem Spielfeld zu sterben“, antwortet Michelle. „Vielleicht solltet ihr mal drüber nachdenken, ob ihr nicht ein bisschen überreagiert.“

Emilie und Sofie flüstern sich etwas zu und Michelle kann hören, dass ihr Name fällt. Verrückt, dass sie wegen so einem scheiß Ballspiel so ausflippen können. Mathilde nimmt ihre Tasche und öffnet die Tür zum Flur. Aisha folgt ihr, ohne die Tür hinter sich zu schließen. Das ist nicht so schlimm, weil es eine orange Trennwand gibt. Wenn jemand vorbeiläuft, kann er nur ein paar Meter in die Umkleide reinschauen. Signe hat vor, die Tür trotzdem zu schließen, aber als ein Föhn frei wird, geht sie dorthin.

Direkt vor der Tür befindet sich ein Spiegel. Michelle überlegt nur einen Augenblick, bevor sie sich mit ihrem Make-up davor stellt. Auf ihrem BH sind kleine Goldfische. Er passt zu ihrer türkisfarbenen Unterhose mit Spitzenrand. Die Unterhose sitzt ziemlich tief und bedeckt nur das Nötigste. Langsam schraubt sie die Wimperntusche auf. Sie fühlt die Spannung im Bauch kribbeln, als die Tür zur Jungenumkleide aufgeht. Wenn sie sich beim Vorbeilaufen umdrehen, können sie sie nicht übersehen. Ihr Herz klopft, als sie Stimmen hört. Sie tut so, als ob sie sehr darauf konzentriert ist, alle Wimpern mit Farbe zu versehen. Ein paar der Jungs aus der Parallelklasse halten an. Aus dem Augenwinkel kann sie erkennen, dass sie sich anschubsen und grinsen. Sie zieht den Bauch ein und macht ein Hohlkreuz. Gerade kann sie Olivers Stimme hören, als Signe mit einem Handtuch umwickelt reingerauscht kommt.

„Die Tür ist offen!“ ruft sie warnend und knallt sie zu.

Michelle zuckt erschrocken zusammen, schaut auf den Flur und hält sich die Hand vor den Mund.

„Oh nein, denkst du jemand hat mich gesehen?“

„Einige standen schon da und haben geglotzt, aber ich konnte nicht sehen, wer“, meint Signe.

Michelle gibt ihr Bestes, um schockiert auszusehen. Eilig geht sie zu einem der Spiegel an der gegenüberliegenden Wand.

„Wie gut, dass du das gemerkt hast“, sagt sie. „Sonst wär’s ja richtig peinlich geworden.“

Signe wirft ihr einen merkwürdigen Blick zu. Michelle hat Angst, Signe könnte merken, dass sie es mit Absicht gemacht hat. Glücklicherweise kommt Jytte an ihnen vorbeigewatschelt, die Pfeife um den Hals baumelnd, und sie schneiden Grimassen, als sie die Bluse über den Kopf zieht. Ihr Sport-BH ist bestimmt mindestens vier Nummern zu klein, weil mehr Brust über dem Stoff ist als darunter. Michelle fällt es schwer zu glauben, dass er jemals gepasst hat. Michelle und Signe gehen zu ihren Klamotten. Michelle schlurft ein paar Meter hinter Jytte her und äfft ihre Art zu gehen nach. Es ist schwer die Balance zu halten, weil Michelle übertreibt, um Signe zum Lachen zu bringen. Sie wirft sich auf die Bank und haut sich das Schienbein an. Signe kichert und Michelle macht mit, während sie stöhnt.

„Was ist los, Mädels?“ fragt Jytte und dreht sich um. „Seid ihr schon fertig mit duschen? Wir sind doch gerade erst aus der Halle gegangen?“

„Ja, aber wir sind blitzschnell“, entgegnet Michelle keck.

Jytte nimmt die Pfeife ab und hängt sie an einen Haken. Mit einem verwaschenen Handtuch um die Hüften watschelt sie zur Dusche. Mit Klamotten sieht Jytte eigentlich ganz normal aus, aber wenn sie sie auszieht, ist das eine ganz andere Geschichte. Der Bauch hängt in großen, schlaffen Fettpolstern runter und ist so lang, dass der Nabel direkt auf die Erde zeigt. Die Brüste sehen aus wie dicke, weiße, mit Kartoffeln gefüllte Socken, die Oberschenkel kleben aneinander.

„Wenn mein Körper irgendwann mal so wie Jyttes aussieht, spring ich von 'ner Brücke“, flüstert Michelle.

„Dafür”, meint Signe. „Wie viele Kinder sie wohl hat? 50 oder was?”

Michelle wirft einen Blick auf Jyttes Hängebauch und schaudert, während sie die Schuhe anzieht.

„Bist du fertig?” fragt sie. „Ich glaub ich werd blind, wenn ich auch noch sehen muss, wie sie sich abtrocknet.“

Signe nickt. Michelle überprüft ein letztes Mal ihr Spiegelbild, dann schnappt sie sich den Sportbeutel und wirft ihre Tasche über die Schulter.

„Dann lass uns gehen.“

2. Kapitel

Als sie mitten auf dem Schulhof stehen, hört der Gong auf zu läuten. Kurz darauf wimmelt es von Kindern.

„Voll krank, dass wir so viel auf haben“, murrt Signe. „Reden die überhaupt nicht miteinander oder was?“

„Glaub nicht, denn wenn sie das tun würden, hätte Karen uns nicht noch mehr aufgebrummt“, meint Michelle.

Ihre Haare kleben an der Kopfhaut. Sie fährt mit den Händen durch und schüttelt sie an ihren Platz. Normalerweise machen sie dienstags immer was zusammen, weil sie früh aus haben, aber Signe will heim und sich Mathe für morgen angucken. Das sollte Michelle auch tun. Sie hat bloß keine Lust. Oliver und Malthe stehen hinter dem Zaun und warten auf den Bus. Michelle wirft ihre Haare zurück und lächelt das Lächeln, das sie zu Hause vor dem Spiegel geübt hat.

„Vielleicht können wir nachher mal wegen Mathe telefonieren?“

Michelle begnügt sich zunächst mit einem Nicken, aber weil Signe in die andere Richtung guckt, muss sie dann doch antworten.

„Ja, können wir machen.“

Jetzt ist das Lächeln hin. Naja, ist auch egal, weil Oliver damit beschäftigt ist, mit Malthe zu reden und garantiert noch nicht gemerkt hat, dass sie da ist. Michelle war richtig fertig, als sie rausfand, dass er dabei war, mit Emma aus der Parallelklasse zusammen zu kommen. Sie hatte nämlich geglaubt, er würde sie mögen, und es war megahart, ihn und Emma händchenhaltend und quatschend im Flur zu sehen. Sie wirkten sehr verliebt, aber letzten Montag hatte sie Gerüchte gehört, dass sie am Wochenende Schluss gemacht hätten. Michelle hat sie beobachtet und das Gerücht scheint wahr zu sein, weil sie sie seitdem nicht ein einziges Mal zusammen gesehen hat. Sie weiß nicht, wer von beiden Schluss gemacht hat, und es ist auch egal. Das Wichtigste ist, dass Oliver Single ist. Signe schließt ihr Fahrrad auf. Michelle fummelt ein bisschen mit dem Schlüssel herum, während sie zu Oliver schielt, um zu sehen, ob er in ihre Richtung schaut.

„Was machst du heute noch so?” fragt sie abwesend.

„Ich muss doch diese bescheuerten Hausaufgaben machen!“ antwortet Signe sauer.

„Darüber haben wir doch gerade geredet, oder?“

„Ach ja.“

Michelle zögert die Zeit raus, weil sie hofft, dass Oliver zu ihr rüber kommt. Sieht aber nicht so aus, denn er steht gegen den Zaun gelehnt und blinzelt in die Sonne, während Malthe drauf los plappert. Seufz, wie gut er einfach aussieht, wie er so mit Sonne im Haar dasteht …

„Ich kapier einfach immer noch nicht, was du in ihm siehst“, zieht Signe Michelle auf und gibt ihr einen Klaps.

„Was meinst du?“

„Ja, was glaubst du denn?“

Signe grinst und Michelle gibt es auf zu lügen, weil sie weiß, dass Signe sie längst durchschaut hat.

„Ich kann doch nichts dafür.“

„The heart wants what the heart wants, und das war auch nur Spaß“, sagt Signe und steigt aufs Fahrrad.

„Ich ruf später an, wenn ich wegen Mathe ausraste.“

Michelle nickt und winkt.

„Das ist einfach ballig!”

Sie hatte gehofft, dass das Wort ’ballig’ Oliver dazu bringen würde zu gucken, aber er steht einfach da und ist mit seinem Handy beschäftigt.

Wie soll sie seine Aufmerksamkeit bekommen? Ohne darüber nachzudenken, fängt sie an, das Thema von ’Benjamin Blümchen’ zu pfeifen. Das war das erste, was ihr einfiel, und es ist merkwürdig genug, dass er sich umdrehen müsste. Mist, klappt auch nicht. Michelle versucht, ein bisschen lauter zu pfeifen, aber Oliver schaut sie nur kurz an, bevor er weiter auf seinem Handy liest.

„Benjamin, du lieber Elefant”, singt ein kleiner Junge, der an der Hand einer alten Dame auf dem Bürgersteig vorbei geht. „Törööö! Oh, ich liiiebe Benjamin!“